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Regierungpolitik in der Corona-Krise: Versagen, Ablenken und Stigmatisieren

Published On: 24. November 2021 11:27

Die Regierungen in Bund und Ländern haben Deutschland im zweiten Jahr der Pandemie nicht genügend auf eine neue Corona-Welle vorbereitet. Schuld sollen stattdessen nur die Ungeimpften sein. Aber offensichtlich haben die Regierenden zu sehr den Versprechungen der Pharmaindustrie vertraut.

IMAGO / ddbd

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer

Rund um Oberwiesenthal im sächsischen Erzgebirge klingeln in den Hotels und Pensionen die Telefone wie verrückt. Allen touristischen Gästen wurden Mails verschickt. Sie dürfen das in der dunklen Jahreszeit mit zehntausenden Lichtern durch Schwibbögen in den Fenstern und vielen drehenden Pyramiden glitzernde Weihnachtswunderland nicht besuchen. Die schwarz-grün-rote Regierung des Freistaats unter Führung von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat für seine gut vier Millionen Einwohner praktisch wieder einen umfassenden Lockdown angeordnet – mindestens bis 12. Dezember.

Viele Besucher und Gäste außerhalb Sachsens wissen noch gar nicht, dass die Staatsregierung das öffentliche Leben wegen Corona erneut weitgehend zum Erliegen gebracht hat. Kinos, Theater, Säle, Stadien, Bars, Discotheken, Sporteinrichtungen sind geschlossen, alle Weihnachtsmärkte und Großveranstaltungen abgesagt. Die Wirte sitzen jetzt auf bestellten Waren wie Glühwein, Würste und Lebkuchen. Schausteller müssen auf eigene Kosten ihre Fahrgeschäfte wieder abbauen und Hotelbetreiber ihren Gästen absagen. Dienstreisende dürfen noch kommen. Doch in den touristischen Regionen des Erzgebirges schließen in der vorweihnachtlichen Hochsaison die meisten Herbergen. Handwerker und Dienstreisende müssen versuchen, in Städten noch ein Notquartier zu bekommen oder gleich bei ihren Auftraggebern schlafen.

Warum selbst Pensionen und Ferienwohnungen durch Kretschmers Anordnung schließen müssen, wisse der überforderte CDU-Ministerpräsident selbst nicht, heißt es aller Orten. Sachsen entwickeln in so einer Zwangslage meist einen schwarzen Humor: „Statt in Ferienwohnungen sollen wir uns jetzt wieder im Gedränge von Supermärkten und Drogerien anstecken.“ Breitensport wird fast komplett verboten. Spielbetrieb gibt es nur noch für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahren. Alle anderen Mannschaften dürfen nicht mehr aufs Feld oder in die Hallen. Lediglich der Profisport kann noch seine Spiele ohne Zuschauer austragen, mindestens bis 12. Dezember. Doch die meisten Sachsen rechnen schon mit einem Lockdown über Weihnachten hinaus bis ins neue Jahr hinein.

Sachsens CDU-Regierungschef Kretschmer hat offensichtlich wenig aus dem ersten Corona-Stillstand gelernt. Zwar sind die Infektionszahlen hoch und einige Krankenhäuser an der Überlastungsgrenze, doch warum ausgerechnet Betreiber von Ferienwohnungen, Pensionen und Hotels erneut zum Opfer und als Treiber der Pandemie stilisiert werden, weiß nur der Ministerpräsident allein. Er gilt in CDU-Kreisen mittlerweile als so beratungsresistent wie seine Noch-Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Sicher könnte die Impfquote in Deutschland höher sein im Vergleich zu Frankreich oder Italien. Aber ist das die einzige Erklärung für die steigenden Inzidenzwerte? In anderen Ländern mit noch sehr viel niedrigeren Impfquoten liegen die Inzidenzen jedenfalls deutlich unter den deutschen. Aber für die Regierenden und ihre Experten in Bund und Ländern gilt das praktisch als Gesetz, sonst müssten sie ja ihr Versagen im Vorfeld der jetzt grassierenden vierten Coronawelle eingestehen.

Sechs Punkte des Versagens von Merkel, Spahn und Co.
  1. Offensichtlich haben die Regierenden in Bund und Ländern zu sehr den Versprechungen der Pharmaindustrie über die Wirksamkeit und Dauer des Impfschutzes sowie deren Produkten vertraut. Dass der Impfschutz schon nach sechs Monaten wie jetzt im Herbst oft zusammenbricht, davon war im Frühjahr kaum die Rede. Die Infektionszahlen sind zudem enorm viel höher als vor einem Jahr, obwohl fast 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sind. „Entgegen ihrer ursprünglichen Ankündigungen haben die Hersteller kein Impfstoff-Update auf den Markt gebracht“, warf Virologe Alexander Kekulé den Pharma-Unternehmen vor. Er kritisierte, dass die derzeit verfügbaren Vakzine gegen die Delta-Variante weniger wirksam seien. Von den Nebenwirkungen mancher Vakzine, die jetzt aus dem Impfbetrieb genommen wurden, ganz zu schweigen.
  2. Statt Anfang des Jahres zunächst vordringlich alte und kranke Menschen sowie Risikogruppen zu impfen und für sie bereits eine Auffrischungsimpfung im Herbst einzuplanen, wollte Angela Merkels Bundesregierung gleich die gesamte Bevölkerung durchimpfen. Daher hätte eine verantwortliche Kanzlerin unabhängig von den Pharmaversprechungen mindestens gleich Auffrischungsimpfungen einplanen müssen. Denn Herbst- und Winterzeit ist Viruszeit, das wissen nicht nur Virologen. Insofern wäre eine groß angelegte Impfkampagne zum Ende des Sommers der bessere Weg gewesen. Es hätte auch genügend Impfstoff zur Verfügung gestanden ebenso wie genügend Impfangebote und nicht Mangelzustände wie im Frühjahr. Das Corona-Risiko wäre in der warmen Sommerzeit ohnehin gesunken.
  3. Kanzlerin wie Ministerpräsidenten wollten trotz Warnungen von Ärzten vor einem heraufziehenden Virenherbst Anfang Oktober durch die nichtdurchdachte Abschaffung kostenloser Corona-Tests einen indirekten Impfzwang auslösen. Stigmatisieren statt kostenlos testen – so ihre unausgesprochene Devise. Doch dieser Plan ist gewaltig fehlgeschlagen, weil er von lebensfremden Politikern ausgedacht war. Vor allem viele Jugendliche, aber auch Migranten und Geringverdiener ließen sich daraufhin nicht mehr testen. Der Grund: Schüler, Studenten und kleine Leute mussten jede Woche tief in ihre Geldbeutel für verlässliche Corona-Tests greifen. Wie viel die genau kosten, ist abhängig davon, wo sie gemacht und wie schnell die Ergebnisse benötigt werden. Laut Bundesgesundheitsministerium orientieren sich die Preise an etwa 45 Euro für PCR-Tests. Sicher gibt es auch preiswertere zu 20 Euro und weniger, doch für Geringverdiener ist das immer noch viel Geld, wenn man davon in der Woche mehrere braucht.
  4. Ja, es ist leichtsinnig und dumm von Jugendlichen sich nach Abschaffung kostenloser Tests nicht mehr gesundheitlich überwachen zu lassen, bevor man ins Stadion oder in die Disco geht. Aber: Viel schlimmer ist doch das grob fahrlässige Handeln der Regierenden durch ihre Einsparungsentscheidung. Erst seit 13. November – also mitten in der vierten Coronawelle – sind diese Tests laut Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums wieder kostenfrei. Was für ein politisches Versagen von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem zuständigen Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU). Haben Sie dazu Brennpunkte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gesehen? Im Übrigen begründeten Regierungspolitiker zuvor die Abschaffung kostenloser Tests schnell mit dem Argument der Kosteneinsparung. Denn diese gingen ja auf Kosten der Steuerzahler. Das Gros der Medien als willige Echokammern verbreiteten diese Botschaft. Hat man jemals seit 2014 von verantwortlichen Politikern und sogenannten „Qualitätsjournalisten“ gehört, die millionenhafte Asyleinwanderung belaste die Steuerzahler in dreistelliger Milliardenhöhe – hier müsse man dringend sparen?
  5. Damit nicht genug: Quer durch die Republik bauen Länder und Kommunen viele Impfzentren ab, und setzen meist nur noch auf mobile Teams und Hausärzte, obwohl die Gesundheitsminister täglich zum Impfen aufrufen. Jens Spahn tönte im Bundestag: „Die Impfkampagne ist eine Gemeinschaftsaufgabe“. Die Corona-Inzidenzen im Herbst stiegen, Regeln verschärften sich – plötzlich rennen die Menschen bundesweit den übrig gebliebenen oder wieder eröffneten Impfzentren die Türen ein, selbst in den „bösen“ impfskeptischen Freistaaten Bayern, Thüringen und Sachsen. Es bilden sich sozialistische Wartegemeinschaften, besser als Schlangen bekannt. Wieder zeigt sich die Politik überrascht. Gleichzeitig wird der Biontech-Impfstoff knapp, weil die Bundesregierung Millionen Dosen zur Rettung der Dritten Welt spendet. Ausgerechnet die bei vielen Bürgern begehrten Biontech-Impfstoffe ließ Gesundheitsminister Spahn im Corona-Herbst als Spenden in Entwicklungsländer senden. Als Ersatz verlangt er von den Impfwilligen, sich „Moderna“ spritzen zu lassen. Der überforderte Ressortchef Spahn wandelt zur Volksberuhigung in dialektischer Manier jetzt eine Niederlage in einen Sieg mit der Propaganda um: Der bei Bürgern inzwischen unbeliebte Impfstoff „Moderna“ sei der „Rolls Royce“ unter den Vakzinen. Peinlicher geht’s nimmer.
  6. Corona-Regierungsversagen aller Orten. Auf deutschen Intensivstationen gibt es schier unglaubliche Zustände. En passant kommt heraus, dass dort bislang keine verlässlichen Zahlen über doppelt Geimpfte existieren. Erst „ab Ende November soll tagesaktuell ermittelt und gemeldet werden, wie viele Corona-Intensivpatienten vollständig gegen das Virus geimpft sind“, informiert der grüne Gesundheitssprecher Janosch Dahmen. Die Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP hätten eine entsprechende Anpassung des Intensivregisters auf den Weg gebracht. Bei vielen Intensivpatienten werde der Impfstatus derzeit nicht erfasst, weil einzelne Schritte in der bisherigen Meldekette nicht funktionierten. Dahmen: „Bislang fehlen schlicht Daten.“ Hallo Frau Kanzlerin Merkel, hallo Herr Gesundheitsminister Spahn, hallo Herr RKI-Chef Wieler, was haben Sie die ganze Zeit gemacht bei einer pandemischen Lage von nationaler Tragweite? Was für ein Skandal! Doch wen interessiert das schon? Eine ausführliche Kritik daran, läuft in den Medien bestenfalls mit Nebengeräuschen über die Sender. Damit das Versagen nicht auffällt, wird dann in der Tagesschau eine positive Nachricht daraus gebaut: „Impfquote soll täglich erfasst werden“.
Schuld sind die Ungeimpften und nicht die handelnde Politik

Die Politik in Bund und Ländern hat offensichtlich selbst im zweiten Corona-Jahr versagt und nichts gelernt. Die Regierenden haben Gesundheitssystem und Gesellschaft nicht ausreichend auf eine vierte Welle vorbereitet. Aber die Mitschuld daran wollen sie nicht auf sich nehmen, sonst werden sie ja nicht wieder gewählt, und auch die schönen Posten und Mandate sind futsch. Schuld sind daher immer andere. Ein bewährtes politisches Mittel zum Kaschieren von eigenen Fehlern sind Ablenkungsmanöver fürs Volk. Beispielsweise können Auslandskonflikte immer sehr gut von innenpolitischen Krisen ablenken. Aber auch im Inneren suchen sich politischen Handelnde dazu gerne Feindbilder aus. Schuld für die erneute Corona-Ausbreitung sind jetzt allein die rund 14 Millionen Ungeimpften – von gut 83 Millionen Einwohnern. Die rund elf Millionen Kinder unter 14 Jahren will man noch nicht verantwortlich machen.

So schürt dann Merkels Gesundheitsminister Spahn vor der Bundespressekonferenz in Berlin bewusst die Angst vor dem Corona-Tod, um vom eigenen Versagen abzulenken: „Wahrscheinlich wird am Ende des Winters so ziemlich jeder in Deutschland geimpft, genesen oder gestorben sein.“ Ein Satz wie ein tödlicher Hammer von einem Christdemokraten, reduziert auf Leben oder Sterben.

Doch wer die Ungeimpften wirklich sind, hinterfragt kaum einer. Gerne nimmt man an, dass es besonders Jugendliche und Ostdeutsche seien. Aber ein hoher Anteil von Migranten, Ausländern und Asylbewerbern wird fix relativiert. Offizielle Zahlen erhebt dazu ohnehin keiner. Lediglich eine internationale Cosmo-Studie deutet vorsichtig an: „Menschen mit Migrationshintergrund“ seien häufiger ungeimpft als Menschen ohne einen solchen. Schnell wird dabei jedoch mit Verständigungsproblemen argumentiert, aber kulturelles Eigenverhalten ignoriert. Offenbar soll nicht sein, was nicht sein darf. Im Frühjahr haben mutige Experten immerhin noch Menschen mit Migrationshintergrund als Treiber der Pandemie erkannt – siehe hier in einem FAZ-Bericht.

Eine Wutrede wider die Zwangsimpfung

Pfleger und Ärzte berichten dieser Tage über Migrationsprobleme nur Vertrauten – aus Angst um ihre Jobs und Stellen. Auch unter Ost-Europäern, die in Deutschland wohnen oder arbeiten, seien viele Corona-Patienten. Denn die Impfquoten auf dem Balkan oder in Rumänien, Bulgarien, Russland, Ukraine und selbst in Polen, Tschechien und der Slowakei sind erschreckend niedrig, in Bulgarien zum Beispiel nur 22,23 Prozent – Erstimpfung wohlgemerkt. Aber auch bei Corona gilt: Ausländer, Migranten und Asylbewerber sind als Problemgruppen tabu. Wer so etwas öffentlich thematisiert, kommt nicht mehr auf den Fernsehschirm.

Stattdessen wird von Politikern wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der Öffentlichkeit skrupellos das Stigma von der „Pandemie der Ungeimpften“ geprägt. Um dem Gros der leichtgläubigen Bevölkerung klarzumachen, wer jetzt für so manche Notlage in Krankenhäusern verantwortlich sei, wird der neue Klassenfeind von solchen Politikern eilig benannt, und von willigen staatstreuen Medien verbreitet, egal ob ARD, ZDF, RTL oder ProSiebenSat.1: Es sind die üblen Querdenker und Impfgegner, am besten auch noch renitente Ostdeutsche.

Hier noch ein prominentes Beispiel: Der impfskeptische National- und Bayernspieler Joshua Kimmich wird zum Aufreger stilisiert, jedoch nicht der Durchbruch des doppelt geimpften Mannschaftskollegen Niklas Süle mit Symptomen als akutes Problem kritisiert. Schließlich mussten durch den infizierten Spieler Süle trotz Doppelimpfung gleich vier ungeimpfte Bayern-Kollegen wie auch Kimmich in Quarantäne. Selbst der doppelt geimpfte Bayern-Trainer Julian Nagelsmann fing sich Mitte Oktober eine Corona-Infektion mit Symptomen ein. Aber: Ein getesteter Kimmich wird stigmatisiert und ein Impfdurchbruch von Süle oder Nagelsmann bagatellisiert. So läuft das große Ablenkungsspiel, das bei vielen Menschen Wirkung zeigt. Immer mehr Bürger fordern, ohne viel nachzudenken: Absagen, Ausgrenzen, Kontrollieren und Bestrafen als Corona-Staatsziel. Selbstverzicht wird für sie zum Überlebenselixier.

Das kann den Regierenden zur Ablenkung von ihren schweren Fehlern selbst im zweiten Jahr der Pandemie nur recht sein. Dafür verbreiten sie so oft ihr Feindbild von den Ungeimpften unreflektiert in den Medien. Im Grunde seien die Impfunwilligen sowieso potenzielle Rechte. Und „rechts“ wirkt heutzutage immer, wenn man den Bürgern Angst einjagen und ablenken will. Was für eine weltoffene und tolerante Gesellschaft.

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