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Grüner Minister verbreitet Verleumdungen – und drückt sich vor Antworten

Published On: 8. Oktober 2021 13:33

Jan Philipp Albrecht, Umweltressortchef in Schleswig-Holstein, warf den Machern von #allesaufdentisch „antisemitische“ und „demokratiefeindliche“ Inhalte vor. Auf die Frage nach Belegen reagiert er bemerkenswert.

IMAGO / Willi Schewski

Jan Philipp Albrecht, Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein

Die Videos der Aktion #allesaufdentisch waren erst wenige Stunden online zu sehen – da fällte der grüne Energiewende- und Umweltminister von Schleswig-Holstein Jan Philipp Albrecht schon sein Urteil mit denkbar scharfem Vokabular. Bei der Videoaktion handelt es sich um eine Fortsetzung der Aktion #allesdichtmachen, in der Schauspieler die Absurditäten und Widersprüche der regierungsamtlichen Corona-Politik in Deutschland satirisch kommentiert hatten. Die Videos von #allesaufdentisch sind sehr viel diskursiver angelegt: In mehreren Dutzend Filmen debattieren Schauspieler, Wissenschaftler, Juristen und Journalisten über die deutsche Corona-Politik und ihre Folgen, stellen Fragen und fordern eine Aufarbeitung vieler rechtwidriger und wissenschaftlich schlecht begründeter Corona-Maßnahmen der Vergangenheit. Dass es dafür allen Anlass gibt, zeigt das aktuelle Urteil des bayerischen Verfassungsgerichts, das gerade die seinerzeit von Markus Söders Kabinett verhängte Ausgangssperre im Nachhinein als verfassungswidrig beurteilte, und Söder ein „fragwürdiges Menschenbild“ bescheinigte. Zu den Teilnehmern der Aktion #allesaufdentisch  zählen unter anderem die Schauspieler Wotan Wilke Möhring und Volker Bruch, die schon zu den Initiatoren von  #allesdichtmachen gehörten, außerdem der renommierte Virologe Klaus Stöhr. 

Was meinte der Grünen-Minister über die am   30. September veröffentlichten Videos? Ohne eine weitere Begründung warf Albrecht speziell Bruch, Möhring, aber auch den anderen Teilnehmern der „Gang“ pauschal vor, ihnen ginge es „um die  Verbreitung rechtsradikaler, antisemitischer und demokratiefeindlicher Verschwörungsinhalte“. 

Bemerkenswert war nicht nur die begründungslose Anschuldigung, sondern auch ihr Zeitpunkt: Die Filme der Aktion, mehrere dutzend Videos, waren am Vormittag veröffentlicht worden. Der Minister twitterte sein Urteil schon gegen Mittag. Bis dahin konnte er unmöglich alle Filme gesehen haben. 

TE fragte Albrecht deshalb, auf welche konkreten Belegstellen er seine Tatsachenbehauptung stützt, die Videos würden rechtsradikale, antisemitische und demokratiefeindliche Inhalte verbreiten – und wie viele der Filme er vor seinem Tweet selbst gesehen hatte. Der Sprecher der Ministers erklärte darauf telefonisch, die Presseabteilung werde die Fragen nicht beantworten – denn der Politiker habe privat getwittert. Auf den Hinweis, dass Albrecht seinen Ministertitel in seinem Twitteraccount führt, sagte der Sprecher: „Das ist sozusagen die Berufsbezeichnung. Trotzdem twittert er nicht als Minister.“ Er empfahl, die Frage an den Landesverband der grünen Partei in Schleswig-Holstein zu richten. Das tat TE. Und bekam von dort die Antwort, man wolle sich nicht zu den Fragen äußern. 

Das Fazit lautet also: Minister Jan Philipp Albrecht verbreitet verleumderische Anschuldigungen gegen Personen, deren Ansichten zu Coronamaßnahmen er offenbar nicht teilt. Konkrete Belege kann er nicht vorbringen. 

Albrecht ist der Öffentlichkeit schon durch einen anderen bizarren Auftritt bekannt, damals noch als Europaabgeordneter: Im Jahr 2014 produzierte er zusammen mit zwei anderen Grünen-Abgeordneten ein Video, das eher an eine Schülertheateraufführung erinnerte.

Der Jurist Joachim Steinhöfel, der an der #allesauftentisch-Videoaktion teilnahm, sagte gegenüber TE: „Mit der Behauptung, Albrecht twittere trotz Nennung seiner Ministertitels privat, will er sich offenbar den Freiraum verschaffen, um sich der Neutralitätspflicht seines Amtes zu entziehen.“ Nach den Urteilen mehrerer Gerichte müssen sich Amtsträger im politischen Meinungskampf zurückhalten, wenn sie sich erkennbar mit Bezug auf ihr Amt äußern.

Steinhöfel beschäftigt sich nicht zum ersten Mal mit dem Verhalten Albrechts. Im Bundestagswahlkampf hatte der Minister per Twitter  – ebenfalls mit Hinweis auf sein Ministeramt – versucht, das Außenwerbungs-Unternehmen Stroer unter Druck zu setzen, weil es auf seinen Flächen Plakate eines Hamburger Vereins gezeigt hatte, die unter dem Motto „Grüner Mist“ den Grünen unter anderem die Errichtung eines „Klimasozialismus“ vorwarfen. Die Inhalte der Plakate waren war polemisch – aber legal. Albrecht hatte von Stroer gefordert, den Auftraggeber der Plakataktion öffentlich zu nennen, und dazu aufgerufen, sollte sie Firma das nicht tun, ihr künftig bundesweit keine öffentlichen Aufträge mehr zu geben. Steinhöfel mahnte den Grünen-Politiker daraufhin ab; Albrecht löschte seinen Tweet, mit dem er auch strafrechtlich an die Grenze der Nötigung gegangen war.

Der Virologe Klaus Stöhr, der in einem der Videos von #allesaufdentisch seine Sicht der Dinge darlegt, war schon vor Albrechts Attacke mit falschen Beschuldigungen konfrontiert worden. Unter der Überschrift „Propheten auf Abwegen“ hatte der Spiegel dem Forscher unterstellt, er habe behauptet: ‚Weil die Weltbevölkerung durchseucht werde, seien Impfstoffe nicht notwendig‘. Dabei unterschlug die Spiegel-Redaktion einen wesentlichen Teil seiner Aussage: Tatsächlich hatte Stöhr in einem Aufsatz in „Nature“ 2020 geschrieben, das Virus werde in den kommenden ein, zwei Jahren einen Großteil der Bevölkerung infizieren. „Danach“ werde es in der Welt ähnlich wie die bekannten relativ milden Coronaviren zirkulieren und relativ mild verlaufende Erkrankungen auslösen. Von diesem Zeitpunkt an seien Impfstoffe nicht mehr erforderlich. Das Landgericht Frankfurt verbot dem Spiegel die Wiederholung des sinnentstellten Zitats (Aktenzeichen 2-03 O 220/21). Der Wissenschaftler, so das Gericht, habe ein Anrecht darauf, dass seine Position authentisch wiedergegeben werde.

Ob Albrechts Beschuldigungen gegen die Macher der Aktion #allesaufdentisch für den Minister ebenfalls juristische Folgen haben, ist noch offen.

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