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Die Inflation wird zum Bumerang für die „grüne“ Energiewende

Published On: 13. Januar 2022 18:01

Was Kritiker prophezeiten, ist jetzt globale Realität: Das Volk begehrt gegen die Explosion der Energiekosten auf. Manche reden von „grüner Inflation“. Die könnte noch zur Achillesferse der Berliner Ampel-Regierung werden.

IMAGO / Panthermedia

Auch wenn die Volksseele nur zu kochen scheint, wenn es um die Impfpflicht und Corona-Freiheitsbeschränkungen geht: Soziale Sprengkraft entwickelt vor allem die galoppierende Preisentwicklung bei den Energiekosten. Im politisch gespaltenen Amerika sind sich republikanische wie demokratische Wähler in einem Punkt einig: Sie klagen über die hohen Spritpreise. Die Zustimmungswerte für Präsident Joe Biden sind so dramatisch gefallen, wie das Tanken teurer wurde. Die Klimawende übrigens, die der Präsident zum Amtsantritt verkündete, ist längst zum Lippenbekenntnis geworden, weil er die Erdöl- und Gasförderung hochgefahren hat und die Exploration neuer Lagerstätten in einem lange nicht gekannten Ausmaß genehmigt hat.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der im April um seine Wiederwahl kämpft, versucht mit Sozialleistungen die Energie-Preisfolgen für die Franzosen zu dämpfen. Und er stritt erfolgreich für die klimaneutrale Kernkraft, die in der EU-Taxonomie jetzt als nachhaltig gilt, weil er die preistreibende Wirkung der deutschen Energiewende – Doppelausstieg aus der klimaneutralen Kernkraft und der „schmutzigen“ Kohle – nicht kopieren will. In Deutschland werden rund 700.000 Wohngeldempfänger-Haushalte in den nächsten Monaten einen Heizkostenzuschuss erhalten.

Damit reagiert die Berliner Ampel-Koalition erstmals auf die wachsende Preissensibilität bei besonders bedürftigen Haushalten. Denn bereits im Vorwahlkampf der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen (dort wird im Mai gewählt) zeigt sich, dass die Energiepreisentwicklung zur Achillesferse für Sozialdemokraten, Grüne und Liberale werden könnte. Mit einiger Resonanz attackiert derzeit CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst geschickt diese offene Flanke der Bundesregierung.

Das Klima-Mantra wird von der sozialen Frage abgelöst

Der Wahlkampfschlachtruf der deutschen Grünen – „Klima, Klima über alles“ – droht schneller von der sozialen Frage konterkariert zu werden als von den objektiven Problemen, die eine von den Grünen gewünschte Energieversorgung auf Basis von Wind und Sonne ohnehin aufwirft. Mag Robert Habeck, der grüne Bundeswirtschaftsminister, in den letzten Tagen als Klimaschutzminister die Nachrichtensendungen und Titelseiten beherrscht haben: Die Umsetzung seiner Windkraft-Offensive wird nicht nur von den unzähligen Bürgerwiderständen – oft mit grüner lokaler Politikunterstützung – ausgebremst, sondern auch wegen der Kostenexplosion der speziellen deutschen Energiewende massiven Gegenwind erfahren.

Klimaschutz-Sofortprogramm

Vor der Bundespressekonferenz konnte er an diesem Dienstag in Berlin die Verantwortung für den Klimaschutz-Rückstand Deutschlands noch an die Vorgängerregierung delegieren. Dass die SPD, die heute den Kanzler stellt, damals mitregierte, unterschlug der Grüne. Kein Wort auch darüber, dass seine Partei in vielen Ländern in der Regierung sitzt und nicht selten zusammen mit lokalen Bürgerinitiativen den Leitungs- und Speicherbau behindert. Für die teure Fehlkonstruktion des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) mit seinem Einspeisevorrang ins Netz zeichneten die Grünen noch in alten rot-grünen Bundesregierungszeiten verantwortlich. Dass dieser ökonomische Fehlanreiz spätestens nach der Tsunami-Havarie des Kernkraftwerks im japanischen Fukushima zum politischen Mainstream in Deutschland wurde – inklusive Angela Merkels Volte bei der Kernenergie –, zählt für mich zu den größten ökonomischen Sündenfällen des Landes.

Die Notenbanken haben die Inflation zu lange als „temporär“ angesehen

Bis vor wenigen Monaten negierten die großen Notenbanken der Welt die Kostenexplosion der Energie als „temporär“. Die US-Notenbank Fed und ihr Chef Jerome Powell drehen inzwischen fast im Wochenrhythmus bei, weil sie die sozialen Kosten der Inflation für die Kaufkraft der Bürger zunehmend zur Kenntnis nehmen. Bis zu vier Zinserhöhungsschritte in diesem Jahr traut man der Fed inzwischen zu. Auch die Anleihekäufe werden schneller zurückgefahren als noch im Dezember angekündigt. Selbst eine signifikante Reduktion der Fed-Bilanz ist nicht unwahrscheinlich. Dass die Energiepreis-Explosion in den USA weniger auf politischen Vorgaben wie etwa in Europa beruht, sondern mehr den Marktverwerfungen in Corona-Zeiten geschuldet ist, darf in diesem Zusammenhang nicht unterschlagen werden.

Inflation ist staatlich gewollt

Die Europäische Zentralbank (EZB) dagegen und ihre Präsidentin Christine Lagarde machen noch kaum Schritte in Richtung einer Abkehr von der Nullzinspolitik und dem Ausstieg aus den Anleihekäufen von Staatspapieren. Dabei treibt in Europa und vor allem in Deutschland die Politik zusätzlich zu den globalen Marktbedingungen die Energiepreise. Denn die Kombination aus dem EU-Emissionshandelssystem, einem marktwirtschaftlich richtigen und effizienten System, treiben zusätzliche nationale CO2-Steuern, die Jahr für Jahr geplant steigen, auf viele Jahre die Preise für Energie.

Angesichts dieser politisch gewollten Lenkungsabsicht, mit der fossile Energieträger systematisch verteuert werden, von „temporärer“ Inflation zu sprechen, lässt an der intellektuellen Urteilsfähigkeit der EZB-Mehrheit zweifeln. Doch Christine Lagarde hat sich und der EZB eine neue Spielart der Geldpolitik verordnet: Sie will „grüne“ Investments präferieren, womöglich ein Etikett, mit dem auch langfristig Anleihekäufe grün vermarktet werden. Dass es dabei aber eher darum geht, die Refinanzierungsbedingungen für Euro-Schuldnerstaaten günstig zu halten, als um Klimaschutz, versteht sich angesichts der EZB-Praxis der vergangenen zehn Jahre fast von selbst.

Statt „Klima, Klima über alles“ werden sich nicht nur Grüne schneller als ihnen lieb ist, von diesem Mantra verabschieden müssen. Denn die Themen Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit werden die Menschen bei der Energie mehr umtreiben als der Klimaschutz, der erst in langen Zyklen und nicht im deutschen Alleingang positive Folgen zeitigt. Ebenso die Frage, wie so drängende Themen wie die Alterssicherung, die Gesundheitsversorgung und die Pflege bezahlbar bleiben, wenn die jungen Kohorten immer kleiner und die alten Kohorten immer stärker werden. Die soziale Frage wird in Zeiten des demographischen Wandels mit aller Macht auf der Tagesordnung ganz nach oben rücken.

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