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Long Covid: Die Zukunft der Autoindustrie nach der Pandemie

Published On: 22. Januar 2022 17:45

Die Pandemie und die Chipkrise werden enden, die Kostenvorteile für die Hersteller bleiben. Bei den Autokonzernen hat das große Aufräumen begonnen. Dazu gehört auch eine gewisse De-Globalisierung der Fertigung.

IMAGO / Panthermedia

Gäbe es in der Autoindustrie ein „Wort des Jahres“, so müsste man für 2021 sogar zwei benennen, die zudem gegensätzlicher nicht sein könnten. Doch beide treffen zu:

Chipkrise und Rekordergebnis.

Eine solche Konstellation hat es bisher in der deutschen Autoindustrie noch nie gegeben. Noch nie zuvor hat außerdem BMW – 1959 bankrott und beinahe von Daimler geschluckt und ausradiert – wie in 2021 weltweit mehr Nobel-Autos verkauft als das ewige Vorbild Mercedes-Benz; das nur am Rande erwähnt.

Sieg der Vernunft in Wolfsburg

Ein Blick zurück verdeutlicht die Anomalität in der Branche. Zwar steckte schon mehrmals in den letzten 50 Jahren diese nationale Schlüsselindustrie in einer tiefen Krise, wurde totgesagt. So Anfang der 70er als Folge der ersten Ölkrise, als sich Ankerinvestor Friedrich Karl Flick und die Deutsche Bank als Hausbank  der ersten Stunde in Erwartung des Niedergangs der Autoindustrie aus dem Daimler Benz Konzern völlig zurückzogen. An ihre Stelle traten dann Investoren aus dem ölreichen Morgenland, die es besser wussten. 

In den 1980ern rollten dann die Japaner (auch) den Weltautomobilmarkt auf, was Toyota & CO in den USA dann besonders glückte; seit 2021 ist das amerikanische Urgestein GM sogar nicht mehr die nationale Nr. 1. sondern Toyota.

Danach tauchten die Koreaner und erste Sendboten aus China auf dem Weltmarkt auf. Der Wettbewerb wurde zunehmend schärfer, die Anzahl der westlichen Automobilhersteller schrumpfte seit 1960 von knapp 70 auf aktuell unter 10.

Klimapolitik als Inflations-Booster

Neue Nahrung erhielten die notorischen Branchen-Untergangspropheten dann ab der ersten Dekade der 2000er mit dem Auftauchen des Elektroautos von Tesla. Damit läutete dessen Erfinder, das Innovations-Genie Elon Musk dem Umweltzeitgeist vorauseilend das Zeitalter der Elektromobilität und des Autonomen Fahrens ein. Beides gibt bis heute die technische Richtung in der Weltautoindustrie vor, und ließ quasi über Nacht die Helden des Verbrennerautos alt aussehen. Die Resonanz bei Analysten, Politikern und vor allem in den Medien in Deutschland war groß: „Zu langsam, zu träge, zu wenig innovativ…“ (Helmut Kluger in der Automobilwoche), allgemein war der Tenor, die deutschen Autobauer würden ihre Zukunft verschlafen. 

Weit gefehlt! Der weise Präsident von Toyota, Akio Toyoda, brachte es auf den Punkt: „Es ist wichtiger, sich schnell an die Änderungen der Zukunft anzupassen, als zu versuchen, die Zukunft vorherzusagen.“

Automobil-Report International Nr. 11/21

Und genau so haben unisono alle deutschen Autohersteller reagiert, an der Spitze der Volkswagenkonzern unter CEO Herbert Diess, mit dem Bau oder Umbau ganzer Werke zur Produktion einer völlig neuen Palette von zunächst noch nicht einmal entwickelten Serien von Elektroautos. Gefolgt von den Nobelmarken BMW mit einer neuen elektrifizierten iX SUV Baureihe. Die Hochleistungsversion des BMW iXM60 mit 455 kW vermag den 2,5-Tonner in 3,8 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 bringen. Sowie Mercedes-Benz mit der EQ Baureihe und einer Design Studie seines jüngsten deutschen Elektrosprosses EQXX. Der EQXX verspricht als Highend-Elektro-Fahrzeug von Mercedes jeden Tesla in allen Leistungsdaten in den Schatten zu stellen – wenn er denn in Serie geht. Er soll über eine Reichweite von 1000 Kilometer verfügen, angetrieben von einer Batterie eines Kleinwagens mit 100 kWh. Doch da ist Vorsicht geboten: Ex-Daimler-CEO Dieter Zetsche hatte auf der Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas 2015 schon einmal ein Zukunftsstudie vorgestellt den Mercedes F105, ein völlig autonom fahrendes (T)Raum Fahrzeug mit gegenüberliegen Sitzen. Von diesem Auto war später nie mehr etwas zu hören.

Beide Nobelmarken präsentierten ihre „E-Babies“ jüngst auf der CES. Spötter vermuten hinter der Ortswahl die Dokumentation, dass Elektromobilität angesichts der risikoreichen Rahmenbedingungen immer noch etwas von Glücksspiel an sich hat. Denn absehbar ist, dass es in wenigen Jahren an allem Wesentlichen fehlen wird: wichtigen Rohstoffen, „grünem“ Strom und Tankstellen dafür, in Deutschland sogar an Strom generell.

Alle deutschen Hersteller haben also in Sachen Antriebsergänzung ihre Elektro-Hausaufgaben gemacht. Und haben mit dem Ausweis von Rekordergebnissen aus dem Verkauf von Verbrennerautos selbst im Jahr der Doppelkrise von Pandemie und Chipmangel bewiesen, dass sie für die Zukunft, sprich 2022 und danach gerüstet sind. Sie beherrschen beide Antriebstechnologien…

Vor dieser zwiespältigen Vergangenheit hält Pandoras Zukunftsbüchse für die deutsche Autoindustrie in 2022 und den Folgejahren Gutes wie schwierige Herausforderungen bereit.

Zunächst zu den positiven Erwartungen und Fortwirkungen der Corona Krise in und auf die Autoindustrie:

  • Das Mengengerüst an Branchenkenngrößen wie Neuzulassungen am Inlandsmarkt, Pkw-Produktion und Export, bessert sich gegenüber 2021, nachdem alle, z.B. die  Inlands- Neuzulassungen mit 2,6 Millionen auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung eingebrochen waren. Es geht also 2022 wieder aufwärts, wie kräftig, kann angesichts des fortwährenden Mangels an Speicherchips und anderen Materialien nur spekuliert werden. Ein Zuwachs von 10 Prozent bei allen Schlüsselzahlen sollte die Untergrenze sein., bei den Neuzulassungen in Deutschland wird mit rd 3 Millionen gerechnet.
  • Der Mangel an Neuwagen hat dazu geführt, dass in grober Schätzung weltweit rund 30 bis 40 Millionen Automobile nicht gebaut und ausgeliefert werden konnten. Diese Nachfrage hat sich aufgestaut. Auch wenn davon viele Käufe auf den Gebrauchtwagenmarkt gelenkt wurden und dort die Lager beim Handel geräumt wurden, bleibt doch ein beträchtlicher Nachfrage-Überhang. In den nächsten Jahren sollten also zusätzlich zum normalen Jahresbedarf ca 20 Millionen Neuwagen gebraucht und produziert werden, die meisten davon mit herkömmlicher Verbrennertechnik. 
  • Die Pandemie hat gezeigt, dass große Krisen als Treiber für viele Innovationen wirken, sowohl im technischen wie im kaufmännisch/gesellschaftlichen Bereich. Das gilt auch für die Entwicklungs- , Produktions- und Logistik –Prozesse in der Autoindustrie. Der Unternehmerlohn besteht in Effizienzgewinnen und Kostensenkungen, die angesichts der latenten Knappheit an den größten Automärkten nicht an die Kunden, sondern an in die eigene Ergebnisrechnung einfließen. 
  • Eng damit verbunden: Das Wort Rabatt, das vor der Pandemie ein Schlüsselwort im Verkaufsrepertoire der Branche geworden war, ist aus dem Handels-Wortschatz völlig verschwunden. An seine Stelle sind Lieferzeiten getreten. Ebenso ist bei Autoanalysten wie Herstellern an die Stelle des Focus auf Marktanteil der Focus auf Marge getreten. 

Im Vertrieb stellt man auf Agentursysteme um, sämtliche Hersteller bereinigen ihre Modellpaletten vielfach klammheimlich um margenschwache Modelle. Das große Aufräumen hat allenthalben begonnen, und die Betriebsräte machen mit.

  • Digitalisierung ist eines der Schlüsselworte, an seiner Seite das Wort vom „Home-Office“, das vor zwei Jahren noch völlig unbekannt war, und heute auf breiter Front praktiziert wird. Laufende Digitalisierungsprozesse haben durch Corona neuen Schub erhalten. Das gilt sowohl für die Leistungserstellung wie für die Arbeitsorganisation. Davon hat die Autoindustrie mit ihren hohen Verwaltungs- und Vertriebskosten besonders profitiert.

Inflation ist staatlich gewollt

Daneben steigt auch die Akzeptanz in der Bevölkerung für elektronische Bezahlprozesse. Die Bereitschaft elektronikafiner Neuwagenkäufer zur Zubuchung von Auto-Dienstleistungen, z.B zusätzliche Batteriekapazität während der Fahrt oder besondere Unterhaltungs-Gimmicks, erhöht die Offerten der Hersteller. Und bei weiter steigenden Stauperioden auch das Umsatzpotenzial. Ziel ist es, das Auto zum fahrenden Büro zu machen, dem steigenden Rentneranzahl unter den Autofahrern zum Trotz.  

Alles in allem ist positiv zu vermerken: 

  • Die Pandemie und die Chipkrise werden (hoffentlich) enden, die Kostenvorteile bleiben. Viele Prozesse wurden angestoßen, viele sind effizienter und robuster geworden.
  • Dank Corona und Chipkrise hat allenthalben das große Aufräumen eingesetzt, alte Strukturen werden bereinigt, Kosten-Ballast und lieb gewordene Gewohnheiten abgeworfen – und besonders wichtig: die Betriebsräte machen mit. Nicht nur in der Autoindustrie. Eigentlich eine Sternstunde der deutschen Wirtschaft.

Aber keine Rose ohne Dornen, es gibt auch Schattenseiten. Verbunden mit großem Anpassungsdruck und negativen Folgelasten für die gesamte Branche, Hersteller wie Zulieferer der gesamten Wertschöpfungskette; bis hin zum Bäcker um die Ecke, der kleinere Semmeln backen oder zur VW-eigenen Kantinen-Currywurst, die etwas kleiner ausfallen oder in geringerer Stückzahl hergestellt werden muss. 

Absehbar kommt es in den nächsten Jahren zu Kostensteigerungen bei allen Prozessen der automobilen (industriellen) Leistungserstellung. Diese werden verursacht durch:

  • Absicherung der Logistikketten und Materialbeschaffung durch Rückverlagerung von Fertigungsprozessen aus politisch unsicheren Regionen der Welt
  • Neubewertung und Absicherung von ausländischen Produktionsstandorten. Stichwort: De-Globalisierung
  • Verschärfte Knappheit am Arbeitsmarkt erfordert höhere Investitionen in Aus- und Weiterbildung und Internationalisierung der Personalbeschaffung incl. sämtlicher Nebenkosten der Unterbringung, Integration, Sprache etc. Keine grundsätzlich neue Herausforderung für die deutschen Unternehmen, die seit den 60iger Jahren auf Zuwanderungen von Gastarbeitern angewiesen sind.  Aber eine strukturell steigende Herausforderung. 
  • Engpässe am Arbeitsmarkt für qualifizierte Fachkräfte führen zu strukturell steigendem Lohn- und Kostenniveau zu Lasten der Margen. Weitergabe in den Preisen erhöht allgemeinen Inflationsdruck und schmälert das reale Ausgabenpotenzial der Konsumenten für neue Automobile.

Zieht man einen Schlussstrich unter Pros und Cons so kann man sagen, dass es absehbar nichts gibt, was in den letzten 70 Jahren der deutschen Autoindustrie nicht schon einmal begegnet wäre. Und mit dem sie – als Branche, nicht als einzelnes Unternehmen – erfolgreich fertig geworden wäre.

Die Vorzeichen, dass das auch in den nächsten Jahren so bleiben wird, stehen nicht ungünstig – trotz allem.

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