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Die 180-Grad-Wende der Bundesregierung ist wenig glaubwürdig

Published On: 1. März 2022 19:23

Die mediale Euphorie nach der Bundestagsrede von Olaf Scholz ist nicht angebracht. Ja, die Welt ist seit Putins Griff nach der Ukraine eine andere. Doch sie war schon vorher anders, als sie uns in den lähmenden Merkeljahren vorgeführt wurde, die auch Scholzjahre waren.

IMAGO / Bernd Elmenthaler

Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Regierungserklärung zum Angriff Russlands auf die Ukraine im Bundestag, 27.02.2022

Ja, so ein Krieg macht den Mann zum Mann. Und ein trockenes Brötchen zum Staatsmann.

Ironie off.

Doch ich kann den Standing Ovations und der medialen Euphorie nach der Rede von Olaf Scholz am vergangenen Sonntag nicht recht folgen. Ich erlaube mir ein gewisses Staunen über die „180-Grad-Wende“, die unsere Regierung womöglich vollzogen hat: Als ob sie aus einem Dornröschenschlaf erwacht wären, stürzen die Roten und die Grünen mitsamt den Gelben nun ein Kartenhaus nach dem nächsten um. Jahrzehntelang gepflegte Überzeugungen zerfließen unter der Russenpeitsche und gelten mit einem Mal nichts mehr.

Ja, doch, die Welt ist seit Putins Griff nach der Ukraine eine andere. Doch sie war bereits vorher anders, als sie uns in den lähmenden Merkeljahren vorgeführt wurde. Hat das bis vor Kurzem von einem SPD-Mann (der Name ist mir entfallen) geführte Außenministerium denn gar nichts mitbekommen von dem nun schon seit Jahren schwelenden Konflikt zwischen Russland und der Ukraine? Ist man dort brav dem Diktum Barack Obamas gefolgt, Russland sei gerade mal eine „Regionalmacht“, dessen Verhalten „nicht aus Stärke, sondern aus Schwäche“ resultiere? Dann hat man dort womöglich keinen Gedanken daran verschwendet, dass immenser Schaden gerade durch Schwäche entstehen kann.

Womit wir bei Deutschland wären. Es ist schon trostlos genug, wie man hier versucht hat, mit Säbeln zu rasseln, über die man nicht verfügt. Und jetzt wird, alternativlos, also am Parlament vorbei, mit eben mal 100 Milliarden Euro versucht, ein nun schon Jahrzehnte währendes Desaster zu überschminken – und gibt, Ironie der Geschichte, ausgerechnet dem verachteten Donald Trump recht, der vor fast drei Jahren Deutschland dafür gegeißelt hat, dass es noch nicht einmal ein Prozent von den innerhalb der Nato verabredeten 2 Prozent des Inlandsprodukts für den Verteidigungsetat ausgebe. „Die Hegemonialmacht des Pazifismus sagt sich vom Pazifismus los. Was Donald Trump nicht fertiggebracht hat, schafft Putin mit seinem Krieg“, kommentiert Markus Somm. Und das bewirkt Putin ausgerechnet bei jenen Politikern, die einst vor allem die „aggressiv-imperialistische Nato“ im Visier hatten und nicht wahrhaben wollten, dass die vordem die Bundesrepublik weit mehr als 1968 prägende Friedensbewegung nicht nur ideell von der Sowjetunion unterstützt wurde.

Doch bleiben wir in der Gegenwart: Mit 100 Milliarden kann man gewiss den einen oder anderen schwangerengerechten Panzer flugtauglich machen. Doch was der Bundeswehr nun schon seit Jahren fehlt, ist qualifiziertes Personal. Die Abschaffung der Wehrpflicht traf sich mit der Verachtung des Soldatenberufs – die „Parlamentsarmee“ wurde zwar nach Afghanistan entsandt, doch die Veteranen durften bei ihrer Rückkehr nicht etwa mit Dankbarkeit rechnen, sondern sollten möglichst unsichtbar bleiben.

Ökonomische Folgen des Krieges in der Ukraine

Was nicht erst, aber vor allem in den bleiernen Merkeljahren versäumt wurde, lässt sich nicht im Handumdrehen wiedergutmachen. Das weiß man in der Truppe nur zu gut und übrigens auch im Verteidigungsministerium – nur deren Befehlshaber, die dritte „Fachfrau“ in Folge, hat das nie auch nur die Bohne interessiert. Dass Frau Lambrecht mit Militär nichts am Hut hat, merkt man ihr an, wichtiger ist ihr, wie ja auch der Innenministerin, der Kampf gegen rechte Extremisten in der Bundeswehr, nicht etwa deren Einsatzfähigkeit. Macht nix: Die gibt es ja schlechterdings nicht.

Deutschland hat sich vor allem in den Merkeljahren aus dem Spiel gebracht. Unwahrscheinlich, dass Wladimir Putin das nicht gemerkt hat. Offenbar hat er den Angriff auf die Ukraine seit Jahren geplant. Der Zeitpunkt dafür aber konnte günstiger kaum sein: Die schon unter Merkel grüne Energiepolitik strebt ihrem einsamen Höhepunkt zu. Der Abschaltung von drei Atommeilern folgt mit Ende des Jahres die von drei weiteren. Deutschland ist in einem Ausmaß abhängig von russischen Gas- und Kohlelieferungen, dass jedes deutsche Muskelspiel gen Putin nur noch lächerlich ist.

Möglich, und doch fast unvorstellbar, dass der mittlerweile geradezu Mitleid erregende Wirtschaftsminister Habeck das bis dato nicht wusste. Nun können wir gespannt sein, wie er seine Partei (und die zuständigen Versorgungsunternehmen) davon überzeugen will, die Atommeiler wieder in Betrieb zu nehmen bzw. weiterlaufen zu lassen. Mit weiteren Milliarden? „Am Ende ist es nur Geld“?

Doch auch hier gilt, was auf die Bundeswehr zutrifft: Man hat mit den kundigen Menschen unerlässliches Knowhow verspielt. Tja. Wo bleibt das Positive? Ich sehe nichts.

Doch womöglich kommt Putins Krieg dem einen oder anderen aus ganz anderen Gründen zupass: Nun ist die Öffentlichkeit mit anderem beschäftigt als mit Corona, die Aufarbeitung der skandalösen Maßnahmenpolitik fällt also aus. Da geht ein Aufatmen durch manche Politikerbrust. Denn wie schon bei Corona zerfleischt sich die Bevölkerung auch jetzt lieber selbst. Nach dem Hauen und Stechen zwischen „Covidioten“ und „Schlafschafen“ folgt nun das Spiel „Putinversteher“ gegen „Putin-ist-Hitler“. Da gibt es keine zwei Meinungen (also auch keine Diskussion). Und deshalb: Der russische Dirigent der Münchner Philharmoniker hat sich nicht von seinem Freund Putin distanziert und muss gehen.

Wenn man sonst schon nichts bewirken kann: Das jedenfalls wird Wladimir Putin tief treffen.


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