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„Die Diktatur der Konzerne“ – Ein Buch über die Macht transnationaler Unternehmen

Published On: 21. September 2021 9:10

Leben wir noch in einer Demokratie oder eher in einer Oligarchie, in der nicht Volksvertreter, sondern eine relativ kleine Zahl von transnationalen Konzernen die Entscheidungen trifft? Diese Frage drängt sich gerade in der gegenwärtigen Corona-Krise auf, die vor allem die bekannten Tech-Unternehmen wie Amazon und Facebook genutzt haben, um ihre Gewinne zu vervielfachen. Es ist sogar von einem «Neofeudalismus» die Rede, in der jene Big Player über gewisse Privilegien verfügen und in Aristokratenmanier nur mit dem Finger zu schnippen brauchen, damit ihre Interessen gegen die Ansprüche der Gesellschaft durchgesetzt werden. Thilo Bode geht sogar darüber hinaus und spricht von einer «Diktatur der Konzerne». Um seine These zu untermauern, hat der Publizist ein gleichnamiges Buch vorgelegt, in dem er aufzeigt, welche Macht international agierende Unternehmen in den letzten Jahren erlangt haben und wie dreist sie mittlerweile vorgehen. Eine Rezension von Eugen Zentner.



Eine Abrechnung mit großen Konzernen legte Bode bereits vor sechs Jahren vor. In «Die Freihandelslüge» widmete er sich damals dem Handelsabkommen TTIP und zeigte auf, dass es vordergründig dem Zweck diente, die politische Souveränität europäischer Länder auszuhebeln. Profitieren sollten davon allein die großen Konzerne. In seinem jüngsten Werk dringt er tiefer in die Materie ein und beschreibt weitere Methoden, mit denen diese Wirtschaftsgiganten ihren Einfluss zu vergrößern versuchen. Das erfolge vor allem über eine Zusammenarbeit mit der Politik. Bode benutzt den Begriff «industriell-politischer Komplex», der zum Ausdruck bringt, dass zwischen den jeweiligen Vertretern eine klebrige Nähe besteht. Plastisch gemacht wird das unter anderem am Beispiel des VW-Skandals, bei dessen Aufarbeitung die Staatskanzlei ihre Pressemitteilungen und andere Veröffentlichungen regelmäßig mit dem Autokonzern absprach.

Das enge Verhältnis zeige sich aber auch in den Anschlusskarrieren sämtlicher Politiker in der Wirtschaft. Ihr Insiderwissen sei für die Unternehmen Gold wert, weshalb sie nach ihrer Amtszeit problemlos Lobbyisten- oder Beraterjobs bekämen. „Am liebsten sind den Konzernen Lobbyisten mit einschlägigen Verbindungen zur Macht“, schreibt Bode, indem er einen Blick auf die USA wirft – „deshalb stellen frühere Kongressabgeordnete und Mitarbeiter von US-Behörden heute 44 Prozent aller Lobbyisten, 1998 waren es nur knapp 18 Prozent.“ Die Sicherheit, später bei großen Fischen anheuern zu können, ermutige nicht wenige Abgeordnete, politischem Druck standzuhalten und bei der Durchsetzung der Unternehmensinteressen bis zum Äußersten zu gehen.

Das Arsenal der Werkzeuge, mit dem Konzerne ihre Macht ausbauen, ist jedoch weitaus größer. Um die Methoden aufzuzeigen, arbeitet sich Bode im kritischen Ton von Branche zu Branche vor. Er taucht in die Automobil- und Lebensmittelindustrie ein, beleuchtet den Finanzsektor und nimmt die Entwicklungen in der Tech-Branche unter die Lupe. Überall lassen sich die gleichen Tendenzen feststellen: Die Big Player tun alles, um den Markt unter sich aufzuteilen. Die Bemühungen neuer Konkurrenten werden im Keim erstickt. Den Platzhirschen ist jedes Mittel recht, um sich die Konkurrenz vom Leibe zu halten. „Offenbar ist es für neue Unternehmen immer schwieriger, gegen die Macht der etablierten Konzerne zu bestehen“, so Bode. „Und wenn sich die Gründerfirmen doch länger behaupten als erwartet, werden sie einfach aufgekauft.“ Dadurch sicherten sie sich quasi eine Monopolstellung.

Strafen wegen Wettbewerbsverzerrungen zahlen Konzerne aus der Portokasse. Diese scheinen im Geschäftsmodell eingepreist zu sein. „Noch nie hatten Konzerne so viel Geld, noch nie waren sie so groß“, schreibt Bode. Daraus ergebe sich enormes Erpressungspotential, das sich nicht nur in der Finanz-, sondern auch in der Corona-Krise gezeigt hat. Die wirtschaftlichen Flaggschiffe verweisen einfach auf ihre Systemrelevanz und schon mobilisieren Regierungen Steuergelder, um ihnen zur Seite zu springen. Ihre Macht besteht aber auch darin, dass sie sich unvergleichlich reicher Stiftungen und Thinktanks bedienen, um ganze Politikfelder zu beeinflussen und den öffentlichen Diskurs zu steuern. Wie das im Einzelfall aussieht, führt Bode minutiös aus.

Bei seinen Ausführungen stützt sich der Publizist auf eigene Recherchen, zieht aber auch Zeitungsartikel, Fachpublikationen und Studien heran. Zu den interessantesten Unterlagen gehören die sogenannten «Monsanto Papers», aus denen hervorgeht, mit welcher Kreativität große Konzerne teilweise zu Werke gehen. So sollen im Zuge des damaligen Glyphosat-Skandals mehrere wohlgesinnte Wissenschaftler Leserbriefe an ein Fachmagazin geschrieben haben, damit es einen kritischen Bericht zurückzieht – „offenbar eine von Monsanto konzertierte Aktion“, vermutet Bode. Mehrere Monate danach habe das Fachblatt auch noch einen früheren Monsanto-Mitarbeiter in seinen Beirat berufen. Kurze Zeit später wurde die kritische Veröffentlichung für nichtig erklärt.

Der Fall veranschaulicht, inwiefern große Konzerne nicht nur eine Nähe zur Politik, sondern auch zur Wissenschaft pflegen. Aber auch in diesem Bereich zeigt sich, dass die Strategien zunehmend perfektioniert werden:

„Die Konzerne beschränken sich nicht mehr darauf, externe Wissenschaftler zu beeinflussen und gegebenenfalls zu diskreditieren, sondern dringen tiefer ein in den Wissenschaftsbetrieb, in die Universitäten selber, um Einfluss von innen zu nehmen.“

Diesem Problem widmet Bode gleich mehrere Kapitel. An solchen Stellen wirkt sein Werk überaus aktuell. Denn gerade in der Corona-Krise fällt es auf, dass bestimmte Wissenschaftler eine gewisse Sonderstellung genießen. Sie werden in Talkshows eingeladen, sitzen in Pressekonferenzen und geben den Takt für politische Entscheidungen vor. Wissenschaftler, die eine entgegengesetzte Meinung vertreten, kommen hingegen überhaupt nicht zu Wort. Ihnen wird die Expertise abgesprochen, mit Begründungen, die bisweilen sehr manieriert wirken.

Dabei lebt echte Wissenschaft vom Diskurs, vom Argument und Gegenargument. Doch die Realität sieht anders aus, wie Bode zu berichten weiß. Universitäten seien zunehmend Zielobjekte des neuen Lobbyings, das sich auf enorme Geldmittel stützen könne. Das gehe so weit, dass Konzerne sogar ganze Lehrstühle finanzieren. Ein Interessenkonflikt ist nur schwer von der Hand zu weisen: „Wie viel Einfluss nehmen die privaten Stifter auf die Auswahl der Professoren“, fragt Bode provokativ – „auf Forschungsfelder, auf Forschungsergebnisse? Werden die Lidl-Professoren auch über die schädliche Marktmacht von Discountern forschen, über deren Prägekraft für die Ernährung von Millionen Menschen? Wagen sich Professoren auf Banken-Lehrstühlen auch an die Frage, wie die Zocker-Banken der Finanzkrise ohne Haftung davonkamen? Gibt es noch eine Pluralität von Meinungen, wenn Stiftungsprofessoren die Mehrheit eines Fachbereichs stellen?“

Gegenwärtig werden solche Fragen als «Verschwörungstheorien» abgetan – genauso wie die Vermutung, das mächtige World Economic Forum (WEF) arbeite an einer neuen Weltordnung, in deren Zentrum eben große Konzerne stehen. Aber auch diesbezüglich finden sich in Bodes Buch Passagen, die belegen, dass es sich dabei nicht um Hirngespinste handelt. „Davos, das ist die offizielle Bühne des industriell-politischen Komplexes, der Welt-Standort für globale Ideologieproduktion“, heißt es dort.

„Auf seinen Podien ist zu besichtigen, wie sich wirtschaftliche Macht in konkrete politische Macht verwandelt hat, wie sich die Idee vom souveränen Staat mit demokratischen Regeln schleichend in Konzerninteressen auflöst.“

Zu Beweiszwecken wird aus einem bereits 1999 veröffentlichten Artikel des Wirtschaftsmagazins Forbes zitiert, das damals ein Interview mit WEF-Chef Klaus Schwab führte. In dem Text weise dieser weit von sich, eine «Weltregierung» installieren zu wollen. Es gehe ihm allein darum, weltweite Allianzen zu schmieden und globale Entscheidungsprozesse für die großen Probleme der Welt voranzutreiben. In diesem Zusammenhang soll Schwab sogar gesagt haben: „The sovereign state has become obsolete“ – der souveräne Staat ist überflüssig geworden.

Solche Parallelen zu der gegenwärtigen Diskussion rund um Corona machen «Die Diktatur der Konzerne» zu einer informativen wie spannenden Lektüre. Thilo Bode gelingt es, die Zusammenhänge packend zu erzählen und mit vielen griffigen Beispielen zu unterfüttern. Auf knapp 180 Seiten bildet er ein breites Panorama der Konzernmacht ab, ohne populistisch zu wirken. Seine Kritik ist schonungslos, aber überzeugend. Streckenweise hören sich seine Ausführungen sehr düster an. Allerdings unterbreitet er auch Vorschläge, wie den mächtigen Konzernen entgegengewirkt werden kann. „Unser System muss sich ändern“, lautet sein Appell:

„Wir brauchen einen Schritt zurück – zurück zu einer sozialen Marktwirtschaft, die diesen Namen verdient, und zurück zu einer Demokratie, in der wir nicht von Konzernen regiert werden, sondern von den gewählten Vertretern des Volkes.“

Thilo Bode: Die Diktatur der Konzerne, S. Fischer Verlage, 240 Seiten, Paperback, 18 Euro

Titelbild: hallojulie / Shutterstock

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