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Wählen mit 16: Infantilisierung der Politik oder politischer Populismus?

Published On: 7. April 2022 19:17

Bei der nächsten Landtagswahl in Baden-Württemberg werden schon 16-Jährige mit abstimmen dürfen. Dahinter steckt ein Populismus, der als Jugendfreundlichkeit verkauft wird. Wer allerdings den Wahlakt infantilisiert, der degradiert ihn zum Kinderspiel.

IMAGO/Christian Thiel

Soeben, am 6. April 2022, hat der Landtag von Baden-Württemberg eine Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre beschlossen. Wie dort schon bei Kommunalwahlen gilt diese neue Regelung nunmehr auch für Landtagswahlen, Volksabstimmungen, Volksanträge und Volksbegehren. Die im Ländle dafür notwendige Zweidrittelmehrheit (106 Ja- und 34 Nein-Stimmen, 5 Enthaltungen) kam zustande, weil Grüne, CDU und SPD dafür stimmten. Das geänderte Gesetz wird erstmals bei der nächsten Landtagswahl – voraussichtlich 2026 – angewandt.

„Grün-Schwarz“ in Baden-Württemberg vollzieht damit, was die Bundes-„Ampel“ für die sogenannte Europawahl und für die nächste Bundestagswahl vorhat. Siehe den „Ampel“-Koalitionsvertrag vom 7. Dezember 2021, Seite 10: „Wir werden das aktive Wahlalter für die Wahlen zum Europäischen Parlament auf 16 Jahre senken. Wir wollen das Grundgesetz ändern, um das aktive Wahlalter für die Wahl zum Deutschen Bundestag auf 16 Jahre zu senken.“

Für eine Änderung des Europawahlrechts ist übrigens keine Änderung des Grundgesetzes notwendig. In § 6 des Europawahlrechts heißt es: „Wahlberechtigt sind alle Deutschen im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes, die am Wahltage das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben …“ Für eine Änderung dieses Paragraphen wäre eine einfache Mehrheit im Bundestag ausreichend.

Eine Zweidrittelmehrheit wäre für eine Änderung des Wahlalters bei der Wahl zum Bundestag notwendig. Denn in Artikel 38 des Grundgesetzes heißt es: „(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. (2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.“

Was ist davon zu halten? Nun, zum einen könnte man sagen: Der Trend geht zu 16. Bei der „Europawahl“ dürfen bisher schon 16-Jährige auf Malta und in Österreich wählen. In Deutschland haben 16-Jährige bei Landtagswahlen ein Wahlrecht in Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Bei Kommunalwahlen obendrein in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, NRW und Sachsen-Anhalt. Mehr noch: Bestimmte Politiker und Jugendforscher meinen gar, dass Kinder schon mit zwölf oder 14 Jahren wahlmündig seien.

Begann im deutschen Kaiserreich die Wahlmündigkeit noch mit 25, in der Weimarer Republik mit 20, in der Bundesrepublik bis zum Jahr 1971 mit 21 Jahren, so ist sie seitdem – wie fast überall in der Welt – auf die Vollendung des 18. Lebensjahres festgesetzt. Und jetzt? Mit einem Wahlalter 16 soll angeblich die „politische Reife“ der jungen Leute gewürdigt werden.

Aber: Während die tatsächliche Jugendphase immer mehr verlängert wird, junge Menschen immer später selbstständig werden und ihre Bildungsdefizite immer deutlicher zu Tage treten, während im Jugendstrafrecht immer mehr Nachsicht wegen „Unreife“ geübt wird, glaubt man, mit Jungwählern im Kindes- und Jugendalter auf Stimmenfang gehen zu können. Dahinter steckt ein Populismus, der als Jugendfreundlichkeit verkauft wird. Wer allerdings den Wahlakt infantilisiert, der degradiert ihn zum Kinderspiel.

All dies sind Symptome von Egalisierung und Infantilisierung. Norbert Elias weist in seinem Aufsatz „Zivilisierung der Eltern“ von 1980 – heute noch mehr zutreffend als damals – darauf hin, dass ein maßgebliches Zivilisationsproblem der schwindende Erfahrungs- und Machtunterschied zwischen Eltern und Kindern, zwischen Alt und Jung sei.


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