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Nikita macht sich ein Geschenk: Wie die Krim zur Ukraine kam

Published On: 30. April 2022 16:06

Die Halbinsel Krim war nie ukrainisch – bis der Ukrainer Chruschtschow Vorsitzender der sowjetischen KP wurde und 300 Jahre Geschichte mit einem Federstrich korrigierte. Lesen Sie mehr über die Geschichte der Ukraine in  COMPACT-Spezial „Feindbild Russland“ – hier bestellen

_ von Jan von Flocken

Der Mann war völlig ahnungslos. Als Pawel Titow, kommunistischer Parteisekretär der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Krim, im Januar 1954 nach Moskau zitiert wurde, hielt er das für einen Routinetermin. Doch im Kreml eröffnete ihm Parteichef Nikita Chruschtschow in dürren Worten, dass die Schwarzmeer-Halbinsel ab April nicht mehr zur Russischen Sozialistischen Föderation gehören, sondern in den Besitz der Ukrainischen Sowjetrepublik übergehen werde. Titow protestierte und bezeichnete die Maßnahme als ungesetzlich. Seine Strafe folgte auf dem Fuße: Er wurde wegen «grober Verletzung der Parteidisziplin» abgesetzt und durch einen willfährigen Ukrainer ersetzt.

Der Zar und die Kosigen

Seltsamerweise blieb dieser spektakuläre Besitzwechsel von der internationalen Öffentlichkeit nahezu unbemerkt. Das Ganze war sehr geschickt eingebettet in die Feierlichkeiten zum 300. Jahrestag des Vertrags von Perejaslaw. In dem Städtchen bei Kiew kam im Januar 1654 ein Rat der Kosakengemeinden (Rada) unter Führung des Saporoger Hetmans Bogdan Chmelnyzkyj zusammen. Im Namen von 117 Orten des Dnepr-Gebietes leisteten die Kosaken einen Eid der Treue auf den russischen Zaren Alexei Michailowitsch. Der nahm die «kosakischen Glaubensbrüder» daraufhin als Untertanen in seinen Schutz. Damit wollte Chmelnyzkyj vor allem einen potenziellen christlich-orthodoxen Bundesgenossen gegen die Eroberungsgelüste des katholischen Königreiches Polen-Litauen gewinnen. Mit der Union von Perejaslaw wurden die Territorien um Poltawa, Kiew und Tschernigow dem Moskauer Staat angegliedert. Die Kosaken sollten Russland bei künftigen Kriegen unterstützen; der Zar verpflichtete sich im Gegenzug, ihre Siedlungsgebiete vor jeglichen Angriffen zu schützen.

Über die staatsrechtliche Bedeutung des Vertrags von Perejaslaw gehen die Meinungen beträchtlich auseinander. Nach russischer Lesart hatte sich das Territorium der späteren Ukraine damit «auf ewig» dem Moskauer Machthaber und dessen Rechtsnachfolgern unterstellt. Zar Alexei Michailowitsch betrachtete das hinzugewonnene Gebiet als «Wotschina», als Teil seines väterlichen Erbes. Die dort lebenden Menschen galten ihm deshalb als ohne Einschränkungen unterworfene Untertanen.

Bogdan Chmelnyzkyj zieht siegreich in Kiew ein. Gemälde vom Mykola Iwasjuk, Ende 19. Jh. Foto: CC0, Wikimedia Commons

Die national-ukrainische Variante lautet hingegen, es habe sich bei den Vorgängen in Perejaslaw lediglich um ein zeitweiliges Bündnis zweier unabhängiger Staaten gehandelt. Überdies seien die meist des Lesens und Schreibens unkundigen Kosaken vom Abgesandten des Zaren, Fürst Wassili Buturlin, betrogen worden, der ihr Gebiet quasi in eine russische Kolonie verwandelt habe.

Tatsache bleibt, dass es einen Staat oder ein Reich namens Ukraine vor 1917 niemals gegeben hat. «U-kraina» bedeutet Randgebiet oder Grenzland. In diese Gegend wanderten vor allem geflohene Leibeigene, verarmte Adlige, Abenteurer oder Kriminelle aus. Sie nannten sich «Kosaken» (freie Kriegsmänner) und bildeten hier relativ unabhängige Gemeinwesen. Das Gebiet westlich des Dnepr-Flusses einschließlich der am rechten Ufer gelegenen Metropole Kiew fiel 1667 im Frieden von Andrussowo endgültig an Russland. Den südlichen Teil ließ Katharina die Große ab 1774 erobern.

Das Verhältnis Ukraine–Russland wurde unter Stalin nachdrücklich vergiftet.

Das neugewonnene Areal wurde offiziell als «Kleinrussland» bezeichnet. Im Gefolge der zweiten und dritten Teilung Polens kamen 1793/95 Gebiete der heutigen Westukraine mit den Landesteilen Podolien und Wolhynien hinzu. Nach dem Zusammenbruch des Zarenreiches 1917 etablierte sich Ende November zunächst eine von Kommunisten dominierte «Ukrainische Volksrepublik». Als deutsche Armeen Anfang 1918 nach Osten vordrangen, wurde diese Republik am 29. April durch einen bürgerlichen «Ukrainischen Staat» abgelöst. Nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg brach dieser Staat im Dezember 1918 zusammen und Anfang 1919 wurde die «Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik» ausgerufen. Letztere trat der Ende 1922 von Lenin gegründeten «Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken» (UdSSR) bei.

Katherina die Große, geboren 1729 in Stettin, war von 1762 bis 1796 Kaiserin von Russland. Sie ist die einzige Herrscherin in der Geschichte, die den Beinamen die Große trägt. Foto: CC0, Wikimedia Commons

Das Verhältnis zwischen der Sowjet-Ukraine und Sowjet-Russland wurde unter der Gewaltherrschaft von Josef Stalin nachdrücklich vergiftet. Dazu trug vor allem die 1932/33 von Moskau vorsätzlich ausgelöste Hungerkatastrophe, der «Holodomor», bei. In deren Gefolge kamen mindestens 3,5 Millionen Ukrainer, hauptsächlich selbstständige Bauern, qualvoll ums Leben. Auch die moslemischen Krimtataren wurden in den 1930er Jahren wesentlich stärker unterdrückt als noch zur Zarenzeit. Die Krim blieb weiter als normales «Oblast» (Verwaltungsbezirk) bei Russland.

Chruschtschows Kalkül

Es stellt sich die Frage, was den aus der Ukraine stammenden Nikita Chruschtschow zu dem Schritt bezüglich der Krim bewegte. Alexei Adschubei, Schwiegersohn und politischer Vertrauter des KP-Chefs, behauptet in seinen Erinnerungen, Chruschtschow begann in den ersten Jahren nach Stalins Tod «unheimlich aktiv sich selbst zu verwirklichen». Der «vulkanartige Ausbruch seiner Energie, sein Streben nach zahlreichen Veränderungen» hätten ihn nebst seinen ukrainischen Wurzeln zu dieser eher sentimentalen Maßnahme veranlasst.

Doch der Politiker Chruschtschow besaß einen gewichtigeren Grund. Nach Stalins Tod tobten Machtkämpfe innerhalb der KPdSU-Führung. Den mächtigen Geheimdienstchef Lawrenti Berija hatte man noch 1953 beseitigt. Nun galt es für Chruschtschow, sich endgültig als Nummer eins in der politischen Sowjet-Hierarchie zu etablieren und seinen Gegenspieler, den Ministerpräsidenten Georgi Malenkow, zu übertrumpfen. Dabei konnte ihm ein Ausbau seiner Hausmacht in der Ukraine sehr dienlich sein, zumal der dortige KP-Sekretär Alexei Kiritschenko zu den einflussreichsten Funktionären der Partei gehörte. Den Ukrainern die Krim zu schenken, um im Gegenzug die eigene Macht in der Sowjetunion zu festigen – dieses Geschäft lohnte sich.

Potemkinsche Legenden

1783 wurden die Krim sowie das Kuban-Gebiet in das russische Reich eingegliedert, und vier Jahre später konnte Katharina die Große der Weltöffentlichkeit hier blühende Landschaften und eine gesunde Wirtschaftsstruktur präsentieren. Die berüchtigten «Potemkinschen Dörfer» mit ihren Fassaden aus Holz und Pappe sind eine längst widerlegte Legende. In Wirklichkeit wurden damals zahlreiche Städte gegründet, wie etwa Cherson an der Dnepr-Mündung (1778), Sewastopol auf der Krim (1784) oder Jekaterinoslaw (heute Dnipro, 1787). Im Jahre 1794 ließ Katharina den Grundstein für die Hafenstadt Odessa legen als Sinnbild des freien russischen Handels auf dem Schwarzen Meer.

Allerdings existierten selbst im totalitären Sowjetland gewisse gesetzliche und verfassungsrechtliche Vorschriften, die es einzuhalten galt. Bei einer derart massiven Gebietsveränderung hätten die Länderparlamente (Oberste Sowjets) der Russischen Sozialistischen Föderation und der Ukrainischen Sowjetrepublik unbedingt über den Krim-Fall abstimmen müssen. Doch es kam zu keinerlei Diskussionen oder Voten darüber. Vielmehr entschieden allein die Präsidien des jeweiligen Obersten Sowjets in Kiew und Moskau, die überdies personell unterbesetzt waren. Auch nach sowjetischer Rechtslage war ergo Chruschtschows generöses Präsent der Krim-Halbinsel an die Ukraine schlicht illegal.

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