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Dumm oder korrupt? Lanz, Steinbrück, Gammelin …

Published On: 6. Oktober 2021 17:07

So hart muss man fragen, wenn man gestern Abend bei Lanz vorbeigeschaut hat. Da wurde vom Moderator Lanz, vom Kanzlerkandidaten a.D. Steinbrück und von der Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung in Berlin, Cerstin Gammelin, der Eindruck erweckt, das Umlageverfahren sei alleine nicht fähig, die Probleme des demographischen Wandels aufzufangen. Siehe hier Ab Minute 32:06 wird gegenseitig versichert, die Gesetzliche Rente und das Umlageverfahren müssten ergänzt werden. Frau Gammelin brachte die „aktienbasierte“ Rente mit ins Spiel und wies darauf hin, dass das Thema Rente ein wichtiges Thema der Koalitionsverhandlungen werde, und die aktienbasierte Rente von Scholz der FDP als Morgengabe (=meine Formulierung) zugestanden werde. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.



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Einzig Sahra Wagenknecht wies darauf hin, dass die arbeitsfähige Generation immer und in jeder Situation real für die Rentnergeneration und die Kindergeneration sorgen müsse. Diese grundlegende Erkenntnis kann man auch nicht dadurch umwerfen, dass man irgendwelche neuen kapitalgedeckten Rentensysteme erfindet und meint, sich auf dem Aktienmarkt bedienen zu können. Wagenknecht nannte auch verschiedene Hebel, mit denen man die Leistungsfähigkeit des Umlageverfahrens und der Gesetzlichen Rente verbessern kann: Produktivitätssteigerungen, Erhöhung der Erwerbsquote, Abbau der Arbeitslosigkeit.

Die NachDenkSeiten haben das Thema von Anfang an und richtig begleitet. Ich selbst beschäftigte mich mit diesen Themen zum ersten Mal 1976 und dann intensiv im Vorfeld der Wahl von 1998. Damals starteten die Banken und Versicherungen ihre Kampagne gegen die Gesetzliche Rente und das Umlageverfahren. Aus ihrer Sicht war das logisch. Sie wollten sich die Altersvorsorge als neues Betätigungsfeld und mit Förderung durch uns Steuerzahler erschließen und hatten es deshalb darauf abgesehen, einen Teil der Beiträge für die Altersvorsorge als Prämien für kapitalgedeckte Altersvorsorgesysteme abzuzweigen. Mit der 2002 eingeführten Riester-Rente, mit der Rürup-Rente und mit der staatlichen Förderung der betrieblichen Altersvorsorge durch Entgeltumwandlung hatten sie den Einstieg erreicht.

Die NachDenkSeiten und ich als Buchautor haben von Anfang an vor diesem Irrweg gewarnt. Die kapitalgedeckte Rente ist mit hohen zusätzlichen Kosten für Verwaltung und Vertrieb verbunden. Diese müssen erst einmal erarbeitet werden. Das schmälert die Rendite. Insbesondere die Riester-Rente erwies sich wie vorhergesagt als Flop.

Trotzdem will man jetzt in Variation auf dem gleichen Weg weitergehen. Wahnsinn. Dumm.

Aber man kann daran Provisionen verdienen und Profite machen. Deshalb vermutlich das von Frau Gammelin erwartete Angebot von Scholz an die FDP.

Wenn Sie sich etwas ausführlicher mit dem Thema beschäftigen möchten, dann schauen Sie bitte in die weiter unten folgenden Anlagen.

In Anlage 1 wird eine PowerPoint Präsentation zum demographischen Wandel und zur Altersvorsorge präsentiert. Diese dürfen Sie auch gerne für Ihre eigenen Bedürfnisse nutzen.

In Anlage 2 wird das Kapitel 19 aus meinem Buch “Meinungsmache” wiedergegeben. Die Kapitelüberschrift lautet: „Die Zerstörung des Vertrauens in die sichere Altersvorsorge – ein Musterbeispiel gelungener Gehirnprägung“.

Wenn Sie auf unserer Suchfunktion Begriffe wie Demographie oder Umlageverfahren eingeben, dann werden Sie eine Fülle von anderen Quellen finden. Die NachDenkSeiten enthalten Schätze von Informationen, die für die politische Debatte und Meinungsbildung relevant und hilfreich sind.

Anlage 1

PowerPoint Präsentation vom 24.2.2016

Und alle weiteren Folien hier:

Anlage 2

Auszug aus Albrecht Müller: Meinungsmache. Wie Wirtschaft

Kapitel 19

Die Zerstörung des Vertrauens in die sichere Altersvorsorge – ein Musterbeispiel gelungener Gehirnprägung

Der Komplex Altersvorsorge, gesetzliche Rente, Privatvorsorge und, damit verknüpft, das Thema demographische Entwicklung ist ein Musterbeispiel dafür, dass die totale Irreführung des größeren Teils der Bevölkerung möglich ist. Hieran kann belegt werden, dass das Denken vieler Menschen geprägt werden kann und eine nahezu totale Gleichschaltung möglich ist.

An den gängigen Behauptungen der öffentlichen Debatte über die Altersvorsorge stimmt nämlich so gut wie nichts. Doch viele glauben trotzdem daran, so massiv ist die Propaganda. Und so eindeutig sind die politischen Entscheidungen, die die Propaganda glaubwürdig erscheinen lassen und damit die Irreführung erleichtern. Die Agitation verläuft in mehreren Stufen:

Stufe 1: Wir haben ein folgenschweres demographisches Problem, wir werden immer weniger, wir werden immer älter. So sagt man. Aber verglichen mit anderen Problemen unserer Gesellschaft wie z.B. Kinderarmut, Langzeitarbeitslosigkeit und Klimawandel ist der demographische Wandel harmlos.

Stufe 2: Der Generationenvertrag trägt nicht mehr, erzählt man uns. Aber der Generationenvertrag trägt immer. Die einzig sinnvollen Fragen wären, wie gut und ergiebig er trägt, wovon seine Tragfähigkeit abhängt und ob wir etwas tun können, ihn wieder tragfähiger zu machen.

Stufe 3: Die Alten leben auf Kosten der Jungen, wird gesagt. Das ist eine nicht nur unhaltbar falsche, es ist eine bösartige, zynische Behauptung. Denn den Jungen geht es aus ganz anderen Gründen nicht so gut wie den Alten. Mit dem demographischen Wandel und mit den Alten hat das nichts zu tun. Ihnen fehlen gute Berufsperspektiven und feste Arbeitsverhältnisse. Sind die Alten daran schuld?

Stufe 4: Die gesetzliche Rente ist tot, wird behauptet. Dabei wird verschwiegen, dass der Niedergang der gesetzlichen Rente bewusst herbeigeführt wird und dass das keinesfalls so sein muss. Die gesetzliche Rente und das zugrundeliegende Umlageverfahren wären auch heute noch die effizientesten Regeln der Altersvorsorge, wenn wir das nur wollten.

Stufe 5: Jetzt hilft nur noch Privatvorsorge, lautet die allerorten propagierte Lösung. Auf diese sonderbare Behauptung hin kann man nur rückfragen: Einmal unterstellt, wir hätten das demographische Problem »Kindermangel«, werden dann mit Einführung der Privatvorsorge mehr Kinder geboren?

Nichts von den Behauptungen zur demographischen Entwicklung und zur Altersvorsorge ist wahr. Sie haben sich allein deshalb durchgesetzt, weil sie immer wiederholt werden und aus verschiedenen Ecken auf uns eindringen. Es sind Musterbeispiele für die Möglichkeit totaler Meinungsmache und für die politische und finanzielle Wirksamkeit einer solchen Meinungsmache.

Die Propaganda auf diesem Feld ist so umfassend, dass man jenen, die darauf hereinfallen, keinen Vorwurf machen kann. Wer den Sirenen des demographischen Niedergangs glaubt, wer fürchtet, die gesetzliche Rente sei perdu, ist Opfer, nicht Täter. Die Propaganda mobilisiert tief verankerte Gefühle der Menschen. Die Angst um die Größe und Leistungsstärke der sozialen Gruppe, aus der sich die Sicherheit jedes Einzelnen speist, und die Angst, im Alter nicht ausreichend versorgt zu sein.

Im konkreten Fall hat diese Meinungsmache dazu geführt, dass Milliarden in die Taschen einflussreicher Interessengruppen gespült werden. Es geht um Geld, um viel Geld; das ist der tiefere Grund für die Unterminierung des Vertrauens in die gesetzliche Rente. Und diese Meinungsmache hat dazu geführt, dass eine wichtige gesellschaftliche Einrichtung, die solidarische und in öffentlicher Regie betriebene gesetzliche Rente, der Zerstörung preisgegeben wird.

Es geht jährlich um mehrere Milliarden

Man begreift diesen Vorgang, man begreift die dramatische Zerstörung, die viele Menschen in Altersarmut treiben wird, nur, wenn man untersucht, wer daran verdient und wie viel daran verdient wird. Ein Geheimnis ist das nicht. Die Profiteure treten offen auf. Und sie selbst und ihre Helfershelfer aus Wissenschaft und Politik, aus Verbänden, Schulen, Vereinen und Medien mischen sich immer wieder in die öffentliche Debatte ein.

Betrachten wir die Situation aus der Sicht des Jahres 2002, als der Startschuss für die Riester-Rente gegeben wurde. Damals konnte sich die Finanzwirtschaft – also Versicherungen, Banken und Finanzdienstleister – Folgendes ausrechnen: Wenn es gelingt, nur 10 Prozent der Beiträge für die gesetzliche Rente auf ihre Mühlen umzulenken, dann bringt das ein Umsatzplus bei den Prämien von fast 16 Milliarden Euro. Und dies alle Jahre wieder und von Jahr zu Jahr mehr.

Und tatsächlich ist der Plan aufgegangen. Zumindest bis zum Offenbarwerden der Finanzkrise hat die Finanzwirtschaft Milliarden an Umsatzzuwächsen erzielt. Ein Beispiel: Der Hannoveraner Finanzdienstleister AWD fühlte sich nach Aussagen seines früheren Chefs Carsten Maschmeyer wie auf einer Ölquelle gebettet. Die »Netzeitung« berichtete: »Nach der Verlagerung von der staatlichen zur privaten Altersvorsorge stehe die Finanzdienstleistungsbranche ›vor dem größten Boom, den sie je erlebt hat‹, sagte Maschmeyer. ›Sie ist ein Wachstumsmarkt über Jahrzehnte.‹ Noch sei nicht überblickbar, wie sich der Anstieg der privaten Altersvorsorge im Detail ausgestalte. ›Es ist jedoch so, als wenn wir auf einer Ölquelle sitzen‹, sagte Maschmeyer. ›Sie ist angebohrt, sie ist riesig groß, und sie wird sprudeln.‹«

Maschmeyer bedankte sich anlässlich des zwanzigjährigen Bestehens von AWD mit einer großen Fete bei denen, die der AWD die Ölquelle ans Haus gelegt haben. Die »Bunte« hat die Dankesfeier freundlicherweise dokumentiert. Dieses Spektakel offenbart eindrucksvoll die gesellschaftliche Wirklichkeit: die Verfilzung von Politik und Finanzinteressen, denn AWD hatte im Juli 2008 nicht nur seine Außendienstmitarbeiter, sondern auch Prominente aus Politik, Medien und Showbusiness zum großen Fest eingeladen. Mit dabei: der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, in dessen Amtszeit seinem Freund Maschmeyer die Riester- und Rürup-Rente beschert wurde, außerdem Professor Bert Rürup und Walter Riester, der ehemalige Arbeitsminister und Namensstifter höchstpersönlich, die Schauspieler Heiner Lauterbach und Veronica Ferres, der Boxer Henry Maske, der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan, Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel.

Das Geld für AWD und seine Feiern sprudelt nicht aus dem Boden. Es kommt von Ihnen, wenn Sie »riestern« oder »rürupen« oder an einer betrieblichen Altersvorsorge teilhaben. Es kommt zudem von uns, den Steuerzahlern, weil wir alle zusammen die Zulagen und Steuervergünstigungen für die Riester- und Rürup-Rentner bezahlen. Dieses an Ihnen und uns verdiente Geld dient auch als Grundlage für breite Propagandakampagnen. Mit Propaganda kann man politische Entscheidungen so beeinflussen, dass man an die Milliarden herankommt, die verängstigte Bürgerinnen und Bürger für Vorsorgeaufwendungen aufzubringen bereit sind. Beim Meinungskampf zur Förderung der Privatvorsorge bewahrheitet sich George Orwells düstere Vorhersage: »Und wenn alle anderen die […] Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten –, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.«.

Lobbyarbeit für hilfreiche politische Entscheidungen

Aber wir haben es beim Versuch der Zerstörung des Vertrauens in die gesetzliche Rente zugunsten der privaten Vorsorge nicht nur mit Propaganda zu tun. Die Propaganda gegen die gesetzliche Rente und für die Privatvorsorge wird von politischen Entscheidungen unterfüttert, die mit intensiver Lobbyarbeit erreicht worden sind:

Erstens: Mit Hilfe politischer Entscheidungen wurde und wird die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente ständig vermindert.

Zweitens: Mit politischen Entscheidungen ist gleichzeitig dafür gesorgt worden, dass die Privatvorsorge öffentlich gefördert wird.

Wenn in Zeiten, in denen Subventionen gemeinhin als unpassend und nicht zeitgemäß gelten, die Geschäfte der privaten Versicherungswirtschaft mit Milliarden aus Steuergeldern subventioniert werden, dann ist das ein bemerkenswerter Vorgang. Immerhin gilt es als modern, für »Freiheit« und »Eigenverantwortung« zu streiten und deshalb prinzipiell gegen Subventionen zu sein. Gerade die Verfechter der Privatvorsorge, die Banken und die sonstigen Vertreter der Wirtschaft und die ihnen verbundenen Politiker, wettern prinzipiell gegen Subventionen. Bei der Riester- und der Rürup-Rente jedoch öffnen sie die Schleusen weit und tun so, als stünde in Berlin ein Goldesel. Das ist aber nicht der Fall. Die Steuergelder werden vornehmlich über Lohnsteuer, Einkommensteuer, Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer von den gleichen Menschen erbracht, die »riestern« oder »rürupen« sollen. Bezahlt werden diese Steuern, mit denen die Riester- und die Rürup-Rente subventioniert werden, auch von jenen, die gar nicht die Möglichkeit oder das Geld haben, eine solche private Zusatzversorgung abzuschließen, oder die sich aus sachlichen Gründen dagegen entschieden haben.

Gleichzeitig wird die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente ständig vermindert: Anlastung versicherungsfremder Leistungen, Nullrunden, Nachhaltigkeitsfaktor, Erhöhung des Renteneintrittsalters, Festhalten des Beitragssatzes – dies und mehr hat die durchaus beabsichtigte Konsequenz, dass die Versicherungswirtschaft und ihre Helfer den potenziellen Rentnern des Jahres 2035 jetzt schon sagen können, dass ihre Rente dann auf ungefähr 40 Prozent des Bruttolohns geschrumpft sein wird. So äußerte sich zum Beispiel der Freiburger Professor Bernd Raffelhüschen in der ARD-Sendung »Rentenangst«. Und dass ihnen das in der Regel nicht reichen wird, wenn sie nicht privat vorsorgen.

Der Film »Rentenangst« ist deshalb besonders aufschlussreich, weil die beiden Journalisten Ingo Blank und Dietrich Krauß Raffelhüschen nacheinander mit Äußerungen für zwei verschiedene Zielgruppen aufnehmen konnten, einmal mit einer Rede vor Versicherungsmaklern in Neuss und dann im Interview vor der Kamera für das allgemeine Publikum. Dazu muss man wissen, dass Raffelhüschen sehr engagiert den Umbau des Rentensystems hin zu mehr Privatvorsorge fordert und fördert; er hat in der Rürup-Kommission zur Reform der sozialen Sicherungssysteme mitgewirkt und ist Mitglied im Aufsichtsrat der ERGO-Versicherungsgruppe. Hier die einschlägige Passage aus dem Film »Rentenangst«:

»Raffelhüschen liefert den Vertretern mit seinem Vortrag Argumente und Pointen. Zitat aus dem Vortrag von Professor Bernd Raffelhüschen: ›Die Rente ist sicher, ja, sag ich Ihnen ganz unver-BLÜM-t.‹ Blüms Rentenversprechen ist hier auf dem Vertreterkongress eine willkommene Lachnummer. Zitat aus dem Vortrag von Professor Bernd Raffelhüschen: ›Die Rente ist sicher! Nur hat kein Mensch mitgekriegt, dass wir aus der Rente inzwischen ’ne Basisrente schon längst gemacht haben. Das ist alles schon passiert. Es ist alles schon passiert.‹ Mission erfüllt. Raffelhüschen ist mit sich zufrieden. Zitat aus dem Vortrag von Professor Bernd Raffelhüschen: ›Wir sind runtergegangen durch den Nachhaltigkeitsfaktor und durch die modifizierte Bruttolohnanpassung. Diese beiden Dinge sind schon längst gelaufen. Ja. Waren im Grunde genommen nichts anderes als die größte Rentenkürzung, die es in Deutschland jemals gegeben hat. Beides Vorschläge der Rürup-Kommission.‹

So weit die Version für Vertreter, nun die Version von Professor Bernd Raffelhüschen für uns: ›Wir machen gar keine Rentenkürzung. Wir haben auch noch nie ‘ne Rentenkürzung beschlossen. Was tatsächlich passiert, ist, dass die Rentensteigerungen in der Zukunft gebremst werden, und zwar gebremst werden durch mehrere demographische Faktoren. Das führt dann dazu, dass die Rente des Jahres, sagen wir mal 2035 in etwa bei einer Größenordnung liegt, die so bei 40 Prozent des Bruttolohnes sein wird, das heißt, wir haben immer noch eine Rente, die höher ist als die Rente von heute.‹

Im Vortrag spricht Raffelhüschen Klartext. Die Mission Rentenkürzung ist erledigt. Das Feld für die Vertreter bereitet. Raffelhüschen hat seinen Job getan. Zitat Vortrag Professor Raffelhüschen: ›Aber im Wesentlichen hat die Rentenversicherung kein Nachhaltigkeitsproblem mehr. Ja. Aus dem Nachhaltigkeitsproblem der Rentenversicherung ist quasi ein Altersvorsorgeproblem der Bevölkerung geworden. So! Das müssen wir denen erzählen jetzt. Also ich lieber nicht. Ich hab genug Drohbriefe gekriegt. Kein Bock mehr, irgendwie. Aber Sie müssen das. Das ist Ihr Job.‹«

Aus dem Nachhaltigkeitsproblem der Rentenversicherung sei ein Altersvorsorgeproblem der Bevölkerung zu machen, wie Raffelhüschen fern der Öffentlichkeit erklärt, und die gesetzliche Rente auf eine Basisrente zu reduzieren, das war das Ziel der Vertreter der Privatvorsorge. Sie haben nun leichteres Spiel für ihre Geschäfte.

Wenn ich früher, ohne Raffelhüschens Aussage zu kennen, behauptet habe, die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente sei von der rot-grünen Regierung und ihren Arbeits- und Sozialministern Walter Riester und Franz Müntefering unter Mitwirkung der einschlägigen Professorenschaft – insbesondere Bert Rürup und Bernd Raffelhüschen, Meinhard Miegel und Axel Börsch-Supan – und mit Hilfe von Union und FDP systematisch beschädigt und kräftig geschmälert, ja zerstört worden, dann schallte mir entgegen, ich sei ein Verschwörungstheoretiker. Bisher musste ich immer mit Indizien beweisen, dass die Realität noch viel schlimmer ist, als es sich der gewiefteste Verschwörungstheoretiker ausdenken konnte. Jetzt brauche ich nur auf das Bekenntnis des in allen Medien herumgereichten Professors Raffelhüschen zu verweisen. Er hat die Verschwörung gegen die gesetzliche Rente offengelegt.

Trotz des klaren Eingeständnisses von Professor Raffelhüschen halten professionelle Beobachter der Szene wie beispielsweise viele Journalisten diesen Niedergang der Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente für zwangsläufig, sie verstehen ihn also nicht als politische Tat zur Beförderung des Geschäfts der Rentenversicherung, sondern als unausweichliche Folge von äußeren Faktoren – der demographischen Entwicklung zum Beispiel.

Das ist ein erstaunlicher Vorgang. Er bestätigt wieder einmal die Beobachtung, dass in unserem Lande zwei verschiedene Öffentlichkeiten unberührt nebeneinander existieren können: eine, der Mainstream, deren Botschaft lautet, zukünftige Rentner würden in jedem Fall weniger haben als die heutigen Rentner. Und eine andere, die kritische Öffentlichkeit, die die einzelnen politischen Taten zur Minderung der Leistungsfähigkeit wahrgenommen hat und sich in ihrer Interpretation der Ereignisse durch Äußerungen wie die von Raffelhüschen bestätigt sieht.

Propaganda pro Privatvorsorge

Die tägliche Propaganda wird von einem engen Netz von Instituten und Stiftungen, Zeitungen und Fernsehanstalten, Professoren und Politikern, sogenannten Initiativen und Aktionsgemeinschaften, betrieben. Die Profiteure der Privatvorsorge in der Finanzwirtschaft haben erstaunliche Verbündete gewonnen, die ihre Botschaft weitertragen – zum Beispiel die Volkshochschulen Die Matadore der Privatvorsorge zitieren und bestätigen sich gegenseitig. Ihre Behauptungen müssen nicht richtig sein, sie müssen wiederholt werden, aus verschiedenen Ecken kommen und einen wissenschaftlichen Anstrich haben. So wird mit dem Kernsatz der Propaganda verfahren: »Wie wir alle wissen: Die gesetzliche Rente reicht nicht mehr.«

Das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales präsentiert sich in seiner Öffentlichkeitsarbeit in erstaunlicher Mission: Statt um Vertrauen für die gesetzliche Rente zu werben, wird massiv für Privatvorsorge geworben. Selbst die Deutsche Rentenversicherung, die für die gesetzliche Rente zuständige Stelle also, hat sich einspannen lassen und wirbt für Privatvorsorge. Auch die Stiftung Warentest und insbesondere der »Finanztest« blasen in dasselbe Horn. Hier ein einschlägiger Text von der Internetseite (2008):

»Riestern ist in: Bis jetzt sind rund zehn Millionen Verträge unterzeichnet. Zu Recht. Denn sicher ist: Die gesetzliche Rente allein wird im Alter nicht ausreichen. Sicher ist auch: Riester-Verträge sind durch staatliche Zulagen, Steuervorteile und Garantien ein empfehlenswertes Altersvorsorgeprodukt.«

Und wer sich alle Riester-Sparformen im Test anschauen will, erhält folgende »Information«:

»Alle Tests zu Riester

Welcher Vertrag für wen

23.01.2008

Sicher ist: Die gesetzliche Rente allein wird im Alter nicht ausreichen. Sicher ist auch: Riester-Verträge sind durch staatliche Zulagen, Steuervorteile und Garantien als Altersvorsorgeprodukt Spitze. Wer nicht auf Dauer wenig verdient, wird profitieren. ›test.de‹ sagt, welche Riester-Sparform für wen geeignet ist.«

Klingt so die Information einer Stiftung, die unabhängige Tests machen sollte? Das ist penetrant wiederholende Werbung für private Interessen, Propaganda gegen eine soziale Einrichtung: die gesetzliche Rente. Sie werde im Alter nicht ausreichen, wird den Menschen wie gottgegeben eingehämmert. Und trotzdem gilt »Finanztest« immer noch als unabhängige Einrichtung.

In »Finanztest« vom November 2007 wurde für eine Riester-Fondsrente mit dem Argument geworben, das bringe bis zum Jahr 2035 durchgehend eine Rendite von 9 Prozent. Das ist ein abenteuerliches Versprechen. Und im »Finanztest« vom Juni 2008 hieß es: »Keiner kann sich im Alter allein auf die gesetzliche Rente verlassen. Wer das macht, könnte einen kargen Ruhestand fristen. Wie viel Rente später wirklich fehlt, hat »Finanztest« an acht Modellfällen nachgerechnet. Um dieses Loch zu stopfen, bieten sich Riester- oder Rürup-Verträge an.« Das ist Dauerpropaganda in einem Organ, dem viele Menschen vertrauen.

Gemessen daran wirken die Aktionen der Bertelsmann Stiftung und der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft geradezu seriös. Von ihnen ist man immerhin gewohnt, dass sie das Geschäft privater Interessen betreiben. Von der Stiftung Warentest und ihren Ablegern nicht.

Die Lobby ist breit angelegt. Die »Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen« (SRZG) in Oberursel beispielsweise betreut den Kampf der Jüngeren gegen die Alten. Daneben gibt es eine Reihe weiterer sogenannter Initiativen, die in diesem Gewerbe tätig sind. Offenbar ist das lukrativ. Offenbar kann man sich immer wieder neu irgendwelchen Public-Relations-Firmen und Interessenverbänden andienen, wenn man bereit ist, Reklame für private Renten und gegen die gesetzliche Rente zu machen und zu diesem Zweck Events zu organisieren wie etwa Tagungen und Pressekonferenzen oder die Präsentation von Studien.

Ein öffentlich klingendes, aber privates »Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung« hat bisher einen der größten Meinungsmache-Coups gelandet. Bei der Vorstellung einer Mitte März 2006 veröffentlichten Studie behauptete das Institut, Deutschland habe die niedrigste Geburtenrate weltweit und auch die niedrigste seit 1945. Das war rundum nicht die Wahrheit und wurde dennoch in nahezu allen Medien wiedergegeben. Diese kritiklose Wiedergabe ist schon deshalb so erstaunlich, weil schon auf der zweiten Seite dieser Studie zu lesen war, dass sie unter anderem von der Deutschen Krankenversicherung AG (DKV) bezahlt worden ist. Trotzdem hat das die Masse der Medien nicht dazu veranlasst, zu zweifeln, zu hinterfragen und kritisch mit dieser Information umzugehen.

Die Leichtgläubigkeit der Medien und ihre Bereitschaft, sich in die Agitation einspannen zu lassen, ist eine der Hauptursachen dafür, dass die Gehirnprägung bei diesem Thema so perfekt funktioniert. Ein paar Schlaglichter zeigen, wie weit das reicht:

Reinhold Beckmann machte lange Zeit Werbung für den Münchner Finanzdienstleister WWK. Das Gleiche hat seine Kollegin Nina Ruge vor ihm fertiggebracht.

In der »Tagesschau«, bei »heute« und dem »heute-journal«, in nahezu allen Talkshows, in den kommerziellen Sendern sowieso, kommt immer wieder die gleiche Botschaft: Immer weniger Jüngere müssen für immer mehr Alte sorgen, die gesetzliche Rente bringt’s deshalb nicht mehr, Privatvorsorge ist nötig und so weiter… Die gesamte Litanei wird ständig von neuem vorgetragen. Sie scheint einen so hohen Wiedererkennungswert zu haben, dass es sich lohnt, sie immer wieder und wieder zu wiederholen. Das ist sehr klug arrangiert. Die Journalisten müssen nichts Neues lernen, und ihre Zuschauer fühlen sich zu Hause, erkennen sich wieder, fühlen sich als Mitwisser. So funktioniert Meinungsmache.

Die »Bild«Zeitung und »Bild.t-online« machten Propaganda im Sinne der Allianz AG sowie der Versicherungswirtschaft und der Banken insgesamt. Die »Bild«Zeitung und »Bild.t-online« waren in der Zeit ihrer Zusammenarbeit nicht davor zurückgeschreckt, redaktionelle Teile und Werbung zu vermischen. Das hatte die Allianz AG, Partner der »Bild«Zeitung für die »VolksRente«, wie das Riester-Produkt der Allianz AG hieß, sogar angekündigt. In einer »Vertreterinformation« der Allianz Lebensversicherungs-AG vom August 2005 war unter der Überschrift »Presse« zu lesen:

»Klar. Wer mit ›Bild.t-online‹ kooperiert, der ist auch in der ›Bild‹Zeitung vertreten. Und zwar nicht nur als Anzeige, sondern so, wie es sich für eine Kooperation gehört: rundum.

Die Informationen zur VolksRente werden in zwei Formen aufbereitet – als Anzeige und als redaktionelle Artikel.«

Das ist die Ankündigung des offenen Bruchs journalistischer Sitten. Auf jeder Journalistenschule wird gelehrt, dass Werbung und Redaktion streng zu trennen sind. Hier aber fällt die Grenze, und es wird auch im redaktionellen Teil für das Produkt des Werbepartners geworben: »als redaktionelle Artikel«.

In den ersten Monaten des Jahres 2008 hat »Bild« die Debatte zum Generationenkonflikt erneut angeheizt. »Bild« hat den ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog im Blatt und im Internet davon sprechen lassen, die ältere Generation sei dabei, die Jüngeren »auszuplündern«. Nur weil die Bundesregierung die Rentnergeneration real etwas weniger verlieren lassen wollte und deshalb für eine Anhebung der Renten um 1,1 Prozent eintrat – bei gleichzeitiger Preissteigerung von über drei Prozent.

Aber es ist nicht »Bild« allein, die entsprechend Stimmung macht. Am 19. Februar 2007 wartete die »Welt« mit der neuesten Katastrophenmeldung auf:

»Geburtenboom: Frankreich zieht an Deutschland vorbei

Der Bundesrepublik droht 2035 der Verlust ihrer wirtschaftlichen Führungsrolle in der EU. Ursache dafür ist die demographische Entwicklung. […] Nach einer Modellrechnung, die das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) für die ›Welt‹ durchgeführt hat, könnte Frankreich bereits 2035 den führenden europäischen Wirtschaftsraum bilden.«

Oha! Das geburtenfreudige Frankreich nimmt uns die wirtschaftliche Führungsrolle in der EU! Denn wegen der vielen Geburten werden die Franzosen mehr als wir. – Arme Schweden. Dort leben nicht einmal 9 Millionen Menschen. Der schieren Zahl nach zu urteilen eine bedeutungslose Schar, aber irgendwie geht es ihnen trotzdem besser. Hat vielleicht die Menge derer, die auf einem Haufen sitzen, gar nicht so viel Bedeutung für die Qualität des Lebens und den Wohlstand?

Oder der »Spiegel«. Es soll ja Menschen geben, die glauben, der »Spiegel« sei ein kritisches, der Aufklärung verpflichtetes Nachrichtenmagazin. In Sachen Demographie und Rente zumindest arbeitet das Nachrichtenmagazin seit langem an der als notwendig betrachteten Meinungsmache: Mit dem Titel »Der letzte Deutsche« dramatisierten die Hamburger schon im Januar 2004 die Lage und sahen das Land »auf dem Weg zur Greisen-Republik«. »Baby-Lücke. Geburtenrückgang mit dramatischen Folgen: Vergreisung, Rentenkrise, Explosion der Gesundheitskosten«, »Raum ohne Volk«. Das ist nur eine kleine Auswahl von Artikeln und Titelthemen des »Spiegel«. Bei anderen Medien sieht es kaum anders aus.

Manipulation und Gehirnprägung waren und sind also nicht beschränkt auf die weniger gebildeten Schichten, nicht auf die Leser der »Bild«Zeitung und anderer Boulevardzeitungen und auf das fernsehende Publikum. Auch im »Spiegel«, in der »Zeit« und anderen als seriös geltenden Medien wird überall die gleiche Reklame für Privatvorsorge und gegen die gesetzliche Rente betrieben. Jene Schichten, die meinen, sie seien besonders gebildet und besonders informiert, sind genauso Opfer dieser sich wiederholenden und aus verschiedenen Ecken abgesandten Agitation.

Die Medienpartnerschaft von Allianz AG und »Bild« ist kein Einzelfall. Auch die »Superillu« und »Focus-Money« sind eine Medienpartnerschaft mit einem großen Interessenten eingegangen, und zwar mit dem Hannoveraner Finanzdienstleister AWD. In der »Superillu« 33/2007 erschien eine Doppelseite mit dem damaligen Vorsitzenden des Sachverständigenrats Bert Rürup und dem Paten der Riester-Rente, Walter Riester, gemeinsam mit Carsten Maschmeyer von AWD.

Die »Superillu« präsentierte ein Foto, auf dem sich Walter Riester und Bert Rürup zum »gelungenen« Werk gratulieren. Von der Zerstörung der Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente und der Öffnung und Subvention der privaten Vorsorge dürften beide ordentlich profitieren, Rürup vermutlich mehr als Riester..Ein anderer legt gönnerhaft seine Hand darauf. Er hat besonders gut lachen: Carsten Maschmeyer, damals Chef von AWD. Bei dem Finanzdienstleister klingelte es wirklich im Kasten, wie er selbst bezeugt hat. Und viele Menschen glauben immer noch, dieses Spiel würde ihretwegen betrieben.

Die Fernseh- und Hörfunkprogramme waren und sind voll von Meldungen, Serien und Kommentaren zum Thema Demographie und Rente. Die Doku-Fiction »2030 – Aufstand der Alten« solle aufrütteln und aufklären, heißt es in einer Pressemitteilung des ZDF vom 12. Januar 2007 zum Programmschwerpunkt mit dem Thema demographischer Wandel.

»Was passiert, wenn die Rentensysteme und eine angemessene gesundheitliche Versorgung für alle nicht mehr zu finanzieren sind?«, fragt das ZDF in der Pressemitteilung, die überschrieben ist mit: »Deutschland schrumpft und vergreist. Fakten zum demographischen Wandel«. »Aufstand der Alten« ist dabei nur der Auftakt für eine ganze Serie von Sendungen zum Thema. Fast zwei Wochen lang Dauerpropaganda mit Unterstellungen über die Nicht-mehr-Finanzierbarkeit der gesundheitlichen Versorgung – so als wäre das demographisch bedingt.

Auch bei der ARD war auf vielen Kanälen undifferenzierte Propaganda zu hören und zu sehen; schon zweimal liefen Themenwochen zum Komplex Demographie und Rente, beispielsweise vom 20. bis 26. April 2008 eine Woche lang Sendungen zum Thema »Demographischer Wandel«. Dass man an diesem Thema noch etwas finden kann, obwohl darüber seit Jahren diskutiert und lamentiert wird, ist schon erstaunlich. Faktisch werden die Menschen durch solche Sendungen in eine unsichere Stimmung versetzt. Umso empfänglicher werden sie für die Botschaften der Privatvorsorge.

In den privaten Fernseh- und Rundfunkmedien wird ohnehin schon viel zu oft für private Interessen agitiert. Umso empörender ist die Leichtgläubigkeit oder auch die Interessenabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien, die eigentlich doch ein wichtiges Korrektiv sein müssten. Doch die Dimension dieser Vorgänge geht weit über das Sujet der Altersvorsorge hinaus: Es geht um eine einigermaßen korrekte demokratische Willensbildung. Wenn sich Medien in der beschriebenen Weise einspannen lassen, ist die Demokratie in Gefahr.

Privatvorsorge versus gesetzliche Rente: Was ist dran?

Die Thematisierung des demographischen Wandels ist eines der Kernelemente der Strategie der Finanzindustrie. Die demographische Entwicklung wird instrumentalisiert, um den Menschen einzuhämmern, dass sie sich vor Altersarmut und ungenügender medizinischer Versorgung nur dann retten können, wenn sie privat vorsorgen. Das sollen die Leute lernen.

Um die demographische Entwicklung als katastrophal und um die Privatvorsorge als Lösung des Problems erscheinen zu lassen, wird maßlos dramatisiert, falsch interpretiert, aufgehetzt und bewusst die Unwahrheit gesagt. Auf Deutsch: gelogen.

Schrumpft Deutschland?

Nach allem, was wir wissen und vorhersehen können, wird die Zahl der hier lebenden Menschen in den nächsten Jahrzehnten etwas abnehmen. Von schrumpfen kann keine Rede sein. Es werden nach hoher Wahrscheinlichkeit im Jahr 2050 mehr Menschen in Deutschland leben als 1950. Im Jahr 2005 waren es 82,4 Millionen Menschen. Nach der mittleren Variante der Modellrechnung des Statistischen Bundesamtes vom Juni 2003 werden es 2050 75 Millionen sein – 75 Millionen »letzte Deutsche«!? Eine neuere Modellrechnung des Statistischen Bundesamtes vom November 2006 geht von einer Bandbreite von 69 bis 74 Millionen aus. Sind das dramatische Veränderungen?

In Deutschland leben gut 20 Millionen mehr Menschen als in Frankreich und in Großbritannien, Länder mit denen wir uns normalerweise auf gleicher Ebene sehen. Die armen Briten und Franzosen! Außerdem sind wir mit rund 230 Menschen pro Quadratkilometer ein dichtbevölkertes Land, eines der am dichtesten besiedelten in Europa; die Bevölkerungsdichte ist mehr als doppelt so hoch wie in Frankreich und viermal so hoch wie in Spanien.

Diese Erkenntnisse sind wahrlich nicht neu. Sie sind unter anderem in meinen beiden Büchern »Die Reformlüge« und »Machtwahn« dokumentiert. Wissenschaftler wie Gerd Bosbach und Christoph Butterwegge haben sich ausführlich der Thematik angenommen. Aber die Agitation zum schrumpfenden Volk, zur angeblich dramatisch niedrigen Geburtenrate und auch zum »sterbenden Volk«, zur »Überalterung« und »Vergreisung« läuft unbeeindruckt von den Tatsachen weiter. So als seien die dramatischen Beschreibungen unseres demographischen Niedergangs nicht widerlegt. Doch diese Erkenntnisse kommen bei den Bürgern nicht an. Die Orientierung wird damit nicht einfacher.

Unabhängig von den Fakten wird versucht, Meinung zu machen. Wenn man die Meinung in eine bestimmte Richtung trimmen will und wenn diese Meinungsbildung nicht auf Fakten, sondern auf falschen Daten beruht, darf man sich auf keinen Fall auf gegnerische Fragezeichen einlassen. Wenn Fragen und kritische Einwände laut werden, muss man den Taktschlag der Agitation erhöhen, man muss den Gegner niedermachen und darf auf keinen Fall auf ihn eingehen. So läuft das bei uns. Es läuft auch unter Beachtung der anderen in Kapitel 10 skizzierten Methoden: Übertreibung, massiver Einsatz von Kommunikationsimpulsen, Nutzung von Konflikten – Jung gegen Alt.

Aber wir werden in dieser Debatte nicht nur emotional attackiert. Wir werden auch schamlos in die Irre geführt. Beispielhaft ist die erwähnte Studie des Berlin-Instituts. Mitte März 2006 hieß es auf der Basis einer Veröffentlichung dieses Instituts in nahezu allen deutschen Medien, wir hätten die niedrigste Geburtenrate weltweit und auch die niedrigste seit 1945. Richtig ist: Noch zehn andere Länder in Europa und noch mehr weltweit hatten eine niedrigere bzw. ähnlich niedrige Geburtenrate als Deutschland mit seinem Durchschnitt von 1,36 Kindern pro Frau.

Auch die Behauptung, es sei die niedrigste Geburtenrate seit 1945, ist falsch. Richtig ist: Die Geburtenrate des Jahres 1985 lag mit 1,28 deutlich niedriger als heute. Wollte man sich auf das Niveau der Panikmache in Sachen Demographie einlassen, könnte man daraus folgern: Offenbar hatte die Wende von Helmut Schmidt zu Helmut Kohl die jungen Paare so geschockt, dass sie das Zeugen und Gebären einstellten. Möglicherweise wäre eine solche Vermutung sogar noch schlüssiger als vieles demographische Geschwätz von heute. Schließlich war das damals nicht nur eine politische, sondern auch eine ideologische Wende mit praktischen Folgen: eine Wende weg von einer solidarischen Gesellschaft, weg von ökologischer Vorsorge, geprägt vom Egoismus und Wirtschaftsliberalismus des Lambsdorff-Papiers und zugleich eine Periode des relativen wirtschaftlichen Niedergangs und der Verminderung der Berufsperspektiven für junge Leute. War es da nicht logisch, wenn die Geburtenrate markant sank?

Der Direktor des Berlin-Instituts, Reiner Klingholz, sagte in einem Interview mit dem »Focus« vom 13. März 2006: »Die deutsche Bevölkerung schrumpft schneller als erwartet. In nur zwei Jahren ist die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau um 0,7 Prozent auf 1,36 gefallen.«

Das Gegenteil ist wahr, wie das Statistische Bundesamt am 17. März 2006 in einer richtigstellenden Pressemitteilung notierte: »Die Kinderzahl je Frau hat sich im Durchschnitt in Deutschland in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, fiel die Geburtenziffer 2004 mit 1,36 etwas höher als in den drei vorangegangenen Jahren aus (2001: 1,35; 2002 und 2003 jeweils 1,34). Eine höhere durchschnittliche Kinderzahl hatte es seit der Wiedervereinigung nur in den Jahren 1997 (1,37) und 2000 (1,38) gegeben.«

Was jedoch viel wichtiger ist: Diese Schwankungen sind ausgesprochen nichtssagend, weil sie viel zu gering sind und von allem Möglichen verursacht sein können. Sie taugen schon gar nicht als Grundlage für Erfolgsmeldungen, wie es Familienministerin von der Leyen versucht hat, die am 15. Februar 2009 auf der Basis von zwischen Januar und September 2008 gezählten Geburten gegenüber »Bild am Sonntag« erklärte: »Der Trend kehrt sich gerade um: Die Deutschen kriegen wieder mehr Kinder.« Diese vermeintliche Trendumkehr führte von der Leyen auf ihre Politik zurück. Wenig später stellte sich heraus, dass bis zum Jahresende 2008 dann doch weniger Kinder geboren worden waren als im Jahr 2007. Doch Ursula von der Leyen hatte auf ihrer falschen Feststellung inzwischen schon ihre eigene Theorie aufgebaut: »Wenn die Wirtschaft wankt, hat die Familie Konjunktur.«

Allesamt absurdes Theater. Jährliche oder gar monatliche Messungen und Vergleiche von Geburtenraten sind viel zu unsicher und deshalb unnütz. Es ist einfältig und vermessen zugleich, sich staatlicherseits mit solchen Messungen, Veränderungen und Vergleichen überhaupt zu beschäftigen. Trotzdem wird mit solchen Zahlen operiert, und die Basis wird von sogenannten Wissenschaftlern geschaffen. Am 15. April 2009 erschien zum Beispiel eine Pressemitteilung des »Rostocker Zentrums zur Erforschung des Demographischen Wandels« mit der Schlagzeile: »Rostocker Zentrum veröffentlicht geschätzte Geburtenrate für 2008: Keine verminderte Geburtenneigung in 2008 gegenüber 2007«. Wer – außer der Bundesfamilienministerin zur Rettung ihrer Theorien – ist an solchen Arbeitsergebnissen interessiert, für wen spielt die Messung der »Geburtsneigung« im Monatsrhythmus eine Rolle? Für politische Entscheidungen ist das absolut unerheblich. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass solche Veröffentlichungen und die dafür unternommenen Arbeiten schlicht das Ergebnis einer dramatisierenden Meinungsmache zum Thema Demographie sind.

Falls sich überhaupt etwas aus der Entwicklung der Geburtenziffern im Zeitablauf und aus ihrer Verschiedenheit von Region zu Region ablesen lässt, dann vielleicht dies: dass die wirtschaftliche Entwicklung, dass die Berufsperspektiven und vermutlich auch die Art der Arbeitsverträge und der Entlohnung entscheidende Faktoren für die Bevölkerungsentwicklung sind. Einem Dreißigjährigen mit einem befristeten Arbeitsvertrag und seiner Partnerin mit einem Mini- oder Ein-Euro-Job kann man verantwortungsvollerweise nicht zumuten, zwei oder drei Kinder zu kriegen. Und eine junge Familie, deren Vater in der Nacht von Sonntag auf Montag von Brandenburg nach Stuttgart und am Freitagabend wieder zurück fährt, wird sich sinnvollerweise nicht für viele Kinder entscheiden.

Wenn man es für nötig hält, die Geburtenrate wieder zu heben, müsste man den jungen Menschen die Möglichkeit geben, Beruf und Familie zu verbinden. Und man müsste ihnen wieder gesicherte Arbeitsverhältnisse verschaffen. Folglich wäre ein Programm zur Ankurbelung der Konjunktur und zur Vermehrung der gesicherten Normalarbeitsverhältnisse – zusammen mit der Verbesserung der Betreuung von Kindern – die eigentlich richtige Antwort der Bundesregierung. Alles andere ist Propaganda und nicht ernst zu nehmen.

Die wirtschaftliche Entwicklung ist übrigens auch der entscheidende Faktor für Zu- und Abwanderung. Wenn die wirtschaftliche Lage schlecht bleibt, wandern Menschen aus Deutschland ab. Wenn die Lage nachhaltig besser würde, wenn die Wirtschaftskrise erfolgreich überwunden würde, ein richtiger Aufschwung käme, wenn Arbeitskräfte nachgefragt würden und gleichzeitig die volle Mobilität in der erweiterten EU eintritt, dann werden sich die den Modellrechnungen zur Bevölkerungsentwicklung zugrundeliegenden Faktoren wesentlich verändern; möglicherweise bleibt dann die Bevölkerungszahl ungefähr bei der heutigen. Das Dumme ist: Wir wissen es nicht. Eines aber ist sicher: Die vorliegenden Zahlen zeigen, dass Katastrophenstimmung nicht angebracht ist.

Es gibt in unserem Land demographische Verschiebungen, deren man sich wirklich annehmen muss, und zwar die Abwanderung aus mehreren Regionen der neuen Bundesländer und aus einigen Regionen im Westen der Republik. Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass es die betroffenen Regionen nicht zuallererst mit einem demographischen Problem, sondern mit wirtschaftlichen Problemen zu tun haben. Junge Männer und junge Frauen wandern ab, weil sie zu Hause keine Berufs- und Einkommensperspektive haben. Und weil sie abwandern, wird die zurückbleibende Bevölkerung im Durchschnitt älter, und es gibt weniger Kinder. Das mag man dann ein demographisches Problem nennen, wenn man unbedingt will. Aber seine Ursache ist ein ökonomisches Problem.

Vergreisen wir?

Wir werden älter. Aber das ist nicht dramatisch. Im 20. Jahrhundert wurde unsere Gesellschaft sehr viel älter als heute: Die Lebenserwartung stieg damals sehr viel mehr, die Geburtenraten gingen stärker zurück. Das ist alles nichts Neues und dennoch ohne Eindruck auf die herrschende Debatte, die geprägt ist von Meinungsmache und nicht von Fakten.

Im Übrigen sagt die Wortwahl – speziell der Gebrauch des Wortes »Vergreisung« – mehr über die menschenunfreundliche Qualität unserer Meinungsführer aus als über demographische Veränderungen. Die Diffamierung ganzer Bevölkerungsgruppen ist weit verbreitet, bei einigen Medien dient sie offenbar der Auflagensteigerung. Für Respekt vor dem Alter, Respekt vor der Lebensleistung von Menschen, die unter schwierigen Bedingungen viel geschaffen und viel beigetragen haben zum Wohlstand der heute Lebenden, ist in der Demographiedebatte kein Platz. Es geht bei der Finanzindustrie und ihren »wissenschaftlichen« und medialen Helfern um viel Geld. Der Zweck, dieses Geld zu vereinnahmen, heiligt auch den Versuch, die Jungen gegen die Alten aufzuwiegeln, sprachlich und faktisch.

Trägt der Generationenvertrag nicht mehr?

Der Generationenvertrag trägt immer. Wie gut er trägt, ist eine andere Frage. Die Antwort darauf hängt aber kaum von der demographischen Entwicklung ab, jedenfalls nicht zum Beispiel davon, ob man nun eine geburtenfördernde Politik macht oder nicht. Sie hängt im Wesentlichen ab von der wirtschaftlichen Entwicklung – vor allem vom Grad der Beschäftigung, der Erwerbsquote und der Produktivitätsentwicklung.

Die Lastenverschiebungen zwischen den Generationen sind im weiteren Zeitablauf nicht dramatisch. Man erkennt das, wenn man korrekt rechnet, wenn man nach der Gesamtlast der Arbeitsfähigen fragt, also danach, wie viel Alte und wie viel Junge einschließlich der Kinder die arbeitsfähige Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten zu versorgen hat. Auf 100 Menschen mittleren Alters, also von 20 bis 60 Jahren, kamen 2001 82 Menschen jenseits der Arbeitsfähigkeit, also Alte und Junge. Im Jahre 2050 werden es nach der Modellrechnung des Statistischen Bundesamtes von 2003 112 Personen sein. Wenn man annimmt, dass bis dahin die Arbeitstätigkeit real bis zum fünfundsechzigsten Lebensjahr ausgedehnt werden könnte, dann würde die Gesamtlast von 82 im Jahr 2001 auf 85 bis zum Jahr 2050 steigen. Das ist in keinem Fall besorgniserregend.

Dass es den Jüngeren heute schlechter geht als einem Teil der älteren Generation, liegt nicht am demographischen Wandel, also etwa daran, dass es zu viele Alte gibt und diese auch noch zu lange leben. Unser Hauptproblem ist das ökonomische Problem. Als meine Generation vor vierzig Jahren ins Berufsleben eintrat, konnten wir uns bei einigermaßen vernünftiger Ausbildung und einem einigermaßen guten Abschluss die Jobs aussuchen. Ob als Handwerker oder als Akademiker/-in oder als Facharbeiter/-in – unsere Berufs- und Einkommensperspektive war in der Regel gut. Wir konnten sogar zwischen verschiedenen Stellen wählen. Heute müssen die jungen Leute manchmal hundert Bewerbungen und mehr schreiben. Oft ohne Erfolg. Sie haben keine Alternativen. Entsprechend schlecht ist das Druckpotenzial für gute Löhne und Einkommen. So gesehen ist die jüngere Generation wirklich benachteiligt. Aber mit Demographie hat das nichts zu tun. Und damit, dass es sich die ältere Generation angeblich auf Kosten der jungen gutgehen lässt, schon gar nichts.

Im Übrigen wird bei der von manchen hitzig geführten Debatte um die angebliche Belastung der jüngeren Generation durch die Rentnergeneration außer Acht gelassen, dass die Renten an die Entwicklung der Arbeitseinkommen gekoppelt sind. Wenn die Löhne und Gehälter stagnieren, stagnieren auch die Renten.

Auch die finanziellen Schwierigkeiten der sozialen Sicherungssysteme resultieren nicht aus der demographischen Entwicklung, sondern aus der mangelnden Beschäftigungs- und Lohnentwicklung. Hohe Arbeitslosigkeit, ein Verlust von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverträgen – von 30 Millionen im Jahr 1990 auf 26,2 Millionen im Jahr 2005 und auf 27,33 Millionen im Januar 2009 –, Minijobs und andere prekäre Arbeitsverhältnisse, seit fünfzehn Jahren stagnierende Reallöhne, Einfrieren der Beitragssätze – das sind Faktoren, die die sozialen Sicherungssysteme finanziell unsicher erscheinen lassen und auch unsicher machen.

Wird es künftigen Rentnern schlechter gehen?

Die wie selbstverständlich und immer wieder vorgetragene Behauptung, den heute Berufstätigen und der jungen Generation werde es als Rentner zwangsläufig schlechter gehen als den heutigen Rentnern, ist nicht richtig. Es gibt ökonomische Instrumente, mit denen man dafür sorgen könnte, dass es in zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren auch den heute Arbeitenden als Rentnern gutgeht. Warum grassiert trotzdem so viel Pessimismus?

Rational kann man das nicht erklären. Es gibt Optionen und Alternativen:

Option A: Arbeitslosigkeit reduzieren, Menschen in Arbeit bringen. Dazu bedarf es einer undogmatischen Wirtschaftspolitik, die alle Instrumente nutzt.

Option B: Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse wieder mindestens auf das Niveau von 1990 heben. Das wären ungefähr 10 Prozent mehr gesicherte Arbeitsverhältnisse und entsprechend mehr Einnahmen für die sozialen Sicherungssysteme als heute.

Option C: Die Erwerbstätigenquote erhöhen. Sie lag 2007 in Deutschland bei 69,4 Prozent, in Dänemark bei 77,1 Prozent, in Schweden bei 74,2 Prozent, in der Schweiz bei 78,6 Prozent und auch in Österreich mit 71,4 Prozent höher als in Deutschland.

Option D: Die Arbeitsproduktivität fördern – durch gute Ausbildung, durch eine gute und verlässliche Infrastruktur, durch Förderung der sogenannten Fühlungsvorteile der Unternehmen, durch hohe Auslastung der Kapazitäten und damit verbunden den Anstoß zu neuen Investitionen in produktivere Maschinen und Anlagen.

Wie es den heute Arbeitenden später einmal als Rentnern gehen wird, das hängt entscheidend davon ab, ob es gelingt, mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen, und davon, ob sie produktiv arbeiten können. Wenn Deutschland seit der Jahrtausendwende mit seiner Beschäftigungspolitik auch nur halbwegs so gut abgeschnitten hätte wie Österreich, Dänemark und die Niederlande, dann hätten unsere sozialen Sicherungssysteme keine Finanzierungsprobleme. Deutschland leidet mit einer Arbeitslosenquote von 8,8 Prozent im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2008 unter einer mehr als doppelt so hohen Arbeitslosigkeit wie Österreich, Dänemark, Luxemburg und die Niederlande. Das liegt an der schlechten makroökonomischen Politik.

Wenn wir endlich expansiv werden in der Wirtschaftspolitik, wenn endlich die Masseneinkommen wieder real wachsen und dafür auch der Kapitalstock unserer Volkswirtschaft erweitert wird, dann steht uns in zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren ein Bruttoinlandsprodukt zur Verfügung, das, wenn es durch weniger Bewohner dieses Landes geteilt wird, jeder Gruppe – den Kindern und Jugendlichen, den arbeitenden Erwachsenen und den Rentnern – mehr zur Verfügung stellen kann. 1,5 Prozent jährlicher Produktivitätsfortschritt führt zu einer Verdoppelung des Bruttoinlandsprodukts innerhalb von knapp fünfzig Jahren. Und ein verdoppeltes Inlandsprodukt geteilt durch eine ein wenig kleinere Zahl hier lebender Menschen bringt dem einzelnen folglich ein größeres Stück vom Kuchen und nicht ein kleineres. Also kann diese Entwicklung nicht bedeuten, dass eine Gruppe, nämlich die dann in Rente Befindlichen und heute Arbeitenden, zwangsläufig schlechter dastehen müsste. Im Gegenteil, alle Gruppen können mehr haben: die Alten, die arbeitenden jungen und älteren Erwachsenen und die Kindergeneration. Das ist erreichbar, wenn wir wollen und wenn wir die richtige Politik machen.

Fazit: Das System enthält eine Reihe von flexiblen Faktoren. Es gibt keinen Grund, pessimistisch davon auszugehen, den heute arbeitenden jungen Menschen und Menschen mittleren Alters müsste es später schlechter gehen als den heutigen Rentnern. Dass dies so einhellig geglaubt und immerzu wiederholt wird, ist ein erstaunliches Phänomen. Wenn man nicht annehmen will, dass es so etwas wie einen kollektiven Wahn gibt, muss man wohl davon ausgehen, dass die Public-Relations-Organisationen der Finanzwirtschaft so elegant und so unmerklich arbeiten, dass sich auch ernstzunehmende Beobachter des Zeitgeschehens die Sorge um die Zukunft ihrer Rente aus Gründen der demographischen Entwicklung zu eigen machen.

Was ändert die Privatvorsorge an dem

(angeblichen) demographischen Problem?

Selbst wenn die hier vertretene These, unser demographisches Problem sei zweitrangig, nicht zutreffen würde, selbst wenn es also ein großes demographisches Problem zu Lasten der arbeitsfähigen Generation gäbe, wäre als Nächstes die Frage zu stellen: Wieso hilft die Privatvorsorge, dieses Problem zu lösen? Werden bei der Umstellung vom Umlageverfahren der gesetzlichen Rente auf die Privatvorsorge, die mit dem Kapitaldeckungsverfahren arbeitet, etwa mehr Kinder geboren und dann kurz darauf arbeitsfähig? Die Mehrheit der Agitatoren in diesem Feld denkt wohl so oder denkt nicht – und sie nutzen unsere Gedankenlosigkeit.

Selbst bei vollständiger Umstellung auf die Privatvorsorge wäre es immer die arbeitsfähige Generation, die die Rentner und die Kinder und Jugendlichen versorgen, ernähren, aushalten müsste. So hat es ein Nationalökonom, der Kieler Professor Gerhard Mackenroth, einmal formuliert. Gegen seine Beobachtung rennen heute die von der Versicherungswirtschaft engagierten Wissenschaftler reihenweise an – mit Theorien über die Vermehrung des Kapitalstocks und über die Anlage des Kapitals in angeblich produktiveren ausländischen Volkswirtschaften. Das sind abenteuerliche Theorien. Meist werden dabei fälschlicherweise betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte auf eine volkswirtschaftliche Betrachtung übertragen.

Wie schneidet das Kapitaldeckungsverfahren im Vergleich zum Umlageverfahren ab?

Versetzen wir uns in die Lage eines Bundeskanzlers oder eines Sozialministers oder auch nur eines objektiven Sozialwissenschaftlers und Ökonomen im Jahr 2000, also vor Einführung der Riester-Rente. Ökonomen haben für eine solche Situation gelernt, in sogenannten realen Größen zu denken, in »real terms«. Die volkswirtschaftliche und gesamtgesellschaftlich angemessene Fragestellung lautet dann: Wie muss unser Altersvorsorgesystem aussehen, damit es möglichst sicher und zugleich rentabel ist, also kostengünstig arbeitet?

Wenn man so fragt, kann man nur dem Umlageverfahren verfallen. »Verfallen« deshalb, weil das Umlageverfahren alle gefragten Attribute hat: Es arbeitet vergleichsweise sicher; die Qualität der Altersvorsorge hängt von der Leistungsfähigkeit der arbeitenden Generation und letztendlich auch davon ab, dass diese Leistungsfähigkeit durch Beschäftigung und Förderung der vorhandenen Arbeitskräfte und Produktionsanlagen zum Tragen kommt.

Sowohl die Theorie dieser Erwägungen als auch die praktische Erfahrung zweier Weltkriege und der deutschen Vereinigung sprechen für das Umlageverfahren: Die arbeitenden Menschen zahlen ihre Beiträge ein und ihre Steuern; diese werden verwendet für die Rentner an der Spitze der Alterspyramide und für die Kinder und Jugendlichen, die großgezogen und ausgebildet werden müssen.

Das Umlageverfahren in der Ausprägung der gesetzlichen Rentenversicherung hat zudem den Vorteil, dass es auch gewisse soziale Ausgleichselemente mit zu tragen imstande ist: Berufsunfähigkeit zum Beispiel und andere Risiken des Lebens; ebenso können verschiedene Kinderzahlen Berücksichtigung finden oder besonders lange Ausbildungszeiten.

Dieses System hat in seiner Geschichte eine ganze Reihe von sozialen Ausgleichsmaßnahmen bewältigt: dass die durch den Zweiten Weltkrieg dezimierte arbeitende Generation die Alten und die vom Krieg gezeichneten Arbeitsunfähigen zu ernähren verstand, wenn auch nicht sehr üppig, ist ein Zeichen dafür. Das System hat außerdem den sozialen Ausgleich bewerkstelligt, den die deutsche Vereinigung und der Aussiedlerzuzug erforderte. Doch jetzt wird es heruntergefahren und heruntergewirtschaftet, bloßgestellt und denunziert. Das ist schon eine beachtliche »historische Leistung« unserer Meinungsmacher.

Exkurs: Wertschöpfungsabgabe

In der Praxis wäre das System der gesetzlichen Rente verbesserungsfähig gewesen (und ist es noch): Die Politiker hätten dafür sorgen müssen, dass möglichst viele Bürger in dieses System integriert werden, also auch Selbständige, Beamte, Abgeordnete, nicht arbeitende Frauen und so weiter. Und es hätte schon früher so umgestellt werden können und müssen, dass die lohnintensiven Betriebe entlastet werden und die kapitalintensiven Betriebe tendenziell stärker belastet werden. Das ist mit Hilfe einer Wertschöpfungsabgabe möglich. Die Beiträge für die Sozialversicherung und insbesondere für die Rentenversicherung würden dann nicht mehr an der Lohnsumme ansetzen, sondern an der Wertschöpfung des Unternehmens. Das heißt, die Kapitalerträge und Abschreibungen werden mit erfasst.

Tendenziell werden dann Betriebe, die mit vergleichsweise vielen Menschen arbeiten, entlastet und die kapitalintensiven tendenziell mehr belastet. »Tendenziell« meint, es gibt keine ruckartigen, sondern kleine Verschiebungen zugunsten der lohnintensiven Betriebe, Verwaltungen und Werkstätten.

Diese in vieler Hinsicht vorteilhafte Lösung wurde in der Vergangenheit per Meinungsmache diffamiert – geradezu öffentlich hingerichtet. Die Gegner der Wertschöpfungsabgabe bezeichneten das Verfahren, die Beiträge an der Wertschöpfung zu orientieren und nicht an der Lohnsumme, als »Maschinensteuer«. Damit hatte diese fortschrittliche Lösung ihr rückschrittliches Image weg. Ein Etikett trat an die Stelle einer ausgewogenen vernünftigen Debatte und der Suche nach einer guten Lösung.

Hier wird wieder einmal sichtbar, wer die Herren der Meinungsmache in Deutschland sind: die exportorientierte kapitalintensive Großindustrie und die mit ihr verbundenen Banken. Für die große Zahl der kleineren Betriebe würde eine Wertschöpfungsabgabe eine wirkliche Entlastung bringen. Aber Letztere sind so wirkungslos in der öffentlichen Debatte, dass die Wertschöpfungsabgabe nicht einmal mehr zur Debatte steht. Sie ist vorerst per Propaganda totgemacht. Meinung macht Politik.

Das Umlageverfahren arbeitet nicht nur sicher, es arbeitet effizient. Die Beiträge werden eingebucht, die Ausgaben für Renten werden ausgebucht. Die dafür zuständigen Ämter, die Deutsche Rentenversicherung und ihre Filialen, berechnen die Rentenansprüche, geben Bescheide heraus, nehmen Beiträge ein und zahlen Renten aus. Das ist in Zeiten der Computertechnik ausgesprochen einfach zu erledigen.

Die Betrachtungsweise in realen Größen vermittelt einem die Vorstellung, welcher Aufwand dafür notwendig ist: Das sind konkret die Zentrale und die Niederlassungen der Deutschen Rentenversicherung (früher der Landesversicherungsanstalten und der Bundesversicherungsanstalt), es sind Gehälter für Beamte und Angestellte, es sind Kosten für Computer und Gebäude. Kosten für Vertrieb und Werbung fallen nicht an, auch nicht für die Anlage von Geldern an Aktienmärkten und in den Casinos der Kapitalmarktspekulanten.

Manches wäre noch einfacher zu machen, vielleicht ließe sich das eine oder andere noch rationalisieren. Insgesamt spricht für die Effizienz und Kostengünstigkeit dieses Verfahrens, dass der Aufwand für die Verwaltung der Beiträge und der Renten mit rund 1,5 Prozent der Beitragssumme ausgesprochen gering ist.

Beim Kapitaldeckungsverfahren muss die arbeitsfähige Generation nicht nur für die Alten und die Kinder, sondern auch für die Verwaltungs- und Vertriebssysteme der privaten Versicherungen sorgen – also für die Versicherungsagenturen, für die Angestellten der Versicherungen und ihre Gewinne, für die Anlagespezialisten, für die Werbung einschließlich der Werbehelfer und Wissenschaftler, von Reinhold Beckmann bis Professor Raffelhüschen.

Warum wird dem Umlageverfahren mit so viel Häme,

Kritik und Ablehnung begegnet?

Warum machen sich viele Medien und Journalisten immer wieder zum Helfer der Privatvorsorgeinteressen und verbreiten die absonderlichsten Vorurteile und Forderungen? Am 8. Mai 2008 erschienen die »Ruhr Nachrichten« mit der Forderung von Professor Hans-Werner Sinn, die Arbeitnehmer sollten verpflichtet werden, einen Riester-Renten-Vertrag abzuschließen. Diese Forderung wird immer wieder mal von der Lobby der Versicherungswirtschaft und auch von manchen Politikern, wie zum Beispiel Franz Müntefering, erhoben. Wer die Riester-Rente nicht nutze, sei ein Trittbrettfahrer, meinte Sinn. Seine sonderbaren Thesen wurden sofort und nahezu gleichlautend in mehreren Medien verbreitet, unter anderem in »heute«, bei ntv, im »Focus« und in der »Welt«.

Sinns Forderung ist in mehrerer Hinsicht bodenlos. Die Riester-Rente ist eine Privatvorsorge, die uns mit dem hehren Anspruch nahegebracht wurde, Eigenverantwortung wahrzunehmen. Soll jetzt »Eigenverantwortung« zur Pflicht gemacht werden? – Auch die Beschimpfung jener als Trittbrettfahrer, die keinen Riester-Vertrag abgeschlossen haben, überschreitet die Grenzen des Erträglichen. Jene nämlich, die, sei es aus Geldmangel oder aus rationaler Überlegung – zum Beispiel, weil sie nicht einsehen, dass sie der Versicherungswirtschaft und anderen Finanzdienstleistern das Geld in den Rachen werfen sollen –, keine Riester-Verträge abgeschlossen haben, speisen zurzeit mit ihrer Lohnsteuer, Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer und anderen Steuern die Subventionen, Zulagen und Steuererleichterungen, mit denen die Privatvorsorge über Riester-Rente und Rürup-Rente gefördert wird. Trittbrettfahrer sind also nicht diese Steuer- und Subventionszahler, Trittbrettfahrer sind eher jene, die riestern.

Weshalb bekommen dann aber selbst solche abwegigen Forderungen eine derartige Medienresonanz? Zwei Versuche einer Antwort:

Erstens: An der Tatsache, dass so schräge Thesen wie jene von Professor Sinn ein so breites und oft gleichlautendes Echo in vielen Medien finden, wird die Public-Relations-Kraft der interessierten Finanzwirtschaft sichtbar. Ein anderes Symptom dafür sind die ständigen Auftritte der Professoren Raffelhüschen, Sinn, Miegel, Rürup und Börsch-Supan in den Medien. Es entsteht der fatale Eindruck, dass sich die Versicherungen, Banken und andere Finanzdienstleister die genannten Professoren wie auch einige Politiker dienstbar gemacht haben und sie für ihre Public-Relations-Aktionen zu nutzen verstehen. Ein Vorstoß wie die Forderung nach der Verpflichtung zur Riester-Rente könnte von der Finanzwirtschaft selbst nicht besser lanciert werden. Die Public-Relations-Branche boomt, und immer mehr Medien scheinen – aus finanziellen Gründen? – geneigt zu sein, sich auf deren Angebote einzulassen.

Am gleichen Tag übrigens, als Hans-Werner Sinns neu-alte Forderungen nach der Verpflichtung zur Riester-Rente verbreitet wurden, brachte »Kontraste«, das »Hintergrundmagazin« des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), einen Beitrag über die Tricks der Pharmaindustrie. Darin wurde berichtet, wie die Pharmaindustrie mit Hilfe von PR-Agenturen Werbung für bestimmte Medikamente im redaktionellen Teil von Zeitungen und Zeitschriften plaziert, obwohl dies verboten ist. Darin wurde auch darüber informiert, was die Plazierung eines Artikels kostet: je nach Auflage 8000 bis 30 000 Euro. »Kontraste« hat außerdem beschrieben, wie unter dem Mäntelchen der »Beratung« Telefonaktionen mit angeblich neutralen Wissenschaftlern und anderen Fachleuten organisiert werden.

Diese Erfahrung ließe sich unmittelbar auf die Werbung für die private Altersvorsorge übertragen. Auch hier gibt es gesponserte Artikel. Und es gibt haufenweise Telefonaktionen mit Experten zur Riester-Rente und zur Rürup-Rente, die von den Medien in Kooperation mit Finanzdienstleistern organisiert werden.

Zweitens: Die Bereitschaft vieler Journalisten, mit jedem Unsinn Reklame für die Privatvorsorge zu machen und sich auch sonst immer pro Privatvorsorge/Kapitaldeckungsverfahren und gegen die gesetzliche Rente und das Umlageverfahren in Stellung bringen zu lassen, hat möglicherweise auch etwas mit der persönlichen Altersvorsorgesituation vieler Journalisten zu tun. In Gesprächen und Interviews mit Journalisten über die Altersvorsorge ist immer wieder zu spüren, dass sie total auf die Kapitaldeckung festgelegt sind. Sie halten nichts von der gesetzlichen Rente, sie spotten in einer geradezu kindischen Manier über Norbert Blüms Spruch »Aber eines ist sicher – die Rente«; sie sind nicht bereit, wenigstens darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoll wäre, die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente wiederherzustellen, um auf diese Weise Altersarmut zu vermeiden und alle einigermaßen sicher und gut fürs Alter zu versorgen.

Der Hinweis einer Journalistin darauf, dass sie monatlich 7,5 Prozent (wie sie meint) ihres Bruttogehalts an das Presseversorgungswerk zahlt, bringt mich auf eine weitere Erklärung dieses seltsamen Phänomens: Nahezu alle Journalisten, die festangestellten und auch viele der sogenannten Freien, machen persönlich bei kapitalgedeckten Altersvorsorgesystemen mit. Bei den Tageszeitungen gehen sie schon mit ihrer Einstellung die Verpflichtung dazu ein. Die Gewerkschaften haben – bisher – mit den Verlegern auch recht gute Konditionen ausgehandelt (Erosionen sind allerdings erkennbar): Den größeren Teil des Beitrags nämlich zahlen, jedenfalls bei den Tageszeitungen, die Verleger. Obwohl private Versicherungsgesellschaften, federführend Unternehmen der Allianz AG, daran beteiligt sind, sind die Kosten des Betriebs dieser privaten Vorsorgesysteme niedrig gehalten – um die 2 Prozent machen sie beim Presseversorgungswerk aus.

Das heißt: Jene Journalisten – und das ist ein beträchtlicher Anteil –, die in diesem Altersvorsorgesystem oder bei jenem der Rundfunkjournalisten, der Baden-Badener Pensionskasse, mitmachen, haben insgesamt einigermaßen gute Erfahrungen mit einem kapitalgedeckten Vorsorgesystem gemacht. Diesen Eindruck übertragen sie wohl auf die allgemeine Debatte. Wenn sie sich für die Wiederbelebung der gesetzlichen Rente und des Umlageverfahrens starkmachen sollten, müssten sie deshalb zunächst eine kognitive Dissonanz überwinden.

Aber es gibt auch noch eine Reihe von Journalistinnen und Journalisten, die sich die Privatvorsorge nicht leisten (können) und deren gesetzliche Rente – die Künstlersozialversicherung – wie die gesetzliche Rente der anderen Arbeitnehmer unter der von der Politik herbeigeführten Minderung ihrer Leistungsfähigkeit leidet. Auch bei diesen Kolleginnen und Kollegen bleibt der Eindruck hängen, dass es die gesetzliche Rente nicht mehr bringt und die Privatvorsorge in jedem Fall die bessere Lösung ist. Und vermutlich übertragen auch sie diese persönliche Erfahrung auf die Debatte des Themas insgesamt.

Das ist nun sicher keine vollständige Erklärung, aber vielleicht ein Anstoß für weitere Analysen des Phänomens, dass unsere Medienmacher so sehr pro Privatvorsorge engagiert sind und kein offenes Ohr für die soliden Möglichkeiten des Umlageverfahrens haben.

Privatvorsorgesysteme sind mit

hohen verdeckten Kosten verbunden

Für die Riester-Rente werden je nach Ausformung und Versicherungsgesellschaft zwischen 10 und 25 Prozent der vom Sparer gezahlten Prämien für Verwaltung, Vertrieb, Werbung und Anlagekosten verbraucht. Dieses Geld steht nicht mehr für die Kapitalanlage und damit nicht für die Versicherungsrentner zur Verfügung. Zum besseren Verständnis macht es auch hier Sinn, in realen Größen zu denken: Die Kosten für die Versicherungsgebäude, für die Werbeanzeigen und die Fernsehspots (allein im Bundestagswahlkampf 1998 wurde fast täglich eine ganzseitige Anzeige mit Werbung für Privatvorsorge geschaltet) und die Kosten für jene Personen, die die Kapitalstocks der Versicherungsgesellschaften möglichst günstig anzulegen versuchen, summieren sich zu den erwähnten 10 bis 25 Prozent. Die Provisionen der Versicherungsmakler, die Gehälter der Angestellten der Versicherungen, der Broker auf den Aktienmärkten und die erstaunlichen Bezüge der auf den Kapitalmärkten Tätigen – all das muss von den Riester-Renten-Sparern bezahlt werden. Von nichts kommt nichts. Was die Anlageexperten der privaten Versicherer abzwacken, das steht nicht mehr als Sparkapital zur Verfügung. Hinzu kommen die Honorare für Wissenschaftler, Politiker und Medienmacher, die das Hohelied der Privatvorsorge singen. Das mag Kleinvieh sein, aber wie wir wissen, macht das auch Mist.

Diese mit der Privatvorsorge verbundenen Nachteile konnte man spätestens seit Beginn der Riester-Rente zum 1. Januar 2002 kennen. Man konnte wissen, dass ein guter Teil der staatlichen Fördermittel – also das von uns Steuerzahlern bezahlte Geld – für die hohen Kosten der Privatvorsorge »draufgeht«. Die Pressemitteilung macht mit folgender Feststellung auf:

»Mit staatlichen Zulagen, Kapitalerhaltsgarantien und weiteren speziellen Regelungen sollte die Riesterrente attraktiver sein als andere private Vorsorgeformen. Die Beratungspraxis der Verbraucherzentrale zeigt nun: Die Kosten für Riesterverträge zehren teilweise die Zulagen auf. Und wer das Recht auf Anbieterwechsel nutzt, kann das eingezahlte Kapital nahezu vollständig verlieren.«

Bei Licht betrachtet ist diese Schlafmützigkeit der Verbraucherzentralen und der Medien ein Skandal. Bis August 2008 hatten ungefähr 11,5 Millionen Menschen einen Riester-Vertrag abgeschlossen. Die Mehrheit von ihnen wird voraussichtlich Geld verlieren und wir Steuerzahler als Förderer der Riester- und der Rürup-Rente sowieso.

Von Vertretern der Privatvorsorge wird manchmal darauf hingewiesen, dass Privatvorsorge deshalb rentabler sei, weil die eingesammelten Kapitalbeträge im Ausland angelegt werden könnten und dort seien die Renditen oft höher als hierzulande. Einmal abgesehen davon, dass viele Versicherungen dies aus Gründen der Sicherheit nicht tun, ist es ausgesprochen fraglich, wo denn das Kapital rentabler angelegt werden soll. In China, in Indien, in Bangladesch, in Marokko, in den USA – oder im Inland? Einige Kapitalsammelstellen der Privatvorsorger sollen ja auch in amerikanische Hypotheken investiert haben. Viel Vergnügen, kann man da nur sagen.

Privatvorsorgesysteme sind mit höheren Risiken verbunden

Genauso gravierend wie die Kosten sind die höheren Risiken der Privatvorsorgeprodukte. Das haben der Aktienboom und das Platzen der Blase schon in den Jahren 2000 bis 2003 gezeigt. Und das wird beim Absturz der Börsen seit 2007 wieder sichtbar, als sich zeigte, dass auch Versicherer und Banken in gefährliche Geschäfte mit Derivaten und Kunstprodukten des Finanzmarkts engagiert waren und sind. Auch Versicherungskonzerne verspekulieren sich. Im Jahr 2003 musste die Mannheimer Lebensversicherung AG aufgeben. Sie hatte am Aktienmarkt kräftig verloren.

Weltweit sind Privatvorsorgesysteme zusammengebrochen oder haben massiv an Wert eingebüßt, so dass der Staat fallweise mit Steuergeldern die Privatvorsorgesysteme nachfinanzieren muss, um allzu schlimme Altersarmut zu vermeiden. So braucht beispielsweise Chile, der Vorreiter der Privatvorsorge, eine neue Rentenreform. Darüber berichtete die Friedrich-Ebert-Stiftung in einem »Kurzbericht aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit« vom Mai 2008 unter dem Titel »Vom Vorbild zum Reformfall: Chile reformiert sein privates Rentenversicherungssystem«. US-amerikanische Pensionsfonds haben sich reihenweise verspekuliert. Die Pensionsfonds der 500 größten börsennotierten amerikanischen Unternehmen verloren innerhalb eines Jahres 205 Milliarden US $, berichtete »Le Monde« am 21. Oktober 2008. Auch die kapitalgedeckten Pensionskassen der Schweiz erlitten Milliardenverluste. Die Finanzkrise zeigt, wie riskant das Kapitaldeckungsverfahren werden kann.

In Deutschland wird das alles ausgeblendet. Die Demographiedebatte überlagert alle Vernunft. Selbst mitten in der Finanzkrise wird die Privatvorsorge weiter beworben. Auch 2009 noch werden die Anlageberater von Banken und Versicherungen von ihren Unternehmensleitungen angehalten und mit hohen Provisionen gelockt, die riskanten Produkte der Altersvorsorge zu verkaufen. Es ist, als wäre sich die Finanzindustrie sicher, von der Politik gestützt und bei riskanten Geschäften notfalls gerettet zu werden. In diesem Kontext kann man auch die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank sehen, bei der der Staat als Retter eingesprungen ist. Die Dresdner Bank war im Eigentum der Allianz AG, und die Commerzbank hatte ein Angebot zur Übernahme des Instituts gemacht. Dann reichte das Geld nicht, und der Rettungsfonds beziehungsweise der Bund, also wir alle, sprangen mit 18,2 Milliarden Euro ein. Ein seltsamer Vorgang. Hat sich womöglich die Allianz AG oder die Dresdner Bank oder haben sich gar beide auf der Suche nach hohen Renditen zur Realisierung der Versprechen an die Privatvorsorger verspekuliert? Nehmen wir als Steuerzahler mit der Kapitalhilfe in Höhe von 18,2 Milliarden für die Commerzbank zur Übernahme der Allianztochter Dresdner Bank jetzt die Risiken ab? Zahlen wir damit womöglich erneut Milliarden zur Förderung der Privatvorsorge?

Es zeichnet sich also schon ab, dass die Privatvorsorgelobby beim Steuerzahler an die Tür klopft. Das mindeste, was wir daraus lernen sollten: Volkswirtschaftlich, gesamtgesellschaftlich und demokratiepolitisch betrachtet, sind die gesetzliche Rente und das Umlageverfahren den Privatvorsorgemodellen haushoch überlegen.

Der geteilte Mensch

Die Werbung für die Riester-Rente und die Rürup-Rente arbeitet mit einem gefälligen Trick: Sie teilt implizit, also nicht erkennbar, den Menschen in zwei Teile auf. Zum einen in jenen, der die Steuern bezahlt, aus denen sich die Subvention der Zulagen und Steuererleichterungen zugunsten der Riester- und der Rürup-Rente speist. Und zum anderen in jenen, der die Förderung über Zulagen und Steuervergünstigungen erhält. Dieser zweite Teil von uns, und nur dieser, wird von den Werbern für die Privatvorsorge angesprochen. Das ist die Zielgruppe: die Subventionsempfänger für die Altersvorsorge. Die Werbung für private Altersvorsorge tut so, als gäbe es den Menschen als Steuerzahler nicht. Das wird in der Werbung für die Riester- und Rürup-Rente immer wieder sichtbar. So z. B. in der Anzeige von AWD und Superillu. Die beiden dort abgebildeten Fürsprecher Riester und Rürup heben in ihren Werbeschlagzeilen auf die staatliche Förderung ab. Die Menschen sollen das Geld vom Staat abholen.

Wenn der damalige Chef des Finanzdienstleisters AWD, Carsten Maschmeyer, damit wirbt, dass das Produkt, das er den Leuten verkaufen will, vom Staat und damit vom Steuerzahler gefördert wird, kann ich das verstehen. Das ist sein Job. Dass aber der ehemalige Sozial- und Arbeitsminister und heutige Bundestagsabgeordnete Walter Riester und der damalige Vorsitzende des sogenannten unabhängigen Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Bert Rürup, zuallererst die einzelwirtschaftliche, egoistische Perspektive nutzen und nur die eine Hälfte des Menschen ansprechen, obwohl sie genau wissen, dass die Steuerzahler für die Milliarden Euro aufkommen müssen, die in ihre Produkte fließen, ist nicht zu fassen. Sowohl von Riester als auch von Rürup sollten wir erwarten dürfen, dass sie ein solches Produkt wie die Riester- und die Rürup-Rente aus gesamtgesellschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Perspektive sehen. Von wem sonst sollten wir das erwarten?

Wenn die angesprochenen Menschen die beiden Seiten ihres gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens betrachten würden, wenn sie ihre Rolle als Steuerzahler und ihre Rolle als potenzieller Nutzer einer Rürup- oder Riester-Rente im Gesamtzusammenhang betrachten und bewerten würden, dann würden sie die Hohepriester der Privatvorsorge und alle ihre Jünger und Helfershelfer wohl aus dem Tempel jagen. Denn für nahezu niemanden wird sich unter Beachtung seiner Funktion als Steuerzahler eines dieser Produkte lohnen, allenfalls für jene, die ganz wenig Steuern zahlen und eine hohe Zulage beziehungsweise Steuervergünstigung erhalten. Doch das dürfte eine geringe Zahl von Menschen sein.

Alle anderen machen mit dieser Reform ein äußerst schlechtes Geschäft. Sie zahlen die Gewinne und Vertriebskosten der Finanzwirtschaft, der Versicherungskonzerne, der Banken, der Finanzdienstleister, der Versicherungsagenten und der werbetreibenden Wirtschaft. Und haben am Ende oft weniger an Rente und angesammeltem Kapital als bei einer konventionellen Anlage.

Einige Fallstricke von Riester- und Rürup-Rente

  1. Das Unangenehme, so zum Beispiel die Besteuerung, wird auf die Rentnerzeit verschoben. Das führt zu einer optischen Täuschung der Vorteile beim Abschluss eines Vorsorgevertrags.
  2. Die Kosten der Privatvorsorge und damit die Provisionen, die Gewinne, die Anlagekosten und sonstigen Kosten der Finanzindustrie waren bis zum 1. Juli 2008 für die Vertragsschließenden kaum erkennbar. Wer riesterte, schloss ab, ohne zu wissen, welcher Betrag als Kosten vom Angesparten abgezogen wird. Seit dem 1. Juli 2008 müssen die Anbieter die Kosten im Angebot ausweisen. Diese sind aber oft in mehrere Kostenelemente aufgeteilt. Der normale Riester-Vertragspartner kann dies kaum durchschauen und korrekt addieren.
  3. Es wurden und werden unrealistische Renditen genannt. Auf die realistischen Renditen kommt man meist nur per gezielter Nachfrage.
  4. Die meisten Vertragschließenden werden nicht ausreichend darüber informiert, was passiert, wenn sie die Prämie nicht mehr zahlen können, und was passiert, wenn sie als Rentner sterben, ohne auch nur annähernd in den Genuss der eingezahlten Beträge zu kommen. Sie sollten wissen: Die staatlich geförderte Privatvorsorge ist nur eingeschränkt vererbbar.
  5. Es wird dem potenziellen Kunden nicht gesagt, dass mit dem Abschluss einer Riester-Rente wegen der Beitragsfreiheit der Riesterprämie gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente weiter gesenkt wird.
  6. Die potenziellen Anleger wissen nicht, dass die Provisionen und andere Verdienste ihrer Berater mit den Risiken des Anlageprodukts wachsen. Anlageberater empfehlen deshalb tendenziell riskante Produkte.

Nicht einmal ein Drittel aller abhängig Beschäftigten hatte bis Ende 2008 eine Riester-Rente abgeschlossen. Für all jene, die Steuern zahlen und Riester- beziehungsweise Rürup-Verträge nicht in Anspruch nehmen können oder wollen, sind die Riester- und die Rürup-Rente jedoch eine einzige Katastrophe: Sie haben nichts davon, zahlen aber, selbst wenn sie zu den Ärmsten zählen, zumindest mit der Mehrwertsteuer und anderen Verbrauchssteuern die Zusatzaltersversorgung der Bessergestellten.

Für all diese Gruppen, für jene, die die Förderung in Anspruch nehmen, und für jene, die dies nicht tun, kann sich die Lage noch dramatisch verschlechtern, wenn immer mehr Menschen die Möglichkeit der Riester-Rente und/oder der Rürup-Rente nutzen. Dann kann nämlich die Zahlung der Zulagen und der Steuervergünstigungen auch für die Gemeinschaft der Steuerzahler empfindlich teuer werden.

Aber der Trick ist ja, dass die meisten Menschen nicht gesellschaftspolitisch denken. Verständlicherweise orientieren sie sich daran, was gerade in ihrem Fokus steht, also am Steuervorteil beziehungsweise an der Zulage für die »Fördererrente«, wie die Riester-Rente auch heißt. Die Werber für die Privatvorsorge können mit Recht unterstellen, dass die meisten Menschen dann, wenn man ihnen die Karotte der Riester-Rentenförderung und der Steuerprivilegien für die Rürup-Rente vor die Nase hält, nicht daran denken, dass sie selbst für diese Förderung bezahlen müssen.

Mitunter werde ich von Nachbarn gefragt: Soll ich riestern? Dann nutzt es in der Regel nichts, wenn ich ihnen sage: »Lasst das sein, denn ihr müsst das doch selbst bezahlen!« Sie entgegnen mir: Steuern zahlen müssen wir ohnehin, warum sollten wir dann die Riester-Förderung nicht wenigstens mitnehmen?

Der Trick funktioniert also. Wer unbedingt zugreifen will, sollte sich eine Sparkasse oder Bank suchen, die einen Banksparplan mit Riester-Förderung ohne Anlastung von Abschluss- und Vertriebskosten anbietet. Das ist vergleichsweise risikolos und bietet dennoch eine vernünftige Rendite.

Das ist die einzelwirtschaftliche Lösung ohne Rücksicht auf die Rolle, die man als Steuerzahler zu spielen hat. Wie könnte demgegenüber die sachlich und gesamtwirtschaftlich betrachtet richtige Lösung aussehen?

Für eine funktionsfähige Rente für alle

Auf Dauer sollten wir ein so teures und fragwürdiges System wie die Riester- und Rürup-Rente nicht hinnehmen, sondern bei nächster Gelegenheit dafür kämpfen, die Riester- und die Rürup-Rente auslaufen zu lassen und alle Mittel auf die gesetzliche Rente und die Verbreiterung ihrer Basis zu konzentrieren. Einfach wird das nicht, weil sich alle Parteien mit Ausnahme der Linkspartei der Privatvorsorge verschrieben haben.

Sich wieder auf die Rationalität und die Qualität des Umlageverfahrens zu besinnen liegt nahe: Das Umlageverfahren arbeitet preiswert. Es verschleudert nicht die knappen Ressourcen der Beitragszahler und Steuerzahler für Versicherungskonzerne und Vertriebsorganisationen. Ökonomisch und politisch wäre es ausgesprochen sinnvoll, darauf hinzuarbeiten, die Leistungsfähigkeit dieses Systems und damit die frühere Rentenformel wiederherzustellen.

Allerdings müsste das System Veränderungen der Erwerbsbiographien angepasst werden. Das ist nicht ganz einfach. Aber das Handicap der gebrochenen Erwerbsbiographien – also der Wechsel zwischen Zeiten der versicherten Berufstätigkeit und versicherungsfreien Zeiten – gilt für die Privatvorsorge genauso. Wer trotz gebrochener Erwerbsbiographien die Privatvorsorge nutzen kann, der könnte auch in ein stabilisiertes, leistungsfähiges Umlageverfahren integriert werden.

Für jene junge Generation, die heute in Riester- und Rürup-Renten gepresst oder gelockt wird, wäre die Wiederbelebung des Umlageverfahrens in seiner vollen Leistungsfähigkeit eine echte Erleichterung. Sie müsste dabei auch nicht mehr an Beiträgen bezahlen, als sie dies heute für die Riester-Rente ohnehin schon tut – zum Beispiel mit einem Zuschlag von 4 Prozent ihres Einkommens, die zusätzlich zu den Beiträgen für die gesetzliche Rente anfallen, so dass der effektive Beitragssatz für die Rente heute schon bei 23,9 Prozent liegt!

Wichtig wäre, das System wieder flexibel zu handhaben und es nicht mit der ideologischen Blockade »Lohnnebenkosten« arbeitsunfähig zu machen. Das heißt, es könnte durchaus sein, dass vorübergehend die Beiträge ein bisschen weiter steigen. Auch macht es Sinn, das tatsächliche Renteneintrittsalter in Richtung der heute schon gültigen 65-Jahre-Grenze anzuheben – allerdings nur dann, wenn der Arbeitsmarkt auch für ältere Menschen Angebote bereithält. Wenn das Gros der Berufstätigen erst mit dem Erreichen der bisherigen Altersgrenze in Rente ginge, würde das Rentenfinanzierungsproblem allein dadurch schon maßgeblich entschärft.

Auch die Wertschöpfungsabgabe müsste in die Betrachtung einbezogen werden.

Wenn man im Gespräch mit Meinungsführern die Wiederbelebung der gesetzlichen Rente ins Spiel bringt, wird man mit großen Augen angeschaut, so als hätte man einen unsittlichen Antrag gemacht. Auch hier wird wieder ein eigenartiges Phänomen sichtbar: Offensichtlich ist die Meinungsmache mit den Botschaften »alles ist neu« und »Bewährtes ist von gestern« so erfolgreich gewesen, dass selbst sehr sympathische Diskussionspartner aus der jüngeren und mittleren Generation abschalten, wenn bewährte Regeln wieder ins Spiel gebracht werden sollen. Das gilt für das Umlageverfahren genauso wie für eine expansive Wirtschaftspolitik. Wir leben in einer Zeit, in der höchst erfolgreich die Meinung verbreitet worden ist, Politik bestehe aus ständiger Veränderung und Bewegung sei alles. Ganz egal wohin.

Solange die Entscheidung zur Wiederherstellung des Vertrauens in die gesetzliche Rente, solange also die alte Rentenformel und damit die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente nicht wiederhergestellt ist, sollte folgende Zwischenlösung installiert werden: Der Förderungsbetrag, der heute als Zulage und/oder Steuervergünstigung bei Riester- und Rürup-Verträgen gezahlt wird, sollte jenen, die das wollen, wahlweise auf ihrem Konto bei der Deutschen Rentenversicherung (= gesetzliche Rente) gutgeschrieben werden.

Diese Zwischenlösung entspricht dem Gebot der freien Entscheidungsmöglichkeit. Es kostet den Fiskus keinen Euro mehr als die Subventionen zur Riester- beziehungsweise Rürup-Rente. Für die meisten Privatvorsorger wären diese Zwischenlösungen hochattraktiv, weil sie die 10 bis 25 Prozent an Kosten sparen könnten, die bei den privaten Versicherungssystemen auflaufen. Im Endeffekt könnten sie mehr Geld für sich arbeiten lassen als die Riester- und Rürup-Rentner.

Aber diese einfache und vernünftige Zwischenlösung dürfte bei der Lobby der Finanzwirtschaft und den mit ihr verbundenen Politikerinnen und Politikern auf erbitterten Widerstand stoßen. Da sie sich der Hegemonie ihrer Meinungsmache-Macht so sicher sind, schweigen sie solche selbstverständlichen Vorschläge nach bewährtem Muster einfach tot.

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