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Das Regierungs-Interregnum schwächt Deutschland

Published On: 18. November 2021 17:22

In Europa ist Deutschland derzeit abgemeldet, während Frankreich seine Interessen festzurrt. Auch die derzeitige Corona-Lage ist Beleg für ein führungsloses Land. Dabei werden gerade entscheidende Weichen für die künftige europäische Geldpolitik gestellt.

IMAGO / SNA

Der Bundestagswahlkampf hat in Deutschland über die Sommermonate hinweg eine globale Pandemie so erfolgreich aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt, dass eine künftige Ampel-Regierung noch vor wenigen Wochen leichtfertig „die epidemische Lage von nationaler Tragweite“ beenden und die meisten Covid-Eindämmungsmöglichkeiten im Infektionsschutzgesetz mit dem 25. November auslaufen lassen wollte. Ein nur noch geschäftsführender Gesundsheitsminister Jens Spahn gab dafür die irrlichternde Vorlage, weil er die Pandemie bereits Anfang Oktober als bewältigt einstufte.

Jetzt, da im Wochen-, ja im Tagesrhythmus die Infektionszahlen nach oben schnellen, die Intensivstationen vieler Kliniken bereits am Limit arbeiten, schwerkranke Patienten nach Hause geschickt werden, weil der Platz für Covid-Patienten gebraucht wird, überschlagen sich im politischen Berlin die Ereignisse, wird plötzlich über Impfpflichten diskutiert oder über Lockdowns für Ungeimpfte entschieden.

Auch wenn das Hü und Hott der Corona-Bekämpfung nicht allein auf Deutschland beschränkt ist – Dänemark und Österreich etwa lassen grüßen –, erschwerte das führungslose Interregnum in der Deutschen Bundeshauptstadt eindeutig eine angemessene und rechtzeitige Reaktion. Wie blauäugig und administrativ überfordert dieses Land nach den bitteren Erfahrungen des letzten Winters erneut in die Corona-Katastrophe schlittert, spottet jeder Beschreibung. Die alte abgewählte Regierung versagte, und die neue, noch nicht einmal im Amt, tut derzeit einiges dafür, das schlechte Vorbild zu kopieren.

Doch jenseits der Pandemie, die derzeit die Tagespolitik wieder dominiert, passieren politische Weichenstellungen, die Deutschland langfristig massiver schwächen als das Covid-Virus. Da wäre eine handlungsfähige Regierung dringend notwendig. In der EU und der Euro-Zone wirkt sich das Berliner Machtvakuum fatal aus.

Während Frankreich, das ab 1. Januar für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, seine Interessen mit Vehemenz auf allen Kanälen festzurrt, weiß Deutschland seinen Kurs derzeit überhaupt nicht zu vertreten, zumal sich in der Ampel-Regierungszeit nicht nur in der EU-Schuldenpolitik womöglich ein noch stärkerer deutscher Kurswechsel anbahnt. In Europas Hauptstädten, vor allem im schuldenverliebten „Club Med“, sehnen sie sich deshalb eher nach einem grünen, als einem liberalen deutschen Finanzminister. Als ob ein Christian Lindner die dauerhafte EU-Kreditfinanzierung tatsächlich bremsen könnte, die Grüne und Sozialdemokraten befürworten.

Unter Frankreichs Führung dominiert der „Club Med“ die Euro-Finanzpolitik …

Im Windschatten der deutschen Handlungsunfähigkeit bereitet Frankreich derzeit eine Überarbeitung des EU-Stabilitätspakts vor, die nichts anderes als eine endgültige Beerdigung des Maastricht-Vertrags bedeutet. Das 3-prozentige Defizitkriterium für den jährlichen Staatshaushalt und die maximal 60 Prozent Staatsverschuldung, gemessen am nationalen Bruttoinlandsprodukt (BIP), waren einst die von Deutschland durchgesetzten Stabilitätskriterien für die Aufgabe der Deutschen Mark und die Einführung des Euro. Diese Stabilitätsfesseln behielten in den vergangenen Jahrzehnten zwar auf dem Papier ihre Gültigkeit, in der europäischen Praxis wurden sie aber ständig nach Gutdünken gedehnt. Auch wenn nationale Haushalte gelegentlich von der EU-Kommission unter Beobachtung gestellt wurden, gab es nie Sanktionen.

Das Ergebnis spricht für sich: Inzwischen liegt die durchschnittliche Staatsschuld in der Euro-Zone bei rund 100 Prozent des BIP. Frankreich als zweitgrößte Volkswirtschaft steuert rund 114 Prozent bei, Italien 156 Prozent. Portugal ist mit 135 Prozent dabei, Spanien mit 123 Prozent und Griechenland mit 207 Prozent. Dieser Schuldnerstaaten-„Club Med“ setzt im kommenden Jahr unter französischer Federführung alles daran, die erlaubte Schuldenobergrenze auf mindestens 100 Prozent zu erhöhen. Auch die Berechnung der jährlichen Defizitquote von 3 Prozent soll dadurch manipuliert werden, dass etwa kreditfinanzierte Investitionen in den Klimaschutz aus der Defizitquote herausgerechnet werden. Für diese Form kreativer Buchführung haben in Deutschland gewiss nicht nur grüne Politiker großes Verständnis.

… und die EZB schleift ihre letzten Limits bei den Anleihekaufprogrammen

Auf ein weiteres Ereignis, das die alte Maastricht-Ordnung endgültig kippt, wies Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim kürzlich im Handelsblatt hin. Im Dezember will die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Anleihe-Kaufprogramme neu justieren. Während im PEPP-Coronakrisenprogramm, das im März nächsten Jahres auslaufen soll, keine Limits für die Staatsanleihekäufe bestanden, gilt in dem alten und fortdauernden Kaufprogramm PSPP sowohl ein „Emissionslimit“ als auch ein „Emittentenlimit“. Das verpflichtet die EZB bisher dazu, maximal ein Drittel einer jeden Emission sowie höchstens ein Drittel aller Anleihen einer öffentlichen Körperschaft anzukaufen.

Diese Drittel-Limits wurden einst mit Bedacht gewählt, um zu verhindern, dass die EZB im Fall einer Schuldenrestrukturierung nicht zu einem strategischen Investor wird, der über einen Schuldenschnitt entscheiden muss. Unmittelbar vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie wurden im Februar 2020 die PSPP-Regeln noch einmal aktualisiert. Wörtlich heißt es dazu: „Um … eine Behinderung geordneter Umschuldungen zu vermeiden, werden für den Ankauf dieser Wertpapiere durch die Zentralbanken des Euro-Systems Schwellenwerte gelten.“

Werden diese Limits jetzt in der EZB auch für das fortlaufende PSPP-Programm aufgegeben, dann wird nach vorherrschender rechtlicher Bewertung eine Zustimmung der Notenbank zu einem Schuldenschnitt als monetäre Staatsfinanzierung zu klassifizieren sein. So jedenfalls positioniert sich bisher das deutsche Bundesverfassungsgericht, bei dem derzeit auch noch Verfassungsbeschwerden gegen das PEPP-Programm anhängig sind. Im Falle Griechenlands gab es zwar bereits einmal einen Präzedenzfall für einen Schuldenschnitt. Damals wurden die Anleihebestände des Euro-Systems vom Forderungsverzicht ausgenommen.

Doch eine solche Privilegierung der EZB ist nicht mehr möglich, weil der EZB-Rat damals den Kapitalmärkten rechtsverbindlich zugesichert hat, dass die Forderungen des Euro-Systems nicht vorrangig behandelt werden dürfen. Deshalb wird die so technisch klingende Maßnahme der im Dezember beabsichtigten Regeländerung für das PSPP-Programm den Weg einer Schuldenrestrukturierung von Euro-Schuldnerstaaten endgültig versperren. Wird ein Euro-Staat künftig zahlungsunfähig, dann bleiben Transfers solventer Euro-Staaten oder der EU die einzig verbleibende Lösungsmöglichkeit. Oder eben EZB-Staatsanleihekäufe ad infinitum!

Der bitteren Schlussfolgerung von Friedrich Heinemann, die er zur geplanten Kurskorrektur der EZB im Handelsblatt zieht, ist uneingeschränkt zuzustimmen: „Die No-Bailout-Klausel, die die Eigenverantwortung jedes Landes für seine Schulden festschreibt, wäre außer Kraft gesetzt. Damit wäre auch das Maastrichter Prinzip der Marktdisziplin ad acta gelegt, das auf das Eigeninteresse privater Investoren bei der Begrenzung von Staatsschulden setzt. Jeder private Investor wüsste in Zukunft, dass Euro-Staatsanleihen auch von noch so hoch verschuldeten Staaten nicht mehr ausfallen können. Ein solches Land erhält am Markt jeden Kredit, den es haben will. Die EZB entscheidet somit im Dezember mitnichten über ein technisches Detail, sondern letztlich über die dauerhafte Etablierung einer Euro-Haftungsgemeinschaft.“

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