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Deutsche und Franzosen streiten um den neuen Kampfpanzer

Published On: 5. Dezember 2021 17:48

Internationale Rüstungsprojekte sind teuer und erfüllen oft nicht die militärischen Forderungen. Dem deutsch-französischen Projekt eines gemeinsamen Kampfpanzers als Nachfolger für den deutschen Leopard und den französischen Leclerc drohen jahrelange Verzögerungen oder gar das Aus.

Es geht kaum voran: Dem geplanten Super-Kampfpanzer MGCS (Main Ground Combat System) droht eine groteske Verspätung von zehn Jahren. Der Chef der Holding KNDS Frank Haun, die den Kampfwagen bauen soll, schlug bei einer Podiumsdiskussion in Berlin Alarm und wies auf absehbare Verzögerungen hin. Haun leitet die Dachorganisation für das Projekt, wozu die deutschen Panzerbauer Kraus-Maffei Wegmann und der Staatskonzern Nexter auf französischer Seite gehören. Offiziell soll der neue Panzer ab Mitte der 2030er Jahre die Vorgängermodelle ablösen, aufgrund von Verzögerungen sei aber mit einer Indienststellung nicht vor 2045 zu rechnen.

Haun nimmt Verzögerungen bei europäischen Großprojekten wie Eurofighter und dem Militärtransporter A400M zum Anlass, auf den absurden Zeitbedarf grenzüberschreitender Rüstungsvorhaben hinzuweisen. „Wir sind auf dem falschen Weg. Es kann nicht sein, dass derartige Programme zwei, drei Jahrzehnte bedürfen“ so der Chef der Panzerallianz. Er verlangt, dass nationale Interessen hintangestellt werden: „Weg mit den Lokalegoismen, nationalen Normen, Standards und Testanforderungen.“ Das Beharren auf nationalen Forderungen sei eine Ursache für Geldverschwendung. „Mit den Werkzeugen die wir kennen, können wir die Zukunft nicht gestalten“ kann als Hinweis auf die rapide wachsende chinesische Militärmacht verstanden werden. Mit dem Beklagen „nationaler Spielereien“, die Unsummen kosten und Europa lähmen geht Frank Haun noch einen Schritt weiter: „Wenn Putin uns angreift, steht er mit seinen Panzern (…) in Holland, bevor wir über eine Entscheidung überhaupt geredet haben“.

Wirtschaftsinteressen vor Interesse der Streitkräfte                                                                          

Nun ist es zweifellos so, dass Industriekapitäne in ihrer Kritik staatlicher Entscheidungen vorrangig an ihr Unternehmen denken. Dafür werden sie schließlich auch bezahlt. Zur Redlichkeit gehört allerdings dazu, auch die wirtschaftsseitigen Ursachen für Zeitverzüge bei Rüstungsprojekten anzusprechen. Speziell auf deutscher Seite hat sich eine Unkultur insofern breit gemacht, mit möglichst günstigen Angeboten möglichst umfassende Verträge zu ergattern und der Bundeswehr in der Folge eine Vielzahl teurer Änderungen anzudienen. Zahllose technische und organisatorische Schwierigkeiten bei diversen Rüstungsprojekten sind darauf zurückzuführen. Mittlere Zeitverzögerungen bei großen Rüstungsvorhaben von über fünf Jahren bei einer durchschnittlichen Kostensteigerung von mehr als 30 Prozent beklagte das Bundesministerium der Verteidigung zu Recht. 

Aber auch der Auftraggeber Bund hat seinen gehörigen Anteil an der Misere. Wenn aus politischen Gründen Partnerländer zu früh an Bord genommen werden, die für das jeweilige Feld nicht die erforderliche technische Kompetenz besitzen, schlägt sich dies in Milliarden Mehrkosten und jahrelangem Zeitverzug nieder. Das Kampfflugzeug Eurofighter und der Transporter A400M lassen grüßen. Ein Quell steter Freude sind zudem politische Einwirkungen von Regierungen, weil sie Rüstungsvorhaben als Prestigeobjekte der jeweiligen Partnerschaft betrachten. Wenn die Forderungen der beteiligten Länder und der Systemfirmen jedoch nicht zusammenpassen, drohen Kompromisslösungen, die trotz immenser Zusatzkosten die Forderungen nicht erfüllen. Ein eklatantes Beispiel hierfür ist der deutsch-französische Kampfhubschrauber Tiger.

Dauerstreit um Superpanzer                                                                        

Ob der geplante Superkampfwagen jemals realisiert wird, steht in Anbetracht der anhaltenden Kalamitäten in den Sternen. Die Regierungen haben jedenfalls bereits Milliardenbeträge locker gemacht. Auch Frank Haun hätte in seiner Wortmeldung auf die tieferen Ursachen des Streites im Projekt MGCS eingehen können. In der Holding KNDS ist zusätzlich die deutsche Firma Rheinmetall industrieller Partner von Nexter und gleichzeitig Hauptkonkurrent mit eigenen Konzepten. Im Streit um Turm und Kanone können sich die Kontrahenten bisher nicht einigen. Es geht um viel: Wer sich durchsetzt, bekommt die technologischen Trümpfe der Kernbestandteile des Systems in die Hand. Mit entsprechend harten Bandagen wird gekämpft. Keiner gönnt dem anderen den Erfolg, keine gute Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

Man kann aus deutscher Sicht nur hoffen, dass sich Rheinmetall mit einer Evolution des Leopard II durchsetzen wird. Die Franzosen streben mit einer Teleskopmunition eine Revolution in der Bewaffnung an, die technisch bisher nicht realisiert und damit einem hohen Risiko ausgesetzt ist. Aller Erfahrung nach besteht nun die Gefahr, dass aus Gründen der deutsch-französischen Freundschaft ein halbgares technisches Kompromisskonzept ausgewählt wird. Drohende Folgen hinsichtlich Zeit und Kosten siehe oben.

In den 1980er Jahren ist ein deutsch-französisches Projekt namens Kampfpanzer 90 schon einmal gescheitert. Dieses Scheitern hat den weltweiten Erfolg des Kampfpanzers Leopard II erst möglich gemacht. Die damaligen Regierungschefs Kohl und Mitterrand konnten – zum Glück – eine deutsch-französische Kooperationslösung nicht durchsetzen. Der Verteidigungsfähigkeit der NATO, der deutschen wehrtechnischen Industrie und dem deutschen Steuerzahler hat dies zum nachhaltigen Vorteil gereicht. Wenn die Interessen und Fähigkeiten beteiligter Firmen nicht zusammenpassen, können Divergenzen mit Steuergeld in aller Regel nur zugekleistert, aber kaum im Sinne eines zügigen Projektfortschrittes sinnvoll gelöst werden. Auf dem deutsch-französischen Freundschaftsaltar Geld zu opfern, ist das eine. Mit unsinnigen Projekten der Verteidigungsfähigkeit und auch noch den Industrieinteressen zu Schaden, ist das andere.

Europa – es kommt drauf an, wie man es macht                                        

Der Holding-Vorsitzende Haun hat in einem zweiten Takt bei der oben genannten Podiumsdiskussion eine andere Schwierigkeit endlich öffentlich gemacht, die seit einigen Jahren vor sich hin gärt. Haun schimpft auf den Rückzug von Banken aus der Finanzierung von Unternehmen der Rüstungsbranche. Kreditinstitute würden die Zusammenarbeit mit Rüstungsfirmen vor dem Hintergrund von Einstufungen und Anlagekriterien der EU-Kommission beenden. Deren ESG-Maßstäbe für Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung verursachten deutliche Einschränkungen der Branchenfinanzierung. Wenn das so weiter gehe, werde Europas Rüstungsindustrie keine Zukunftsprojekte mehr finanzieren können. Auch der Chef der Airbus-Sparte Verteidigung und Raumfahrt Michael Schöllhorn blies in dasselbe Horn und verwies auf aktuelle Probleme der Kreditbeschaffung für Rüstungsvorhaben. Die Verteidigungsindustrie und das Prinzip der Nachhaltigkeit würden gegeneinander ausgespielt. 

In der EU-Kommission herrscht offenbar seit geraumer Zeit die Überzeugung vor, dass sich ihr Europa auf Windräder, soziale Gerechtigkeit und den Export des eigenen Demokratiemodells konzentrieren solle. Wenn die Europakommissare unter Führung von der Leyens aber die strategische Autonomie der Europäer stärken wollen, wovon inzwischen sogar im Ampel-Koalitionsvertrag mehrfach die Rede ist, müssen dafür auch die Voraussetzungen geschaffen werden. Hierzu gehört die Finanzierbarkeit industrieller Projekte einschließlich derjenigen der Verteidigungsindustrie. Wer zulässt, dass Rüstungsfirmen der Geldhahn abgedreht wird, schadet den wirtschafts- und verteidigungspolitischen Interessen der Europäischen Union. Wer Politik im Schwerpunkt für die Gutmenschentribüne macht, geht im weltweiten Wettbewerb unter. Es ist höchste Zeit, dass an den europäischen Schalthebeln der Macht Realismus einkehrt.


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