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Das bittere Schicksal der Asow-Kämpfer

Published On: 18. Mai 2022 15:40

Die verbleibenden ukrainischen Soldaten in Mariupol sind für Putins Regime mehr als nur Gefangene. Sie werden als eine Art Trophäe gebraucht in einem versuchten Völkermord an der ukrainischen Nation.

Der ukrainische Präsident übt sich in Zweckoptimismus. 265 Kämpfer der Elitetruppe des Asowschen Regiments, das über Jahre die Terroristen in den russisch gelenkten Pseudorepubliken im ukrainischen Donbass an der Expansion gehindert und bis zuletzt im von Russland in Grund und Boden gebombten Mariupol Widerstand geleistet hatte, mussten sich Anfang der Woche den Okkupanten ergeben. Unter ihnen befinden sich 51 Schwerverletzte. Wolodymyr Selenskyj hofft, dass die Patrioten im Zuge eines Gefangenenaustausches befreit werden können. Doch für die russischen Faschisten sind sie die lang erhoffte Trophäe in ihrem Völkermord gegen die ukrainische Nation.

Die Legende von den teuflischen Nationalisten

Ganz in der Tradition der ukrainischen Patrioten, die seit dem Zerfall des russischen Zarenreichs auf die Eigenstaatlichkeit und Unabhängigkeit hinwirkten, gelten die Männer des Asowschen Regiments den russischen Nationalisten als Erzfeinde. Denn entgegen der fadenscheinigen Erzählung, dass das Russland der postsowjetischen Ära ein internationalistischer Vielvölkerstaat sei – von Wladimir Putin anlässlich des Tages des Sieges über das Deutsche Reich einmal mehr wiederholt –, beharren die Ukrainer und mit ihnen die Kämpfer von Mariupol darauf, dass die Ukrainer eine eigenständige Kulturnation sind, die das uneingeschränkte Recht auf Eigenständigkeit und Souveränität haben muss.

Den Vertretern des großrussischen Nationalismus, der den Russen eine „natürliche Überlegenheit mit Führungsanspruch“ (so der russisch-nationalistische Vordenker Alexander Dugin) zuspricht, muss eine solche ukrainische Position notwendig ein Dorn im Auge sein. Für die russischen Faschisten im Kreml gelten deshalb all jene Ukrainer, die sich nicht dem russischen Führungsanspruch unterwerfen, als Nationalisten aka gemäß stalinistischer Sprachtradition als „Nazis“ oder „Faschisten“.

Die Männer des Asow-Regiments sind insofern für die russischen Faschisten mehr als bloße Gefangene. Sie sind eine langersehnte Trophäe, die vermutlich, wäre man ihrer vor dem 8. Mai habhaft geworden, wie einst die gefangenen Soldaten der Wehrmacht in römischer Tradition den schmachvollen Weg über den Roten Platz in Moskau hätten gehen müssen.

So ist es naheliegend, dass die russischen Nationalisten wenig Bereitschaft verspüren, ihre Trophäe gegen Soldaten aus den eigenen Reihen zu tauschen, die ohnehin nur Kanonenfutter im großen Spiel sind und die ihre Gefangennahme im Zweifel ihrer eigenen Feigheit und Kampfesunlust anzurechnen haben.

Die Trophäen eines scheinbaren Sieges

Das wissen auch die immer noch im Stahlwerk von Mariupol verharrenden ukrainischen Kämpfer. Und so werden die nächsten Tage zeigen, ob sie sich an den Spartanern um Leonidas orientieren und in einem letzten, selbstmörderischen Kampf zu ewigen Helden der ukrainischen Nation werden, oder sich als gefangene Bestien dem Feind präsentieren lassen wollen.

Der Duma-Vorsitzende Wjatscheslaw Wolodin forderte bereits Schauprozesse wegen angeblicher Kriegsverbrechen – welche faktisch darin bestehen, sich nicht kampflos den Invasoren unterworfen zu haben – und aus den Reihen des russischen Pseudo-Parlaments wurden sogar schon Rufe nach Wiedereinführung der Todesstrafe laut, um die „Nationalisten“ aburteilen zu können. Die Trophäe soll dem dummen Volk als großer Sieg präsentiert werden; die offenbar an Minderwertigkeitskomplexen leidende russische Seele ein Heilpflaster aufgelegt bekommen, indem die angeblich nazistische Bestie öffentlich hingerichtet wird.

Ein übles Spiel der Begriffe

Selbstverständlich: Das alles sind üble Spiele mit Begriffen und Erzählungen. Noch deutlich schärfer, als es in der bundesdeutschen Innenpolitik versucht wird, soll in Russland die Nazikeule jeden treffen, der nicht zu einhundert Prozent auf Staatslinie mitläuft. Die linksradikale Nancy Faeser und ihr zum Staatsschützer mutierter Ex-Verfassungsschützer suchen verzweifelt nach Nazis in den eigenen Reihen – und selbstverständlich finden sie welche, definieren sie doch selbst, wer „Nazi“ ist. Was tatsächlich an realer Gefahr für den gleichgeschalteten Staat besteht, hat Polizeigewerkschaftschef Wendt im TE-Gespräch präzise dargelegt.

Für die „Nationalisten“ des Asow-Regiments geht es jedoch um mehr als nur ihren Job und ihre Reputation. Für die russischen Nationalisten, die ihren Überfall auf die Ukraine damit begründen, dass dort „ukrainische Nationalisten“ an der Macht seien, sind jene Kämpfer, die aus der Tradition des ukrainischen Patrioten Stepan Bandera hervorgegangen sind, selbstverständlich Teufel in Menschengestalt. Zugleich dokumentieren beide Seiten die Untauglichkeit des chauvinistischen Nationalismus ebenso wie die des sozialistischen Internationalismus.

Völkisch betrachtet gibt es keine Russen und Ukrainer

Tatsächlich – das belegen Untersuchungen der Haplogenetik – gibt es in den Gencodes von „Russen“ und „Ukrainern“ keine relevanten Unterscheidungskriterien. Auch nicht von anderen Mittelosteuropäern. Im Verständnis des „rechten“ Tribalismus, der in der national-sozialistischen Ideologie aus damals mangels Genforschung noch nur gedachter genetischer sprich völkischer sprich tribalistischer Identität Rassen des Blutes erdachte, sind Russen und Ukrainer ein Stamm.

Diese neudeutsch „völkisch“ oder wahlweise „faschistisch“, „nationalistisch“ oder einfach nur „rechts“ genannte Betrachtungsweise prägt die Auffassungswelt des russischen Führers Wladimir Putin und seiner Vasallen. Im Sinne der „Nazi“-Ideologie sind für sie die Bewohner der Ukraine gleichen Blutes – also desselben Stammes (tribe). Daraus ziehen sie den tribalistischen Schluss, dass es keine Ukraine geben könne, denn da die dortigen Bewohner aus ihrer Sicht vom Blute her Russen sind, sei das von ihnen bewohnte Land ein Teil Russlands und jede dortige Eigenständigkeit ein Fall des staatverräterischen Separatismus. Es ist dasselbe Muster, das bereits im Vielvölkerstaat Jugoslawien zur Katastrophe geführt hatte.

Im Sinne der herkömmlichen Definition von „Rechts“ nebst allen bereits erwähnten Spielarten durch die links-internationalistischen Kollektivisten ist Putin insofern eindeutig einer „Rechter“, ein „Nazi“, ein „Faschist“. Da er als solcher notwendig an der Vorstellung eines russischen Kollektivs als Schicksalsgemeinschaft festhält, ist er zudem ein Kollektivist, der als Anhänger einer russischen Blutsgemeinschaft zudem Tribalist ist und sich insofern eindeutig auf jener Verständnisebene bewegt, die vor 90 Jahren den nationalen Sozialisten um Adolf Hitler zu eigen war. Will die Duma tatsächlich „echte Nazis“ vor Gericht stellen, kann sie bei Putin beginnen.

Gleichwohl wird sie dieses nicht tun, denn nicht nur, dass die Hundchen niemals ihren Herren beißen würden, ist dem poststalinistisch-russischen Volksnarrativ zudem zu eigen, sich selbst nicht als faschistisch oder völkisch wahrnehmen zu können, auch wenn alle entsprechenden Kriterien erfüllt werden. Zurückhaltend könnte man insofern von einem national-russischen Paradoxon sprechen. Etwas weniger zurückhaltend böte sich die Bezeichnung als national-russische Psychose an.

Von Volk und Nation

Schauen wir nun auf die Ukraine. Nach den Kriterien des Rassismus sind die Ukrainer Russen. Oder die Russen Ukrainer. Das ist im Zweifel eine Frage des Standpunkts und der real existierenden Machtverhältnisse. Tatsächlich aber behauptet nur eine der beiden Seiten, dass die andere desselben Volkes sei. Womit wir nun bei diesem höchst problematischen Begriff sind, der gern und immer wieder genutzt wird, um wahlweise als Hosianna oder Teufelswerk missbraucht zu werden.

Grundsätzlich korrekt wäre es, von „Nation“ statt von „Volk“ zu sprechen. Denn im deutschen Kulturraum ist der Volksbegriff seit seinem Missbrauch durch die nationalen Sozialisten verbrannt. Auch trennt der Nationen-Begriff die Betrachtung von der rassistischen Stammes-Komponente, die den deutschen Volksbegriff spätestens seit 1935 dominiert.

Nation ist mehr als Blutsverwandtschaft, als archaischer Tribalismus. Nation ist weder Volksgemeinschaft noch Bluts- oder Stammesgemeinschaft, sondern eine Schicksalsgemeinschaft, die sich aus gemeinsamer Geburt ergibt. Wobei diese Metapher lediglich beschreibt, dass die Mitglieder einer Nation ihre Gemeinschaft aus der Tatsache einer gemeinsamen Kulturentwicklung schöpfen. So kann ein stammesdeutscher Nordschweizer ebenso der Schweizer Nation angehören wie ein stammesromanischer Tessiner. Schweizer definieren ihre Nationalstaatsidee ausdrücklich nicht über tribalistische Stammeszugehörigkeit, sondern aus einer gemeinsamen Geschichte und der darauf basierenden Nationalkultur. Für die Deutsch-Österreicher gilt Ähnliches, auch wenn sie sich von den Piefkes kulturell weniger unterscheiden, als sie glauben möchten.

Die Nationalisten der Ukraine

Ein ähnlicher Fall liegt in der Ukraine vor. Mögen die Ukrainer auch in rassistischem Sinne „Russen“ sein, so verfügen sie über eine lange, eigene Geschichte und einer darauf basierenden Kulturentwicklung. Die vorerst letzte Stufe dieser von der russischen Entwicklung abweichenden national-kulturellen Evolution war die Wahl des zuvor politisch unbedeutenden Selenskyj zum Staatspräsidenten. Sie dokumentierte den Willen einer überzeugenden Mehrheit der Ukrainer, die russische Kulturprägung der Korruption und des Oligarchentums zu überwinden und sich nach westeuropäischen Kulturvorstellungen zu wandeln.

Genau in dieser Entwicklung ist nun auch der letztlich nicht bis zum Ende gedachte Überfall Putins auf das Nachbarland zu verstehen. Der Führer im Kreml hatte sehr wohl verstanden, dass die von ihm an „Volksrussen“ beanspruchten Ukrainer dabei waren, die traditionellen russischen Kulturprägungen zu überwinden. Die Ukrainer waren tatsächlich in eine Phase eingetreten, in der eine eigenständige, nationale Entwicklung mit einer nichtrussischen, spezifisch ukrainischen Kultur nicht mehr zu stoppen war – zumindest nicht aus der Ukraine heraus.

Der Überfall war insofern der Verzweiflungsakt eines um seine russische Nationalidentität fürchtenden Volksrussen, der befürchten musste, dass die kulturrevolutionäre Entwicklung der Ukrainer auch vor den Grenzen zu Nationalrussland nicht Halt machen würde. Putins Überfall war der Versuch, eine unaufhaltsame Veränderung der russischen Nationalidentität zu verhindern, indem den volksrussischen, kulturell-identitär eigenständigen Ukrainern das rechtsextremistische, russische Tribalismusverständnis mit Waffengewalt aufgezwungen werden sollte. Dieser Versuch ist nicht nur gescheitert – er hat sogar das genaue Gegenteil dessen bewirkt, was die Absicht der volksrussischen Ideologen im Kreml gewesen ist.

Sollte es vor dem Februar 2022 innerhalb der Ukraine vielleicht tatsächlich noch breitere Bevölkerungsschichten gegeben haben, die sich einer russischen Volksidentität zugeordnet hatten, so hat Putin nun abschließend alle Ukrainer zu Mitgliedern einer nichtrussischen, ukrainischen Kulturnation gemacht. Jene wenigen Kollaborateure, die sich aus egoistischen Motiven oder als Anhänger des großrussischen Faschismus auf die Seite der Okkupanten stellen, gleichen dem „Quisling“ und dem „Collaborationniste“, auf den als Verräter nach dem Ende der Okkupation gnadenlos Jagd gemacht wurde.

Tatsache ist insofern: Die Nation der Ukrainer ist spätestens seit Februar 2022 eine Nation von patriotischen Nationalisten. Insofern entsprechen sie nun auch kollektiv der blutsrussischen Betrachtungsweise als „Faschisten“. Anders als die russischen Faschisten jedoch, die ihre Legitimation aus der tribalistisch-rassistischen Betrachtungsweise der Blutsverwandtschaft ziehen, basiert die ukrainische Identität der Zwanziger des 21. Jahrhunderts auf einer national-kulturellen Grundlage, bei der sie sich maßgeblich von jener der „Blutsverwandten“ im Osten unterscheiden, weil deren Handeln sie letztlich gezwungen hat, eine eigene, nationale Identität in der Abgrenzung zur feindlichen, russischen zu entwickeln. Die russischen Vorstellungen sind daher im neudeutschen Sinne „völkisch“ – die ukrainischen hingegen national. Das ist, um es noch einmal zu unterstreichen, deutlich zu unterscheiden und entgegen der sozialistisch-internationalistischen Erzählung eben alles andere als ein- und dasselbe.

Das Dilemma der linken Differenzierungsunfähigkeit

Gleichzeitig aber macht die Unfähigkeit der linken Pseudoprogressiven, die feine Differenzierung zwischen blutsverwandtschaftlich-tribalistischer und national-kultureller Identität intellektuell bewerkstelligen zu können, das Dilemma deutlich, in dem sich der deutsche Bundeskanzler seit Beginn des russischen Überfalls befindet.

Das sozialistisch-internationalistische Narrativ, welches maßgeblich in den Kreisen der SPD gepflegt wird, ist zur Unterscheidung zwischen Tribalismus und Nationalismus nicht in der Lage. Da das eine wie das andere in seiner Perspektive auf einen Nationalstaat hinausläuft, steht es in grundsätzlichem Widerspruch zur sozialistischen Vision des suprastaatlichen Internationalismus. Ein ukrainischer Nationalist ist ein Nationalist – und als solcher steht er der sozialistischen Einheitswelt-Illusion im Weg. Unterstützt die SPD, vertreten durch ihre Koryphäen wie Olaf Scholz, Christine Lambrecht und Nancy Faeser, die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland, unterstützt sie ein, aus ihrer ideologischen Sicht betrachtet, „nationalistisches“ System und verrät damit die eigene Ideologie des Internationalismus.

Nun ließe sich dieses damit rechtfertigen, dass es in dem Konflikt um ein Kräftemessen zwischen der völkisch-russischen und der kulturell-ukrainischen Identität geht – doch nicht nur, dass Sozialdemokraten zu den Feindifferenzierungen infolge ihrer eingeübten Narrative nicht in der Lage sind – es schwingt dort immer noch auch der Nachhall jenes marxistisch-leninistischen Urknalls von 1917 nach, wonach die UdSSR in der internationalistischen Erzählung eben der Kulminationspunkt jenes erstrebten Paradieses des Arbeiter- und Bauernweltstaats gewesen ist, welches selbstverständlich nicht an der eigenen Unzulänglichkeit, sondern an den bösen (vorrangig US-amerikanischen) Kapitalisten gescheitert ist. Seitdem kann ein Russland, gleich, ob es sich als sozialistischer Rätestaat oder scheindemokratisch-oligarchischer Führerstaat aufstellt, nun einmal nicht „nationalistisch“ sein.

Dieses poststalinistische Narrativ nicht nur der russischen Volksseele wirkt bis heute tief in die deutsche Sozialdemokratie – und man kann dem amtierenden Bundeskanzler seine Schmerzen förmlich ansehen, wenn er seinen Parteigenossen eine „Zeitenwende“ zu vermitteln sucht und wider die eigene Weltbetrachtung einem Nationalstaat sogar mit schweren Waffen gegen einen völkerrechtswidrig agierenden Okkupanten zur Seite stehen muss.

Keine Hoffnung für Helden

Gleichwohl sind diese Leiden des Olaf S. nichts gegen jene, die den patriotischen Nationalisten des Asow-Regiments bevorstehen, wenn sie sich in russische Hände begeben. Denn dort werden sie dem russischen Bluts-Nationalismus als Legitimation eines vorgeblich altruistischen Nicht-Nationalismus dienen müssen.

Der ohne Zweifel bestehende Patriotismus einer ukrainischen Kulturnation muss auf dem Altar des Chauvinismus einer russischen Stammesnation geopfert werden, um den eigenen Selbstbetrug am Leben erhalten zu können.

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