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Wir müssen draußen bleiben | Von Roland Rottenfußer (Podcast)

Published On: 11. August 2021 15:31

Ein neues Positionspapier aus dem Hause Spahn plant den Lockdown für Ungeimpfte und weist den Weg in die Corona-Zweiklassengesellschaft.

Ein Standpunkt von Roland Rottenfußer.

Wenn Sie sich heutzutage informieren wollen, versuchen Sie es bei der BILD-Zeitung! Die anspruchsvolleren Magazine haben ja zum großen Teil jeden Anspruch auf Freiheit und eine kritische Berichterstattung aufgegeben. Die Redakteure benutzen ihren Intellekt oft nur noch, um ihr Versagen in der Corona-Krise etwas besser zu interpretieren. Das Video-Format von BILD also nahm sich des neuen Papiers aus dem Gesundheitsministerium an, das am 3. August 2021 bekannt wurde. Es soll als Diskussionsgrundlage für die geplante Ministerpräsidentenkonferenz am 10. August dienen und könnte der Startschuss für die Corona-Strategie der Bundesregierung im kommenden Herbst und Winter sein.

Dort heißt es unter anderem: „Ein so einschneidender Lockdown wie in der zweiten und dritten Welle wird aller Voraussicht nach nicht mehr notwendig sein.“ BILD-Journalist Filipp Piatov merkt zu Recht an, dass damit gesagt wird, ein weiterer Lockdown sei nicht ausgeschlossen. Und nur „aller Voraussicht nach“ wird er milder ausfallen als die zwei oder drei anderen.

Nach den unglaublichen Verwüstungen, die die letzten 18 Monate im Wirtschaftsleben und im sozialen Leben unseres Landes angerichtet haben, und nachdem die Impfbereitschaft der allermeisten Deutschen doch gerade für Impfbefürworter Grund genug für eine Entwarnung sein müsste, wäre das mindeste, was die geplagte Bevölkerung hätte erwarten können, eine klare Absage an wie auch immer geartete neue Lockdowns gewesen.

Weiter steht dort:

„Daher sollte unabhängig von der Inzidenz ab Anfang/Mitte 2021 die Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen in ganz Deutschland generell nur unter Einhaltung der 3G-Regeln (3G: Geimpft, genesen oder getestet) möglich sein: Innengastronomie, Hotelübernachtungen, körpernahe Dienstleistungen, Sportveranstaltungen im Innenbereich, Veranstaltungen im Innenbereich sowie Großveranstaltungen drinnen und draußen.“

Diese Sätze sind schlimmer, als sie auf den ersten Blick erscheinen. Zunächst: Warum plötzlich „unabhängig von der Inzidenz“. Fast zwei Jahre lang lief in Deutschland gar nichts mehr „unabhängig von der Inzidenz“. Die von den Medien bis zum Überdruss wiedergekäuten Zahlen waren so etwas wie das Allerheiligste des Corona-Kults gewesen. Haben die Verantwortlichen Angst, die Zahlen würden für die politisch gewünschten Freiheitseinschränkungen bald nicht mehr genug „hergeben“? Wird ein bisher als sakrosankt geltendes Kriterium nun fallen gelassen, wenn es die falschen Schlussfolgerungen nahelegt? Noch schärfer gefragt: Will man 2U-Menschen (Ungeimpft, ungetestet) in ihrer Stammpizzeria bald schon vor die Tür weisen, selbst wenn die Inzidenz bei Null liegt — was im Frühsommer in manchen Landkreisen durchaus der Fall war?

Der Lockdown für Ungeimpfte

Weiter ist anzumerken: Im Spätherbst, Winter und bei Frühlingsanfang gibt es aus Gründen der Witterung nur noch „Innengastronomie“. Es liefe auf ein totales Restaurant- und Kneipenverbot für „Impfmuffel“ heraus. „Insbesondere für ungeimpfte Personen“, so heißt es weiter, könnten jedoch — diesmal abhängig von den Inzidenzwerten und anderen relevanten Faktoren — „weitergehende Einschränkungen notwendig werden“.

Konkret gemeint ist die Formel „2G statt 3G“. Auch mit taufrischem negativem Corona-Test müssten die „Muffel“ und „Verweigerer“ draußen bleiben. „Das ist nichts weniger als die Vorbereitung des Lockdowns für Ungeimpfte“, analysiert der BILD-Moderator zutreffend.

Würde dieses Papier wörtlich und ohne Abstriche umgesetzt werden, dürften demnach auch Kinder unter 12 Jahren, die nach derzeitiger Gesetzlage gar nicht geimpft werden können, nicht gemeinsam mit ihren Eltern in Restaurants, Cafés und zu Veranstaltungen gehen. Somit würden oft auch die begleitenden Eltern draußen bleiben, egal wie oft sie sich haben piksen lassen.

Übrigens beträfen die Einschränkungen, wie Filipp Piatov nachrechnet, rund 30 Millionen Deutsche. Vermutlich werden das dank der massiven Propaganda und der Drohungen gegen Ungeimpfte bis zum Winter weniger werden — aber immerhin!

Großbritannien feierte unlängst einen „Freedom day“, die Aufhebung aller Maßnahmen — offenbar ohne bleibende Schäden für die Gesundheit der Menschen dort. Auch in vielen US-Staaten, Dänemark und den Niederlanden sind die meisten Corona-Beschränkungen Vergangenheit. Nicht in allen Ländern, die teilweise extrem „gelockert“ haben, ist die Entwicklung so positiv verlaufen wie in Großbritannien. Aber angesichts der bekannten Zahlenmanipulationen kann man diesbezüglichen Nachrichten ohnehin nur bedingt trauen.

Ganz offenbar sind andere Regierungen lernfähig. Sie haben verstanden, dass sie dieses „Spiel“ nicht endlos weiterspielen können, dass es zwar virologisch geboten wäre, dass kein Mensch auf dieser Erde mehr irgendeinem anderen Menschen nahekommt, dass dies aber dem Recht und der Freiheit widerspräche — nicht zuletzt auch der Natur des Menschen.

Minderheiten aussperren — eine historisch belastete Verhaltensweise

Man muss vergleichen können. Ohne Vergleiche schwebt ein Geschehen im luftleeren Raum. Keine Situation eines heute lebenden Deutschen ist mit dem Leid jener Menschen vergleichbar, die im Dritten Reich Opfer eines von kaltem Herzen organisierten und exekutierten Massenmordes wurden. Und dennoch: Manche Parallelen zu den frühen Erscheinungsformen der Diskriminierung von Juden nach 1933 drängen sich einfach auf und wirken beklemmend.

So erzählt ein Artikel auf „Jüdische Geschichte online“:

„Am 28.11.1938 wurde eine reichsweite Polizeiverordnung veröffentlicht (Reichsgesetzblatt I. S. 1676), die es nunmehr Juden verbot, ‚bestimmte Bezirke (…) (zu) betreten oder sich zu bestimmten Zeiten in der Öffentlichkeit (…) (zu) zeigen‘. In der Auslegung des Berliner Polizeipräsidenten vom 3.12.1938 erstreckte sich dieses Verbot zudem auf Theater, Kinos und Museen.“

Juden nach 1933 war es verboten, ins Theater zu gehen. Ungeimpften könnte es im jetzigen Deutschland sehr bald verboten sein, ins Theater zu gehen. Ist das wirklich etwas völlig anderes?

Und selbst, wenn für Ungeimpfte nichts Schlimmeres nachkommt, ist es nicht in höchstem Maße beschämend, dass über dergleichen in Deutschland heute überhaupt geredet wird?

Es muss nicht immer das „Dritte Reich“ sein, an das man erinnert. In Saudi-Arabien war lange das Fahrradfahren für Frauen verboten. Im Gegensatz zum mittlerweile halbverschleierten Deutschland scheint dort jedoch eine Entwicklung hin zu mehr Freiheit stattgefunden zu haben. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Einer bestimmten Bevölkerungsgruppe die Teilhabe an elementaren Lebensaktivitäten zu verbieten, die einer anderen erlaubt sind, ist schäbig und diskriminierend. Schon der Gedanke daran sollte das Aus für jeden Politiker sein, der dergleichen vorschlägt.

Eine Gewissensfrage

Dies ist somit auch ein Appell an die Geimpften und an all diejenigen, die zu den Corona-Maßnahmen eine eher zustimmende Haltung einnehmen. Für ihre Meinung mag es gute Gründe geben. Aber wagen wir ein Gedankenexperiment. Würden Sie als Christ, Atheist oder Agnostiker ein Restaurant besuchen, an dessen Tür ein Schild hängt: „Nur für Christen, Atheisten und Agnostiker“? Würden Sie nicht ins Nachdenken kommen? Wären Sie nicht abgestoßen davon, was diese Beschränkung im Umkehrschluss bedeutet: Muslime, Buddhisten und andere müssten draußen bleiben! Würden Sie nicht mit Blick auf die schäbige Geisteshaltung des Restaurantbesitzers auf einen Besuch selbst dann verzichten, wenn Sie selbst zur „In-Group“ gehörten?

Und umgekehrt: Wie würden Sie sich als Muslim fühlen, wenn Sie an so einem Laden vorbeikämen und beobachteten, wie „Christen“ achtlos und unter selbstverständlicher Ausnutzung ihrer Privilegien hineinströmten?

Sicher werden sich gegen diesen Vergleich Einwände erheben. Man muss sich ja bloß impfen lassen, dann wäre man „drin“? Ja, aber Muslime könnten auch nicht einfach Christen werden, wenn ihnen das andauernde Diskriminiertwerden auf die Nerven geht. Bei Ungeimpften wird gern darauf verwiesen, dass sie schließlich die Allgemeinheit gefährdeten. Dies sei ein Unterschied gegenüber der Diskriminierung von Muslimen, Schwarzen und anderen „klassischen“ Minderheiten.

Aber ungeimpft zu sein, ist eben nicht nur ein objektiver Gesundheitsstatus, es ist auch Ausdruck einer Überzeugung, einer spezifischen „Medizinideologie“, einer politischen Haltung zur Corona-Frage, verbunden mit einer ganz persönlichen Abwägung der Risiken sowie der Prioritäten, die man bezüglich Freiheit und Sicherheit für sich setzt. Durch Druck, direkten und indirekten Zwang wird es Menschen erschwert, dieser Überzeugung durch ihr praktisches Verhalten Ausdruck zu verleihen.

Die Mentalität der Staatsmacht in der Impfungsfrage ist gekennzeichnet durch einen fundamentalen Mangel an Respekt: „Es ist uns egal, wie die sich fühlen, die sollen einfach parieren.“

Wer nicht willig ist, muss gebrochen werden, bis sein Verhalten zumindest äußerlich dem der Willigen entspricht. Eine an Menschenrechten orientierte pluralistische Gesellschaft sieht anders aus.

Wie „gefährlich“ sind Ungeimpfte wirklich?

Und natürlich muss in diesem Zusammenhang untersucht werden, wie wahrscheinlich es derzeit tatsächlich noch ist, dass ein Ungeimpfter einen anderen Ungeimpften oder — Gott bewahre! — sogar einen Geimpften ansteckt. Aktuell gibt es 28.000 „Corona-Infizierte“. Sagt die Bundesregierung. Und die Bundesregierung ist eine ehrenwerte Institution. Deutschland hat etwa 83 Millionen Einwohner. Die Chance, dass ein Mensch, den Sie im Foyer eines Kinos treffen, mit Corona infiziert ist, beträgt demnach ungefähr 1:3.000. Gute Chancen also, dass Sie den Kinobesuch überleben.

Hinzu kommt, dass nicht jeder von der Bundesregierung so bezeichnete „Infizierte“ tatsächlich noch ein Ansteckungsrisiko darstellt. Sie kennen sicher den Unterschied zwischen „positiv getestet“ und „tatsächlich krank“.

Hinzu kommt: Mit großer Wahrscheinlichkeit bleiben die tatsächlich Kranken ja ohnehin zuhause. Sei es in Zwangsquarantäne oder freiwillig, weil sie sich nicht gut fühlen und niemanden anstecken wollen.

Hinzu kommt: Nicht jeder, dem Sie begegnen, kommt Ihnen auch nahe, und nicht bei jedem, der Ihnen nahe kommt, findet auch wirklich eine „Übertragung“ statt.

Hinzu kommt: Wahrscheinlich werden Sie von demjenigen ohnehin durch Maske oder Plexiglasscheibe abgeschirmt sein — außer am Sitzplatz, den Ihnen der Einweiser mit autoritärer Gebärde zuweisen wird und der von Ihrer Nebenperson mit Sicherheit weiter als nur anderthalb Meter entfernt sein wird.

Hinzu kommt — das bitte nicht vergessen: Sie sind ja mit großer Wahrscheinlichkeit geimpft, und was kann da — legt man die Parolen zu Grunde, die die Bundesregierung höchstselbst ausgegeben hat — überhaupt noch schief gehen?

Wie wahrscheinlich ist es also, frage ich, dass Sie sich im Kino, im Café oder Restaurant mit Covid-19 anstecken würden, sollte Jens Spahn seinen diskriminierenden Plan fallen lassen? Das soll bitte jemand ausrechnen, der in Mathematik besser ist als ich.

Als Fazit bleibt aber: Ganz offensichtlich sind die Gründe für den Vorstoß des Ministers und seiner Unterstützer keine vernünftigen. Zumindest keine legitimen. Der Zweck der Veranstaltung ist also wohl eher eine „Volkserziehung“. Der Druck, sich impfen zu lassen, soll noch weiter verstärkt werden. Weniger freundlich ausgedrückt ist es nackte Repression, Menschenschinderei und soziale Spaltung der Bevölkerung.

Indem das Thema auf der Tagesordnung gehalten wird, wird zugleich bei der „Normalbevölkerung“ Misstrauen gegenüber Ungeimpften gesät. Wären die nicht furchtbar gefährlich — so könnten Corona-„Normale“ denken —, wozu dann diese Maßnahmen?

Dabei ist keineswegs klar, wer für wen ein größeres Risiko darstellt. Denn Menschen mit einem durch Impfung geschwächten Immunsystem könnten sich als anfällig für allerlei Krankheiten erweisen — von Corona einmal abgesehen. Auch stellt die andauernde Konfrontation mit ängstlichen, aggressiven, belehrenden und konformistischen Menschen auf die Dauer eine nicht zu unterschätzende Belastung auch für die psychische Gesundheit derer dar, die versuchen, sich von der allgegenwärtigen Panik nicht ergreifen zu lassen. Dieser Vorwurf richtet sich jedoch nicht an alle Geimpften und Maßnahmenbefürworter. Man kann und sollte hier durchaus differenzieren.

Geimpfte, solidarisiert euch!

Gern wird „weißen alten Männern“ ja heute Privilegien-Genuss vorgeworfen, somit Ignoranz gegenüber der Situation von Menschen, die diese Privilegien nicht besitzen. Wenn ich auf meine journalistische Arbeit zurückblicke, kann ich sagen, dass ich sehr häufig die Partei diskriminierter Minderheiten ergriffen habe, dass ich nicht geschwiegen habe, wenn Homosexuellen, Menschen mit Behinderung, Zugewanderten, Muslimen, Schwarzen, Juden und anderen Personen und Mitbürgern ihre Rechte genommen wurden. Ich würde das auch wieder tun.

Würden in Restaurants plötzlich Schilder auftauchen, auf denen „Zutritt nur für Heterosexuelle“ stünde, ich würde protestieren und damit indirekt auch für die Rechte eines Jens Spahn eintreten.

Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit, dass Vertreter dieser Minderheiten auch einmal für uns Ungeimpfte eintreten. Im Film „Philadelphia“ gelingt es dem AIDS-kranken Andrew Becket (Tom Hanks), den schwarzen Anwalt Joe Miller (Denzel Washington) für seine Sache zu gewinnen, indem an dessen eigene Diskriminierungserfahrung appelliert.

Abgesehen von Eric Clapton, dem Nachdenkseiten-Redakteur Jens Berger und BILD-Chef Julian Reichelt habe ich aber bisher nur von wenigen Fällen erfahren, in denen Menschen sich als geimpft outeten, jedoch klar gegen die Diskriminierung von Ungeimpften auftraten. An die Adresse derjenigen, die jetzt meinen, das alles ginge sie nichts an, noch ein Wort: Es gibt kein gutes Leben im Schlechten. Und früher oder später kann es auch die jetzt doppelt Geimpften treffen.

Dann nämlich, wenn Regierung und Medien versuchen werden, ihnen im Halbjahresrhythmus Auffrischungsimpfungen aufzuschwatzen, wenn sich Beschwerden aufsummieren oder erst mit der vierten oder fünften Impfung auftreten, wenn zuvor regierungskonforme Menschen angesichts der weiter bestehenden Panikmache und der Freiheitseinschränkungen an dem Sinn der ganzen „Veranstaltung“ zu zweifeln beginnen, wenn sie dann Impfangebote nicht wahrnehmen und sich unversehens zusammen mit den Impfmuffeln der ersten Stunde „draußen vor der Tür“ wiederfinden.

Ein Gedanke jedenfalls scheint mir unabweisbar: Wer es nötig hat, unfaire Mittel anzuwenden, um Menschen in eine bestimmte Richtung zu drängen, wer Zwang und Nötigung anwenden muss, mit dessen Überzeugung kann es nicht weit her sein. YouTube zensierte unlängst ein Video des Wiener Psychotherapeuten Raphael Bonelli.

Darin forderte Bonelli seine Zuseherinnen und Zuseher auf, über mögliche Impfschäden und Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen zu berichten und diese in der Kommentarspalte zu dokumentieren. Er ermutigte sie aber auch, Corona-Erkrankungen in ihrem Umfeld zu dokumentieren. 6.000 Kommentare sammelten sich unter dem Video an. Die überwältigende Mehrheit davon meldete Impfschäden. Obwohl das Ergebnis nicht repräsentativ und statistisch „signifikant“ sein dürfte, hatten die Impfgläubigen von YouTube offenbar furchtbar Angst davor.

Das System wird offenbar nervös. Es könnte sein, dass die Impfschäden nach einiger Zeit nicht mehr unter dem Deckel zu halten sein werden. Allgemein gilt ja: Wer wirbt, hat es nötig. Er möchte einen Mangel kompensieren, weil ihm klar ist, dass sein Produkt nicht die notwendige Substanz hat, um für sich selbst zu sprechen.

Testen — das fragwürdige „Privileg“

Noch ein paar Worte zum Thema „3G“. Jens Spahn lässt ja die Option offen, dass sich — nicht zu hohe Inzidenzzahlen vorausgesetzt — ungeimpfte Menschen für bestimmte Veranstaltungen auch „freitesten“ können. Darauf könnte es hinauslaufen, wenn — wie es jetzt aussieht — die SPD und auch Armin Laschet das Spahn-Konzept nicht in vollem Umfang mittragen und eine Kompromisslösung gesucht werden muss. Ein bisschen Diskriminierung muss sein, aber wir wollen es ja nicht übertreiben.

Das Argument „Du kannst dich ja immer noch testen lassen“ verfängt nur teilweise, speziell, wenn Zwangstests demnächst — was wohl jetzt beschlossen ist — kostenpflichtig sein werden. Das ist zunächst sozial ignorant. Schon Hartz-IV-Empfänger und Sehr-gering-Verdiener könnten damit „draußen“ sein. Oder es könnte auf einen De-facto-Impfzwang für Arme hinauslaufen, während Wohlhabende die Tests zumindest finanziell locker verkraften.

Aber auch für Menschen, die es sich einigermaßen leisten können, bleibt es eine Art „Ungeimpften-Strafe“. Die Betroffenen würden also zur Ader gelassen werden wie Menschen, die wiederholt wegen Verkehrsdelikten Strafen kassieren. Aus grundsätzlichen wie finanziellen Erwägungen würden viele deshalb wohl von Kino-, Theater- und Restaurantbesuchen absehen. Vor allem wenn es stimmt — wie derzeit kolportiert wird —, dass PCR-Tests 20 oder 30 Euro kosten sollen, wären ein Kinobesuch für 9 Euro oder Kaffee und Kuchen für 6 Euro absurd.

Eine Trotzreaktion seitens der neuen Unberührbaren wäre jedoch mehr als verständlich. Denn so schwierig die Situation für Restaurantbesitzer subjektiv auch wäre — sie würden von Ungeimpften nicht ohne Grund als die willigen Vollstrecker eines Unrechtssystems wahrgenommen werden. Ein Gefühl von Kränkung würde auch über den Zeitraum der Sperre hinaus in vielen Ungeimpften weiterleben. Dies beträfe, wohlgemerkt, eine Personenzahl von 20 bis 30 Millionen Menschen. Die betroffenen Branchen könnten sich rund ein Viertel aller potenziellen Kunden abschminken — selbst dann, wenn alle Geimpften die Angebote weiter nutzen würden und die demnächst obligatorischen, entwürdigenden Kontrollen am Eingang nicht scheuten.

Anbieter sollten sich jetzt gut überlegen, ob ein Aufstand gegen die neuen Regelungen nicht auch in ihrem eigenen Interesse die bessere Lösung wäre. Statt gegen Kunden zu kämpfen, die im Einzelfall mal eine Regel verletzen, sollten sie endlich anfangen, gegen diejenigen zu kämpfen, die sich diese ungerechten und unsinnigen Regeln ausgedacht haben.

Letztlich werden sich Geschäfte, die sich zwar bei „ihrem Ministerpräsidenten“ beliebt, jedoch bei einem Großteil ihrer Kunden unbeliebt machen, nur schwer weiterexistieren können. Denn — ob Sie es glauben oder nicht — die meisten können sich ihr Essen und ihren Kaffee durchaus selber kochen, und für Filme haben sie ihren Widescreen-Fernseher.

Wichtig ist es deshalb gerade jetzt, Gegendruck aufzubauen und den Anbietern offen mitzuteilen, dass sie ein Risiko eingehen, falls sie darauf beharren sollten, einen Teil ihrer potenziellen Kundschaft auszusperren. Meldungen der Art „Druck auf Ungeimpfte wächst“ müssen bald der Vergangenheit angehören und durch andere Headlines ersetzt werden: „Druck auf die Politik, die Ungleichbehandlung von Ungeimpften zu beenden wächst.“ Kleiner Tipp: In Frankreich gingen jetzt 237.000 Menschen gegen vergleichbare Regelungen auf die Straße. Und die Proteste zeigten schon erste Wirkungen.

Wir sind viele

Wir haben es bei den Ungeimpften — selbst wenn es „nur“ 20 Millionen sein werden — mit einer der größten Gruppe von Diskriminierten in der Geschichte zu tun. Frauen, die auch hierzulande noch immer nicht überall vollständig gleichgestellt sind, einmal ausgenommen. Der Plan ist schon deshalb kühn, denn Spahn & Co. legen sich nicht mit einem versprengten Häufchen an, sondern mit einer veritablen Armee.

Rechnet man jene Geimpften dazu, die ihre Entscheidung schon wieder bereuen — vielleicht wegen starker Nebenwirkungen, wie es dem Rockmusiker Eric Clapton geschah — und jene, die es aus grundsätzlichen Erwägungen falsch finden, wenn ein indirekter Impfzwang ausgeübt wird; zählt man außerdem all jene Geimpften hinzu, denen es auf die Nerven gehen wird, in jedem Café, jedem Kino nach ihrem Impfnachweis gefragt zu werden, dann hat es Spahn mit einer beachtlichen Phalanx von Gegnern zu tun. Ganz offensichtlich spaltet er die Gesellschaft vorsätzlich, wenn auch nicht in zwei genau gleiche Hälften.

Die Frage ist nur, ob wir eine unserer Anzahl und unserer tatsächlichen Macht entsprechende Dynamik entfalten können. Wolfgang Kubicki von der FDP wies richtigerweise schon darauf hin, dass man Jens Spahn auch „wegwählen“ könne.

Vielleicht brächte es wenig, im September die Grünen oder eine der anderen impfverliebten Parteien zu wählen. Der Widerstand muss auf mehreren Ebenen ansetzen, speziell auch an der Basis. Die Frage ist, ob wir nicht dem Beispiel der Schwarzen-Aktivistin Rosa Parks folgen sollten und uns weigern, Plätze zu verlassen, von denen man uns unberechtigter und diskriminierender Weise verjagen will. In jedem Fall ist eine Ungeimpften-Bewegung nötig, die sich teilweise sicher mit der „alten“ Grundrechte- und Anti-Maßnahmen-Bewegung überschneiden, jedoch ihre eigenen Akzente setzen wird.

Den Politikern, die meinen, am grünen Tisch darüber befinden zu können, wer sich wo im Land aufhalten „darf“, müssen wir jetzt ein vernehmliches „Nein“ entgegenrufen.

Wir sind in jeder Stadt, in jedem Betrieb, in fast jeder Familie und jedem Freundeskreis präsent. Wir sind viele und wir sind meist gut informiert. Und wir sind stinksauer. Ihr werdet mit uns zu rechnen haben!

Die meisten von uns sind in diesem Land geboren und aufgewachsen, haben mit ihrer Arbeit und ihrem demokratischen Spirit — ja, manchmal auch mit ihrem Widerspruchsgeist — mitgeholfen, es aufzubauen und zu bewahren. Sie haben Steuern gezahlt, sich an die Gesetze gehalten und teilweise Wehr- oder Ersatzdienst abgeleistet — so sinnvoll oder sinnlos dieser auch gewesen sein mag. Jetzt wollen Politiker uns erzählen, dass wir in diesem Land demnächst keine Bars mehr besuchen dürfen, um dort ein Bier zu trinken. Sie versuchen uns in unserem eigenen Land auszusperren und zu unerwünschten Personen zu erklären. Wer glauben die eigentlich, wer sie sind?

„Grenzt uns ruhig aus!“

Ansonsten, wenn nichts mehr hilft und die diskriminierenden Maßnahmen über längere Zeit in Kraft bleiben —, dann bleibt noch ein letztes Mittel der Gegenwehr. Steigen wir, wenn auch nicht unbedingt gern, aber breitwillig, bewusst und nicht ohne Stolz aus der Mehrheitsgesellschaft aus. Stellen wir uns die Frage: Wollen wir überhaupt „dazugehören“, so lange Geistesverdunkelung und Diskriminierung hier derart stark sind. Gunnar Kaiser hat in seinem herausragenden Vortrag „Der Kaiser ist nackt — bereitet euch vor“ dazu einige sehr bewegende Worte gesprochen:

„Bejahen kann man aber auch die Ausgrenzung, die gerade stattfindet. Ja, grenzt uns ruhig aus. In einer solchen Gesellschaft, die von solch autoritären Menschen geprägt wird, wollen wir gar nicht sein. Daran wollen wir gar nicht teilhaben. Bitte, grenzt uns ruhig aus! Je mehr ihr euer wahres Gesicht zeigt, desto deutlicher wird es uns, was wir nicht wollen und was wir wollen. Und umso schneller finden wir zusammen mit den Menschen, denen Lebendigkeit wichtig ist, Freiheit, Freude.“

Die Mehrheitsgesellschaft ist heute „segregationistisch“, sagt Kaiser — sie praktiziert Trennung und Ausgrenzung mit steigender Tendenz. Wir müssen abwarten und uns vorbereiten. Es macht natürlich keinen Sinn, uns präventiv selbst auszugrenzen. Treffen wir uns, wo möglich, auch mit Geimpften und Corona-Konformen, verhalten wir uns natürlich, bieten wir an, fair über „das Thema zu sprechen“ oder es auch bei einem geselligen Abend mal auszuklammern.

Machen wir aber auch, wenn sich die andere Seite verletzend und diskriminierend verhält, deutlich, dass wir nicht von unserer Position abweichen werden, solange sie uns richtig erscheint. Dass wir nicht um jeden Preis gute Freunde, Verwandte, Kunden und Mitarbeiter bleiben müssen. Unsere Tür bleibt offen, aber wir drängen uns nicht auf. Wenn sich unser Gegenüber „beruhigt hat“, wenn Corona vielleicht sogar wieder etwas in den Hintergrund gerückt ist und wenn die Fehler des jetzt herrschenden Narrativs zum Himmel schreien, können wir ja versuchen, wieder aufeinander zuzugehen.

George Orwell schrieb dazu in seinem Klassiker „1984“, den ich nicht ganz zufällig im Zusammenhang mit der jetzigen Situation erwähne:

„Nicht indem man sich Gehör verschaffte, sondern indem man sich unversehrt bewahrte, gab man das Erbe der Menschheit weiter.“

Wir sollten uns natürlich dennoch Gehör verschaffen. Aber Orwell meinte vielleicht, dass es im Fall äußerster Not und Bedrückung möglich ist, wenigstens noch innerlich aufrecht zu bleiben.

Wir können die Welt nicht immer ändern, aber schon sich selbst nicht zu ändern — jedenfalls nicht in eine unmenschliche Richtung — ist mitunter ein Sieg.

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Artikel erschien zuerst am 10. August 2021 bei Rubikon – Magazin für die kritische Masse.

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Bildquelle:    photocosmos1 /shutterstock

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