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Die Lobby-Könige der EU

Published On: 9. Mai 2022 0:25

Veröffentlicht am 9. Mai 2022 von AS.

Die grössten Technologieunternehmen (Big Tech) haben jüngst über 97 Millionen Euro pro Jahr für Lobbying bei den Institutionen der EU ausgegeben – für Aktivitäten, mit denen sie politisch neue gesetzliche Regulierungen zu ihren Gunsten beeinflussen. Die digitalen Giganten sind damit laut Corporate Europe Observatory (CEO), einer Organisation, die Lobbyismus in der EU untersucht, der Sektor mit den meisten Lobby-Ausgaben, noch vor Big Pharma, Ölindustrie, Finanzwesen (12 Mio. Euro), Chemiebranche (17,75 Mio. Euro) oder der Automobilindustrie (9,85 Mio. Euro).

Laut CEO lobbyieren über 600 Organisationen bei der EU beim Thema der digitalen Wirtschaftspolitik. Doch das Feld wird von nur wenigen Platzhirschen dominiert: Google, Facebook, Microsoft, Apple, Huawei, Amazon, IBM, Intel, Qualcomm, Vodafone. Diese Unternehmen vereinen 31 Prozent der Ausgaben (32 von 97 Millionen Euro). Weitere bedeutende Lobby-Beiträge wenden Unternehmen der digitalen Plattformökonomie auf: Die Budgets von Netflix, Airbnb, Uber, Spotify, Alibaba und eBay betragen zwischen 600’000 und 900’000 Euro.



Die Platzhirsche der Big Tech-Lobbyisten. Quelle: CEO Report, S. 11.

Die hohen Ausgaben ermöglichen den Big Tech-Firmen privilegierten Zugang zu politischen Entscheidungsträgern. Ihre Vertreter hielten 271 Meetings mit hohen Offiziellen der EU-Administration ab, namentlich der EU-Kommission, des EU-Parlaments und des EU-Rats. Lobbying wird häufig auch indirekt betrieben, zum Beispiel über Denkfabriken (z.B. das European Center for International Political Economy, das von Google finanziert wird), Beratungs- und PR-Firmen (z.B. FleishmanHillard), Anwaltskanzleien, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Industrieverbände oder wissenschaftliche Institutionen.



Denkfabriken und NGOs, die von Big Tech finanziert werden. Quelle: CEO Report, S. 38.

Gemäss CEO haben sich Lobbyisten der sechs grössten Tech-Plattformen und IT-Infrastrukturfirmen seit Dezember 2019 wie folgt mit der EU-Kommission getroffen: Google 46 mal, Facebook und Microsoft je 40 mal, Amazon 20 mal und Apple sowie Huawei je 14 mal. Das ergibt 174 Kontakte alleine für die Top-Gruppe oder über drei Kontakte pro Woche.

Breite Gefahren

Die Gefahren, die davon ausgehen, sind breit: Bekämpfung von «Fehlinformationen», Zensur im Internet, allgemeine Überwachung der Bevölkerung und Monopolbestrebungen unterwandern demokratische Prinzipien (wir berichteten zum Beispiel hier). Ein anderes Beispiel ist die Lobbykampagne von Big Tech, um Beschränkungen gegenüber ihrem invasiven, profitablen Überwachungsmodell für Werbung zu verhindern, das ein Kerngeschäft digitaler Firmen wie Google und Facebook darstellt.

Bei diesem Modell werden Datenspuren von Internetnutzern aufgezeichnet und Profile erstellt, die dann zielgerichtet benutzt werden können – von der Autowerbung bis zur Manipulation von Wählerstimmen. Die Harvard-Ökonomin Shoshana Zuboff («Überwachungskapitalismus») kritisiert an diesem Modell, dass es die Privatsphäre der Bürger systematisch verletzt und auf einer Monopolstellung fusst.

Big Tech intensiviert Lobbying

Im vergangenen Jahrzehnt hat Big Tech seinen Einfluss stetig erhöht und damit vormals dominante Lobbysektoren wie das Finanzwesen oder Big Pharma abgelöst, so CEO. 2013 hätten Google, Facebook, Microsoft, Apple und Amazon noch 7,3 Millionen Euro aufgewendet (ein Drittel des heutigen Betrags). Mit Ausnahme von Microsoft hätten die Budgets alle unter einer Million Euro gelegen.

Im Jahresvergleich von 2021 zu 2020 haben einige der grössten Technologie-Firmen ihre Lobbying-Budgets im Zusammenhang mit jüngsten Verhandlungen zu gesetzlichen Bestimmungen (Digital Services Act, Digital Markets Act), die den Technologie- und Digitalsektor betreffen, noch aufgestockt, am deutlichsten Apple (siehe Tabelle):



Quelle: CEO, 23.4.2022.

Bei Apple ging es gemäss CEO vor allem darum, regulatorische Massnahmen zu bekämpfen, die seine Kontrolle über den App Store oder das mobile Betriebssystem von Apple lockern könnten. Dafür habe der Big Tech-Konzern die Denkfabrik Atlantic Council eingespannt, die den EU-Justizkommissar Didier Reynders zu einem inoffiziellen Abendessen mit Apple eingeladen habe. Das Ganze habe sich im September 2021 ereignet, als das EU-Parlament und der EU-Rat noch über ihre Positionen zum Digital Markets Act diskutierten.

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