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Bei Illner: Friedrich Merz auf der Suche nach der verlorenen Opposition

Published On: 8. April 2022 8:34

Bei Illner diskutiert man darüber, was alles falsch läuft und lief. Merz grillt zwar Lambrecht, kommt aber kaum darüber hinweg, dass seine Partei an dem Schlamassel genauso beteiligt ist.

Screenshot ZDF: Maybrit Illner

Die Impfpflicht ist gescheitert. Für Illner am Donnerstagabend gab es dazu nichts mehr zu sagen – auch wenn ich denke, dass Lauterbach massig Redebedarf gehabt hätte. Doch sein Einfluss auf die Medien ist Geschichte, nicht mal für Einschaltquoten ist er noch gut. „Werte, Waffen, Wirtschaftskraft – mit aller Macht gegen Putin?“ war stattdessen das Thema.

Friedrich Merz fühlt sich an diesem Abend mal wieder unglaublich weitsichtig und hart. Immerhin traut er sich, Christine Lambrecht als ungeeignet zu bezeichnen, jetzt, wo es auch der letzte gemerkt hat. Er macht den ewigen Slalom, wobei er zwar versucht „kritisch“ zu sein, ohne aber die entscheidenden Dinge, die wirklich etwas ändern würden, auszusprechen: „Wir haben wirklich geglaubt, das könnte hier nicht stattfinden. Und jetzt findet es hier statt und es öffnet uns die Augen.“ Tja verdammt, Angela Merkel hat ihm da ’nen ganz schönen Scherbenhaufen vermacht. Merz weiter: „Jetzt ist es sehr nah bei uns. Es ist mitten in Europa. Und jetzt reagieren wir und stellen plötzlich selbst die Frage, was haben wir da weggeschaut?“ Sein „Wir“ ist in dem Kontext eine sehr interessante Formulierung. Richtig müsste es heißen: „Wir, die CDU“.

Merz meint: „Er (Putin) hat uns wahrscheinlich bis zu Beginn dieses Krieges richtig eingeschätzt, aber danach nicht mehr. Ich vermute, dass er jetzt realisiert, dass wir uns wirklich wehren. Und das ist auch eine gute Sache, so schrecklich und so tragisch dieser Krieg ist, aber jetzt ist es wirklich gut, und er merkt das und er muss seine Strategie ständig ändern.“ Nochmal: Wer ist „wir“?

Deutschland hat bis jetzt Waffen aus der DDR und zu wenige Helme geliefert, in Deutschland Russen verprügelt und einen Schokoladenfabrikanten boykottiert. Ach ja, und Putin hat jetzt in einem Supermarkt Hausverbot. Nur weil hier an jeder Ecke Ukraine-Flaggen hängen, heißt das nicht, dass Putin seine Strategie ändern musste, oder? Ich bin zutiefst überzeugt, dass unsere lange Reihe an lächerlichen Verteidigungsministerinnen die Stars der Propagandavideos sind, die Putin seiner Armee vorspielt. Putin mag die Ukrainer unterschätzt haben, aber wir haben kein Recht, uns diese Lorbeeren einzuheimsen.

Im Studio war auch Stefan Wolf, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall und Unternehmer. Der hat immerhin angesprochen, worüber andere nur durchhuschen: „Dieses Geld muss irgendwo erwirtschaftet werden.“ Wir sprechen von all unseren Maßnahmen, als hätten wir nicht gerade eine Reihe von Lockdowns hinter uns, die unsere Wirtschaft und unsere Staatskasse in die Knie gezwungen hat, plus die Inflation, die gerade erst losgeht. „Die Abhängigkeit von russischem Gas ist enorm in Deutschland“, meint Wolf. „Wenn wir morgen diese Gaslieferungen abstellen, droht ein totaler Kollaps der Deutschen Industrie.“

Wo liegt eigentlich diese Ukraine? 

Christian Dürr ist FDP-Fraktionsvorsitzender im Bundestag und meint: „Beim Gas machen wir deshalb weniger Fortschritte, weil wir die Abhängigkeit in den letzten Jahren so massiv erhöht haben. Das war ein Fehler, das ist jetzt verschüttete Milch, hilft auch nicht, darüber zu diskutieren.“ Und genau da liegt er falsch. An dieser Stelle gäbe es tatsächlich mal Diskussionsbedarf. Dieses Nicht-Zurückschauen lenkt davon ab, wie stark das Versagen der deutschen Politik in der Vergangenheit war, und weiterhin ist. Wir müssen unbedingt über das diskutieren, was Dürr hier als verschüttete Milch bezeichnet – weil wir nämlich gerade immer noch dabei sind, alles mit Milch vollzusauen. Denn für eine unabhängige Energieversorgung müsste man die Energiewende antasten – doch die ist ja jetzt voll auf FDP-Linie, heißt ja jetzt „Freiheitsenergie“.

Kateryna Mishchenko ist zu Gast, ukrainische Verlegerin und Mitautorin des Maidan-Buches „Ukrainische Nacht“; sie ist aus Kiew geflüchtet. Sie spricht mit Akzent, aber mit guter Aussprache und richtiger Grammatik. Sie meint: „Ich versuche, realistisch zu bleiben.“ Und weiter: „Wenn ich die schrecklichen Nachrichten lese, denke ich, wir stehen erst am Anfang. Wir werden noch schlimmere Sachen erfahren. Das ist etwas, worauf ich mich innerlich vorbereite.“

In letzter Zeit sehen wir oft Ukrainer im Fernsehen, in Talkshows wie dieser. Sie sprechen alle gut deutsch und versuchen, vernünftig zu bleiben – und schauen sehr genau auf das, was in Deutschland passiert. Währenddessen wussten die Deutschen bis vor Kurzem nicht einmal, dass es Ukrainer gibt, die kein Russisch sprechen. Wir kannten in der Schule die Ukraine aus einer Liste von Ländern, die mal zu UdSSR gehört haben, mehr nicht.

Die Deutschen sind auf eine Art so geworden wie das Klischee, das wir von Amerika haben. Wir stellen uns zwar immer so weltoffen dar und machen uns über die Amis lustig, die nicht mal über den Rand ihrer Ranch hinweggucken, nichts als Sitcoms im Kopf haben und denken, dass Rom in Frankreich liegt – aber wirklich besser sind wir nicht. Ich will gar nicht wissen, wie viele Deutsche sich schon groß eine moralische Meinung zu diesem Konflikt gebildet haben, aber denken, dass Kiew eine russische Stadt ist. Wir halten uns für den Nabel der Welt, interessieren uns nur oberflächlich für das, was um uns herum passiert, wollen uns in alles einmischen, aber verstehen nichts.

Wir müssten jetzt keine Angst haben, dass man uns das Gas abdreht, wenn wir nicht gedacht hätten, dass Putin eine Lokalmacht ist, der irgendwo am Nordpol hockt und den Tag über Bären reitet. Wenn unsere Politiker nicht so sehr auf ihre Agenda fixiert gewesen wären, dass sie gar nicht mitbekommen, worauf sie sich da einlassen, mit wem sie da Geschäfte machen – stattdessen redeten sie lieber von Windrädern, CO2 und Tempolimit.

In der aktuellen Situation lassen wir uns doch eher noch von der Ukraine retten, die irgendwas in uns aufweckt, als andersherum – und seien es nur alte Geschlechterrollen, toxische Männlichkeit und Patriotismus, wenn auch für ein anderes Land. Und ehe wir nicht verstehen, dass wir ein Chihuahua sind, der sich für eine Dogge hält, werden alle unsere Bemühungen umsonst sein.

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