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Als Ungeimpfter unter Geimpften – Ein soziales Experiment

Published On: 14. September 2021 19:18

Alles ist besser als langwierige Diskussionen mit Leuten, die glauben, dank des Impfens dem Tod von der Schippe gesprungen zu sein. Für Impfunwillige bleibt nur eins: Es nicht zuzugeben.

Getty Images

Stellen Sie sich vor, Sie stoßen zu einer Versammlung von vielleicht zwanzig gebildeten Menschen im besten Alter unter freiem Himmel. Plötzlich fragt der Gastgeber, ob jemand in der Runde ungeimpft sei – und Sie, eine ehrliche Haut, heben die Hand. Als einziger. Ungläubiges Staunen ringsum, der eine oder andere der durchgeimpften „Versuchskaninchen“ (Olaf Scholz) nimmt schon mal Abstand und von Gesprächen am Wegesrand sind Sie fürderhin ausgeschlossen. 

Tja. Das ist ein soziales Selbst-Experiment, zu dem man nicht raten kann. Also lieber lügen! Denn noch fordert niemand, alle Anwesenden mögen doch bitte ihren Impfnachweis vorweisen, „das ist ja nur zu Ihrer eigenen Sicherheit“. Kann noch kommen, gewiss, aber bis dahin der Rat:  

Machen Sie sich nicht zum Außenseiter! Zu einem dieser „Bekloppten“ (Ex-Bundespräsident Joachim Gauck), „gefährlichen Sozialschädlinge“ (FDP-Mann Stinner), „Gefährder“ (Robert Habeck), die sich dem „patriotischen Akt“ (Gesundheitsminister Spahn) entziehen, weshalb uns nun eine „Pandemie der Ungeimpften“ (Markus Söder) droht.

 Lügen Sie. Kaum ein Wirtshaus wird auf Ihren Besuch verzichten wollen, nur weil Sie Ihr Impfzertifikat vergessen haben. Vielerorts hält das Bedienungspersonal die „Maßnahmen“ schon lange für völlig überzogen. Und manch ein Bewirtender (m,w,d) lässt sich ungern zum Büttel des Staates machen, indem er augenscheinlich gesunde Menschen auf ihren Impfstatus überprüft. Nutzen Sie diese Scheu aus – womöglich beruht sie auf einer grundbürgerlichen Tugend wie Höflichkeit. 

Alles ist besser als langwierige Diskussionen mit Leuten, die glauben, dank des Impfens dem Tod von der Schippe gesprungen zu sein und nun wieder das Leben in Freiheit genießen zu dürfen. Die wären im übrigen, wäre das Virus tatsächlich so tödlich, wie es einer „nationalen Tragweite“ entspräche, die Gefährlichsten. Es hat sich herumgesprochen, dass auch Geimpfte infiziert und infektiös sein können, symptomlos, wie in den meisten Fällen. Nur wissen sie es nicht. Richtig wäre also, nicht nur die Ungeimpften, sondern vor allem die doppelt oder dreifach Geimpften regelmäßig zu testen. Doch halt – dann hört diese Pandemie ja nie auf, wie Jens Spahn kürzlich in aller Unschuld enthüllte. Also eine Pandemie, von der wir ohne die panische Testerei womöglich gar nichts mitgekriegt hätten …

Ach, mit Logik kommt man schon lange nicht mehr weiter. Zu groß ist die Lust, Menschen in Todesangst zu versetzen und ihnen zur Triebabfuhr die Schuldigen zu präsentieren, die Sündenböcke, die ungeimpften Sozialschädlinge, die Vaterlandsverräter. Denen werden die Instrumente gezeigt: Künftig müssen sie Tests selbst bezahlen – am besten die teuren PCR-Tests, von denen wir ja mittlerweile wissen, wie wenig sie taugen. Die Lohnfortzahlung im Quarantänefall soll wegfallen. Und sie sollen für alle sichtbar das Abzeichen tragen, die Schandmaske: Seht her, da steht er, verloren und allein, der Sozialschädling. 

Es ist schon erstaunlich, wie schnell sich gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit mobilisieren lässt. „Kampf gegen Rechts“ war einmal, jetzt geht es gegen Ungeimpfte, die das ja womöglich ebenfalls sind. (Dass die auf einer Intensivstation gelandeten Ungeimpften häufig Migrationshintergrund haben – ach, reden wir nicht darüber. Das könnte als Ausländerfeindlichkeit ausgelegt werden.)

Woher der Furor? Sind wir im Krieg? Ist deshalb jeder, der sich dem Kampf gegen das Virus nicht anschließt, ein Vaterlandsverräter? Das würde die Maßlosigkeit der Attacken erklären – Krieg fordert kollektive Anstrengung, da darf niemand aus der Reihe tanzen. Wie bei der Phalanx, der Kampfformation der Hopliten, der griechischen Bauern: Wenn auch nur einer aus der geschlossenen Reihe der Kämpfer ausschert, ist der Krieg verloren. Es sieht ganz so aus, als ob eine dekadent gewordene Gesellschaft genau das braucht: eine Bedrohung, die das Kollektiv zusammenschweißt.

Doch nach allem, was man hört, sieht und liest, ist längst das Gegenteil eingetreten: eine tiefe Spaltung der Gesellschaft. Das liefe dann auf Bürgerkrieg hinaus.

Was Covid-19 betrifft, bin ich Däne, Schwede, Brite und Pazifist. Wir werden mit diesem wie mit den vielen anderen Viren leben müssen. Wir schaffen das.


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