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Im Jahr 2028

Published On: 20. Januar 2022 14:00

Genaugenommen lebt es sich gar nicht so schlecht im Lager. Offiziell wird es natürlich nicht Lager, sondern „Prehola“ genannt, was ja irgendwie viel netter klingt und eine Abkürzung von „Premium Homeland“ ist. Vor sieben Jahren, also im Jahr 2021, hatte ich noch einen Witz gemacht, als mein 16-jähriger Sohn meinte, er könne keinen Führerschein machen, weil er nicht gegen Corona geimpft sei. Ich antwortete, er müsse ohnehin bald in einem Lager leben und da bräuchte man kein Auto. Damals vor sieben Jahren war das lustig und fand man die Idee noch völlig absurd, Ungeimpfte und Geimpfte dauerhaft zu trennen.

Jeder weiß, was in diesen sieben Jahren passiert ist. Zwar konnte ich mir vorstellen, dass die Ungeimpften mal separiert werden, aber die Dynamik hat mich dann doch überrascht. Ich erinnere mich gut an das Frühjahr 2022, als die ersten Umfragen gezeigt haben, die Bevölkerung wünsche sich einen besseren Schutz, nicht gegen Corona, sondern gegen die Ungeimpften. Na ja, und als dann die ersten Supermärkte für Ungeimpfte geschlossen wurden und die ersten gewalttätigen Demonstrationen der Geimpften stattfanden, stand die Regierung natürlich unter Druck. Letztlich blieb dann ja gar keine andere Wahl, als nach Sondergebieten für Ungeimpfte zu suchen, um diese zu schützen.

Wenn man ehrlich ist, wurde dies auch sehr human umgesetzt: Wir hatten sechs Monate Zeit, unsere Heimat zu verlassen und konnten sogar aus drei Optionen für unser neues Prehola auswählen.

Heute ist das ganz normal: draußen die Geimpften, die alle zwei Monate zum Arzt müssen, mittlerweile ja nicht nur wegen Corona, sondern auch wegen aller möglichen sonstigen Viren — und drinnen die Ungeimpften, die das alles für einen absoluten Irrsinn halten. Hier drinnen ist das Leben eigentlich sehr einfach. Es gibt Supermärkte ohne Masken, viele Feiern und Veranstaltungen, wir haben fließendes Wasser, Strom und circa 20 Quadratmeter Wohnfläche je Person. Natürlich war unser Haus mit Garten vorher etwas schöner, aber dafür haben wir jetzt Nachbarn, die noch alle Sinne beieinanderhaben und mit denen man gute Gespräche führen kann.

Natürlich gibts drinnen nicht so spannende Jobs, aber es reicht zum Überleben. Und wir können auch mit speziellen Bussen, Zügen und Flugzeugen in die Preholas anderer Länder fahren und dort sogar hin und wieder kontrollierte Ausflüge machen.

Anfangs hat mir der Umzug in ein Prehola nicht gefallen, aber heute will ich mich gar nicht beschweren. Mittlerweile gibts auch statistische Zahlen, nach der die Lebenserwartung drinnen circa fünf Jahre höher ist, wir weniger Krankenhäuser brauchen und wohl insgesamt sehr viel zufriedener sind.

Etwas traurig ist natürlich, dass alte Freundschaften, Beziehungen sowie Familien völlig zerbrochen sind. Aber hier muss man zu der Propaganda der Regierung auch mal etwas Positives sagen: Anfangs waren die Geimpften erleichtert, weil sie dachten, dass sie jetzt ein freies, glückliches Leben haben und die Ungeimpften waren erleichtert, weil sie endlich in Frieden leben konnten.

Eher lustig finde ich, dass es mittlerweile eine Warteliste für ehemals Geimpfte gibt, die in ein Prehola umziehen wollen. Sie müssen dann aber erst mal sechs Monate in ein Zwischenlager, das nicht besonders komfortabel ist. Dort werden sie dann sechs Monate nicht geimpft und dürfen dann zu uns kommen. Es gibt eigentlich immer eine tolle Feier, wenn die Neuen kommen.

Was mir wirklich fehlt, ist die Freiheit, in ferne Länder zu reisen. Aber diese Reisen finden ja auch draußen nicht mehr statt, weil alle Angst haben, sich mit irgendetwas Neuem anzustecken. Kürzlich wurde veröffentlicht, dass die Fluggesellschaften schon mehr Umsatz mit den Prehola-Flügen machen als mit den Flügen für die vermeintlich freien Geimpften.

Ich bin Optimist, was die Zukunft betrifft. Die Entwicklung ist jetzt schon abzusehen, irgendwann werden wir hier drinnen das neue „Draußen“ sein und die Geimpften draußen eine Sekte, die man irgendwie erträgt. Und dann ist der ganze Spuk vorbei.

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Peter Stoeveken

Peter Stoeveken, Jahrgang 1962, ist in den Niederlanden geboren, in Deutschland aufgewachsen und hat dort Bauingenierwesen studiert. Als Geschäftsführer hat er zuletzt Unternehmen im Bereich Verkehrsconsulting geleitet, bevor er 2008 nach Neuseeland auswandert ist, um seinen Kindern ein kinderfreundliches Leben zu bieten. In Neuseeland importiert und vertreibt er nun deutsche Naturkosmetik. Literarisch hat er mit „2028“ seinen ersten Gehversuch unternommen, aus dem inneren Bedürfnis heraus, der Gesellschaft zu zeigen, worauf sie gerade zusteuert.

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