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Der China-Lockdown trifft die deutsche Wirtschaft besonders hart

Published On: 24. April 2022 19:07

Im totalen Lockdown, wie China ihn bislang praktiziert hat, bricht die gesamte strategische Planung der deutschen Autoindustrie zusammen. 

IMAGO / Xinhua

Hafen von Schanghai am 19.4.2022

Trotz des Frühlings holden, belebenden Blick und den Corona- befreiten Hoffnungsgefühlen hat sich der alte Winter noch nicht in rauen Berge zurückgezogen. Im Gegenteil, in der deutschen Industrie droht im Frühjahr 2022 eine neue Eiszeit. 

Vor allem die Autoindustrie droht unter die Räder zu kommen – aber nicht die eigenen.  Ihre Leidensliste, in 2021 nur kurz durch Rekordergebnisse unterbrochen, scheint nur noch eine Richtung zu kennen, nämlich zu wachsen. Anstatt kürzer, wird sie monatlich länger: erst die Covid-19-Pandemie, dann die Chipkrise, im Anschluss die Rohstoffpreis-Explosionen auf allen Weltmärkten, gefolgt vom Ausbruch des  Ukraine-Krieges  inclusive Kabelbaum-Mangel. Und wer geglaubt hat, das eine oder andere Problem müsse doch bald einmal ausgestanden sein, der hat sich geirrt: Jetzt kam obendrauf auch noch der China-Lockdown. 

Und der verheißt nicht nur kurzfristig sondern auch und  gerade langfristig nichts Gutes.

Kurz nach dem chinesischen Neujahrsfest kehrte die Corona- Pandemie im größten Markt der Welt, China, mit voller Wucht zurück. Für die politische Führung des Landes, die eine Null-Corona Politik als Zielsetzung verfolgt und  zuvor die Pandemie voll im Griff zu haben glaubte, eine erschütternde Überraschung. Über große Teile des Landes wurde ein scharfer Lockdown verhängt. Mit menschenleeren Straßen in Millionenstädten, Fabrikschließungen und gekappten Verkehrsverbindungen. Und mit düsteren Bildern in den Medien, die an George Orwells Science-Fiction Roman „1984“ erinnerten. Schanghai und andere Metropolen wurden von der Außenwelt abgeschnitten, kein Mensch in der 25-Millionen-Stadt durfte über Wochen auf die Straße.   

Die Bänder in den Autofabriken stehen still. VW, Mercedes-Benz, BMW und all die anderen müssen wegen Chinas rigider Null-Covid-Strategie immer wieder zuschließen. 

Dazu Tesla als Beispiel: Auch Tesla wurde mit seinem größten Werk in Shanghai und einer Jahreskapazität von 500.000 Autos vom Lockdown voll getroffen und musste schließen. Die sogenannte Gigafactory in Shanghai ist das größte Werk von Tesla. Durch den Betriebsstopp seit dem 28. März wurden mehr als 50.000 Fahrzeuge nicht gebaut. Das Werk bedient nicht nur den chinesischen Markt, sondern exportiert auch viele Fahrzeuge nach Europa und Japan. 

Rund drei Wochen später, am 19. April, nahm die Fabrik die Produktion mit  8.000 Mitarbeiter wieder auf; das sind etwas mehr als die Hälfte der Belegschaft von Ende 2021 mit 15.000 Mitarbeitern. Vor dem Produktionsstopp arbeiteten bei Tesla drei Schichten,  die rund um die Uhr und sieben Tage pro Woche produzierten.

Um die Produktion nach dem dreiwöchigen Lockdown möglich zu machen hat Tesla seine MitarbeiterInnen in Shanghai aufgefordert, in der Gigafactory zu übernachten – den Schlafsack und drei Mahlzeiten gibt es frei Haus. Tesla Chef Elon Musk selber hat das vor vier Jahren bei der Eröffnung der Gigafactory in Shanghai vorgemacht und öffentlichkeitswirksam einige Nächte in der Fabrik verbracht, um die über Wochen hinweg problematische Produktion des Model 3 zu überwachen. Angeblich soll Musk in einem Schlafsack auf einem schäbigen Sofa übernachtet haben.

So wie Tesla geht es auch den deutschen Herstellern VW, Mercedes-Benz, BMW.

Copyright: Automobilwoche

Denn die China Bänder in deutschen Autofabriken stehen still. VW, Mercedes-Benz, BMW und all die anderen müssen wegen Chinas rigider Null-Covid-Strategie immer wieder zuschließen. Die gesamte Wertschöpfungskette ist davon betroffen, auch die Zulieferfirmen fertigen weniger oder nichts Aber da deren Fabriken auch für Werke und Abnehmer im Ausland, so vor allem Deutschland und anderen Regionen, zuliefern und  produzieren, kommt es auch dort zu Produktionsausfällen. 

Und es werden aus China weniger Rohstoffe wie Aluminium, Stahl, Lithium, oder Speicherchips oder Batteriezellen für E-Autos etc. exportiert, womit die Versorgungsprobleme deutscher Abnehmer weiter zunehmen. Und Fertigwaren für den Export können überdies nicht verschifft werden, da wichtige Exporthäfen von der Pekinger Führung ebenfalls geschlossen wurden.

Neben Covid als Ursache gibt es politische Lieferausfälle, wie zum Beispiel  Kabelbäume oder Neon-Gas aus der Ukraine, oder generell für Rohstoffe aus Russland.  Von einer sicheren Lieferung von Erdgas oder Erdöl und Kohle der deutschen Volkswiertschaft ganz zu schweigen. 

Es brennt an allen Enden der automobilen Wertschöpfungskette. Zu den Unsicherheiten auf der Beschaffungs- und Produktionsseite sind nunmehr mit China Unsicherheiten auf der Absatzseite als Covid-Folge dazugekommen. Menschen im Lockdown sind nicht unterwegs und kaufen auch keine Autos! Im totalen Lockdown, wie China ihn bislang praktiziert hat, bricht die gesamte strategische Planung der Autoindustrie zusammen. 

Die Planungssicherheit ist weg. Die Lehren der zurückliegenden Wochen für dir deutsche Autoindustrie sind: Die Branche darf sich beim Absatz wie bei der Produktion nicht allein auf China verlassen. Und bei der Produktion und Logistik vor allem nicht auf sicher geglaubte Teile und  Energie- und Rohstofflieferungen aus totalitären Staaten.

Manche glauben, dass könne für Europa oder Deutschland langfristig eine Stärkung als Produktionsstandort bedeuten. Das ist nur bedingt richtig. Europa ist rohstoffarm, seine Rohstoffe sind seit der Renaissance Geist und technisches – besseres – Wissen. Der Kampf um Rohstoffe hat begonnen. Europa kann der externen Abhängigkeit davon beim Import nur eine fortgesetzte technologische Überlegenheit seines eigenen „Produkt- und Exportsortiments“  entgegensetzen, quasi als Abhängigkeit ausländischer Kunden von deutschen Gütern –und Produzenten. Sollten diese, wie zum Beispiel Putzmeister oder Kuka, von ausländischen Staaten aufgekauft werden, hat Deutschland auf Dauer ein Problem.

Daimler CEO Ola Källenius hat es in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung auf den Punkt brachte: „Wir leben in einer neuen geopolitischen Realität… Vor so einem Hintergrund muss jede ökonomische Region darüber nachdenken, wie sie Sicherheit und Teilunabhängigkeit schafft… Zu glauben, dass jede Wirtschaftsregion sich re-regionalisieren könnte, ist eine völlige Illusion.“ 

Mehr noch, das wäre eine komplette politische Dummheit.

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