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Wollt ihr auch uns wegen Verharmlosung der Shoah anklagen? | Von und mit Andrea Drescher

Published On: 19. Februar 2022 13:01

Im Jahre 1992 wurde in Österreich mit dem neuen § 3h des Verbotsgesetzes die Leugnung, Verharmlosung, Gutheißung und Rechtfertigung des „nationalsozialistischen Völkermordes oder anderer nationalsozialistischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verboten, wenn dies „in einem Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen Medium oder […] sonst öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird“ geschieht. Das Strafmaß dafür beträgt 1 bis 10 Jahre Freiheitsstrafe, bei besonderer Gefährlichkeit bis zu 20 Jahre.

Vergleicht man die heutige politische Entwicklung mit der Zeit des Nationalsozialismus – z.B. die Ausgrenzung von Juden und Ungeimpften –, gilt das als Gleichsetzung und damit als Relativierung bzw. Verharmlosung dieser Verbrechen. In Österreich ist das also strafrechtlich relevant und auch in Deutschland ziehen derartige Vergleiche inzwischen Anzeigen nach sich. Welche Folgen hat das? Will man die Menschen zum Schweigen bringen? Und was, wenn Nachgeborene der Shoah-Überlebenden diesen Vergleich anstellen? Will man auch denen unterstellen, die Shoah zu leugnen? Diese Fragen beantworten mehrere Betroffene offen und eindeutig im Interview.

Ein Beitrag von und mit Andrea Drescher.

Ein Freund aus dem jüdischen Studentenverband in Frankfurt sagte mir Anfang der 80er Jahre: „Das 1000-jährige Reich lebt in den Kindern der Opfer weiter.“ Die ganze Tragweite dieses Satzes wurde mir aufgrund meiner Panik-Reaktionen erst beim 1. Lockdown 2020 wirklich bewusst, da ich mich sofort in die Vergangenheit meiner Mutter zurückversetzt fühlte.

In Österreich ist es aber aufgrund des Verbotsgesetzes nicht erlaubt, irgendeinen Vergleich in dieser Hinsicht zu ziehen, ohne zu riskieren, vor Gericht gestellt und verurteilt zu werden, weil man damit die Shoah verunglimpfen oder leugnen könne. Ein Schicksal, das beispielsweise Dr. Jaroslav Belsky ereilt hat.

Die Shoah zu verunglimpfen oder gar zu leugnen ist für Menschen, deren Angehörige die Shoah überlebt haben, ein unfassbarer Gedanke. Es ist aber gerade für Nachgeborene der Shoah-Überlebenden eine Selbstverständlichkeit, Diktaturen, die eine Shoah erst möglich gemacht haben, zu verhindern. Der Blick von Menschen, die von Shoah-Überlebenden erzogen wurden, ist vermutlich auch in Hinsicht auf die Anfänge wie Diskriminierung oder Ausgrenzung geschärft. Das sind nur zwei von vielen Aspekten, die dazu geführt haben, dass es damals erst so weit kommen konnte.

In Österreich ist es verboten, diesen Vergleich zu ziehen. Wie kann man aber besser vor diesen Anfängen warnen, als die Parallelen zu den Anfängen von damals aufzuzeigen? Ist es also in Österreich verboten, den Anfängen zu wehren, wenn man für den Vergleich für bis zu 10 Jahre ins Gefängnis gesteckt werden kann? Eine Frage, die sich jeder selbst beantworten muss.

Menschen, deren Familien die Shoah durchleben mussten, sind daher nicht bereit, sich ihren Blick auf die Jetzt-Zeit und den aus ihrer Sicht dringend notwendigen Vergleich verbieten zu lassen. Einige dieser Menschen kommen hier zu Wort.

Alle Gesprächspartner haben deutlich gemacht, dass es nicht darum geht, den industriellen Massenmord der Nazis mit der heutigen Zeit zu vergleichen. Allen ist es ein Anliegen, den Anfängen zu wehren, und die Anfänge sind für uns alle mehr als deutlich erkennbar.

Ein Holocaust-Opfer kommt zu Wort

Man darf aber die Deutungshoheit, was Wiederbetätigung ist, nicht jenen überlassen, die daraus politisches Kleingeld machen. Als Erstes sollte man jene zu Wort kommen lassen, die unter diesem Menschheitsverbrechen gelitten haben. Daher soll Vera Sharav, eine der wenigen noch Überlebenden der Shoah, zitiert werden, die das, was alle Gesprächspartner vorantreibt, in klaren Worten ausdrückt.

Auf ihrer Webseite findet man ihre gesamte Arbeit, mehrere Interviews und Pressekonferenzen, die die engagierte alte Dame in den letzten Monaten gegeben hat. So sagte sie im Januar 2022 in Brüssel:

„Ich bin im Wesentlichen hier, das anzusprechen, was anderen sofort das Label ‚Neonazi‘ einbringt. Ich denke, man kann mich nicht als Neonazi bezeichnen. Aber ich möchte die historische Perspektive ansprechen. Die Geschichte ist sehr relevant für das, was heute vor sich geht, und in vielerlei Hinsicht ist sie eine Parallele und wiederholt sich.

Eine der wichtigsten Parallelen ist äußerst beunruhigend: die totale Kollaboration des medizinischen Establishments.

[…] Denken Sie klar darüber nach: Gehorsam zu sein bedeutet, dass man Sie zum Schlachthof bringt. Diesmal werden sie keine Gaskammern brauchen. Die Technologie ist viel ausgefeilter und viel gefährlicher. Denn sie können alles aus der Ferne machen, ohne dass die Menschen überhaupt wissen, was passiert. Deshalb sage ich: Bitte wacht auf und weckt eure Nachbarn auf. Lasst nicht zu, dass es wieder geschieht.“

Die Sicht der Nachgeborenen

Können Sie sich bitte kurz vorstellen?

Magdalena S.-Bloch-Blaustein: Mein Name ist Magdalena S., Familienname Bloch-Blaustein. Ich werde in ein paar Tagen 52 Jahre alt und bin in Polen geboren. Ursprünglich stammt meine Familie aus Lemberg in der Ukraine. Ich bin Kauffrau und wohne zurzeit in Deutschland.

Erhard Brunner: Mein Name ist Erhard Brunner, ich bin 59 Jahre alt und von Beruf Rezeptionist.

Elias Davidsson: Meine Name ist Elias Davidsson.

Andrea Drescher: Mein Name ist Andrea Drescher. Ich bin 60 Jahre alt, lebe seit Jahren in Österreich und bin Unternehmensberaterin, Informatikerin, Selbstversorgerin, Friedensaktivistin, Journalistin sowie seit meiner Jugend überzeugte Antifaschistin.

Robert Fürnberg: Mein Name ist Robert Fürnberg, ich bin 1959 in Wien geboren und von Beruf Unternehmer.

Ruth Fürnberg: Ich heiße Ruth Fürnberg und bin 58 Jahre alt. In der jetzigen politischen, gesellschaftlichen Situation kommt mir sehr deutlich wieder in Erinnerung, was ich von meinen Eltern erzählt bekommen habe.

Eva Maria Neubauer: Mein Name ist Eva Maria Neubauer. Ich bin in Wien zuhause und arbeite als Schauspielerin und Sängerin.

Helga Reiter: Ich heiße Helga Reiter, bin aus Wien und bin 57 Jahre alt.

Sie kritisieren die aktuellen Corona-Maßnahmen. Können Sie bitte kurz etwas über Ihren familiären Hintergrund sagen?

Magdalena S.-Bloch-Blaustein: Meine Familie ist jüdisch. Die gesamte Familie außer meiner Oma wurde während des Holocaust ermordet. Ich habe viele Nachforschungen zu diesem Thema getätigt, war in Yad Vashem, Jerusalem, und in verschiedenen Archiven in Lemberg, Warschau und Krakau. Ich habe nach der Wahrheit gesucht, wer von meiner Familie ermordet wurde und wo. Ich habe zahlreiche Unterlagen gefunden und zugeschickt bekommen. Ich war erschüttert, je mehr Unterlagen ich bekommen habe und mich mit dieser Geschichte umso tiefer auseinandergesetzt habe.

Erhard Brunner: Ich bin Halbjude. Meine Eltern mütterlicherseits waren assimilierte Juden, mein Urgroßonkel war Rabbiner in Wien. Meine Urgroßeltern sind alle zum Teil geflüchtet nach Israel oder vorher schon gestorben. Es hat auch eine sogenannte geschützte Ehe gegeben, das wissen aber die wenigsten Leute.

Elias Davidsson: Ich bin 1941 in Palästina geboren. Meine jüdischen Eltern kamen aus Deutschland. Ich habe Familie in Israel.

Andrea Drescher: Meine Großeltern, meine Mutter und ihr Bruder waren in Bergen-Belsen. Sie sind als Juden 1943 ins KZ gekommen und haben das KZ eben noch lebend verlassen. Ich bin zwar nicht religiös, aber da meine Mutter eine Jüdin war, bin ich nach halachischem Gesetz selbst Jüdin. Ich lebe aber die Religion nicht aus.

Robert Fürnberg: Ich bin seit März 2020 Kritiker der Maßnahmen. Mein Familienhintergrund ist, dass mein Vater einer der Auschwitz-Überlebenden, einer der jüngsten Burschen von Birkenau war. Und jetzt gehe ich seit über einem Jahr auf Demonstrationen, von denen ständig vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk berichtet wurde, dass nur Rechte und Nazis unterwegs seien.

Ruth Fürnberg: Nun, mein Vater ist Auschwitz-Überlebender, der eigentlich, obwohl er eine Familie gegründet hat, ein sehr trauriges Leben führte. Er kam von diesem Ort nie weg.

Eva Maria Neubauer: Väterlicherseits ist meine Herkunft jüdisch. Meine Verwandten und Ahnen wurden in der Zeit des Nationalsozialismus teilweise verfolgt, enteignet und konnten teilweise fliehen. Manche haben es auch einfach nicht geschafft.

Helga Reiter: Mein Vater und meine Großmutter sind Holocaust-Überlebende. Sie wurden durch die Heirat mit meinem Großvater, der kein Jude war, geschützt, aber nur zum Teil. Er hat im Widerstand gearbeitet und im Widerstand gekämpft, wurde dementsprechend immer wieder von der Gestapo geholt und meine Großmutter musste sich mit meinem Vater verstecken. Sie ist die einzige Überlebende ihrer engsten Familie. Ihre Cousinen sind in Theresienstadt umgekommen, die Schwester wurde im Minsker KZ ermordet. Ihr Bruder starb in Mauthausen und der Rest in Dachau. Sie war also wirklich die einzige. 1991 ist auch sie gestorben, war ein 1905er Jahrgang.

Wie fühlt man sich bei diesem Hintergrund, wenn man von der Linken, der Antifa, den Mainstream-Medien und den Politikern als „Rechtsradikaler“, „Nazi“ oder „Antisemit“ bezeichnet wird?

Magdalena S.-Bloch-Blaustein: Ich wurde noch nie als Nazi bezeichnet. Diese Erfahrungen habe ich noch nie machen müssen. Ich höre aber immer wieder die Bezeichnung Antisemitismus und ich finde es lächerlich, wenn ich mich bei so sensiblen Themen äußere und dann als stolze Jüdin als Antisemit bezeichnet werde.

Erhard Brunner: Das ist eine Frechheit. Ich glaube, die sind nicht einmal so dumm. Ich glaube, die stellen sich dumm. Das sind selber getarnte Antisemiten. So dumm kann man nicht sein.

Elias Davidsson: Traurig wegen der Dummheit dieser „Linken“.

Andrea Drescher: Dieses Vergnügen habe ich schon seit 2014. Im Rahmen der Friedens-Mahnwachen waren wir damals schon „Nazis“ und „Antisemiten“. Es ist abstrus, ein Mittel der Propaganda, und ich bin einfach nur entsetzt, welches Ausmaß das jetzt angenommen hat.

Robert Fürnberg: Am Anfang haben sie versucht dieses Framing durchzusetzen, aber sie sind damit nicht durchgekommen. Ich habe mich am Anfang eher belustigt gefühlt, weil meine Sozialisierung seit 1970 die Geschichte meiner Eltern ist. Also ich habe mich nicht betroffen gefühlt, ich war nur neugierig und bin seitdem zu jeder Demo gegangen. Unter 100.000 habe ich sicher 1 bis 2 Nazis gesehen.

Ruth Fürnberg: Ich fühle mich bestärkt in der Annahme, dass hier wieder ein ganz übles Propaganda-Regime am Werk ist.

Eva Maria Neubauer: Ja, das ist sehr interessant. Das empfinde ich als völlig abstrus oder unangemessen, weil nichts ferner liegt als das. Diese Umdeutung, Verdrehung und Unterstellung – da habe ich das Gefühl, das ist teilweise beabsichtigt, weil es ein Totschlag-Argument ist und einen zum Schweigen bringen soll. Es ist interessant, wie das alles verdreht wird und diejenigen, die auf „niemals vergessen“ hinweisen, abgestempelt werden.

Helga Reiter: Fassungslos, am Anfang fassungslos. Ich dachte mir, die können nicht mich meinen. Das ist ja völlig aus der Luft gegriffen. Und dann ist eben die Phase der Fassungslosigkeit durch wütend sein abgelöst worden. Wenn ich in Diskussionen mit Linken, die mich so bezeichneten, diskutiert habe, sind die meinen Argumenten nicht nähergekommen und haben abgeblockt. Das hat mich eigentlich am meisten wütend gemacht.

Viele Demonstranten vergleichen die damalige Zeit mit der heutigen. Ist das aus Ihrer Sicht eine Verharmlosung der Shoah?

Magdalena S.-Bloch-Blaustein: Absolut nicht, das ist sehr zutreffend. Ich habe sehr früh und sehr ausführlich mit meiner Oma über diese Zeit gesprochen. Sie sagte immer, es hat nicht sofort mit den Gaskammern angefangen. Es kam alles sehr schleichend und niemand hat vermutet, dass es so weit kommt, wie es gekommen ist. Es kam alles nach und nach und das ist genau das, was jetzt passiert.

Erhard Brunner: Nein, nicht unbedingt. Die Verharmlosung findet zum Teil von Politikern und Medien, die uns als Nazis beschimpfen, statt. Die verharmlosen den Nationalsozialismus deutlich.

Elias Davidsson: „Vergleich“ bedeutet immer eine Betrachtung von zwei oder mehreren unterschiedlichen Sachverhalten und die Hervorhebung der Ähnlichkeiten und der Differenzen. Der Begriff „Shoah“ ist unpräzise. Geht es hier nur um die Ausrottung der Juden? Wenn ja, kenne ich niemanden, der die heutigen Umstände mit der Ausrottung der Juden vergleicht. Wenn aber Shoah auch die Diskriminierung der Juden in den ersten Jahren des NS-Regimes umschreibt, so gibt es zutreffende Ähnlichkeiten, auch wenn die offizielle Begründung für die Diskriminierung nicht die gleiche ist: Während man sich heute der Diskriminierung entziehen kann, indem man dem Staat Zugang zum eigenen Körper genehmigt, konnten sich die Juden nicht durch Taufen der Diskriminierung entziehen. Ein Vergleich ist aber legitim und hat mit Verharmlosung der Shoah nichts zu tun. Im Gegenteil, der Vergleich ist wichtig, wenn man diesen differenziert unternimmt.

Andrea Drescher: Nein, es ist keine Verharmlosung der Shoah, man vergleicht ja nicht Äpfel mit Birnen. Man vergleicht die Anfänge. Wir sind noch nicht dort, wo die Shoah geendet hat. Wir sind bei den Anfängen, die zu einer Shoah geführt haben. Wenn man diesen Vergleich nicht führen darf, ist man in einem System, das wieder zu einer Shoah führen kann.

Robert Fürnberg: Es ist überhaupt keine Verharmlosung, weil die Vergleiche von 1932 in Deutschland und 1934 in Österreich „Wehret den Anfängen“ legitim sind. Die Shoah würde ich mal komplett außen vor lassen.

Ruth Fürnberg: Nein, das ist es nicht. Man darf und kann sich im geschichtlichen Vergleich irren. Aber man kann natürlich Vergleiche anstellen – auch wenn man Fehler macht.

Eva Maria Neubauer: Nein, finde ich nicht. Also die Mechanismen, die in ein totalitäres System führen, die sind ja immer wieder ähnlich, egal wo. Im Kommunismus, in Pinochets Chile oder beim italienischen Faschismus: Die Ausschaltung eben der Gesetze und die Propaganda, Einschränkung von Rede- und Meinungsfreiheit, Meinungsverbot und die Sündenbock-Dynamik sind immer wieder die Mittel, um in eine Diktatur hineinzuführen. Zu sagen, dass die Ungeimpften jetzt die Juden von damals sind, ist für mich natürlich völlig unangemessen. Aber die totalitäre Dynamik, die dann zu dieser Vernichtung geführt hat, die das möglich gemacht hat, die kann man teilweise auch heute erkennen.

Helga Reiter: Die Shoah an sich mit dem Höhepunkt der KZs, den Vergasungen, der Ermordungen ist im Endeffekt noch nicht, ich sage aber jetzt absichtlich noch nicht, gegeben. Die Zeit davor, sprich also 1933 mit dem Arier-Paragraphen usw., die ist für mich eindeutig vergleichbar mit der jetzigen Zeit.

Wann und warum haben Sie angefangen, die damalige Zeit mit der heutigen zu vergleichen?

Magdalena S.-Bloch-Blaustein: Bei mir fing es an, als ich merkte, dass Ärzte denunziert wurden und Angst hatten, Patienten zu behandeln. Als Patientin bin ich selbst betroffen. Mein Urgroßopa war der Hauptrichter in einem Berufungsgericht in Lemberg und hat zahlreiche Bücher geschrieben, die noch in Archiven zu finden sind. Er wurde damals aus dem Gericht entfernt, weil er immer für Recht und Ordnung sorgte. Jetzt gab es den Gerichtsprozess in Weimar, in dem sich ein Richter in einem Zivilprozess für ein Kind eingesetzt und gegen das Tragen der Maske und Corona-Maßnahmen in den Schulen entschieden hat. Jetzt wurde dieser Richter selbst verfolgt, seine Wohnung wurde durchsucht und seine Elektronik mitgenommen. Also das zeigte mir ganz deutlich: Es bewegt sich alles in diese Richtung.

Erhard Brunner: Bewusst wurde es mir durch die Lügen des jetzigen Regimes. Wir haben eine Nachfolgepartei des Austrofaschisten Engelbert Dollfuß und dieses verlogene Regime sieht überall Faschisten, um von sich selbst abzulenken. Wir haben einen Innenminister, der Direktor des Dollfuß-Museums ist. Dollfuß wurde bei der ÖVP erst 2017 abgehängt, damit nichts an die Öffentlichkeit kommt – ja und das Grab des Engelbert Dollfuß in Wien Grinzing wird weiterhin gepflegt und gehegt.

Elias Davidsson: Der Vergleich kam mir sofort in den Sinn, als ich anfänglich diskriminiert und sogar gemobbt wurde, also schon im Frühling 2020. Der Grund ist offensichtlich die Diskriminierung und die dem Rassismus ähnliche Hetze, die man erlebt.

Andrea Drescher: Also ich hatte zwei Schlüsselerlebnisse. Das eine war der Lockdown, wo ich anfangs Panikattacken hatte. Mein Opa konnte aus Deutschland flüchten, jedoch nicht weit genug, und mich sperren sie jetzt ein und ich kann nicht mehr fliehen. Dieses Eingesperrtsein durch den Lockdown, die Grenzen zu, in einer Situation, in der ich das Gefühl hatte, das ist nicht angemessen, das hat mich böse Dinge denken lassen. Richtig böse wurde es in meinem Kopf zu Ostern 2020, als ich hörte, wie Bill Gates sagte, er werde jetzt 7 Milliarden Menschen impfen. In dem Moment dachte ich: „Mengele war bescheiden, er hat sich nur zigtausend Juden für seine Menschenversuche ausgewählt.“ Für einen noch nicht vorhandenen Impfstoff darüber zu sprechen, dass man alle Menschen dieser Welt damit impfen werde, wenn eine Impfstoffentwicklung normalerweise 8 bis 12 Jahre dauert! Ich sah einen Menschenversuch vor mir. Sprechen konnte ich darüber erst später. Dieser Gedanke in meinem Kopf war so ungeheuerlich, dass ich mich selber davor erschreckt habe. Ich habe das eigentlich erst letztes Jahr, Mitte 2021, bewusst und laut sagen können.

Robert Fürnberg: Mein Bauchgefühl war sehr früh alarmiert. Das muss gleich zu Beginn der Maßnahmen März/April 2020 gewesen sein. Es hat sich alles eigenartig angefühlt, auf keinen Parkbänken sitzen zu dürfen, Abstand von Angehörigen einzuhalten, das Polizeiaufgebot und vieles andere mehr. Hauptsächlich war es der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der mich da sehr übel alarmiert hat. Es hat sich alles nicht wahr angefühlt.

Ruth Fürnberg: Das war im Sommer 2020, als mir befreundete Ärzte gesagt haben, dass da nichts ist. Da wusste ich, da ist was anderes im Busch.

Eva Maria Neubauer: Beschäftigt habe ich mich ja schon seit Langem mit der Nazi-Zeit. Sehr, sehr virulent wurde das vor zwei Jahren, als das mit Corona begonnen hat. Da habe ich schon gespürt, dass an der Erzählung irgendwas nicht stimmt. Teilweise waren ja Wortlaut und Reden in allen Ländern exakt gleich. Ich hatte von Anfang an eigentlich das Gefühl, dass manipuliert oder gelenkt wird. Vielleicht sind meine Sensoren besonders geschärft, dadurch dass ich Schauspielerin bin. Ich habe Rollen als Verfolgte und Auswanderin genau dieser Zeit gespielt und natürlich bin ich durch meine familiäre Geschichte und durch das, was ich gelesen habe oder erzählt bekommen habe, geprägt.

Helga Reiter: Ich habe mich mit dem Arier-Paragraphen besonders beschäftigt, mit den Verboten, die auferlegt wurden, mit den Diskriminierungen von Ärzten, Rechtsanwälten, Lehrern, die sich regierungskritisch verhalten haben und dann aus dem Staatsdienst entfernt wurden, die Gleichschaltung – alles das haben wir jetzt. Das hat mir eigentlich vor Augen geführt, dass wir sehr wohl 1933 mit jetzt vergleichen können.

Welche Parallelen bestehen aus Ihrer Sicht?

Magdalena S.-Bloch-Blaustein: Mein Sohn wurde als einziger nicht in die Schule reingelassen, durfte draußen im Regen stehen, nur weil er keine Maske an hatte, und da konnte ich wirklich spüren, er wird wie ein Jude behandelt. Ich wurde selbst von Ärzten und im Krankenhaus diskriminiert. Man wurde in einer Notfallstation im Krankenhaus, wo ich als Notfall eingeliefert wurde, sogar gewalttätig. Die Polizei wurde gerufen, eine Strafanzeige gegen den Sanitäter, der mich an die Gestapo erinnert hat, wurde bei der Polizei hier in Brandenburg gestellt. Das sind solche Situationen, wo ich wirklich gemerkt habe: Das ist wie ein Krieg, das sind keine normalen Verhältnisse.

Erhard Brunner: Wir haben einen Impfzwang. Wir sollen gespritzt werden mit einem Zeug, das nicht einmal erprobt ist, das zahlreiche Nebenwirkungen hat. Es gibt auch in Israel sehr viele kritische Stimmen, dass man einen Genozid damit betreibt – die Bevölkerung damit reduzieren möchte, weil die Erde ja überbevölkert ist.

Elias Davidsson: Die von mir gezogenen Parallelen sind zweierlei Art: Erstens die weite Akzeptanz von Staatswahrheiten in der Bevölkerung, zweitens der Ausschluss von Gruppen aus dem gesellschaftlichen Leben. Beide Parallelen haben mich über die deutsche „Seele“ erschrocken.

Andrea Drescher: Die Parallelen sind so vielfältig, dass ich sie gar nicht alle aufführen kann. Aber es begann mit der Ausgrenzung und heute kann man keinen Führerschein mehr machen, wenn man nicht geimpft ist. Heute kann man nicht mehr an die Uni gehen, wenn man nicht geimpft ist. Und meine Mutter konnte nicht studieren, weil sie nicht zu der Gesellschaftsschicht gehörte, die das durfte.

Robert Fürnberg: Es ist der Beginn des Totalitarismus, der sich in aberwitzigen Gesetzen manifestiert. Und weil die Mehrheit mitschwimmt, mitspielt, ereignet sich das Tragische wieder mal.

Ruth Fürnberg: Die Radikalität, die Politiker, die sogenannten „Experten“ der Regierung, die ans Mikrofon treten, haben eine überaus brutale, menschenverachtende Sprache. Es werden wieder Menschen ausgegrenzt. Dass man sagt, gesunde Menschen würden Seuchen verbreiten. Es wurde von Anfang an nur gelogen, es wurde irgendwas behauptet. Man hat sich nie die Mühe gemacht, irgendwelche Fakten vorzulegen, weil es eben keine gibt.

Eva Maria Neubauer: Die Ausschaltung der Gesetze, alles was dazu führt, dass es ein Meinungsverbot gibt, ein Redeverbot, dieses Finden des Sündenbocks und die Propaganda – da sind schon Ähnlichkeiten, die jetzt zu sehen sind.

Helga Reiter: Der Zugang zur Bildung wird eingeschränkt, indem nicht geimpfte Kinder oder Schüler nicht gern gesehen sind bzw. irgendwo anders sitzen müssen. Kinder, die keine Maske tragen, müssen woanders sitzen. Das gleiche auch bei der medizinischen Versorgung. Wenn du nicht geimpft bist und einen Kuraufenthalt oder sonst was hast, kannst du bestimmte Bereiche nicht betreten. Die Gastronomie lässt nur 2G – Genesene oder Geimpfte – hinein. Das sind alles Diskriminierungsfaktoren – die gab es bereits. Ich warte jetzt nur noch auf die Parkbank, auf der nur noch die Genesenen und Geimpften sitzen dürfen, dann haben wir es aber wirklich eins zu eins.

Was halten Sie von dem De-facto-Verbot, solche Vergleiche zu ziehen, bzw. Menschen gerichtlich zu verfolgen, die solche Vergleiche öffentlich ziehen?

Magdalena S.-Bloch-Blaustein: Ja, man versucht gerade uns zum Schweigen und zur Spaltung zu bringen. Man möchte nicht, dass alles ans Licht kommt. Man möchte nicht, dass laut darüber geredet wird. Ich rede umso mehr und provoziere sogar bewusst. Ich will dadurch erreichen, dass man nachdenkt. Denn man hatte immer wieder versprochen, das alles nie wieder zu tun und man tut es wieder.

Erhard Brunner: Das ist hirnverbrannt, dieses Verbot, und typisch für ein totalitäres System. Entweder haben wir eine Mafia-Diktatur, Mafia-Justiz oder eine totale Diktatur. Es ist typisch für eine Diktatur, wenn einem vorgeschrieben wird, wie ich zu denken habe.

Elias Davidsson: Solche Verbote stammen aus der historischen Abwesenheit einer demokratischen Grundstimmung in Deutschland. In Deutschland gibt es keine „Citoyens“, sondern nur Untertanen. Die Aufgabe des Staates ist, diese zu disziplinieren. Daher empört es fast niemanden, dass solche Verbote erwogen werden. Als souveräner Mensch finde ich solche Verbote einerseits grotesk, aber andererseits auch als eine traurige Mahnung über die Geisteshaltung der Deutschen zu solchen Verboten. Übrigens verwerfe ich auch das Verbot von der sogenannten Holocaustleugnung, nicht weil ich am Holocaust zweifle, sondern weil historische Wahrheiten keinen Polizeischutz brauchen. Dummheit ist ein Menschenrecht und soll geduldet werden.

Andrea Drescher: Es bestätigt, dass diese Vergleiche angemessen sind.

Robert Fürnberg: Das ist Teil dieses ganz üblen Totalitarismus, der sich jetzt ausbreitet bis in die Gerichte hinein.

Ruth Fürnberg: Na, das beweist nur, dass wir auf dem Weg in eine Diktatur sind. Wann in der Geschichte hatte ein Regime recht, das andere Meinungen verboten und Menschen ruiniert hat?

Eva Maria Neubauer: Eigentlich gar nichts. Ich finde man muss vergleichen dürfen, uns fehlt sonst ein Bezugssystem. Es ist ja auch sehr gut zu sehen, wie sie uns das Bezugssystem genommen haben. Von Anfang an haben sie gesagt, man dürfe eine Corona-Infektion nicht mit einer Grippe vergleichen, die wir ja kennen. Wenn wir nicht mehr aus unserem eigenen, mit unserem eigenen Erleben vergleichen können, dann fehlt uns dieses Bezugssystem. Dann stehen wir im luftleeren Raum und dann ist Tür und Tor geöffnet für Propaganda, Angst und Polemik und dann ist sehr viel möglich. Es ist interessant, wie alles durch das Wording verdreht wird. Ein Geimpfter ist gesund und der Gesunde ist ein Krankheitsüberträger, nur das geimpfte Immunsystem ist das wahre Immunsystem, Distanz ist Nähe und Ausgrenzung ist Solidarität. Die Tatsachen werden einfach umgedreht und ausgeschaltet. Wenn wir eben diese aus unserer eigenen Erfahrung – die Umstände, die wir jetzt sehen oder spüren – nicht mehr einschätzen können, dann, ja dann fehlt uns ein wichtiger Bezug.

Helga Reiter: Ich halte überhaupt nichts davon. Es ist die Wahrheit und leider auch die Realität, und der müssen wir uns stellen und das muss eine Demokratie aushalten.

Die Shoah mit der heutigen Situation zu vergleichen geht zu weit. Manche wollen, manche können sich nicht differenziert ausdrücken. Wo ist die rote Linie für Vergleiche?

Magdalena S.-Bloch-Blaustein: Ich denke es ist sehr wichtig darüber zu diskutieren, ohne dass man Grenzen zieht, sondern erst mal darüber zu reden, wie Menschen diese Situation empfinden. Holocaust-Opfer sind erschüttert und erschrocken über diese Entwicklung. Auch meine Kinder als junge Menschen. Mein großer Sohn muss Antidepressiva nehmen und merkt ganz deutlich, was los ist. Wir reden in der Familie ganz deutlich darüber, dass es so wie damals ist und meine Oma sagte immer, es wird wieder passieren und es passiert.

Erhard Brunner: Also ich sehe die rote Linie überschritten von Seiten des Regimes, wenn die Nachkommen von KZ-Überlebenden, ganz gleich, ob Juden, Roma oder Regimekritiker, als Nazis beschimpft werden. Damit hat das Regime die rote Linie eindeutig überschritten.

Elias Davidsson: Die rote Linie hat uns Rabbi Hillel geliefert: Tue deinem Mitmenschen nicht, was du nicht möchtest selbst zu erleiden. Die ganz normalen Gesetze in Deutschland genügen als rote Linie. In einem Rechtsstaat müssen dumme Ideen geduldet werden.

Andrea Drescher: In einem Land, wo Meinungs- und Gedankenfreiheit herrschen, sollte es keine rote Linie geben. Selbst absoluter Schwachsinn muss formuliert werden dürfen. Man darf ihn ja dann inhaltlich zerlegen, aber verbieten? Jede Geschmacklosigkeit ist erlaubt. Man kann sie kritisch hinterfragen, aber verbieten? Nein!

Robert Fürnberg: Also jeder soll in einer Demokratie alles sagen, was er glaubt, ohne dass er strafrechtlich verfolgt wird. Man muss drüber diskutieren. Natürlich ist die Vernichtung von Menschen und Massenmord kein Vergleich mit der Zeit im Moment, aber wir wissen nicht, wo wir uns hinbewegen, wie es sich entwickelt. Eine Übersterblichkeit ist ja leider schon zu erkennen. Die Fakten der verschiedenen Wissenschaftler verfolge ich auch schon seit 1,5 Jahren und ich äußere mich auch dazu.

Ruth Fürnberg: Für mich gibt es da keine rote Linie, auch Menschen, die sich nicht so gut ausdrücken können, müssen selbstverständlich die Möglichkeit haben, ihre Ansichten mitzuteilen.

Eva Maria Neubauer: Ja, also die Shoah, also dieses große Unheil, das den Juden widerfahren ist, das kann man natürlich nicht vergleichen mit Ausgrenzung der Ungeimpften momentan. Vor allem kann man das nicht gleichsetzen, also das ist völlig unangebracht. Aber die Muster, die eben das ermöglicht haben, die muss man heute vergleichen dürfen, auch wenn man sie nicht gleichsetzen kann. Und wenn wir die Dynamik nicht erkennen, wenn sie sich im Heute zeigt – vielleicht auch in einem anderen Mäntelchen –, dann haben wir aus der Geschichte nichts gelernt. Dann fehlt uns die Möglichkeit ein weiteres Unrecht, Unheil oder Unglück zu verhindern.

Helga Reiter: Bei Internierung, Anhaltezentren wird die rote Linie bereits rosa. Das wäre eine rote Linie, wo ich sage, wenn die Anhaltezentren wirklich errichtet werden sollen und tatsächlich die nicht Geimpften angehalten werden und dann sogar verschwinden, dann ist eine eindeutige Parallele gegeben, aber bis dahin ist die rote Linie gezogen – meine Meinung.

Dürfen alle diese Vergleiche ziehen? Sollte man einen Unterschied machen zwischen Nachgeborenen der Täter und Nachgeborenen der Opfer?

Magdalena S.-Bloch-Blaustein: Diese Frage habe ich sehr oft gehört von nichtjüdischen Deutschen. Es hat weniger damit zu tun, dass Holocaust-Opfer das dürfen, sondern eher: Dürfen diese Vergleiche Juden ziehen oder dürfen das auch die nichtjüdischen Deutschen? Ich habe von sehr vielen Zuspruch bekommen und sie wünschten, sie könnten es auch so laut und deutlich formulieren und sich trauen, diese Vergleiche zu ziehen. Ich traue mich, gerade weil ich Jüdin bin und lasse mir nicht von einem nichtjüdischen Deutschen verbieten, das als Jude zu empfinden.

Erhard Brunner: Nein, nicht unbedingt. Nein. Jeder Mensch kann selber entscheiden, also jeder Mensch, dem die Parallelen auffallen. Die Parallelen sind einmal da und die kann man nicht leugnen. Egal, ob das von jüdischer Seite ist oder ob das den Nachgeborenen der Täter auffällt.

Elias Davidsson: Die Frage verstehe ich nicht.

Andrea Drescher: Natürlich müssen in einer Demokratie alle Menschen die gleichen Rechte haben, unabhängig von Rasse, Religion, Ethnie oder sonst was. Insofern müssen alle diese Vergleiche ziehen dürfen. De facto ist es aber so, dass die Nachgeborenen der Opfer sich doch etwas leichter damit tun.

Robert Fürnberg: In der Demokratie ist das ein Wahnsinn. Jeder darf in der Demokratie alles.

Ruth Fürnberg: Jeder soll sagen können, was ihm auf der Seele brennt. Jeder soll Vergleiche anstellen können, man kann ja darüber diskutieren.

Eva Maria Neubauer: Nein, das finde ich nicht. Solange nicht zu Ausgrenzung und Gewalt aufgerufen wird, sind Meinungs- und Redefreiheit ein hohes Gut, das wir in der Demokratie haben. Aber natürlich müssen wir in Österreich und in Deutschland ganz genau hinschauen und Tendenzen in diese Richtung beobachten. Genau dafür sollte dieser Paragraph im Verbotsgesetz auch dienlich sein. Aber es darf natürlich nicht zum Gegenteil führen, Menschen mundtot machen oder die Redefreiheit einschränken. Das muss man sich halt sehr gewissenhaft und ganz ehrlich anschauen.

Helga Reiter: Nein, das ist eine objektive Realität und auf die objektive Realität haben alle, ob es jetzt die Nachfahren der Täter oder die Nachfahren der Opfer sind, ein Recht.

Warum gehen Sie das Risiko ein, mit diesem Interview selbst eine Anzeige zu riskieren?

Magdalena S.-Bloch-Blaustein: Bei dem Vorfall im Krankenhaus habe ich den Polizisten angesprochen: „Sehen Sie nicht, dass Menschen nicht wegen Corona sondern wegen Nichtbehandlung sterben, dass man Menschen und Patienten so stresst, dass die Leute Angst haben, in das Krankenhaus zu gehen?“ Der Polizist hatte Tränen in den Augen und sagte: „Ich werde nach Hause gehen und ich werde darüber nachdenken.“ Ich gab ihm mit: „Ihr Recht und Ihre Pflicht ist es, zu remonstrieren.“ Und ich sah wirklich, dass es ihm leidtat, dass er seine Pflicht erfüllen musste. Ich denke, vielen sind die Hände gebunden. Sie wollen handeln, wissen nicht wie, haben Angst. Viele Ärzte haben mir auch gesagt, dass sie Angst haben ihre Lizenzen zu verlieren. Das Thema ist schwierig, sensibel, und ich animiere dazu, einen offenen Diskurs zu führen. Ich selbst habe schon einen Bürgerkrieg erlebt, ich weiß, wie der begonnen hat. Und ich vergleiche damit, was meine Oma mir alles über die Anfänge von damals erzählt hat. Ich bin aktiv, weil ich Menschen Mut machen will, dass sich alles das nicht wiederholt.

Erhard Brunner: Ganz einfach, das ist für mich erstmal ein religiöses Gebot, eine Mitzwa, und auch unter den nichtreligiösen Juden ein Gebot der Menschlichkeit, dagegen zu protestieren, seine Stimme zu erheben.

Elias Davidsson: Was für ein Risiko?

Andrea Drescher: Ich würde mich über eine Schlagzeile freuen, die da heißt: „Nachgeborene von KZ-Überlebenden wird wegen Wiederbetätigung angezeigt.“

Robert Fürnberg: Ach, ich zeige jetzt schon seit langer Zeit mein Gesicht. Das hat mit Risiko nichts zu tun, ich bin so. Das ist mir absolut bewusst, dass wir von der österreichischen Staatsanwaltschaft belangt werden können, natürlich, aber ich sage mal, ohne Risiko gibt es keine Freiheit.

Ruth Fürnberg: Was soll denn jetzt noch Schlimmes passieren? Es gibt für viele Menschen gar nichts mehr zu verlieren. Man kann da nicht schweigen.

Eva Maria Neubauer: Ich glaube, es muss Menschen geben, die etwas riskieren, auch wenn man persönlich selbst nicht wirklich was davon hat. Aber Unrecht zu sehen, mein Sinn für Gerechtigkeit und vielleicht diese familiäre Prägung machen es für mich wichtig, dass ich meinen Mund nicht halte und sage, wenn mir etwas auffällt, wenn ich etwas spüre und wenn ich auch warnen will. Die Aussage von Vera Sharav „Never again is now“, das finde ich sehr, sehr wichtig. Jetzt sind Tendenzen von damals zu sehen. Zu handeln finde ich sehr, sehr wichtig, um Unrecht, Unheil und Leid zu vermeiden.

Helga Reiter: Erstens glaube ich nicht, dass ich eine Anzeige bekomme. Und wenn es passieren sollte, dann werde ich mich dem auch stellen und werde auch den Richter fragen, wo er die Berechtigung sieht, mich als Nachfahre von Holocaustüberlebenden zu verurteilen.

Wehret den Anfängen ist vorbei

Mit einem weiteren prominenten Nachgeborenen, der leider für ein Interview nicht zur Verfügung stand, soll dieser Artikel enden.

Laut Wikipedia entstammt Henryk Broder einer jüdischen Handwerkerfamilie. Die Mutter war laut Broder 1945 ins KZ Auschwitz deportiert worden, entkam jedoch auf einem Evakuierungsmarsch. Der aus Russland stammende Vater war ein Überlebender des KZs Buchenwald.

In der Sendung Servus TV „Der Talk am 30.01.2022“ hat Henryk Broder sehr deutlich gemacht, dass es nicht mit Ausschwitz begann, sondern dort endete. Schon vorher hat er die Frage beantwortet, warum die Shoah überhaupt möglich wurde.

„Wenn ihr euch fragt, wie das damals passieren konnte: Weil sie damals so waren, wie ihr heute seid.“

Besser kann man das nicht auf den Punkt bringen. Danke, Henryk M. Broder.

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Wir danken der Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: paparazzza / shutterstock

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The Hall of Names in the Yad Vashem Holocaust Memorial Site in Jerusalem

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