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Gergijew muss gehen – ein fatales Signal | Von Ulrich Teusch

Published On: 7. März 2022 15:04

Ein Standpunkt von Ulrich Teusch.

Am Ende war es keine Überraschung mehr. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat dem mit Abstand prominentesten Angestellten seiner Stadt mit sofortiger Wirkung gekündigt. Waleri Gergijew, Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, muss gehen. Der mit Wladimir Putin seit langem befreundete Künstler hatte ein Ultimatum Reiters, sich vom Kriegskurs des russischen Präsidenten zu distanzieren, unbeantwortet gelassen. Die Entscheidung der Stadt München ist in mehrfacher Hinsicht fatal und ein böses Omen für die deutsch-russischen Kulturbeziehungen.

Waleri Gergijew ist ein Weltklasse-Dirigent und begnadeter Musik-Manager. Seit 1996 leitet er das Sankt Petersburger Mariinski-Theater samt dortigem Orchester. Unter seiner Leitung erarbeiteten sich das Haus und sein Klangkörper eine hohe internationale Reputation und erreichten ein künstlerisches Niveau wie vielleicht nie zuvor in ihrer langen Geschichte. Neben seiner Tätigkeit in Sankt Petersburg war Gergijew stets Chefdirigent eines weiteren Spitzenorchesters, so etwa des London Symphony Orchestra und seit 2015 der Münchner Philharmoniker. Er hat einige bedeutende Festivals aus der Taufe gehoben und leitet sie, er kümmert sich um die Förderung des künstlerischen Nachwuchses, also um Dirigenten, Geiger, Pianisten, Sänger… Seine wohl berühmteste Entdeckung ist die Sopranistin Anna Netrebko.

Der aus Nordossetien stammende Gergijew ist vermutlich der gefragteste und meistbeschäftigte Dirigent überhaupt. Seit Jahren stemmt er ein ungemein strapaziöses Programm, ist beinahe jeden Abend irgendwo auf der Welt im Einsatz. Spötter sagen, dass Gergijew wahrscheinlich gar nicht mehr wisse, in welcher Zeitzone er sich gerade befindet. Weil er immer wieder für musikalische Sternstunden sorgt, über ein imponierendes Repertoire verfügt und zahlreiche Einspielungen, darunter etliche Referenzaufnahmen, vorgelegt hat, gilt er vielen als das Nonplusultra in der Dirigentenwelt.

Der Putin-Freund

Trotz seiner außerordentlichen und von kaum jemandem bezweifelten künstlerischen Qualität – unumstritten ist Gergijew nicht. Das hat allein politische Gründe und hängt zusammen mit seiner engen, freundschaftlichen Beziehung zu Putin. Den heutigen russischen Präsidenten kennt und schätzt Gergijew noch aus dessen Sankt Petersburger Tagen. Er hat den politischen Kurs Putins des Öfteren unterstützt, insbesondere zusammen mit anderen Künstlern des Landes das russische Vorgehen auf der Krim 2014 gutgeheißen.

Schon Gergijews Amtsantritt in München 2015 war von Kontroversen begleitet, die sich um die Frage drehten, ob man es tatsächlich verantworten könne, einen Putin-Freund zum Chef der Münchner Philharmoniker und damit zum Kulturbotschafter der ach so weltoffenen und liberalen Isar-Metropole zu machen. Gergijew ließ die reichlich kleinkarierte und streckenweise peinliche Diskussion mit erstaunlicher Gelassenheit über sich ergehen, gab eine versöhnliche öffentliche Erklärung ab, trat sein Amt an und hat seither so einiges getan, um das Musikleben der bayerischen Landeshauptstadt und ihres Speckgürtels auf Trab zu bringen.

Reiter versus Gergijew

Gedankt hat man es ihm nicht. Statt nach der russischen Invasion das vertrauensvolle Gespräch mit ihm zu suchen, ist Oberbürgermeister Dieter Reiter gleich in die Offensive gegangen und hat seinem Dirigenten ein Ultimatum gestellt. Dass Gergijew die ihm gesetzte Frist hat verstreichen lassen, ist nur zu verständlich. Was hätte er tun sollen? Die Möglichkeit, sich von Putins Kriegskurs seriös zu distanzieren, hat Reiter ihm genommen. Wohl niemand hätte ein negatives Urteil Gergijews für glaubhaft gehalten. Allenthalben wäre gemutmaßt worden, dass er sich nur dem Druck gebeugt habe, um seinen lukrativen Münchner Job nicht zu verlieren.

Auch die Frage, ob Gergijew sich denn überhaupt von Putin hätte absetzen können, ohne in Russland massiv Schaden zu nehmen, hat sich Reiter offenbar nicht gestellt. Hätte das System Putin“ eine Distanzierung Gergijews vom Ukraine-Krieg toleriert? Oder hätte er mit Sanktionen rechnen müssen? Hätte er sich am Ende gar zwischen München und Sankt Petersburg, zwischen Deutschland und Russland, entscheiden müssen? Wer, wie Dieter Reiter, doch wohl davon ausgeht, dass es sich beim politischen System Russlands um eine bösartige Autokratie handelt, hätte diesen Aspekt zumindest mitbedenken können.

Ein neuer eiserner Vorhang?

Obwohl sich Gergijew (Stand 1.3.2022) zur russischen Ukraine-Intervention weder positiv noch negativ geäußert hat, scheint man allerorten zu wissen, wie er dazu steht. Denn auch andere Orchester, Opern- und Konzerthäuser verlangen von ihm eine klare Distanzierung oder warten diese gar nicht erst ab; sie beenden einseitig die Zusammenarbeit oder leiten deren Ende in die Wege: die Mailänder Scala etwa, die Carnegie Hall, die Wiener Philharmoniker, das schweizerische Verbier-Festival, das Baden-Badener Festspielhaus, die Hamburger Elbphilharmonie allesamt Kunstinstitute, die über Jahre, zum Teil über Jahrzehnte vertrauensvoll mit Gergijew zusammengearbeitet haben und ihm so manches verdanken. Viele weitere werden in den nächsten Tagen und Wochen folgen. Es sieht aus, als würde Gergijew seine künstlerischen Aktivitäten bald auf Russland und einige wenige mit diesem noch verbündete Länder beschränken müssen.

Dass Musik eine Brücke zwischen den Nationen, zwischen den Kulturen sein könne, ist ein Credo Gergijews. Er wird ab sofort kaum noch Gelegenheiten finden, solche kulturellen Brücken zu bauen oder zu begehen. Gerade jetzt, da es wichtiger denn je wäre, nach Gemeinsamkeiten etwa zwischen Deutschen und Russen zu suchen oder sich bestehende Gemeinsamkeiten zu vergegenwärtigen, gerade jetzt, wo man sich klar machen müsste, dass die politischen Spannungen nicht zum Ende des Dialogs auch des musikalischen – führen dürfen, gerade jetzt senden deutsche Politiker wie Dieter Reiter ein fatales Signal. Die Kunst wird politisch instrumentalisiert. Wobei Gergijew nur ein besonders prominenter Einzelfall ist. Dieser bedauerliche Kurs wird noch viele Opfer fordern, nicht nur auf kulturellem Gebiet, auch auf dem des Sports beispielsweise. Und wenn wir nicht achtgeben, wird sich in Europa wieder ein eiserner Vorhang senken und die Verständigungsbemühungen der letzten Jahrzehnte werden umsonst gewesen sein.

Zweierlei Maß

Obendrein ist die Causa Gergijew von einem hohen Maß an Heuchelei gekennzeichnet, von einem offenkundigen Messen mit zweierlei Maß, das allerdings selbstgerechten Akteuren wie Dieter Reiter nicht einmal ansatzweise bewusst zu sein scheint. Denn es gibt da viele andere Fälle, in denen sich Künstler für problematische Zwecke politisch engagiert haben oder politisch haben vereinnahmen lassen, ohne dass sie dafür in irgendeiner Weise zur Rechenschaft gezogen worden wären. Viele US-amerikanische Schauspieler haben die völkerrechtswidrigen Kriege ihres Landes offen unterstützt. Oder sie haben Präsidenten zugejubelt, die für diese Kriege, die für Folterpraktiken oder für Guantanamo verantwortlich waren. Oder sie haben einfach geschwiegen, obwohl sie das Unrecht erkannt hatten.

Wurde je ein Akteur aus Hollywood oder von der Metropolitan Opera öffentlich zur Rede gestellt oder gar ausgegrenzt wegen seiner Unterstützung Barack Obamas?

Also jenes Präsidenten, der mehrere illegale Kriege gleichzeitig führte und sich Woche für Woche in den Situation Room des Weißen Hauses begab, um die nächste Tötungsliste des Drohnenterrors abzusegnen?

Nicht nur der Münchner Oberbürgermeister, auch viele andere sind derzeit mit einem schwer erträglichen moralischen Überlegenheitsgestus unterwegs. Sie sollten sich bevor es zu spät ist an den berühmten Satz Gustav Heinemanns erinnern: Wer auf andere mit dem ausgestreckten Zeigefinger zeigt, der deutet mit drei Fingern seiner Hand auf sich selbst.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei multipolar-magazin.de

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