Ein emotionales Video um mutmaßliche Ausgrenzung sorgt für Wirbel. Der Musiker Gil Ofarim soll im Leipziger Hotel Westin wegen seines Judensterns beleidigt worden sein. Politiker haben den Vorfall bereits öffentlich verurteilt. Bilder der Überwachungskameras zeigen jedoch, dass der Mann im Hotel zum Zeitpunkt der Aufnahme keinen Stern sichtbar getragen hatte. Auch andere Gäste können sich an antisemitische Äußerungen nicht erinnern.

Anfang Oktober löste ein hochgeladenes Video des deutschen Sängers Gil Ofarim, bürgerlich Gil Doron Reichstadt, Diskussionen im Netz aus. Ofarim hatte darin von einem Erlebnis in einem Leipziger Hotel berichtet, von dem es jetzt Zweifel gibt, dass es sich genau so zugetragen hatte, wie es der Sänger schilderte.

„Packen Sie Ihren Stern wieder ein“

In dem am 5. Oktober hochgeladenen Video erklärte der Musiker, dass er kurz zuvor im Hotel „Westin“ in Leipzig antisemitisch beleidigt worden sei. Das Video zeigt Ofarim vor dem Hotel mit einem Davidstern an einer Halskette. Seinen Aussagen zufolge habe er in der Lobby zum Einchecken in einer „riesen Schlange“ angestanden, weil der Computer des Hotels „down“ war. Dann seien mehrere Personen aus der Reihe herausgeholt und zum Einchecken vorgezogen worden. Er sei erst nach 15 Minuten drangekommen, so der Musiker. Im Video wunderte sich Ofarim, warum „eine Person nach der anderen“ vorgezogen worden sei. An der Rezeption fragte er, was denn los sei und beschwerte sich, dass es nicht in Ordnung sei, dass die Leute vorgezogen wurden, schildert der Sänger. Ein Rezeptionist, laut Ofarim ein „Herr W.“, erklärte dem Musiker: „Um die Schlange zu entzerren.“

Ofarim wundert sich rückblickend: „Ich stehe auch in der Schlange.“ In dem Moment habe „irgendeiner aus der Ecke“ gerufen: „Pack Deinen Stern ein!“ Laut Ofarim sagte dann Herr W.: „Packen Sie Ihren Stern ein!“ Dann habe der Mitarbeiter an der Rezeption gesagt, dass, wenn er ihn jetzt einpacke, er einchecken dürfe. Der Musiker verlangte dann den Manager zu sprechen, der jedoch laut Mitarbeiter nicht da sei. Der Musiker verließ daraufhin das Hotel und drehte sichtlich emotional betroffen das Video mit seiner Schilderung des Erlebten.

Das ist ein unfassbarer Fall von Antisemitismus und in der Tat ein Verstoß gegen das AGG. Eine rasche Antwort des Hotels ist überfällig. Aus unserer Sicht kann das nicht folgenlos bleiben. @Westin #Antisemitismus https://t.co/h3viN0ZOrw

— Antidiskriminierung (@ADS_Bund) October 5, 2021

Hitzige Debatte, Politiker-Statements und Demo vor dem Hotel

Dem hochgeladenen Video folgten zahllose Kommentare, auch von Politikern wie CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak mit einem CDU-„Steh auf gegen Judenhass“-Statement oder von FDP-Bundesgeschäftsführer Marco Buschmann: „Das ist eine Schande“. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) entschuldigte sich „stellvertretend für die antisemitische Demütigung“. Auch die Antisemitismusbehörde des Bundes meldete sich zu Wort und mahnt einen Verstoß gegen das Antigleichstellungsgesetz (AGG) an.

Im Netz wurden sofort Konsequenzen für den Mitarbeiter gefordert, ohne den Beschuldigten angehört zu haben. Auch das Hotel hatte mit den Folgen des hochgeladenen Videos zu kämpfen. Innerhalb einer Stunde hatte es unter einem eilig geschaffenen Hashtag #WestinLeipzig 800 negative Bewertungen und Stornierungsdrohungen für das Hotel gegeben.

Gleich nach Bekanntwerden des Videos versammelten sich am nächsten Tag rund 600 Demonstranten, organisiert durch „Kein Platz für Antisemitismus“, vor dem Hotel zu einer Demo gegen Antisemitismus. Das Hotel hatte inzwischen auch angekündigt, die beiden Mitarbeiter beurlaubt zu haben – vorsorglich, für die Dauer der Ermittlungen.

Während viele Journalisten und Medien den angeblich antisemitischen Vorfall kritisierten, blieben andere zurückhaltend: Der Publizist Joachim Steinhöfel schrieb auf Twitter: „Ich hab vor etwa eine Woche mit Henryk M. Broder kurz über diese Sache gesprochen. Er war skeptisch und sagte: Erstmal abwarten, bis wir mehr wissen. Das war vor einer Woche richtig und ist es heute immer noch. Manchmal ist der beste Tweet der, den man nicht abschickt.“

Ich hab vor etwa eine Woche mit Henryk M. Broder kurz über diese Sache gesprochen. Er war skeptisch und sagte: Erstmal abwarten, bis wir mehr wissen. Das war vor einer Woche richtig und ist es heute immer noch. Manchmal ist der beste Tweet der, den man nicht abschickt. #GilOfraim

— Steinhoefel (@Steinhoefel) October 17, 2021

Überwachungsvideo und andere Schilderungen

Laut „Bild“ stellte Gil Ofarim am 12. Oktober bei der Münchner Polizei eine Strafanzeige gegen den angegebenen Mitarbeiter. Ob er die Kette an dem Abend im Hotel getragen habe – wie kurz danach für das aufgenommene Video –, konnte er der Polizei jedoch nicht genau sagen, heißt es im Bericht.

Das warf Zweifel hinsichtlich der Angaben des Sängers auf, da es genau um die Aussage „Packen Sie Ihren Stern wieder ein“ ging. Nach Angaben des Hotels gegenüber dem Blatt habe der Rezeptionist drei Gäste vorgelassen, woraufhin Ofarim wütend geworden sei. Es sei zum Wortgefecht gekommen und der Musiker sei gebeten worden, das Hotel zu verlassen.

Ofarims Schilderung hat noch einen anderen Gegenspieler, die Überwachungskameras des Hotels. Auf den Videos ist zwar Gil Ofarim zu sehen, aber nicht seine Halskette mit dem Davidstern, weder vor dem Hotel, weder beim Betreten des Hotels noch an der Rezeption.

Die Leipziger Staatsanwaltschaft geht bisher nicht auf die Bilder ein und verweist auf die laufende Auswertung der Videos. Auch die „Leipziger Volkszeitung“ berichtete unter dem Titel: „Überwachungskamera im Leipziger Westin: Trug Gil Ofarim keine Davidstern-Kette?“ über das Beweisstück. Doch der Sänger bleibt bei seiner Darstellung des Geschehens.

Ofarim bleibt bei seiner Aussage

Mit den Videos konfrontiert, meinte Gil Ofarim, laut „Bild“, dass er sich nicht genau erinnere, ob er den Stern sichtbar getragen habe, betonte aber, er würde ihn immer tragen.  Aber es gehe ihm auch nicht darum, sondern dass er antisemitisch beleidigt worden sei.

Bild fragte nach, wie es sein kann, dass gleich zwei Personen gesagt haben sollen, dass er den Stern einpacken soll, wenn er gar keinen getragen habe? Ofarims Antwort: „Der Satz, der fiel, kam von hinten. Das heißt, jemand hat mich erkannt. Es geht hier nicht um die Kette. Es geht eigentlich um was viel Größeres. Da ich oft mit dem Davidstern im Fernsehen zu sehen bin, wurde ich aufgrund dessen beleidigt.“ Dem setzt der „Focus“ entgegen, aber „etliche Bilder und Videos aus der Vergangenheit“ zeigten, dass Ofarim meist eine Kette mit wechselnden Anhängern um den Hals trage, oft auch unter dem Shirt, wobei der Anhänger nicht zu sehen sei.

Mittlerweile hat auch der beschuldigte Mitarbeiter des Hotels Anzeige erstattet – gegen Gil Ofarim, wegen Verleumdung. Die sichergestellten Videos werden ausgewertet. Laut „Focus“ erklärte ein anderer Hotelgast, der an jenem Abend auch in der Schlange stand: „Er redete, gestikulierte, wollte offensichtlich auf sein Zimmer.“ Dann habe der Musiker das Hotel verlassen. Nicht erinnern konnte sich der Zeuge hingegen an eine Aussage über den Davidstern. Hotel-Manager Andreas Hachmeister bestätigte, dass alle weiteren Gäste in der Schlange hinter Gil Ofarim gebeten worden seien, auszusagen.

Wie sich der Fall weiter entwickelt, hängt nun vor allem von den Ermittlungen der Polizei Leipzig ab. Die verweist auf die laufenden Ermittlungen und gibt keine Kommentare zu dem Fall ab.



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