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Chinas Neue Seidenstraße Teil III

Published On: 12. Dezember 2021 11:45

Der Myanmar-Korridor. China verfügt über keinen eigenen Zugang in den Indischen Ozean und auf dem Weg durch das Südchinesische Meer nach Europa und Afrika gibt es manche Engstelle, die ein chinesisches Schiff passieren muss. Da ist vor allem die Straße von Malakka, eine Meerenge, die im Konfliktfall von Chinas Gegnern leicht zu blockieren wäre. Darüber hinaus wird der Export von und nach China um zwei bis drei Wochen verkürzt, wenn die Güter von Myanmar aus verschifft werden. Myanmar nimmt im Rahmen der Neuen Seidenstraße (nachfolgend BRI) eine einzigartige geografische Position ein, da es an der Schnittstelle zwischen Südasien und Südostasien sowie zwischen dem Indischen Ozean und der südwestchinesischen Binnenprovinz Yunnan liegt. Von Marco Wenzel.



Zwar kann China in Pakistan bereits die Häfen von Gwadar und Karatschi nutzen und hat damit auch einen Zugang Indischen Ozean, die Häfen sind allerdings nur über die Karakorum-Fernstraße erreichbar. Diese 1300 km lange Fernstraße, die einzige Verbindung auf dem Landweg nach Pakistan, aber führt durch ein Gebiet, das von ständigen Erdrutschen, Überschwemmungen und sogar Erdbeben heimgesucht wird. Zudem ist der Karakorum Highway im Winter unpassierbar, die Straße führt durch die Ausläufer des Himalaya, teilweise in 5.000 Meter Höhe, in Sichtweite am Nangar Prabat vorbei, einem der höchsten Berge der Welt.

Damit bleibt Myanmar die einzige einigermaßen sichere Möglichkeit für China, sein gut ausgebautes Eisenbahnnetz mit den südostasiatischen Märkten zu verbinden. Wichtig ist dabei auch der Seeweg zum Hafen von Dschibouti und von da aus weiter entweder zu den Ländern Afrikas oder durch den Suez-Kanal zum Mittleren Osten und ins Mittelmeer nach Südeuropa (Piräus). Der China-Myanmar-Wirtschaftskorridor ist für China der vielleicht wichtigste Teil der Neuen Seidenstraße.

Seit den späten 1980er Jahren ist China bemüht, einen Landkorridor zu schaffen, der Yunnan über Myanmar mit dem Indischen Ozean verbindet, ursprünglich um die Wirtschaft der südwestlichen Provinzen Chinas anzukurbeln. Inzwischen hat der Korridor jedoch auch strategische Bedeutung erlangt, da er dazu beitragen wird, Chinas “Malakka-Dilemma” zu lösen: seine Abhängigkeit von der maritimen Engstelle in der Straße von Malakka.

Der Handelskorridor (CMEC)

Der CMEC reicht von der chinesischen Provinz Yunnan bis nach Mandalay in Zentral-Myanmar und erstreckt sich dann nach Süden bis Yangon und nach Westen bis zur geplanten Sonderwirtschaftszone Kyaukphyu im Bundesstaat Rakhine.

Der 1.200 Kilometer lange Abschnitt (davon 800 km durch Myanmar) Kyauphyu-Kunming verbindet Kunming, die Hauptstadt der chinesischen Provinz Yunnan, über Mandalay, mit Kyaukphyu am Indischen Ozean. Das Projekt würde China über Myanmar einen direkten Zugang zum Indischen Ozean verschaffen und die Umgehung der Straße von Malakka für chinesische Ölimporte ermöglichen.

Das Projekt umfasst den Ausbau des natürlichen Tiefseehafens von Kyauphyu mit einer Sonderwirtschaftszone sowie den Bau einer Eisenbahntrasse und einer Fernstraße parallel zu den sich bereits in Betrieb befindlichen Öl- und Gaspipelines.

Verlauf der Öl- und Gaspipelines:

Quelle: researchgate.net/figure/The-cross-border-China-Myanmar-oil-and-gas-pipeline-from-Kyaukpyu-to-Kunming-through_fig3_323760627

Bereits im Jahr 2005 hatte die China National Petroleum Company (CNPC) eine Vereinbarung mit der Regierung Myanmars über den Kauf von Erdgas aus Myanmar unterzeichnet. 2008 wurde ein weiterer Vertrag über den Kauf von Erdgas aus dem Shwe-Gasfeld im Golf von Bengalen mit einem von Daewoo International geführten Konsortium unterzeichnet. 2009 unterzeichneten China und Myanmar zusätzlich ein Abkommen über den Bau einer Erdgaspipeline und einer Rohölpipeline, die 2013 bzw. 2017 in Betrieb genommen wurden. Im Gegensatz zur Erdgaspipeline wird die Ölpipeline von einem Joint-Venture zwischen einer Tochterfirma der chinesischen CNPC und der myanmarischen MOGE betrieben. Vier parallel verlaufende Pipelines verbinden den Tiefseehafen von Kyaukphyu über die Grenzstadt Ruili mit Kunming in der chinesischen Provinz Yunnan. Das Erdgas wird auf der Ramree-Insel und das Erdöl auf der Insel Maday eingespeist. Finanziert wurden die Pipelines hauptsächlich über Kredite von der chinesischen Entwicklungsbank (1,5 Mrd. USD für die Öl- und 1 Mrd. USD für die Gaspipelines).

Das Gas kommt aus dem Shwe-Gasfeld vor der Küste des Rakhine-Staats, einer Verwaltungseinheit von Myanmar. Das Erdöl kommt vornehmlich aus dem Nahen Osten und aus Afrika und wird auf der Insel Maday von den Öltankern umgeladen und in die Pipelines eingeleitet. Der Rakhine-Staat, früher Arakan, ist auch der Heimatstaat der Rohingya, deren Verfolgung und Vertreibung durch das Militär 2017 die Welt erschütterte.

Die Pipelines versorgen aber nicht nur China mit Gas, sondern auch Haushalte und Industrien in Myanmar, darunter die Industriezonen Myingyan und Kyaukse in Mandalay. Die Erdgaspipeline transportiert jährlich 12 Milliarden m³ Erdgas nach China, die Ölpipeline 12 Millionen Tonnen Erdöl.

Neben dem Tiefseehafen haben chinesische Unternehmen und die koreanische Daewoo International Company mit dem Bau von Erdöl- und Erdgaslagerstätten und Gasraffinerieprojekten auf der Insel Maday und in Kyaukpyu begonnen. Der Bau einer Sonderwirtschaftszone in Kyaukpyu sowie die Eisenbahntrasse und die Fernstraße wurden zwischenzeitlich auf Eis gelegt. Keines der Projekte, die ursprünglich mit Thein Sein, dem Ministerpräsidenten der Militärregierung, vereinbart worden waren und die mit 9 bis 10 Milliarden USD veranschlagt worden waren, wurde von der NLD-Regierung von Suu Kyi, die 2016 ins Amt kam, in die Umsetzungsphase gebracht, da sie aufgrund von Bedenken über die kommerzielle Durchführbarkeit und ihre sozialen und ökologischen Auswirkungen noch sorgfältig geprüft werden sollten. Die von Aung Suu Kyi geführte NLD-Regierung ging mit den BRI-Projekten vorsichtiger, sorgfältiger und auch verantwortungsbewusster um, was aber keinesfalls heißen will, dass sie ihnen ablehnend gegenüberstand. In der Tat wird das Projekt, eine Zivilregierung vorausgesetzt, dem Land durchaus auch Vorteile bringen.

Bei einem Treffen im November 2017 zwischen der Staatsrätin Aung Suu Kyi und dem chinesischen Außenminister wurde der Bau eines gemeinsamen Wirtschaftskorridors CMEC (China-Myanmar Economic Corridor) beschlossen. Aung San Suu Kyi und Xi Jinping erzielten im April 2018 eine Einigung über die Eigentumsverhältnisse am Hafenprojekt, nachdem CITIC zugestimmt hatte, seinen Anteil von 85 Prozent auf 70 Prozent zu senken. Beide Seiten einigten sich darauf, das ursprüngliche Projekt in einem geringeren Umfang zu beginnen, nachdem Myanmar Bedenken geäußert hatte, das Land könne in eine Schuldenfalle geraten. Die erste Phase des Hafenausbaus wird etwa 1,5 Milliarden Dollar USD kosten. Die Eisenbahnlinie und die Fernstraße sind nun auch wieder im Gespräch. Im Oktober 2018 unterzeichneten die China Railway Eryuan Engineering Group (China Railway Group Ltd) (CREEG) und Myanmar Railways eine Absichtserklärung zur Durchführung einer Machbarkeitsstudie. Mandalay, die zweitgrößte Stadt Myanmars und traditionelles Drehkreuz für den Handel mit China, würde hierbei als Zwischenstation dienen, bis jetzt ist aber sonst noch nicht viel passiert. Auch für die geplante Sonderwirtschaftszone wurde eine neue Machbarkeitsstudie beschlossen. Die Eigentumsverhältnisse in der SWZ müssen noch endgültig geklärt werden.

In dieser vorsichtigen Haltung der NLD eine Abkehr von China und eine Zuwendung hin zu den USA zu sehen, wie manche Kritiker es darstellen wollen, ist weit hergeholt und entspricht nicht den Beweggründen von Suu Kyi und ihrer Regierung. Diese unterhielt in den 5 Jahren, die sie im Amt war, stets gute Beziehungen zur Volksrepublik China, ohne sich jedoch ausschließlich an sie binden zu wollen, eine durchaus rationelle und verständliche Haltung.

China als Importeur von Öl und Gas

China war noch bis in die 1990er Jahre Energieselbstversorger und exportierte sogar Erdöl. Die Situation hat sich inzwischen grundlegend geändert. Bedingt durch das enorme Wirtschaftswachstum über die letzten vier Jahrzehnte benötigt China heute mehr Erdöl und Erdgas, als es selber fördern kann. China verbraucht zurzeit etwa 620 Millionen Tonnen Erdöl pro Jahr, davon muss es mehr als 200 Millionen Tonnen importieren, etwa 30% seines Verbrauchs. Bei Erdgas sieht es ähnlich aus, China importiert etwa 45% seines Verbrauchs von etwa 300 Milliarden m³, geschätzte 130 Milliarden m³ pro Jahr.

Die vier Pipelines aus Myanmar leiten 12 Millionen Tonnen Erdöl und 12 Milliarden m³ Erdgas pro Jahr nach China durch. Das sind 6% respektive 9% seiner Gesamtimporte an Erdöl und Erdgas. 80% von Chinas Öleinfuhren müssen per Schiff durch die Straße von Malakka. Der Weg über Myanmar ist nicht nur kürzer, schneller und kostensparender, sondern auch sicherer. Zumindest so lange, wie Myanmar China freundlich gesinnt bleibt. Für China sind die Pipelines strategisch wichtig: Zwar decken die Pipelines nur einen kleinen Anteil des Bedarfs, erweitern aber den Kreis der Lieferanten.

Karte unten: Schwarz: der Seeweg durch die Straße von Malakka, rot: der Landweg Kyauphyu-Kunming

Die Verbindung zwischen Kunming und Kyauphyu ist jedoch nicht das einzige Projekt im Rahmen der Neuen Seidenstraße und des CMEC. Neben der oben bereits erwähnten 1.200 km langen Eisenbahntrasse und der Fernstraße parallel zu den Pipelines sowie dem Ausbau des Tiefseehafens von Kyauphyu samt Sonderwirtschaftszone sind noch der Bau von Elektrizitätswerken zur Stromversorgung, Erdöl- und Erdgas-Lagerstätten sowie Ölraffinerien geplant. Die Sonderwirtschaftszone soll auf einem 4.300 Hektar großen Gelände errichtet werden, das sich über neun Dorfgebiete erstreckt. Der Tiefseehafen wird zwei Tiefwasserliegeplätze umfassen, während die Industriezone Bekleidungs- und Textilfabriken, Produktionsstätten, Banken und Erholungszentren umfassen soll.

Der Hafen von Kyaukpyu und die Sonderwirtschaftszone (SWZ) sind eines von drei großen Hafenprojekten in Myanmar. Daneben gibt es noch das Thilawa-Projekt, der Ausbau des Hafens von Rangun, und das Dawei-Projekt im Südosten am Dawei-Fluss, nahe der thailändischen Grenze.

Ein anderes wichtiges BRI-Projekt in Myanmar ist das 1,5 Mrd. USD teure New-Yangon-City-Projekt am Westufer des Rangun-Flusses. Das geplante 20.000 Hektar große Projekt soll doppelt so groß werden wie Singapur.

An der nordöstlichen Grenze zu China sollen, neben Kyauphyui im Westen, drei weitere Sonderwirtschaftszonen entstehen. Das Parlament des Kachin-Staates billigte bereits den Vorschlag zur Umsetzung eines von China unterstützten 22,4 Millionen USD teuren Business-Park-Projekts in der Grenzstadt Kanpiketi. Kanpiketi soll mit der Huaqiao-Wirtschaftszone auf der anderen Seite der Grenze in Yunnan verbunden werden.

Auch in Muse, dem Durchgangspunkt der Pipelines nach China, soll eine Sonderwirtschaftszone entstehen. Ruili auf der chinesischen Seite ist bereits heute ein wichtiger Umschlagplatz für Güter aus Myanmar, insbesondere Jade. Von Kunming aus wurde bereits eine Eisenbahnlinie nach Ruili gebaut.

Eine andere vor kurzem von China fertiggestellte Bahnlinie an die Grenze zu Myanmar führt von Chengdu, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Sichuan, nach Lincang in der Provinz Yunnan, gegenüber der Stadt Chinshwehaw im Shan-Staat von Myanmar. Auch dort ist eine Sonderwirtschaftszone geplant. Ein Anschluss an das Eisenbahnnetz von Myanmar nach dem keine 150 km entfernten Lashio, dem Endpunkt einer Eisenbahnverbindung nach Rangun, wäre leicht zu bewerkstelligen.

Quelle: the third pole

Gegenbewegung und Proteste

Die Militärjunta in Myanmar ist international geächtet und bewegt sich deshalb notgedrungen immer mehr auf China als einer der einzigen ihr noch verbliebenen Verbündeten zu. Und obwohl China offiziell „nicht glücklich“ über den Putsch ist, setzt Peking weiterhin auf die Junta und blockiert insbesondere im UN-Sicherheitsrat jede Resolution, die den Putsch verurteilt und zu Maßnahmen gegen die Machthaber in Myanmar führen könnte. Dieses mit der Begründung, der Putsch sei bloß eine „Kabinettsumbildung“ gewesen und überhaupt sei der Putsch eine „interne Angelegenheit“ Myanmars.

Zwar fährt China, wie bisher immer, zweigleisig und unterstützt inoffiziell noch seine Verbündeten unter den ethnischen Gruppen an der Grenze, die zu den Waffen gegriffen und zum Sturz der Junta aufgerufen haben, aber China hat sich durch seine Haltung den Unmut des überwiegenden Teils der Bevölkerung zugezogen. Die lauwarmen Erklärungen Chinas und seine Unterstützung der Junta haben vor Ort die Wut gegen China angefacht. In den sozialen Medien wurde gedroht, wenn China den Militärputsch weiterhin als eine „interne Angelegenheit Myanmars“ sehe, dann sei auch die Sprengung der Pipelines eine interne Angelegenheit Myanmars. Was wiederum Peking dazu bewog, eine Delegation zur Putschistenregierung nach Naypyidaw zu entsenden, um die Junta dazu zu drängen, die Pipelines besser zu schützen. China schien mehr um seine Energieversorgung besorgt als um das Leben der Demonstranten.

Die Junta und China scheinen aber weiterhin entschlossen, die Projekte trotz allem weiter zu treiben. Die Junta braucht dringend Geld und internationale Anerkennung und beides ist nur noch über eine verstärkte Zusammenarbeit mit China zu bekommen. Andere Investoren ziehen sich aus dem Land zurück, nur Russland bleibt neben China noch an seiner Seite. Aber Russland ist hauptsächlich an Waffengeschäften mit der Junta interessiert. Russland lieg weit weg und hat keine gemeinsame Grenze mit Myanmar. Die Junta steht alleine da und mit dem Rücken zur Wand. China ist seine letzte Hoffnung.

Im Bundesstaat Rakhine (Arakan) werden Öl und Gas gefördert. Im Kachin-Staat werden Gold und Jade abgebaut. Die Wälder sind reich an Edelhölzern, die illegal geschlagen werden. Die Ressourcen werden entweder vom Militär selber abgebaut oder über Konzessionen an ihre Kumpane, oft Familienangehörige der Generäle.

Die Bevölkerung aber leidet unter Armut und sieht nur sehr wenig von den Vorteilen, die ihre natürlichen Ressourcen ihnen bieten sollten. Während das Militär die Öl- und Gasvorkommen ins Ausland verkauft, gibt es in weiten Teilen von Myanmar keinen Strom. Die Bevölkerung nutzt Kerzen zur Beleuchtung und kocht mit Brennholz. Und in den Städten fällt oft der Strom aus.

Bereits der Bau der Pipelines war von Protesten begleitet. Die chinesische CNPC leitet das Projekt zum Bau des Tiefseehafens Maday Island, an dem weitere chinesische und myanmarische Unternehmen unter seiner Leitung beteiligt sind. Fünf Berge auf der Insel Maday wurden bereits abgetragen und viele Grundstücke wurden beschlagnahmt. Betroffen davon sind rund 2.400 Bewohner von sechs Dörfern. Die Öffentlichkeit wurde nicht konsultiert und über die Auswirkungen des Projektes informiert. Die Einwohner von Kyaukpyu klagten darüber, dass die Behörden nichts oder viel zu wenig für das beschlagnahmte Ackerland bezahlten. Die Fischerei, eine der wichtigsten Nahrungs- und Einkommensquellen der Küstenbewohner von Rakhine, wurde beeinträchtigt, weil das Militär zum Schutz der Gasfelder ein Sperrgebiet einrichtete und sie nicht mehr dort fischen dürfen. Die Umwelt wurde verschandelt, weil die Unternehmen Bauabfälle, darunter auch giftige Chemikalien, in unverantwortlicher Weise entsorgten und das Ackerland verunreinigten. Proteste oder Klagen gegen die damalige Militärdiktatur waren jedoch zum Scheitern verurteilt. Nur im Shan-Staat musste der Bau der Pipelines wegen des Widerstandes der Bevölkerung mehrmals unterbrochen werden.

Erst nachdem die NLD 2016 zusammen mit dem Militär eine neue Regierung bildete, konnten sich die von den Projekten betroffenen Einwohner wenigstens einigermaßen Gehör verschaffen. Manche Betroffene entlang der Pipelines begannen in ihren Dörfern zu demonstrieren, was unter dem vorherigen Regime unvorstellbar gewesen wäre. Die Regierung begann, die Projekte genauer auf ihre wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen zu untersuchen. Die meisten Projekte verzögerten sich dadurch, China suchte den Kontakt zur neuen Regierung, um die Umsetzung erneut auszuhandeln.

Nach dem Putsch ist wieder alles beim Alten, die Militärjunta scheint aus Geldnot alles daran zu legen, die BRI-Projekte jetzt besonders schnell durchzusetzen. Sie will alle internationalen Projekte mit Hilfe eines jeden Investors, der bereit ist, in Myanmar zu investieren, vorantreiben, um Myanmars desolate Wirtschaft wieder zu beleben. Aber wer, außer China, möchte in der jetzigen Situation schon in Myanmar investieren? Viele ausländische Firmen machen gerade zu und ziehen sich aus Myanmar zurück. Die Junta ist zunehmend isoliert.

Die Junta versucht im Stillen, den Weg für die Umsetzung der BRI-Projekte zu ebnen. Und auch Peking drängt darauf, die Projekte zu beschleunigen. Sofort nach dem Putsch reorganisierte die Militärdiktatur die Komitees, die für die Umsetzung der BRI-Projekte zuständig sind. Dort sitzen jetzt nur noch Militärs. Bedenken von Umweltschutzorganisationen oder lokalen Gemeinden spielen keine Rolle mehr.

Wirtschaftshilfe für die Diktatur

Allein der Verkauf von Gas bringt der Junta jährlich schätzungsweise 1,2 Milliarden US-Dollar ein. Das geschieht teils über Steuern, vor allem aber über Beteiligungen, die das staatseigene Unternehmen Myanmar Oil and Gas Enterprise (MOGE) hält. Seit dem Putsch untersteht MOGE wieder direkt dem Militär. Das Geld, das die MOGE einkassiert, dient der Finanzierung des Militärs und der Niederschlagung der Proteste. 40% der Staatseinnahmen gehen direkt ans Militär. Die Gasfelder sind die größte Einkommensquelle der Diktatur. Deshalb fordern die NUG und die Demonstranten, dass die französische Total, die US-amerikanische Chevron sowie Posco und Petronas, die das Gas fördern, ihre Zahlungen an die Junta sofort einstellen. Milliarden sind bereits auf Konten in Singapur verschwunden. Die Devisen aus Gasverkäufen tragen dazu bei, dass sich die Militärjunta an der Macht halten kann.

Auch der illegale Abbau von seltenen Erden hat seit dem Putsch zugenommen. Myanmar ist Chinas größter Lieferant an seltenen Erden, seit dem Putsch hat China die Förderung im eigenen Land drastisch reduziert und die damit verbundenen Umweltprobleme nach Myanmar ausgelagert. Die Junta sorgt dafür, dass es keine Proteste gegen die Umweltvergiftung in der lokalen Bevölkerung gibt. Seit dem Putsch sind auch wieder riesige Lastwagen unterwegs, die frisch geschlagenes Holz über die chinesische Grenze nach Ruili bringen. Und auch der illegale Abbau von Jade hat zugenommen. Die Junta versucht, die durch Boykottmaßnahmen und Streiks der Putschgegner sowie durch Sanktionen aus dem Ausland und dem Rückzug von ausländischen Firmen verursachten fehlenden Staatseinnahmen zu kompensieren, indem sie alles verkauft, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Untergrundregierung NUG hat bereits alle davor gewarnt, Geschäfte mit der Junta zu machen, und mit Konsequenzen dafür nach dem Sturz der Militärdiktatur gedroht.

Kritik

Die einseitige Unterstützung der Militärjunta ist ein Schuss, der für China nach hinten losgehen könnte. China diskreditiert sich auf internationaler Ebene durch die Unterstützung einer Junta, die weltweit als Paria gilt und der sogar die UNO die Anerkennung verweigert. Die Bevölkerung von Myanmar wird China die Unterstützung der Junta nicht vergessen, sogar die ethnische chinesische Gemeinschaft in Rangun hat öffentlich erklärt, dass sie die Anti-Coup-Bewegung unterstützt und nichts mit der VR China zu tun haben möchte. Wegen der Zusammenarbeit mit der Militärdiktatur und seinen Unternehmen wird China vorgeworfen, hauptsächlich an der Ausbeutung von Myanmars natürlichen Ressourcen und seiner geostrategischen Lage interessiert zu sein und Geschäfte um jeden Preis, ohne Rücksicht auf die Situation der einheimischen Bevölkerung, zu tätigen. Peking wird, wenn es der Untergrundregierung NUG gelingt, die Junta zu stürzen und eine neue föderative Republik Myanmar auszurufen, wahrscheinlich ganz schlechte Karten in Myanmar haben.

Die Militärjunta ist besonders bei Waffengeschäften von China abhängig. 75 % aller Waffenlieferungen kommen aus China. Und China liefert alles, was die Junta bestellt, darunter auch Jagdbomber, die die Militärdiktatur gegen die Bevölkerung einsetzt und ganze Dörfer bombardiert, wenn sie dort Aufständische vermutet. Myanmar wird nicht von seinen Nachbarländern bedroht, kein Land will Myanmar überfallen, allein nur die Junta wird von den Putschgegnern bedroht. Trotzdem gehen 40% seiner Staatseinnahmen fürs Militär und für „Verteidigung“ drauf. Würde China sich konsequent an seine eigene Doktrin halten, sich nicht in die internen Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen, dann müsste es zumindest seine Waffenlieferungen an das Militär sofort einstellen.

Seit dem Staatsstreich hat das Regime mehr als 1.300 Oppositionelle getötet. Erst am Sonntag raste ein Auto des Militärs absichtlich von hinten in eine Gruppe von Demonstranten, wobei fünf Menschen getötet wurden. Anschließend verhaftete das Militär die Zeugen. Die Junta verfolgt die Mitglieder der NLD und überfällt ihre Büros. Zahlreiche Parteimitglieder sind untergetaucht, nachdem das Regime Haftbefehle gegen sie erlassen hat, fast alle Parteiführer und Mitglieder des Zentralen Exekutivkomitees der NLD sind verhaftet und mindestens 12 von ihnen sind in der Haft getötet worden. Aung Suu Kyi und der frühere Staatspräsident Win Myint sind seit dem Putsch im Gefängnis und werden mit immer abstruseren Anklagen überhäuft.

Die Junta wirft der NLD nach ihrem erdrutschartigen Sieg im November 2020 Wahlfälschung vor und hat die Wahlen annulliert. Eine von der Junta nach dem Putsch eingesetzte Wahlkommission Myanmars wurde angewiesen, Klage gegen die Leiter und Mitglieder der Wahlkommission von 2020 zu erheben. Es ist bisher nicht bekannt, wofür die Beamten angeklagt werden, der Vorsitzende der ehemaligen Wahlkommission sitzt zusammen mit zwei weiteren Mitgliedern bereits im Gefängnis.

China aber scheint gewillt, der Militärjunta im Austausch gegen wirtschaftliche Einflussnahme und geostrategische Vorteile diplomatischen Schutz zu gewähren. Alle Resolutionen gegen die Junta im UN-Sicherheitsrat scheiterten bisher am Doppelveto Russlands und Chinas. China scheint zu glauben, dass das Regime die Krise kontrollieren kann, und hofft, dass bald Stabilität zurückkehren wird. Sowohl Peking als auch chinesische Firmen halten weiterhin den Kontakt mit den von der Junta eingesetzten Beamten und besprechen, wie die anvisierten Projekte umgesetzt werden können.

Aber Peking ist andererseits auch unzufrieden mit den Ereignissen in Myanmar und es gibt erste Anzeichen dafür, dass China zunehmend Abstand von der Junta nimmt, die die Lage im Land nach 10 Monaten immer noch nicht unter Kontrolle hat. China hätte es wahrscheinlich vorgezogen, weiter mit der abgesetzten Regierung zusammenzuarbeiten. Chinas Versuch, eine Junta zu legitimieren, der Gräueltaten bis hin zu Völkermord vorgeworfen werden, stellt auch für die ASEAN ein Problem dar. Zu den letzten gemeinsamen Sitzungen der ASEAN wurden Vertreter der Militärjunta, entgegen Chinas Willen, bereits nicht mehr eingeladen. Angesichts der Intensität der Anti-China-Stimmung in Myanmar wäre es auch für Peking besser, seine weitere Zusammenarbeit mit dem Regime einzustellen. „Die Menschen in Myanmar werden keine Versuche dulden, dem Regime Legitimität zu verschaffen oder BRI-Projekte zu starten, um die Taschen der Generäle zu füllen“, und „jeder Versuch, von China unterstützte Projekte zu starten, wird auf den heftigen Widerstand der Bevölkerung Myanmars stoßen“, heißt es aus der Widerstandsbewegung.

Schlussbemerkung

Chinas Investitionen in anderen Länder folgen den Erfordernissen seiner eigenen Entwicklung. Oft, aber nicht immer, verlaufen sie zum beiderseitigen Vorteil.

Xi Jinping schlug die Neue Seidenstraße vor, um Chinas Überkapazitäten durch Exporte auszugleichen, China sucht nach neuen Märkten.

In Zeiten einer drohenden Klimakatastrophe stellt sich jedoch die Frage, inwieweit ein erweiterter internationaler Handel mit langen und damit notgedrungenermaßen klimaschädlichen Transportwegen überhaupt noch ein zukunftsweisendes Projekt sein kann. Aus Sicht des Umweltschutzes jedenfalls ist es sinnvoller, zukünftig lokale und regionale Produkte zu fördern als weltumspannenden Handel. Der Transport von Handelsgütern ist enorm CO2-intensiv.

Auch scheint China Sozialismus und gemeinsamen Wohlstand nur im eigenen Land anzustreben. Das Wohlergehen der Arbeiter und der Bevölkerung in anderen Ländern dagegen scheint China weniger am Herzen zu liegen. Längst vorbei ist die Zeit, wo China vor allem die Revolution und den Sozialismus exportieren wollte. Hier müsste China bei seinen internationalen Projekten unbedingt mehr Verantwortung über die sozialen und ökologischen Folgen seiner Projekte in den Vertragsländern an den Tag legen.

Was Myanmar anbelangt, so stellt sich die Frage, wie lange Chinas Regierung und chinesische Firmen weiterhin bereit sind, Investitionen in Myanmar zu tätigen, während das Land im Chaos versinkt. Die wachsende antichinesische Stimmung für seine Geschäfte mit der Junta könnte alle Investitionen dort bald zunichte machen. Am Ende wird China möglicherweise so doch nicht den erhofften Zugang zu den südostasiatischen Häfen erhalten, den es sich so lange gewünscht hat.

Titelbild: Lightboxx/shutterstock.com

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