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«Wort zum Sonntag» oder: Die Seele an der Kantinenkasse

Published On: 4. Dezember 2021 17:51

«Wort zum Sonntag» oder: Die Seele an der Kantinenkasse

Veröffentlicht am 4. Dezember 2021 von CS.

«Aber Sie dürfen den Kuchen hier im Restaurant nicht essen, das wissen Sie?»

«Sie sind jetzt die Dritte, die mich innerhalb von wenigen Minuten hier rausschmeisst.»

«Nein, das hat damit nichts zu tun. Das sind nur die Bestimmungen.»

«Ich weiss. Und je öfter man andere Leute auf die hinweist, desto schneller glaubt man selber dran und denkt nicht mehr nach – bis sie auf einmal völlig normal sind.»

Sie hat mich ungläubig angeschaut und mir dann meinen Kaffee von der Tasse in einen Plastikbecher umgeschüttet. Geschirr dürfe man nicht aus dem Restaurant hinaus mitnehmen. Der Deckel müsse jedenfalls auf dem Becher draufbleiben, sonst bekäm ich mein Pfand nicht zurück. – So geschehen am vergangenen Donnerstag in der Kantine der Klinik Barmelweid bei Aarau.

Ich hab mich da gefragt: Was macht das mit einem Menschen, wenn er permanent gezwungen ist, widersinnige Anordnungen durchzusetzen? Wahrscheinlich läuft das ähnlich wie bei den Verkäuferinnen im Supermarkt, die den ganzen Tag mit Musik berieselt werden: «Ach, ich hör das schon gar nicht mehr.» – «Das sind nur die Bestimmungen»; oder die andere Version: «Ich bin verpflichtet, das zu verlangen / fragen / sagen.»

Natürlich ist sie als Angestellte dazu verpflichtet. Der Druck von oben ist gewaltig. Irgendwann erliegt man dem. – «Man»? Ja, das Durchschnitts-Man, das keinen eigenen Gegendruck aufbaut, Gegendruck durch ein Gewissen, das alle Pflichten und Gebote lebendig begleitet und ein äusseres Müssen mit einem inneren Sollen abgleicht.

So ein Gewissen will genährt sein, damit es stark bleibt. Sonst erschlafft es wie ein nichtbenutzter Muskel. In der Bibel hat das Gewissen (wörtlich: «das Mit-Wissen») den Namen Jesus Christus. Im Hebräerbrief heisst er der «Anker der Seele» (Kapitel 6, Vers 19). Das innere Zwiegespräch mit ihm gibt den Halt, der Seele wie Hirn vor dem Abstumpfen bewahrt und den eigenen freien Stand sichert.

Auf die Hausregeln hinweisen hätte mich die Dame trotzdem müssen, das ist klar. Aber es wären andere Worte gewesen, und es hätte sich ganz anders angefühlt, und zwar für beide: freundlicher, freier, in gewissem Sinn erhabener; einfach von Mensch zu Mensch.

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Lothar Mack stammt aus Oberfranken und lebt seit 1986 in der Schweiz. Nach seiner Ordination in der reformierten Kirche Baselstadt war er als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft auch an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf. Sein Ziel ist es, die gängigen Sackgassen von Spiritualität und Intellektualismus auf der einen und vordergründigem Moralismus auf der anderen Seite zu überwinden.

Denn «eine dritte Form, die hörende Kirche, wird die älteren Formen der Anbetung entlasten müssen»; Eugen Rosenstock-Huessy.

Lothar Mack – Stimme&Wort

Telegram-Kanal: @StimmeundWort

Website: www.stimme-und-wort.ch

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