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Und plötzlich hat Illner Karl Lauterbach eine Querdenker-Position entlockt

Published On: 28. Januar 2022 8:00

Normalerweise ist ein Illner-Auftritt für Karl Lauterbach ein Heimspiel. Doch die Liebe scheint vorbei zu sein – dem Minister bricht damit seine vielleicht wichtigste Machtstütze weg. Illner attackiert den angeschlagenen Minister auf die denkbar schlimmste Art: Sie macht ihn zum Querdenker.

Screenshot ZDF: Maybrit Illner

Es heißt, die Hochzeiten, um die das größte Theater gemacht wird, mit großer Feier, Hunderten von Gästen, fünfstöckigem Kuchen und acht Meter langem Schleier, bringen die Ehen, die am schnellsten in die Brüche gehen. Und wie es scheint, trifft das nicht nur auf Hochzeiten zu.

Als Karl Lauterbach zum Gesundheitsminister ernannt wurde, war der Jubel groß. Wochenlang hatten NoCovid-Gläubige auf Twitter darum gebettelt, seine Runden durch die Talkshows glichen Tourneen, jeden Tag war er in den Schlagzeilen. Vor allem Maybrit Illner pushte ihn, er wurde hier nicht nur zum „Gesundheitsminister der Herzen“ aufgebaut, sondern auch zum ersten direkt gewählten Minister erklärt. Es ist definitiv das erste Mal, dass sich irgendjemand mal damit auseinandergesetzt hat, wer Gesundheitsminister wird. Ich meine, es ist schwer, es sich jetzt noch vorzustellen, aber vor Corona wurde Spahn doch Gesundheitsminister, weil sich gerade nichts anderes fand.

Doch an diesem Donnerstagabend offenbart sich, dass die Liebe zwischen Illner und Lauterbach Risse bekommen hat – für den ohnehin massiv unter Druck stehenden Minister ein verheerendes Zeichen.

Der Chaos-Minister gegen alle

Für Frau Illner gibt es jedenfalls Grund zum Reden. Karl Lauterbach sitzt im Studio zu ihrer Linken, genau da hatte er auch schon zu seiner Einstandssendung zur Minister-Ernennung gesessen. Allerdings wird er heute nicht aufgebaut – im Gegenteil, die Zeiten sind längst vorbei. Es gleicht einer Szene aus einem Mafiafilm, es ist alles perfekt. Maybritt Illner ist das Oberhaupt der Familie und sie holt ihren Stadthalter in Palermo in ihr Palais, ganz freundlich – zu freundlich. Zu Beginn lässt sie Carlos Lautrebarchiano sein eigenes Grab schaufeln. Sie hat einen Clip vorbereitet, der zusammenfasst, wo der die Schnelltests als ungenau und ungeeignet kritisiert hat (sehr oft und scharf) – das war ja die Begründung zur Einführung von 2G. Und dann fragt Illner ihn, wie er denn jetzt zu Schnelltests stünde, wo in Deutschland ja die PCR-Tests knapp werden.

Es ähnelt ihrem Manöver in der letzten Sendung, als sie Söder mit einem Zusammenschnitt von Aussagen konfrontierte, in denen er sich innerhalb kurzer Zeit direkt wiedersprochen hat. Allerdings ist jetzt eines anders: Der Angriff auf Söder war viel direkter. Da kann man sich kaum noch rausreden, und Söder wusste, dass er in der Falle saß. Doch Karl Lauterbach gab sie das Gefühl, Herr der Lage zu sein. Nur, allein die Tatsache, dass er PCR-Tests besser findet, wir aber aktuell einen Engpass haben, ist noch kein direkter Widerspruch, es bedeutet nur, dass er sich jetzt darum bemühen muss, uns welche zu besorgen.

Da hätte er sich ganz einfach rausreden können, allerdings hätte er dabei Organisatorisches besprechen müssen und hätte nicht weiter den Obererklärer spielen dürfen. Er rennt ihr in die Falle – und plötzlich hat Illner es geschafft, Karl Lauterbach eine Querdenker-Position zu entlocken. Der erklärt jetzt nämlich ganz fachmännisch und hochnäsig, dass schlechte Tests ja gar kein Problem wären, schließlich seien ja nur die Infizierten mit hoher Viruslast und Symptomen wirklich ansteckend – und die würden die Schnelltests eben finden. Wenn der Test noch nicht anschlägt, dann folglich, weil die Viruslast nicht sonderlich hoch ist und die Person auch nicht so ansteckend ist. Ha, sagt da der gelernte ÖRR-Talkshowgucker, das ist doch eine astreine Querdenker-Position. Das hieße ja, dass wir uns 2G und Co. einfach schenken könnten, die Tests sind ja schließlich sicher. Streng genommen rückt er damit sogar ab von der Politik, nach der ein positiver PCR-Test automatisch ein Risiko wäre – jetzt geht es auf einmal um Viruslast und Infektiösität.

„Man darf den Antigen-Test jetzt nicht kaputtreden. Ich glaube, dass wir mit dem, was wir jetzt haben, eine gute Medizin machen können“, so Lauterbach. Der Wissenschaftler Carsten Watzl springt seinem Meister pflichtbewusst bei: „Die Gefahr, die davon ausgeht, dass jemand zwei Tage symptomfrei ist und dann zwei Tage negative Tests hatte, ist so gering, das Risiko kann man eingehen.“

Ohne es wirklich zu realisieren, hat Lauterbach den Aufmacher geliefert für seine Zerstörung. Nicht nur verspielt er es sich damit bei seinen Anhängern, denen nicht mal der PCR-Test zuverlässig genug ist, er liefert damit auch ein entscheidendes Argument für die gegnerische Seite in der zentralsten Debatte aktuell: der Impfpflicht. Denn warum sollten wir jetzt noch eine Impfpflicht durchsetzen, wenn 3G doch dann anscheinend auch super sicher wäre – schließlich sind negativ Getestete doch eh nicht ansteckend?

Lauterbach erkennt in diesen Momenten wohl, was er an Spahn als Sündenbock hatte. Viele hatten sich von Lauterbach frischen Wind gewünscht; einen Gesundheitsminister, der die Dinge anders, kompetenter handhabt. Doch während Spahn wenigstens noch die Routine eines Bankers in sein Amt eingebracht hat und so auch zumindest die Krawatte richtig saß, verhält Lauterbach sich wie ein Wissenschaftler, der seine Stulle neben einer Petrischale liegen lässt und dabei aus Versehen Penicillin entdeckt – nur dass es leider kein Penicillin war, sondern das Labor in die Luft gejagt hat.

In der Falle

Und so geht es weiter. Jetzt haben wir den Genesenenstatus auf drei Monate verkürzt und der Rest Europas will ihn auf sechs Monate festschreiben. Lauterbachs Aussage dazu: „Daher werden wir medizinisch gesehen europaweit den Genesenenstatus auf drei Monate verkürzen.“ Er wird also gegen die anderen Länder des Kontinents seine Position durchsetzen, das meint er, ist schon sicher – „medizinisch gesehen“ jedenfalls.

Der Genesenenstatus bringt ihn noch weiter ins Schwitzen. Er erklärt: „Das Problem ist: Derjenige, der sich nach drei Monaten wieder infiziert, infiziert sagen wir die 80-jährige Großmutter oder Mutter. Die stirbt dann.“ Auweia, Wirrheitslevel der Lauterbach-Klasse!

Dann widerspricht der Gesundheitsminister sich innerhalb von wenigen Minuten selbst: Erst brüstet er sich, dass er die Fachaufsicht über das RKI führe – später will er vom Genesenen-Coup aber nichts gewusst haben, das soll das RKI auf eigene Faust gemacht haben. Deutschland hat keine PCR-Tests mehr und die Massen sind zwar für eine Impfpflicht angeheizt, aber wir hätten weder die Kapazitäten noch einen Plan, sie durchzusetzen. Es ist ein Desaster.

Immer tiefer reitet er sich rein. Ungeimpftes Pflegepersonal, meint er, würde gar nicht so wirklich existieren. Das wären nur Querdenker, die da ein Problem aufbauschen und Menschen instrumentalisieren würden. Ungeimpft seien in Kliniken eher die Hausmeister und so. Dass seine Aussagen sich nicht mit der Realität gleichen (nach DKG-Studie sind gegenwärtig 13 Prozent der Intensivpfleger ungeimpft) – völlig egal. Es wäre zwar seine Aufgabe, das als Gesundheitsminister zu wissen und sich damit auseinanderzusetzen, aber es hat ja niemand anderes erwartet. Probleme außerhalb von Corona existieren nicht.

Illner hat Karl Lauterbach zum Abschuss freigegeben, den Rest erledigen ihre Wachhunde. Die sind von der ganz besonderen Sorte: Juristen. Exemplarisch ist eine Szene, in der Illner Lauterbach ganz konkret nach Zahlen fragt, in Bezug auf die Thematik Impfpflicht in den Krankenhäusern. Nee, Zahlen gäbe es da nicht, leitet Lauterbach ein, aber man könne sich auf „anekdotische Evidenz“ beziehen. Da erwacht kurz die tief schlummernde Journalistin in Maybrit Illner: „Anekdotische Evidenz?“

So wie er es immer tut, beginnt Carlos Lautrebarchiano zu erklären, doch bevor er seinen Halbsatz über „wissenschaftliche Erkenntnisse von Spezialisten“ beenden kann, haut ihm Linda Teuteberg dazwischen: „Erfahrungsberichte, Einzelerlebnisse“.  Obendrauf fällt ihm auch noch der Immunologe in den Rücken und meint: „Wissenschaftlich ist das nicht.“

Am Ende der Sendung bleibt vom Gesundheitsminister nicht viel übrig. Illner muss blitzschnell die Sendung abbrechen, um zu Markus Lanz überzuleiten, und danach wird sie Carlos Lautrebarchiano vermutlich ein Angebot machen, das er nicht ablehnen kann.

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