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Geschäftsführer von Schwesigs Klimastiftung: Wie die „Bild“ aus Petersen Pedersen machte

Published On: 14. Mai 2022 13:55

Vor einer Woche triumphierte die Bild-Zeitung: Sie hatte den angeblichen Geschäftsführer von Schwesigs Klimastiftung enttarnt. Doch dem Blatt unterlief ein peinlicher Fehler.

Es gibt gute Gründe, die „Stiftung Klima- und Umweltstiftung MV“, ihre Verstrickungen und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig zu kritisieren. Die Bild-Zeitung, die derzeit nach dem absoluten Feind sucht, hatte dabei an vorderster Front stehen wollen: Wo Putin einmal seine Finger drin hatte, mussten sie auch noch tiefer drinstecken. In der Tat: Hätte die Landesstiftung nicht so ein Geheimnis um den Posten ihres Geschäftsführers gemacht, die ganze Story hätte so nicht stattgefunden. So forderte sie Deutschlands größte Zeitung heraus.

Vor einer Woche triumphierte das Blatt: Man habe den Schattenmann gefunden. Der dänische Gazprom-Manager Kurt Bligaard Pedersen sollte es sein. Der war und ist in der Welt der Finanzen und Energieunternehmen vernetzt – und mit einem Draht zum Kreml ausgestattet. Damit war klar: Die Landesstiftung wurde von einem Putin-Vertrauten direkt auf Linie gehalten. Die Story war perfekt. Eine Woche lang galt der Coup der Bild als ausgemacht.

Bild sieht den bösen Russen überall

Seit gestern ist jedoch alles anders. Erwin Sellering, ehemaliger Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, stellte am Freitag den wahren Geschäftsführer vor: Steffen Petersen, Unternehmensberater aus Hamburg, Postdoc der Stanford University. „Ich bin weder Russe noch Däne“, erklärte er auf der Schweriner Pressekonferenz. Und Sellering setzte nach: Interna der Stiftung gingen eigentlich niemanden etwas an, aber es ginge ihm um das „Wohl der Dänen“.

Die Spitze saß. Aber auch das war – wie in fast allen Belangen um die angebliche Klimastiftung – nur die halbe Wahrheit. Denn Sellerings und Petersens Angriff erfolgte aus Zwang. Das Verwaltungsgericht Schwerin hatte das Justizministerium in einem Beschluss zur Nennung des Namens verpflichtet – das berichtete wiederum die WELT, die eine Zwangsvollstreckung beantragt hatte. Die Landesregierung hatte alle Mittel unternommen, diese zu verhindern. Petersen drohten bei Namensnennung US-Sanktionen.

Sellering heuchelt Transparenz vor – in Wirklichkeit ist sie von der Justiz erzwungen

Die Richter entschieden anders. „Die Tätigkeit des Geschäftsführers findet nicht im Geheimen statt, sondern ist im Gegenteil darauf angelegt, nach Außen im Geschäftsleben unter Angabe seiner Identität aufzutreten.“ Die von Sellering dargestellte Transparenz ist demnach alles andere als freiwillig. Der sieht sich und die Stiftung weiterhin im Recht. Indes werkeln die Oppositionsparteien im Landtag an einem Untersuchsuchungsausschuss in der Causa Klimastiftung.

Doch auch dieser offengelegte Zwang kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Bild mit ihren Spekulationen nicht nur blamiert, sondern eine Woche lang ein Narrativ verkauft hat, das außerhalb des etablierten Journalismus als Verschwörungstheorie bewertet würde (oder eben als berüchtigte „krude These“). Was im Kern jedoch bestehen bleibt: Die Stiftung hat Projekte unternommen, um US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu umschiffen. So hat die Klimastiftung die „Blue Ship“ gekauft, um Steine für die Sicherung der Pipeline zu transportieren, nachdem ein anderes Schiff wegen der Sanktionen nicht verfügbar gewesen sein soll.

Dennoch war die Bild-Deutung von allen Zeitungen wiedergegeben worden. Überall las man von dem dänischen Gazprom-Mann, der Putins Machenschaften unter Schwesigs Augen anleitete. Auch TE hat diese Nachricht übernommen – sehr bewusst mit Fragezeichen im Titel, Verweis auf Bild und dem Zusatz, dass diese Meldung nicht bestätigt wurde. Die einzige Referenz, die die Bild gab, war sie selbst. Sie habe „aus der Stiftungsspitze“ die Personalie bestätigt bekommen. Offenbar war es aber eher so, dass man dort „Petersen“ sagte und bei der Bild „Pedersen“ verstand – oder verstehen wollte?

Verschwörungsnarrative in einem McCarthy-Klima

Die Geschichte lehrt aber noch etwas. Die Berichterstattung in Deutschland nimmt seit Ende Februar Züge an, die Erinnerungen an die McCarthy-Ära weckt. Die Lust daran, russische Verbindungen zu entlarven, ist groß. Wenn Innenministerin Nancy Faeser etwas sagt, dann tut man gut daran, das genaue Gegenteil mitzudenken. Kürzlich hatte die SPD-Politikerin verlauten lassen, eine „vom Kreml behauptete zunehmende ‚Russophobie‘“ gebe es nicht. Das sei russische Desinformation.

Der Fall gibt daher zu denken. Verschwörungstheorien sind eine akzeptierte Form der Erzählkunst, wenn sie ins Narrativ passen. „Wishful thinking“ ist nicht allein auf eine Partei begrenzt. Eine latente Russophobie ist wohl tatsächlich gegenwärtig, wenn ohne Weiteres eine solche Meldung zirkuliert und niemand bei Bild in den Sinn kommt, ob man in der Causa vielleicht befangen ist – und zugunsten eines anti-russischen Spins Falschmeldungen in die Welt setzt. Letztlich führen eben doch nicht alle Wege nach Moskau.

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