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Bei Hart aber Fair: Reinigungskraft holt Energiewende-Expertin auf den Boden der Realität

Published On: 22. März 2022 8:31

Bei Hart aber Fair wird das übliche Spiel versucht: Alle sozialen Verwerfungen und das Scheitern der Energiewende in Deutschland sind Putins Schuld und jetzt sind die Probleme der Betroffenen ohnehin nebensächlich. Doch diesmal zerschellen diese Phrasen an der Realität.

Screenshot ARD: Hart aber Fair

“Bei uns geht es nicht um Leben und Tod, um Freiheit oder Unterdrückung, bei uns geht es an den Wohlstand. Das bedeutet für die einen ein bisschen weniger Vermögen, bei den anderen vielleicht einen Urlaub weniger – bei sehr vielen aber, bedeutet es, sie stehen finanziell mit dem Rücken an der Wand. Tankkosten explodieren, die Lebensmittelpreise steigen rasant.” So beginnt Plasberg seine gestrige Sendung.

Die Sendung steht also ganz unter dem Motto: “Hey, ihr könnt euch bald vielleicht nicht mal mehr die Heizung leisten, aber stellt euch mal vor, ihr wärt jetzt in der Ukraine, dann wärt ihr jetzt tot!” Doch diesmal treffen die theoretischen Denkfabrik-Weisheiten auf die Realität im Land, ein brachialer Aufschlag.

Die Energieökonomin Claudia Kemfert weiß natürlich ganz genau, was zu tun ist: „Autofreier Sonntag wäre ein guter Ansatz, Tempolimit auch. Im Winter mal die Heizung zwei Grad runterdrehen.“, meint sie. „Dann können wir auf bis zu 15 Prozent der russischen Gaslieferungen verzichten.“

Die Energiewenderin hat eine neue Begründung für die Politik gefunden, die sie schon immer gefordert hat. Doch heute wird sie gleich zweimal ausgebremst.

Zum ersten von der Reinigungskraft Susanne Holtkotte. Sie entgegnet: „Wer soll denn noch sparen? Ich kann es nicht mehr. Wenn ich meine Heizung nochmal um zwei Grad runterdrehe, brauche ich einen Pelzmantel“. Kemfert argumentiert mit dem Steuerzahler-Beutel, der in ihrer Vorstellung unendlich ist: Das muss man dann eben einfach irgendwie sozial ausgleichen. Doch Holtkotte lässt sich von solchen 08/15-Sprüchen nicht ins Bockshorn jagen. Sie sagt: „Die ganze Unterschicht und die Mittelschicht spart sich schon heiß!“ und: „Diese Worte ‚Verzicht‘ und ‚Opfer‘, da bin ich sehr elektrisch!“

Doch im Weiteren wird Kemfert überraschenderweise auch von Moderator Plasberg gestoppt. Als Kemfert die Debatte weg von Armut und Energiepreisen hin zur ewigen Energiewende treiben will, hält der sie zurück. Kemfert macht trotzdem weiter, versucht Plasberg zu übertönen, bis der schließlich seinen Moderatorenstuhl verlässt, zu ihr geht und ihr Einhalt gebietet. Immerhin diese Sendung wird also nicht zur unendlichen Bühne von theoretischen Energiewende-Sprücheklopfern.

Doch es ist eine verquere Logik, die sich dennoch durch die Sendung zieht: Angesichts des Leids der Menschen in der Ukraine, würden die Sorgen in Deutschland unwichtig werden. Tut mir leid und diese Logik hat bei mir schon immer Bauchschmerzen bereitet, schon als es noch nicht die Kinder in der Ukraine, sondern die in Afrika und später die in Syrien waren. So viele haben die Vorstellung, sie könnten andere damit trösten, indem sie sie mit Menschen aus dem Kriegsgebiet vergleichen und reden dann darüber, wie gut wir es doch haben. Als ob das eine Leid das andere beeinflussen würde.

Es ist weder den Betroffenen in Deutschland fair gegenüber, so bloßgestellt zu werden, noch ist es gegenüber den Menschen in der Ukraine fair, sie als Druckmittel für eine grüne Ideologie zu verwenden.

Bezahlbarer Strom ist kein Luxusproblem, basta. Mich interessiert an der Stelle nicht, wer alles auf dieser Welt keinen Strom hat oder wie die Menschen im Mittelalter gelebt haben. Im Deutschland des 21. Jahrhunderts sollten die Voraussetzung für eine beheizte Wohnung und bezahlbare Lebensmittel das wirklich absolute Minimum sein.

Wenn das hier der Preis für den Frieden sein soll, dann will ich mein Geld zurück

Zu Beginn der Sendung wird das Video einer Zuschauerin eingespielt. Sie und ihr Partner leben von der Hand in den Mund und müssen täglich an allen Ecken sparen. Alle Steckdosen in ihrem Haus sind ausschaltbar, alle Geräte sind stromsparend, der WLAN-Router wird Nachts ausgeschaltet, Kleidung und Möbel werden gebraucht gekauft, Einkaufen tun sie fast nur im Discounter und tanken nur schlückchenweise, voll tanken nur, wenn der Preis runtergeht.

Grünen-Abgeordnete Emilia Fester

“Man könnte ja tatsächlich sagen, das ist der Preis der Freiheit”, fragt Plasberg dazu Jens Spahn und setzt die Scheindebatte fort. Und kurze Zeit später fragt man sich, ob Plasberg vielleicht dazu gehört. Der Reinigungsfachkraft Susanne Holtkotte, stellt er nämlich noch mal die gleiche Frage – kurz nachdem die gesagt hat: “Mein ganzes Leben besteht aus Sparen”. Wie schwer es ihr denn falle, als Mensch mit geringem Einkommen, der viel arbeitet, “solidarisch zu sein und zu sagen: Ja, wir müssen auch was tun, wir zahlen hier sowas wie ne Friedensdividende”.

Also erstmal: wenn das hier der Preis für den Frieden sein soll, dann will ich mein Geld zurück, denn Frieden haben wir ja nun gar nicht und für die Freiheit der Ukrainer tun wir auch eher wenig.

Und ich finde es auch sehr hinterhältig, wie ein Krieg, der noch nicht mal einen Monat geht, jetzt als Grund für jedes soziale Problem dargestellt wird. Die Familie, die von der Hand in dem Mund lebt, tut das nicht erst seit gestern und Deutschland hat schon lange die höchsten Energiepreise in Europa. Dieser Krieg und alle seine Folgen mögen diese Lage verschlimmert haben, ja. Aber die Tankstellen in Polen sind immer noch um ein Drittel günstiger. Und dass das Benzin teurer werden soll, steht im Grünenparteiprogramm, die Verteuerung zumindest bestimmter Lebensmittel genauso – das ist das erklärte Ziel.

Gut, dann haben sich erstmal alle so mehr oder weniger darauf geeinigt, die Bevölkerung frieren und hungern zu lassen. Dann ist die Frage: was machen wir also dagegen? Diese Frage nahm so ziemlich die ganze Sendung ein. Es taten sich zwei Gruppen auf: Spahn und die Reinigungskraft auf der einen Seite, SPDler Thomas Kutschaty und die Energieexpertin Claudia Kemfert auf der anderen Seite. Ich muss eines sagen: in dieser Sendung war ich von Spahn sehr positiv überrascht. Wie viel das am Ende bringt, sei dahin gestellt, doch er scheint zumindest der einzige CDUler zu sein, der verstanden hat, dass die CDU jetzt in der Opposition ist und als solche nicht der Regierung nach den Mund reden kann. In dieser Sendung hat er diese Rolle tatsächlich ausfüllen können. Seine Forderung nach einer Steuersenkung war meiner Meinung nach die beste und er hat den moralischen und emotionalen Argumenten der linken Gegenseite gut standgehalten. Damit hätte er nur früher anfangen müssen.

Der Star der Show war trotzdem ohne Frage Reinigungskraft Susanne Holtkotte. Sie war rhetorisch und inhaltlich stark und hat sich vor allem von echten und vermeintlichen Experten nicht in die Enge treiben lassen.

Und so war diese Ausgabe Hart aber Fair mit eine erfrischenden Prise Realität gewürzt.

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