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Lieben wir die Freiheit? Offenbar nicht!

Published On: 13. Februar 2022 0:15

Veröffentlicht am 13. Februar 2022 von FE.

In Zeiten der Pandemie ist Freiheit ein beliebtes Wort. Die massnahmenkritischen Demonstranten haben es jederzeit auf den Lippen. Die Gegenseite nutzt es, um den Impfstoff zu feiern, der uns von Covid befreit. – Die Freiheit ist immer präsent in unseren Köpfen, aber meist abwesend in unserem Leben.

«Liberté Chérie» ruft die sechste Strophe der Marseillaise. Der Ruf der Freiheit durchstrahlt die Hymne wie eine Sonne – nicht nur die französische, sondern auch jene des Kantons Neuchâtel.

Lieben wir, die Freiheit? Offenbar nicht so sehr! Seit Etienne de La Boétie – ein französischer Richter, Gelegenheitsautor und enger Freund von Michel de Montaigne – Mitte des 16. Jahrhunderts seinen «Diskurs über die freiwillige Knechtschaft» geschrieben hat, haben wir kaum Fortschritte auf dem Weg zur Freiheit gemacht.

«Die Tyrannen erscheinen uns gross, weil wir auf den Knien liegen», schrieb er als Jugendlicher. La Boétie war wahrscheinlich 16 oder 18 Jahre alt, als er dieses Meisterwerk entwarf. Die Formel bleibt so jung wie ihr Verfasser.

«Es ist das Volk, das sich selbst versklavt»

Ohne die Zustimmung seiner Untertanen kann der Unterdrücker nichts tun. La Boétie:

«Dieser hat nur zwei Augen, nur zwei Hände, nur einen Körper und hat nichts anderes als das, was der geringste Mensch in der grossen und unendlichen Zahl unserer Städte hat – ausser dem Vorteil, den ihr ihm verschafft, um euch zu zerstören. Woher hat er so viele Augen, mit denen er euch beobachtet, wenn ihr sie ihm nicht gebt? Wie hat er so viele Hände, um euch zu schlagen, wenn er sie nicht von euch hat?»

Dieses Zitat entstammt der Einführung in den «Discours de la servitude volontaire von Raoul Vaneighem für Encyclopædia Universalis».

Der Visionär und unverbrüchliche Freund Montaignes fährt fort: «Es ist das Volk, das sich selbst versklavt, das sich selbst die Kehle durchschneidet. Seid entschlossen, nicht mehr zu dienen, und ihr seid frei.»

Brot, Spiele und genüssliche Entfremdung

Entfremdung ist ein Begriff, der heute weitgehend vergessen ist. Aber ist Entfremdung nicht geradezu das Gegenteil von Freiheit? … Ein Mensch, der sich der Tyrannei widersetzt, leidet unter der Unterdrückung, bleibt aber frei in der Gestaltung seines Widerstands. Sein Körper wird behindert, aber sein Geist bleibt frei. Entfremdung hingegen ist die höchste Stufe der Unfreiheit: Der Betroffene ist nicht mehr sein eigener Herr und wird nur noch von fremdem Willen bewegt. Er liefert sich, mit Leib und Seele, der Macht aus.

Es ist umso schwieriger, sich aus dieser Situation zu befreien, als es eine Art «genussvolle Entfremdung» gibt. Die Freiheit bringt die zermürbende Qual der Wahl mit sich; sie birgt das Risiko, sich zu irren. Wie süss ist es hingegen, entfremdet zu sein, sich im lauwarmen Strom treiben zu lassen, die Wahl anderen anzuvertrauen, in das hypnotische Bad dieser elektronischen Dinger einzutauchen, die umso perverser sind, als sie uns den betrügerischen Eindruck vermitteln, frei zu sein, während unsere Handlungen ferngesteuert und sogar algorithmisiert sind.

Man hat nichts Neues erfunden. Das Muster «Brot und Spiele» ist uralt. Man hat lediglich die Instrumente der Entfremdung perfektioniert und in globalem Massstab verbreitet. Bevor wir also vorschnell in jeder Situation «Freiheit» rufen, sollten wir diese harte Arbeit der Entflechtung durchführen – das heisst: eine vollständige Infragestellung unserer selbst und der Gesellschaft.

Wird La Boéties Programm zur Abschaffung der Tyrannei überzeugend genug sein, um die verführerische Entfremdung zu überwinden? Der Ball liegt bei uns. Wenn nicht, wird sein «Diskurs der freiwilligen Knechtschaft» auch in fünf Jahrhunderten noch wie ein ewig Jugendlicher anmuten.

zum vollständigen Artikel (auf Französisch)

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Dieser Text wurde uns von Bon pour la tête zur Verfügung gestellt, dem führenden alternativen Medium der französischsprachigen Schweiz. Von Journalisten für wache Menschen.

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