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Die Methode Omri Boehm (Teil 5): Auslassen von Zusammenhängen – Beispiel Lydda 1948

Published On: 18. August 2021 16:00

Omri Boehms Umgang mit Geschichte ist so schlicht wie durchsichtig: Was nicht in sein Weltbild passt, verschweigt er einfach. Wie im Fall der Stadt Lydda.

Wie wir gezeigt haben, betreibt Omri Boehm in seinem Buch Israel – eine Utopie Schuldumkehr: Nachdem er alle arabischen Akteure – das von Mufti Amin el-Husseini geleitete Arab Higher Committee (AHC), die örtlichen arabischen Nationalkomitees, die Arabische Liga und ihre Söldnerarmee, die angreifenden Armeen Transjordaniens, Ägyptens, Syriens, des Libanon und des Irak – ausgeblendet und sorgfältig vor dem Auge des Lesers versteckt hat, bleiben nur noch die Taten der Juden. Diesen dichtet er an, dass sie den arabisch-israelischen Krieg begonnen hätten, mit dem angeblichen „Kriegsgrund“, eine „gewaltsame Massenvertreibung von Palästinensern“ durchzuführen.

Boehm behauptet, es habe eine „Umsiedlungspolitik“ gegeben, die von langer Hand geplant gewesen sei (nämlich schon von Theodor Herzl in einem Pariser Hotelzimmer im Juni 1895) und dann 1948 „erfolgreich durchgeführt“ wurde. Das glaubt Boehm durch die Rechnung beweisen zu können, dass 1947 „1,2 Millionen Palästinenser“ im Mandatsgebiet gelebt hätten, „am Ende des Unabhängigkeitskriegs“ hingegen nur „noch rund fünfhunderttausend Palästinenser“. Dass die Flüchtlinge vor Krieg und Bürgerkrieg – den die Araber am 30. November 1947 begonnen hatten –, vor wirtschaftlicher Not und Hunger geflohen sein könnten und auch darum, weil arabische Führer ausdrücklich den Befehl zur Flucht gegeben hatten, kommt ihm nicht in dem Sinn.

In dem Teil, in dem er sich mit der Massenflucht aus Haifa befasst, verschweigt er den am Abend des 22. April 1948 ergangenen Evakuierungsbefehl des Arab Higher Committee. Es ist schwer zu glauben, dass der in Haifa geborene Boehm sich mit der Geschichte seiner Heimatstadt so schlecht auskennt; es wird also wohl Absicht sein.

Der Fall Lydda

Auch bei einer anderen Stadt, die Boehm als Beispiel für die Vertreibung der palästinensischen Araber durch die Juden nimmt, lässt er entscheidende Tatsachen außen vor. Dort nämlich, wo er von Lydda redet. Lydda (Israelisch: Lod) ist eine Stadt 15 km südöstlich von Tel Aviv, an der Straße nach Jerusalem. Dort lag der Flughafen Palästinas, der heute der Flughafen Ben-Gurion ist. Aus unerfindlichen Gründen behauptet Boehm, Lydda habe keine „strategische Bedeutung“ gehabt. Vielleicht sagt er das, um den Eindruck zu erwecken, die Juden hätten die Stadt im Juli 1948 aus purer Angriffslust und Bosheit erobert.

Zu dieser Zeit war Lydda von der Arabischen Legion Transjordaniens besetzt, die von dort aus Tel Aviv und den Korridor nach Jerusalem bedrohte. Laut dem UN-Teilungsplan hätte Lydda zu dem zu gründenden arabischen Staat gehören sollen – aber der war durch die arabische Ablehnung des Plans und den von der Arabischen Liga in der Folge begonnenen Angriffskrieg Makulatur. Boehm schreibt, Lydda sei „erwähnenswert“, „nicht so sehr“, weil der Stadt „eine besondere strategische Bedeutung zukäme, sondern weil Ben-Gurion hier persönlich anwesend war“. Persönlich anwesend? Das wäre merkwürdig; Regierungschefs pflegen sich selten an vorderster Front aufzuhalten, wo Kugeln und Granaten fliegen. In Wahrheit war Ben-Gurion, wie man bei dem israelischen Historiker Benny Morris nachlesen kann, an jenem Tag, von dem Boehm spricht, im Hauptquartier der Operation Dani (das war der Name der Militäroperation, die den Weg von Jerusalem nach Tel Aviv öffnen sollte) in Yazur bei Jaffa, 30 Autominuten von Lydda entfernt. Weiter schreibt Boehm:

„Es handelt sich darüber hinaus um den einzigen Fall, in dem ein belastender Ausweisungsbefehl in schriftlicher Form überliefert ist, unterschrieben von der Führungsspitze der IDF.“

Was Boehm nicht erwähnt, ist der gesamte militärische und politische Zusammenhang. Dass es einen Krieg gab und um Lydda gekämpft wurde, erfährt der Leser nicht. Boehm lässt es so aussehen, als wären die israelischen Streitkräfte mitten im Frieden in Lydda einmarschiert und hätten die Araber vertrieben, um den von Boehm an vielen Stellen seines Buches behaupteten Plan einer „gewaltsamen Massenvertreibung von Palästinensern“ durchzuführen.

Kapitulation schon beschlossen

Dass es um Lydda überhaupt Gefechte gab, geschah ja überhaupt nur deshalb, weil die arabischen Regierungen den jüdischen Staat immer noch vernichten wollten und darum wenige Tage zuvor – am 6. Juli 1948 – bei ihrem Treffen in Kairo beschlossen hatten, den von den Vereinten Nationen vermittelten Waffenstillstand, der seit dem 11. Juni 1948 in Kraft war, nicht zu verlängern. Der ägyptische Außenminister Ahmed Muhammad Khashaba kommentierte damals:

„Es war eine Angelegenheit von Leben und Tod für sie [die arabischen Regierungen; S.F.], dass es keinen jüdischen Staat geben soll. Sie hatten keinen Wunsch nach neuerlichen Feindseligkeiten und auch keine Illusionen über die militärischen Risiken, die das mit sich brachte, sahen aber keine Alternative.“

Der Waffenstillstand endete also am 9. Juli 1948, und einen Tag später wurde um Lydda gekämpft. Die israelischen Streitkräfte gewannen die Oberhand, es gab allerdings noch zwei Widerstandsnester der Arabischen Legion: die stark befestigte ehemalige britische Polizeistation und die kleine Moschee. Trotzdem vermittelte Simon Garfeh, der griechisch-orthodoxe Archimandrit von Lydda, die Kapitulation der Stadt. Wie das ablief, beschreibt Dan Kurzman. Kurzman (1922-2010) war Journalist, Militärhistoriker und langjähriger außenpolitischer Korrespondent der Washington Post. Nach dem Krieg von 1948 führte er Tausende von Interviews mit Beteiligten, darunter Persönlichkeiten wie der erste israelische Ministerpräsident Ben-Gurion; der englische Offizier und Oberbefehlshaber der Arabischen Legion, John Bagot Glubb (alias Glubb Pascha); der transjordanische Offizier Habis al-Majali; Golda Meir und viele andere. Ergebnis war das 1970 veröffentlichte Buch Genesis 1948. The First Arab-Israeli War.

Am 10. Juli, so Kurzman, trafen sich zehn bedeutende arabische Persönlichkeiten aus Lydda in Garfehs Wohnzimmer mit Moshe Kelman, dem israelischen Bataillonskommandanten in Lydda, und anderen israelischen Offizieren, und tranken Kaffee. Kelman wandte sich an die Anwesenden:

„Meine Herren, die Stadt ist erobert, und wir wollen Ihre Kooperation. Wir schlagen vor, dass Sie die Bürger aufsuchen, die die Versorgungsbetriebe der Stadt betreiben, damit Ihre Landsleute unverzüglich wieder Wasser und Strom bekommen. Aber zuerst müssen Sie unsere Bedingungen für einen Frieden akzeptieren: Die Kapitulation aller kämpfenden Personen und Abgabe aller Waffen innerhalb von 24 Stunden. Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt werden, müssen wir Maßnahmen ergreifen.“

„Wir stimmen zu“, sagte einer der Araber. „Dürfen die Bewohner bleiben, wenn sie wollen?“ „Ja“, sagte Kelman, „wenn sie hier friedlich leben.“

Aufstand und Vertreibung ins nächste Dorf

Wenig später ging das Schießen wieder los. Am Mittag des 11. Juli sandte die transjordanische Armee eine aus einem Panzer und zwei gepanzerten Fahrzeugen bestehende Patrouille nach Lydda, um zu testen, wie die Israelis reagieren, und dann schnell wieder aus der Stadt zu verschwinden. Kurzman schreibt:

„Eines der letzten Gebäude, an dem die Fahrzeuge bei ihrer wilden Rückfahrt vorbeifuhren, war die kleine Dahmash-Moschee. Kaum waren sie an ihr vorbeigerast, kam ein Junge aus der Moschee, die mit Flüchtlingen gefüllt war, und warf eine Granate in eine Gruppe von fünf israelischen Wachleuten, die draußen stationiert waren. Dies war das Signal, auf das hin sich innerhalb von Sekunden ein Mob von Arabern bildete, die aus der Moschee und den Häusern der Nachbarschaft gestürmt kamen. Sie töteten die überlebenden Israelis und verstümmelten ihre Leichen. Die Araber waren sich sicher, dass die Patrouille die Vorhut des lange erwarteten Versuches der [Arabischen] Legion war, zu ihrer Rettung zu kommen. Und dieses Gerücht verbreitete sich in der Stadt. In einer massiven Blitzrebellion gegen die Eroberer begannen Araber, von fast jedem Fenster und jeder Tür zu schießen…“

Die über die Stadt verstreuten rund 500 israelischen Soldaten unterdrückten den Aufstand der 30.000 Einwohner mit massiver Gewalt. Israelischen Schätzungen zufolge wurden dabei rund 200 Araber getötet. Als der Aufstand niedergeschlagen war, wurde die Stadt evakuiert. Statt Kriegsgefangene zu nehmen, schickte die israelische Armee die Bewohner – mit Ausnahme der Alten und Gebrechlichen und der Christen, die als weniger gefährlich betrachtet wurden – zu Fuß in das rund zehn Kilometer entfernte Gebiet, das von der Arabischen Legion besetzt war.

Omri Boehm hätte freilich das Recht, dies als unangemessen, unbarmherzig oder brutal zu bewerten. Er könnte auch sagen, dass das – nach heutigem Verständnis – als Kriegsverbrechen bewertet werden müsse. Es ist aber schlichtweg betrügerisch, dass er die wesentlichen Fakten ausblendet und eine ganz eigene Geschichte erzählt – eine, in der das Kriegsgeschehen überhaupt nicht vorkommt.

Auf Grundlage der bekannten Fakten ist klar, dass die Vertreibung der Bewohner Lyddas, wie auch immer man über sie denken mag, aus militärischen Überlegungen (und nicht etwa aus Gründen der von Boehm behaupteten Bevölkerungspolitik) heraus angeordnet wurde: um einen weiteren Aufstand in der Stadt, der den erwarteten arabischen Gegenangriff aus dem Hinterhalt hätte begünstigen können, zu verhindern. Zudem war der Vertreibung ein Kriegsverbrechen der anderen Seite vorausgegangen: Die Bewohner der Stadt hatten zu den Waffen gegriffen, nachdem sie bereits kapituliert hatten.

Ethnische Säuberung als bloße Behauptung

Boehm blendet diese Tatsachen aus, wie er überhaupt jegliches Kriegsgeschehen ausblendet, um den Eindruck zu erwecken, israelische Soldaten hätten mitten im Frieden arglose Araber vertrieben. Es geschah nicht im Frieden, sondern in einer Gefechtssituation des Krieges. Viele der Vertriebenen waren Kombattanten, die an dem Aufstand teilgenommen hatten. Wer Kombattant und wer Zivilist war, ließ sich in dieser Situation kaum entscheiden, da die Bewaffneten ja meist keine Uniformen trugen. Und die Bewohner Lyddas wurden, anders als Boehm es darstellt, eben nicht aus Palästina vertrieben – das wäre den Israelis ja überhaupt nicht möglich gewesen, schließlich war ein großer Teil Palästinas von Transjordanien besetzt.

Es reicht Boehm nicht, die Vertreibung der Bewohner Lyddas in das zehn Kilometer entfernte Beit Naballa als ungerecht, unmoralisch oder unmenschlich zu verurteilen – nein, er will mehr: Es soll der Beweis dafür sein, dass die Israelis eine „Umsiedlungspolitik“ betrieben hätten. Es sei das „düstere Geheimnis des Zionismus“, dass die Juden „gewaltsame Massenvertreibungen von Palästinensern“ schon vor dem Krieg geplant hätten.

Das ist, wenn wir das Beispiel Lydda nehmen, aus mehreren Gründen nicht plausibel. Erstens hätte es den Krieg ohne den arabischen Angriff nicht gegeben. Zweitens hätte es keinen Kampf um Lydda gegeben, wenn die arabischen Führer nicht eine Verlängerung des Waffenstillstands wenige Tage vor der Schlacht abgelehnt hätten. Drittens haben die israelischen Streitkräfte Lydda erst dann evakuiert, als die Stadt wieder Krieg geführt hatte, nachdem sie vorher kapituliert hatte – vorher hatten sie eine Zusammenarbeit und die zügige Wiederinbetriebnahme der Versorgung angeboten. Und viertens wurden die Bewohner Lyddas nicht etwa aus Palästina vertrieben, sondern in das nächste unter arabischer Kontrolle befindliche palästinensische Dorf.

Boehm behauptet, Israel habe die Palästinenser vertreiben wollen, „um ein ethnisches jüdisches Übergewicht herzustellen“. Belege dafür hat er nicht. Der Evakuierungsbefehl in Lydda wurde in einer sehr speziellen Kriegssituation erteilt, die wir hier dargestellt haben. Und in Haifa kam der Evakuierungsbefehl von der arabischen Führung. Weil Boehm seine These nicht beweisen kann, muss er Zusammenhänge ausblenden und von der historischen Wahrheit so viel weglassen, dass das, was übrigbleibt, zu der von ihm selbst erzählten Geschichte zu passen scheint.

Teil 1 finden Sie hier.

Teil 2 finden Sie hier. 

Teil 3 finden Sie hier.

Teil 4 finden Sie hier.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch. 

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