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„Das heutige Asylsystem ist Teil des Problems, nicht der Lösung“

Published On: 24. Januar 2022 16:02

Dänemark will die Einwanderung begrenzen und Asylanträge in Drittstaaten prüfen lassen. Der zuständige Minister Mattias Tesfaye vertritt die wohl härteste Migrationspolitik Europas. Ausgerechnet ein linker Politiker, dessen Vater aus Äthiopien geflüchtet ist.

IMAGO / Ritzau Scanpix

Wie Dänemark, will auch Deutschland illegale Migration bekämpfen. Während Dänemark sie jedoch von vornherein verhindern will, indem der Asylstatus von Migranten in Drittländern geprüft wird, will Deutschland noch mehr Einwanderung ermöglichen und dafür illegale Migration einfach in legale Migration umwandeln. „Wir werden irreguläre Migration reduzieren und reguläre Migration ermöglichen“, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf einer Pressekonferenz am 14. Januar anlässlich des Besuchs der schwedischen EU-Kommissarin Ylva Johansson in Berlin. Bei ihrer Asylpolitik setzen Faeser und Johansson auf eine „Koalition der aufnahmebereiten Mitgliedstaaten“.

Doch nicht alle europäischen Länder zeigen dieselbe breite Aufnahmebereitschaf. So etwa Dänemark. Sozialdemokrat Mattias Tesfaye, seit 2019 Minister für Einwanderung und Integration in Dänemark, setzt sich schon länger für die Errichtung von Asylzentren in Drittstaaten ein. So erklärte er bei einem Besuch des damaligen österreichischen Innenministers Karl Nehammer im Juni 2021 in Kopenhagen: „Das europäische Asylsystem ist kaputt. Ohne sozialen Zusammenhalt gibt es keinen Wohlfahrtsstaat.“ Dänemark beteiligt sich zudem an der Finanzierung des Grenzschutzes in Tunesien, seit August 2020 ist eine eigens dafür eingerichtete Agentur zuständig für die Rückführung abgelehnter Asylwerber und anderer Personen ohne Aufenthaltsrecht.

Damit ist der dänische Integrationsminister, der selbst afrikanische Wurzeln hat und dessen Vater aus Äthiopien geflüchtet ist, Vertreter einer strikten Migrationspolitik. Das Ziel der – wohlgemerkt: sozialdemokratischen – Regierung lautet: null Asylbewerber nach Dänemark. Vor allem bei deutschsprachigen Medien und Politikern steht sie deshalb unter Kritik. Die NZZ vom 20. Januar 2022 stellt fest, Tesfaye sei für viele „das personifizierte Böse: ein Sozialdemokrat mit Migrationshintergrund, der den Islam kritisiert“, und fragt ihn in einem Interview, wie er damit umgehe, dass er von seinen „eigenen Genossen häufig als Verräter und Rassist beschimpft“ werde. Tesfaye erklärt die Gründe für seine Haltung und seine Politik, die nachfolgend zusammengefasst sind.

Internationale Reaktionen

Der dänische Minister hält es für linke Politiker für völlig normal, nicht gegen Migration zu sein, sie aber kontrollieren zu wollen. Denn gerade Geringverdiener und Geringqualifizierte würden den höchsten Preis für die Integration zahlen. Wenn man die dänische Migrationsgeschichte studiere, stelle man fest, dass in den 1960ern die Linke und die Gewerkschaften die Migration wegen der Konkurrenz am Arbeitsmarkt sehr skeptisch gesehen haben. Damals wollte die politische Rechte die Grenzen für ‚Fremdarbeiter‘ öffnen. Das hat sich in den 1980ern und 1990ern dann umgekehrt.

Tesfaye stellt in dem Interview klar, dass das Null-Ziel der Regierung nur Asylsuchende betrifft, nicht Flüchtlinge. Die deutsche Presse würde da keinen Unterschied machen. Er sieht das heutige Asylsystem als Teil des Problems, nicht der Lösung. Die Hälfte der Asylbewerber in Europa sei nicht schutzbedürftig, und es seien mehrheitlich junge Männer. „Wenn sie abgelehnt werden, verursacht das einen Haufen Probleme und Kosten.“ Dänemark strebt ein internationales Asylsystem an, in dem den Leuten in der Nähe von Konfliktgebieten geholfen wird. „Wir wollen sichergehen, dass die Leute, die in Kopenhagen landen, wirklich Flüchtlinge sind, die von der UNO ausgewählt worden sind – und nicht von Menschenschmugglern.“

„Koalition der Aufnahmebereiten“

Dänemark habe einige Punkte der europäischen Gesetzgebung ausgeklammert, was ermögliche, Asylgesuche in Drittstaaten prüfen zu lassen. In Deutschland oder Schweden sei das nicht möglich, weil entsprechende Klauseln fehlten. Die Reaktion auf die dänische Politik in Europa sei sehr unterschiedlich; einige Länder würden gern dasselbe tun, sagten es aber nicht öffentlich. Außerdem seien die Unterschiede nicht so groß, wie sie manchmal gemacht würden: So habe in Schweden früher jeder Flüchtling eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung bekommen, jetzt gebe es nur noch eine temporäre. Laut Tesfaye nimmt in Dänemark die Kriminalitätsrate ab, Bildungs- und Beschäftigungsstand steigen, und die Zahl der als „Ghettos“ eingestufte Gebiete sinkt. Er führt das auf seine Politik zurück und ist sich „absolut sicher, dass wir dieselben Integrationsprobleme hätten, wenn wir die gleichen Einwanderungszahlen wie unsere Nachbarn verzeichneten“.

Die Herkunft von Migranten ist Tesfaye egal. Er beurteile eine Person danach, was sie ist und was sie tut. „Und danach, was sie zur dänischen Gesellschaft beiträgt.“ Die Migration aus dem Mittleren Osten sei sehr hoch und führe zu großen ökonomischen Herausforderungen. Leute aus Thailand, China oder Indien sind dagegen Nettozahler für die dänische Wirtschaft und tragen zu einem nachhaltigen Wohlfahrtsstaat bei. Die Mehrheit der Muslime sei zwar nicht kriminell, aber wichtiger sei deren mangelnde kulturelle Integration: „die Bereitschaft, demokratische Werte zu leben, die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu akzeptieren oder dass eine Religion niemals über dem Gesetz steht“. Den gestiegenen Antisemitismus sieht Tesfaye ebenfalls in der Migration begründet: „Die jüdischen Schulen, aber auch die Gemeinden sind in einem Maße mit Antisemitismus konfrontiert, das es früher nicht gab. Das ist wegen der Migration.“

Dänemark geht eigene Wege

Künftig sollen Geistliche nur noch auf Dänisch predigen dürfen. Das sei Teil verschiedener Gesetze, mit denen die Unterwanderung der Demokratie verhindert werden soll. Tesfaye kann absolut verstehen, dass über Themen wie den Bau von Minaretten und Gebetsrufe in Europa diskutiert wird: „Niemand soll Religion dazu missbrauchen, um unsere Gesellschaft zu verändern.“ Es geht dabei um die Frage, wie Muslime ihre Religion leben können, ohne mit der umliegenden Gesellschaft in Konflikt zu geraten. Tesfaye ist optimistisch, aber: „Es wird schwierig zu bewältigen, wenn jedes Jahr eine große Zahl von Migranten aus dem Mittleren Osten zu uns kommt. Dann werden wir jedes Mal von vorn beginnen müssen, unsere Kultur zu erklären.“

Auch zum Thema Staatsbürgerschaft hat Tesfaye klare Vorstellungen: „In Dänemark ist die Philosophie, dass man Bürger wird, wenn man integriert ist.“ Was das bedeutet – er nennt Beispiele wie Dänisch sprechen, keine schweren Straftaten begehen, einen Job haben –, darüber könne dann diskutiert werden. Er wisse, dass es andere Länder gibt, die die Staatsbürgerschaft dagegen als Motivation für die Menschen nutzen wollen, sich zu integrieren. „Dann ist sie nicht das Geschenk am Ende des Integrationsweges.“ Tesfaye hält das für den falschen Weg: „Die Staatsbürgerschaft sollte am Ende des Weges stehen, nicht am Anfang.“

Auch hier ist der deutsche Weg ein anderer: Durch ein „modernes Staatsangehörigkeitsrecht“ sollen nach Plänen der Bundesregierung die Mehrfachstaatsangehörigkeit ermöglicht und der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vereinfacht werden. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Eine Einbürgerung soll in der Regel nach fünf Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen nach drei Jahren.“ Wie eine Anfrage der AfD-Fraktion im Bundestag ergeben hat, weiß die Bundesregierung so gut wie nichts darüber, wie sich eine solche Gesetzgebung auswirken würde. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat zudem angekündigt, dass es Afghanen ermöglicht werden soll, schon vor Ablauf ihres Asylverfahrens an Integrations- und Sprachkursen der Bundesregierung teilzunehmen. Damit ist die Asylentscheidung im Grunde hinfällig geworden, und man könnte sich das Verfahren auch sparen.

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