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Souverän am Gängelband

Published On: 8. April 2022 15:00

Um der Frage nachzugehen, was denn die Menschen unter Demokratie verstehen und wie sie diese derzeit in Deutschland wahrnehmen, hat der Autor im Januar dieses Jahres 100 zufällig ausgewählte Personen in Rostock auf der Straße danach befragt. Auf die Frage, was sie persönlich mit Demokratie assoziieren, lauteten die mit Abstand häufigsten Antworten: „Meinungsfreiheit“ und „Mitbestimmung“. Auch in Bezug auf generelle demokratische Grundprinzipien wurden diese beiden Begriffe sowie das Prinzip „freier Wahlen“ genannt.

Zudem betrachteten 95 Prozent der Befragten die Idee der Demokratie als etwas grundsätzlich Positives. Antworten, welche Demokratie in kurzen Definitionen beschreiben, gab es dagegen kaum. Da wir uns jedoch offiziell in einem demokratischen System befinden, sollten Menschen doch dafür grundsätzlich eine klare Definition parat haben.

Auf der Webseite des Deutschen Bundestages lässt sich dazu folgendes finden: „Nach Artikel 20 des Grundgesetzes ist die Bundesrepublik eine Demokratie. In dieser Staatsform übt das Volk die Herrschaftsgewalt aus. Demokratien zeichnen sich unter anderem durch Achtung der Menschenrechte, Gewaltenteilung, Verantwortlichkeit der Regierung, Unabhängigkeit der Gerichte, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, ein Mehrparteiensystem sowie freie, gleiche und geheime Wahlen aus. Die Bundesrepublik ist eine repräsentative Demokratie, in der das Volk durch gewählte Volksvertreter ‚herrscht‘. Diese Volksvertreter bilden den Bundestag, der das einzige unmittelbar demokratisch gewählte Verfassungsorgan ist.“

Im Duden heißt es, dass Demokratie ein „politisches Prinzip“ darstellt, „nach dem das Volk durch freie Wahlen an der Machtausübung im Staat teilhat“. Unterschiedliche Formen seien unter anderem die mittelbare, repräsentative, parlamentarische und die unmittelbare Demokratie. Weiter heißt es, dass in Demokratien das „Regierungssystem“ aus „vom Volk gewählten Vertretern“ besteht, welche damit „die Herrschaft ausüben“ — ein Beispiel dafür sei die parlamentarische Demokratie —, soweit der Duden.

Ähnliches findet sich auch in einem Onlinelexikon. Demnach wird ein Staat als demokratisch angesehen, wenn der „Träger der Staatsgewalt und verfassungsgebenden Gewalt das Volk“ ist, das in „kollektiven Prozeduren wie politischen Wahlen oder Abstimmungen die politischen Entscheidungen innerhalb des Staates“ trifft.

„Die Prozeduren zur Entscheidungsfindung sind entweder direkter Art (in Form von Referenden) oder indirekter Art (in Form der Wahl eines Parlaments, welches das Volks vertritt). Die Regierung eines demokratischen Staates wechselt ohne Revolution durch in bestimmten Zyklen wiederkehrende und verbindlich festgesetzte Verfahren.“ Weiter heißt es, dass „nach einem modernen Verständnis“ die Demokratie „in enger Verbindung zur Gewährleistung der Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit sowie der Garantie und dem Schutz von Menschen-, Bürger- und Grundrechten“ steht, „insbesondere der Meinungs- und Pressefreiheit, da diese für die politische Willensbildung erforderlich ist“.

Gemäß offizieller Ansichten zählen demnach zu den grundlegenden Wesensmerkmalen einer Demokratie freie, gleiche und geheime Wahlen, die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung, die staatliche Gewährleistung sämtlicher Grundrechte auf Basis der Menschenrechte sowie die Souveränität des Volkes durch von ihm gewählte Vertreter.

Nach Oskar Lafontaine, unter anderem Kanzlerkandidat der SPD im Jahr 1990 und späterer Parteivorsitzender der Linken, kann sich eine Gesellschaft nur dann als demokratisch bezeichnen, wenn sich „die Interessen der Mehrheit durchsetzen“, wie er 2016 dem Journalisten Tilo Jung in einem gemütlichen Sommerinterview vor dem Saarländischen Landtag darlegte. Dabei berief er sich auf den athenischen Staatsmann Perikles (490 bis 429 v.Chr.), auf den dieses Zitat zurückgeht und das der Geschichtsschreiber Thukydides (454 bis 399 v.Chr.) niederschrieb.

Laut diesem Maßstab schloss Lafontaine aus, dass Deutschland heutzutage eine Demokratie ist, da sich die Interessen der Mehrheit in diesem Land in keinem zentralen Bereich durchsetzen würden.

Dies begründete er mit dem wachsenden Niedriglohn- und Leiharbeitssektor, mit der „Zerstörung der Arbeitslosen- und Gesundheitsversicherung“ sowie dass ein immer größer werdender Teil der älteren Generation von ihren Renten nicht mehr leben könne.

Nach ihm sei Deutschland viel eher ein „parlamentarisches System, in dem sich zuerst die Interessen der oberen 10 Prozent durchsetzen“, was man zum Beispiel anhand des gesamten Steuersystems sehen könne. „Es ist ein Märchen, zu sagen, in Deutschland setzen sich die Interessen der Mehrheit durch.“ Deutschland sei, ebenso wie Russland und die Vereinigten Staaten, eine Oligarchie, so Lafontaine.

Als Oligarchie wird eine Staatsform bezeichnet, in der eine kleine Schicht die gesamte Macht im Staat besitzt. Eine Ausprägung davon ist beispielsweise die Plutokratie, in der sich die Macht in den Händen der Finanzelite befindet. Laut Dirk Müller befinden wir uns längst „auf dem Weg zur nächsten Stufe, der Kleptokratie, der Herrschaft der Plünderer“.

„Dies ist eine Herrschaftsform, in der die Reichen und somit Mächtigen ihre Macht ausschließlich zum eigenen Vorteil nutzen, sich auf Kosten der Allgemeinheit schamlos zu bereichern und, da sie keine Gegenwehr erfahren, dies immer unverhohlener tun“ (1).

Diese These lässt sich unter anderem anhand der Weltfinanzkrise von 2007/2008 stützen. Als damals Banken nach erheblichen Fehlspekulationen kurz vor dem Zusammenbruch standen, sprangen zahlreiche Staaten, darunter auch Deutschland, zu ihrer Rettung mit horrenden Zahlungen von Steuergeldern ein. Nach den „Gesetzmäßigkeiten“ einer freien Marktwirtschaft hätten die Banken jedoch durch ihr unökonomisches Handeln insolvent gehen müssen. So würde es schließlich jedem gewöhnlichen Unternehmer ergehen. Dafür wurden sie aber als zu groß und als zu „systemrelevant“ angesehen, weshalb die Staaten zur Rettung einspringen „mussten“. Die Schlussfolgerung daraus war: Gewinne von Finanzinstituten werden privatisiert, Verluste hingegen sozialisiert. Dies war für die Spekulanten wiederum ein Freifahrtschein, tun und lassen zu können, was sie wollen, ohne dafür belangt werden zu können.

Der Experte für Makroökonomie Andreas Popp stellt sogar die bisherige Übersetzung des Begriffs „Demokratie“ generell in Frage. Laut ihm bedeute das altgriechische Wort „demos“ nicht „das Volk“, sondern „das Dorf“. Das Antike Griechenland sei schließlich kein Nationalstaat gewesen, wie wir es aus der heutigen Zeit kennen, sondern habe aus diversen Stadtstaaten wie Athen, Troja oder Sparta bestanden. Darüber hinaus bedeute das Wort „kratein“ laut Popp nicht „herrschen“, sondern „den Wagen ziehen“, was im übertragenen Sinn mit „sich selbst gestaltend“ zu übersetzen sei. Demzufolge dürfe der Begriff Demokratie nicht mit „Herrschaft des Volkes“ übersetzt werden. Viel eher sei er als ein autarkes, sich selbst verwaltendes Dorf zu verstehen.

„Demokratie kann nur auf kleinster Ebene funktionieren. Alles, was in Richtung Größe geht, ist weg von Demokratie“, so der Experte für Makroökonomie.

Wie war die grundlegende Gesellschaftsstruktur im Antiken Griechenland aufgebaut? Laut Popp bestand diese zum einen aus der „Deme“, einer Art aristokratischen Führungsschicht, sowie den „Bürgern“ darunter, die eine elitäre Gruppe darstellten, welche die Deme kontrollierten und überwachten. Reste der antiken Bürger ließen sich noch immer in einigen Hansestädten finden, in denen es bis heute Bürgerschaften gibt. Zum anderen sei ein weiterer Gesellschaftsteil das „Volk“ gewesen, das aus ausgewählten rechtstreuen Personen bestand, welche das exklusive Recht besaßen, Waffen zu tragen, sowie am unteren Ende die „Idios“, die restliche Bevölkerung, die mit Untertanen gleichzusetzen waren und rund 90 Prozent ausmachten. Wahlen waren in diesem System nicht vorgesehen, da eine Mehrheitsgesellschaft abgelehnt wurde.

Laut dem emeritierten Professor für Wahrnehmungs- und Kognitionsforschung der Universität Kiel Dr. Rainer Mausfeld bedeutet Demokratie „heute in Wirklichkeit eine Wahloligarchie ökonomischer und politischer Eliten, bei der zentrale Bereiche der Gesellschaft, insbesondere die Wirtschaft, grundsätzlich jeder demokratischen Kontrolle und Rechenschaftspflicht entzogen sind; damit liegen zugleich weite Teile der gesellschaftlichen Organisation unseres eigenen Lebens außerhalb der demokratischen Sphäre“.

Die Grundidee von Demokratie sei, das „Kernproblem einer menschenwürdigen Gesellschaftsorganisation“ zu lösen. Dafür müssen „Macht eingehegt“ und „natürliche Freiheitsbedürfnisse respektiert werden“ sowie eine Mehrzahl von Individualinteressen miteinander „auf friedliche Weise in Einklang“ gebracht werden.

Bezüglich der Anfänge der ersten demokratischen Grundzüge bezieht sich Mausfeld auf den athenischen Staatsmann Solon (640 bis 560 v.Chr.). Aufgrund enormer sozialer Verelendung und extremster Elitenexzesse drohten unter dessen Herrschaft soziale Unruhen. Um dies zu verhindern, hatte Solon daraufhin der Bevölkerung partizipative Elemente gewährt, darunter eine moderate Beschneidung der Dominanz der Vermögenden, einen Schuldenerlass für Besitzlose, Rechtssicherheit und die Auswahl der Amtsträger durch Losentscheide sowie deren vollständige Rechenschaftspflicht.

Im Folgenden war der griechische Historiker Thukydides „der erste, der die enge Beziehung zwischen unseren Vorstellungen über Regierungsformen und unseren Annahmen über die Natur des Menschen erkannt“ hat. Nach ihm habe die Masse einer Gesellschaft eine Neigung zu Affekten und Leidenschaften, die auf Kosten der Vernunft gehe. Dagegen seien die politischen Führer in ihrem Handeln insbesondere durch ein „Verlangen nach Macht“ geleitet, „um Ehrgeiz und Herrschsucht zu befriedigen“. Thukydides hatte verstanden, dass eine gut funktionierende gesellschaftliche Organisation stets die „Schwachstellen der menschlichen Natur“ berücksichtigen müsse. Nach seiner Auffassung könne eine rein demokratische Regierungsform dies nicht leisten. Daher habe Thukydides als ideale Regierungsform zwar „dem Namen nach eine Demokratie“ angesehen, jedoch sei diese „in Wirklichkeit die Herrschaft des Ersten Mannes“ gewesen, so Mausfeld.

Ähnlich wie Thukydides habe dies auch Aristoteles (384 bis 322 v.Chr.) gesehen. Nach ihm sei die Timokratie, die „Herrschaft der Angesehenen und Besitzenden“, die ideale Regierungsform gewesen. „Dabei sollten demokratische und oligarchische Elemente so ausgewogen sein, dass weder die Masse oder die Armen noch die Eliten oder die Reichen eine Übermacht gewinnen könnten“, so Mausfeld. Nach Aristoteles‘ Auffassung sei die Demokratie eine Verfallsform der Timokratie, da diese die Möglichkeit beinhaltete, dass „die Armen, weil sie die Mehrheit bildeten, das Vermögen der Reichen unter sich aufteilten“. Dies habe Aristoteles als Unrecht angesehen.

„Derselbe Grundgedanken findet sich auch in den Ursprüngen der amerikanischen Verfassung: Jede Regierungsform müsse so gestaltet sein, dass sie die Minderheit der Reichen gegen die Mehrheit der Armen schützt, sagte James Madison (1751 bis 1836), einer der Väter der amerikanischen Verfassung. Madisons Lösungsvorschlag für dieses Spannungsverhältnis zwischen Volk und Eliten war die repräsentative Demokratie — de facto also eine Form der Oligarchie —, mit der sich die Sicherung der Eigeninteressen der Minderheit der Reichen gewährleisten lasse.“ Demnach „betrachten die herrschenden Eliten Demokratie als ‚notwendige Illusion‘ und bemühen sich hinter der Rhetorik von Demokratie zugleich, die zur Sicherung ihrer Eigeninteressen geeigneten oligarchischen Strukturen zu etablieren“, so Mausfeld.

Diese Regierungsform hat sich bis in die heutige Zeit fest etabliert und wird mittlerweile sogar als die einzige legitime Herrschaftsform angesehen. Demokratien im Sinne der Aufklärung sind „gerade dadurch gekennzeichnet, dass die Machtausübenden darauf angewiesen sind, ihr politisches Handeln durch eine Zustimmung der Bevölkerung zu legitimieren“. Laut Mausfeld stellt diese Legitimierung eine Art „Revolutionsprophylaxe“ dar, was die Demokratie bislang für die Herrschenden so attraktiv gemacht habe.

In Bezug auf das Verhältnis zwischen Demokratie und Wahlen zitiert Mausfeld den renommierten Forscher über die Demokratie der Antike, Joshua Ober, der vor einigen Jahren die Frage stellte: „Woher stammt eigentlich die Idee, dass Demokratie in erster Linie durch Wahlen und Abstimmungen bestimmt sei? Die ursprüngliche Bedeutung von Demokratie ist die kollektive Fähigkeit der Bevölkerung, im öffentlichen Raum das Wohl der Gemeinschaft zu fördern.“

Laut Mausfeld ist „die Voraussetzung der Möglichkeit von Demokratie ein intakter öffentlicher Debattenraum, in dem sich alle frei und gleichberechtigt einbringen können“. In diesem müssten „alle relevanten Informationen unverzerrt zur Verfügung stehen“, er müsste die „Pluralität gesellschaftlicher Interessen widerspiegeln“ und zudem dürfe er nicht „durch ökonomische und politische Interessengruppen dominiert oder eingeschränkt werden“ (2).

Erfüllt der heutige öffentliche Debattenraum all diese Kriterien? Stehen sämtliche relevanten Informationen in unverzerrter Weise zur Verfügung? In einer Gesprächsrunde im Deutschlandfunk äußerte sich 2016 der ehemalige Leiter des ZDF-Studios in Bonn, Wolfgang Herles, wie folgt:

„Wir haben ja das Problem, und jetzt spreche ich wieder überwiegend vom Öffentlich-Rechtlichen, dass wir eine Regierungsnähe haben. (…) Themen, über die berichtet werden, werden von der Regierung vorgegeben. Es gibt aber viele Themen, die wären wichtiger, als das, was die Regierung vorgibt — die natürlich auch ablenken will, von dem, was nicht passiert —, aber das, was nicht passiert, ist oft wichtiger, als das, was passiert. (…)

Und es gibt tatsächlich Anweisungen von oben, auch im *ZDF, da sagt der Chefredakteur: ‚Freunde, wir müssen so berichten, dass es Europa und dem Gemeinwohl dient.‘ Und da braucht er in Klammern gar nicht mehr dazu sagen: ‚Wie es der Frau Merkel gefällt.‘ Das gab es auch zu meiner Zeit. Es gab eine schriftliche Anweisung, dass das ZDF der Herstellung der Einheit Deutschlands zu dienen habe, und das ist etwas anderes, als zu berichten, was ist. Wir durften damals nichts Negatives über die neuen Bundesländer sagen, heute darf man nichts Negatives über die Flüchtlinge sagen. Das ist Regierungsjournalismus und führt dazu, dass Leute das Vertrauen in uns verlieren“*, so Herles.

Ist zudem der öffentliche Debattenraum frei vom Einfluss ökonomischer und politischer Interessengruppen? Betrachtet man die deutsche Medienlandschaft, wird schnell deutlich, dass sich die oligarchische Machtstruktur auch in diesem Bereich fest etabliert hat.

Der Großteil der Tageszeitungen, Magazine sowie Radio- und TV-Sender befindet sich in den Händen weniger Großkonzerne.

Darunter ist die Verlagsgruppe Axel Springer, zu der unter anderem die BILD– und WELT-Gruppe gehören, die Südwestdeutsche Medienholding (Süddeutsche Zeitung, Stuttgarter Zeitung), die Funke Mediengruppe (Hamburger Abendblatt, WAZ, myself, diverse Radiosender) oder die Mediengruppe ProSiebenSat.1, unter deren Dach TV-Sender wie ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins firmieren.

Ein wahrer Gigant ist die Verlagsgruppe Bertelsmann. Zu ihr gehören unter anderem 320 Buchverlage auf 6 Kontinenten (Penguin, btb, Doubleday, Sudamericana), die RTL Group, das Musikunternehmen BMG oder die Fondsgesellschaft Bertelsmann Investments. Darüber hinaus ist der Konzern auch politisch aktiv: Die Bertelsmann Stiftung, die zu den Anteilseignern der Verlagsgruppe zählt, war maßgeblich an der Agenda 2010 beteiligt, die einen immensen Abbau des deutschen Sozialstaates bedeutete.

Eine bemerkenswerte Eigenschaft besitzt die Madsack Mediengruppe, zu der sowohl Gazetten wie die Hannoversche Allgemeine, Dresdner Neueste Nachrichten, Kieler Nachrichten und die Ostsee-Zeitung als auch das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) gehören. Der größte Anteilseigner der Mediengruppe ist die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft. Bemerkenswert daran: die ddvg ist eine Medienbeteiligungsgesellschaft der SPD.

Wie wichtig die anerkannten Leitmedien für die Herrschenden sind, zeigt sich darin, dass sich CDU und SPD im letzten Koalitionsvertrag auf eine Subventionierung von Verlegern verständigt haben, da die Auflagen der deutschen Printmedien in den vergangenen Jahren stark rückläufig waren. 40 Millionen Euro hatte der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dafür bereitgestellt, jedoch keinen Verteilungsmodus gefunden. Auch internationale Stiftungen spielen bei dieser neuen Finanzierung eine tragende Rolle. So hat beispielsweise die Bill and Melinda Gates Foundation weltweit insgesamt 319 Millionen US-Dollar an Nachrichtensender, Zeitungen und Magazine gespendet. Dazu zählt auch der Spiegel, der mit einer Gesamtsumme von knapp 5,5 Millionen Dollar, darunter 2,9 Millionen Dollar im vergangenen Jahr, bezuschusst wurde.

In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, ob ein intakter Debattenraum, der nicht durch ökonomische und politische Interessengruppen beeinflusst wird, überhaupt vorhanden sein kann, wenn sämtliche deutsche Medien, als profitorientierte Kapitalgesellschaften, rein ökonomischen Zwängen unterworfen sind — und sie sich obendrein durch institutionelle Spenden und Subventionen in eine unentrinnbare Abhängigkeit begeben haben —, sowie die Regierung auf die Berichterstattung unmittelbar politisch Einfluss nimmt.

Berücksichtigt man ferner, wie vehement Ansichten, die heute vom politisch definierten Narrativ abweichen, bekämpft oder gar aus dem Debattenraum ausgeschlossen werden, ist eine Widerspiegelung einer Vielzahl gesellschaftlicher Interessen und Meinungen ebenso wenig vorhanden. Beispiele dafür sind Kritik am vorherrschenden Bild der Corona-Pandemie, des Klimawandels, der Gender-Ideologie sowie generelle Kritik an den Leitmedien.

„‚Man muss die Bürger mit einer Flut von Informationen überziehen, so dass sie die Illusion der Informiertheit haben‘. Durch diese ‚Illusion der Informiertheit‘ hat der Bürger ein politisch reines Gewissen; er fühlt sich über alles Wesentliche unterrichtet und kann abends beruhigt zu Bett gehen“, zitiert Mausfeld, in Bezug auf das Thema Demokratie und Propaganda, Paul Lazarsfeld (1901 bis 1976), einer der weltweit bedeutendsten Kommunikationsforscher. Weiter sagte Lazarsfeld, dass die Massenmedien zu den „seriösesten und effizientesten sozialen Narkotika“ zählten, da „der Süchtige seine eigene Krankheit nicht“ erkenne.

Laut Michael Meyen, Professor für Kommunikationswissenschaften an der Universität München, spiegeln die Leitmedien nicht die wahre Wirklichkeit wider, sondern erzeugen eine „zweite Wirklichkeit“, die für uns den identischen Stellenwert der wahren einnehmen kann. Damit beeinflussen sie „unser Bewusstsein und unser Leben“, besonders dann, „wenn alle das Gleiche berichten und es keine Gegenstimmen gibt“. Die wahre Wirklichkeit ist das, „was ohne unser Wollen da ist“, ganz gleich, ob wir schlafen oder wach, ganz gleich, ob wir leben oder tot seien, so Meyen. In puncto Macht und Herrschaft zitiert er den Soziologen Ulrich Beck: „Herrschaftsverhältnisse sind Definitionsverhältnisse. Macht hat heute derjenige, der Wirklichkeit definieren beziehungsweise bestimmen kann.“

Die Definition und Steuerung von Wirklichkeit, also die systematische Beeinflussung des Bewusstseins und der natürlichen Urteilsfähigkeit, bezeichnen wir als Propaganda. Der erfolgreichste Propagandist und Begründer des Begriffs Public Relations war der Neffe Sigmund Freuds, Edward Bernays (1891 bis 1995). So ehrlich, wie es ihm später kaum jemand mehr gleichtat, beschrieb er 1928 in seinem Buch Propaganda die Techniken und Anwendungsmöglichkeiten von Propaganda. Demnach sei die „bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften“.

„Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie sind die eigentlichen Regierenden in unserem Land. (…) Tatsache ist, dass wir in fast allen Aspekten des täglichen Lebens, ob in Wirtschaft oder Politik, unserem Sozialverhalten oder unseren ethischen Einstellungen, von einer relativ kleinen Gruppe Menschen abhängig sind. (…) Sie steuern die öffentliche Meinung“ (3).

In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass in unseren „modernen Demokratien“ die Steuerung der öffentlichen Meinung ein wesentlicher Bestandteil ist, damit die Herrschaftsstrukturen unsichtbar bleiben können und die oligarchischen Machtstrukturen bewahrt bleiben.

Genau diese Steuerung der öffentlichen Meinung ist die Aufgabe von Massenmedien. Durch die Abhängigkeit vom Finanzkapital sind sie tief in die globale Herrschaftsstruktur eingewoben, wodurch sie ihr eigentliches Leitmotiv verloren haben, nämlich: durch unabhängiges und unverzerrtes Bereitstellen von Informationen einen intakten öffentlichen Debattenraum zu gewährleisten. Ein solcher Informationsauftrag existiert heutzutage lediglich noch auf dem Papier. Massenmedien sind Herrschaftsmedien, und diese haben die Aufgabe, die herrschende Schicht zu schützen und zu stützen.

Als solche „Beschützer“ agieren unter anderem Faktencheck-Portale, die sämtliche Berichte, die nicht zum vorherrschenden politischen Narrativ passen, bekämpfen. Michael Meyen bezeichnet diese als „Medienpolizei“. Weiter sagt er dazu, dass die Grundidee dieser Portale war, den journalistischen Informationsauftrag wieder zu stärken und als eine Art „Übermedium“ auf potenzielle Falschmeldungen aufmerksam zu machen. Die ersten seien demnach in den Vereinigten Staaten nach den Anschlägen vom 11. September entstanden, daraufhin jedoch von globalen Stiftungen „gekapert“ worden, so Meyen.

In Deutschland zählt Correctiv zu den größten dieser Portale. Laut eigenen Angaben finanziert sich Correctiv durch: „Einnahmen aus eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten, beispielsweise aus Workshops oder Buchverkäufen“, „Spenden und Beiträge von Bürgerinnen und Bürgern“ sowie die „Finanzierung von Stiftungen und Institutionen“.

Zu den größten institutionellen Geldgebern zählten 2021: Luminate — Omidyar Network Foundation (Stiftung des ebay-Gründers Pierre Omidyar), die Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, die GLS Treuhand, Google, die Schöpflin Stiftung, Open Society Foundations (Stiftungen des US-amerikanischen Investors George Soros) sowie die Bundeszentrale für politische Bildung. Ob für Correctiv, aufgrund der enormen finanziellen Abhängigkeit durch internationale Stiftungen sowie durch den Bund direkt, eine neutrale und faktenbasierte Berichterstattung überhaupt möglich ist, mag weitestgehend ausgeschlossen werden.

Im Zusammenhang mit der finanziellen Abhängigkeit der Massenmedien ist noch ein Blick auf die mediale Gegenseite von großer Bedeutung: die Seite der Alternativmedien. Durch eine rein nutzerbasierte Finanzierung sind diese vom herrschenden System finanziell unabhängig. Demzufolge stellen sie für das System eine immense Bedrohung dar, da sie die aufgezeigte Verflechtung zwischen Ökonomie, Politik und Medien aufdecken und damit für die Masse sichtbar machen. Durch ihre Autarkie entziehen sie sich dem ökonomischen und politischen Einflussbereich und sind dementsprechend starkem massenmedialen Gegenwind ausgesetzt.

Was für ein Staat ist Deutschland? Die offizielle Bezeichnung lautet: Bundesrepublik Deutschland. Aus juristischer Sicht ist das der entscheidende Punkt — Deutschland ist in erster Linie eine Republik parlamentarischer Ausprägung.

Das Wort Republik stammt vom Lateinischen res publica ab und bedeutet so viel wie: öffentliche Sache und versteht sich als Gegenpart zur Monarchie. Wie Demokratien zeichnen sich auch Republiken formal dadurch aus, dass „das Staatsvolk oberste Quelle der Legitimität und höchste Gewalt des Staates“ ist sowie das Staatsoberhaupt und etwaige Volksvertreter durch Wahlen bestimmt werden. Als Staatsform hat sie sich seit der Zeit der Aufklärung überall auf der Welt fest etabliert. Der überwiegende Teil aller Staaten auf der Erde sind Republiken, die restlichen sind Monarchien.

Die Staatsform „Demokratie“ existiert juristisch nicht. Ein geschützter Begriff ist sie ebenso wenig. Dadurch war es damals der DDR möglich, sich Deutsche Demokratische Republik zu nennen, obwohl dieser Staat alles andere als demokratisch oder gerecht war. Und dadurch ist es heute möglich, dass sich Nordkorea als Demokratische Volksrepublik Korea oder sich die ehemalige Republik Zaire als Demokratische Republik Kongo bezeichnen kann, obwohl auch diese beiden Staaten in keiner Weise demokratisch aufgebaut sind. Ebenfalls eine Bundesrepublik ist die Bundesrepublik Somalia. Weitere republikanische Staaten sind die Islamische Republik Iran, die Syrische Arabische Republik, die Bolivarische Republik Venezuela sowie die Volksrepublik China — allesamt Staaten, die unsere Ansprüche an eine Demokratie nicht erfüllen.

Wie kommt ein Staat nun aber zu einem offiziell anerkannten Demokratie-Status, wenn dazu weder eine eindeutige juristische Definition noch eine juristisch zu verlautbarende Staatsform existieren? Hierzu lautet die Antwort:

Die Demokratie aus staatlicher Sicht ist letztlich nichts anderes als ein Etikett, welches mächtige Staaten sich selbst sowie anderen Staaten, die sich ihrem politischen Willen unterwerfen, ankleben können, oder auch nicht, falls sich diese weigern.

Ein anerkannter Demokratie-Status ist nichts anderes als ein hegemonialer Machtstatus.

Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass sowohl unsere aktuelle Gesellschaftsstruktur nach oligarchischem Aufbau funktioniert, als auch jene zur Zeiten der Antike sowie der Aufklärung. Unser heutiges Verständnis des Demokratiebegriffs fußt augenscheinlich auf einer ungenauen bis fehlinterpretierten Übersetzung, die uns somit eine falsche Vorstellung über die tatsächlich vorherrschenden Staats- und Machtstrukturen gibt. Überdies hat es auch in der Antike kein besonderes Interesse an einer Machtverteilung auf die Mehrheit der Bevölkerung gegeben.

„Elitendemokratien“, wie Mausfeld unsere heutigen Demokratien bezeichnet, zeichnen sich verstärkt dadurch aus, dass sich Macht zunehmend an der ökonomischen und politischen Spitze konzentriert, der Rechtsstaat überwiegend ausgehöhlt ist, Parlamente entweder ohnmächtig sind oder ihre oppositionelle Pflicht nicht mehr ausüben sowie die über die Jahrhunderte hart erkämpften Freiheits- und Menschenrechte immer weiter abgebaut werden — in erschreckender Geschwindigkeit seit Beginn der Coronakrise.

Diese seit Jahrzehnten mantraartige Wiederholung des Zustands eines stabilen demokratischen Deutschlands folgt inzwischen der Logik:

Deutschland ist eine Demokratie, weil Deutschland per se eine Demokratie ist! Dies muss nicht mehr hintergefragt oder gar begründet werden; es ist ganz einfach so.

Jedoch trägt diese Haltung stark religiöse Züge, da wir nicht mehr nachzuvollziehen brauchen, ob eine demokratische Gesellschaft, die frei und gerecht ist und in der sich die Interessen der Mehrheit durchsetzen, tatsächlich vorhanden ist, sondern nur noch daran glauben müssen. Zudem muss die Erklärung der Volkssouveränität als Trug verstanden werden, da Souveränität ausschließlich unmittelbar funktioniert. In dem Moment, in dem wir unsere Souveränität an Dritte abgegeben, die für einen Missbrauch noch nicht einmal persönlich zur Verantwortung gezogen werden können, liegt unsere Souveränität außerhalb von uns selbst und ist damit nicht mehr vorhanden.

Was ist nun also Demokratie, wenn kein geschützter und juristisch definierter Begriff existiert, wenn kein System in der Geschichte jemals eine wahre Machtverteilung auf die Mehrheit im Sinn hatte und wenn die Ansichten über Demokratie zwischen den Herrschenden und den einfachen Menschen im Gegensatz zueinander stehen? Demokratie ist keine Staatsform, sondern ein Synonym für eine freie und gerechte Gesellschaft. Berücksichtigen wir das seit Jahren sinkende Einkommen der Menschen, die sinkenden Renten, die Reduzierung des bezahlbaren Wohnraums, den stetigen Abbau des Gesundheits- und Sozialsystems und gleichzeitig die enorme Steuerungerechtigkeit und die zunehmende Vermögensakkumulation der Superreichen, kann von einer gerechten Gesellschaft nicht annähernd die Rede sein. Ebenso wenig von Freiheit, da diese in der aktuellen Zeit so massiv eingeschränkt wurde wie selten zuvor.

Zu der Erkenntnis, dass der Neoliberalismus mit echter Demokratie unvereinbar ist, gelangen mittlerweile immer mehr Menschen. 25 Prozent der Befragten waren der Ansicht, dass wir zurzeit in keiner Demokratie leben. 17 Prozent waren zwar dieser Ansicht, sagten aber zugleich, dass die Demokratie enorme Probleme habe. Dies waren insgesamt deutlich mehr als vermutet.

Bezüglich eigener Verbesserungsvorschläge lauteten die häufigsten Antworten, dass eine reale Mitbestimmung am politischen und gesellschaftlichen Geschehen hergestellt werden müsse, dass die Interessen der Kinder und die Stärkung von Bildung und Gemeinwohl deutlich vermehrt in den gesellschaftlichen Fokus gerückt sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung gestärkt werden sollten. Für die Mehrheit der Befragten waren „Mitbestimmung“ und „Meinungsfreiheit“ entscheidende Bestandteile einer demokratischen Gesellschaft. Und 88 Prozent waren der Meinung, wahre Demokratie könne ausschließlich von unten entstehen.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Müller, Machtbeben, (2018, S. 51)

(2) Zum gesamten Themenkomplex von Mausfeld:

Mausfeld, Warum schweigen die Lämmer?, (2018),

Mausfeld, (link: https://odysee.com/@CALIS:5/prof-rainer-mausfeld-demokratie-erneuern:4 text: „Demokratie erneuern“), Heidelberg 2020,

Mausfeld, (link: https://www.youtube.com/watch?v=Rx5SZrOsb6M text: „Warum schweigen die Lämmer?“) — Techniken des Meinungs- und Empörungsmanagements, Kiel 2015

(3) Bernays, Propaganda, (1928, S. 19)

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