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Der italienische Friedensplan, der Besuch des polnischen Staatspräsidenten in Kiew und der Weltwirtschaftsgipfel in Davos

Published On: 27. Mai 2022 11:43

Was haben der italienische Friedensplan, der Besuch des polnischen Staatspräsidenten Duda in der Ukraine und der Weltwirtschaftsgipfel in Davos miteinander zu tun? Sind es drei Faktoren einer gemeinsamen Strategie in Bezug auf den Krieg in der Ukraine oder konterkarieren sie sich gegenseitig? Auf diese Frage soll im Folgenden versucht werden, eine Antwort zu geben. Von Jürgen Hübschen

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Der italienische Friedensplan

Am 20. Mai 2022 fand unter dem aktuellen Vorsitz Italiens in Turin das Treffen der 46 Mitgliedsstaaten des Europarates statt. Russland nahm an dem Treffen nicht teil, weil der Europarat am 15. März 2022 beschlossen hatte, Russland wegen seines Angriffskrieges in der Ukraine aus dem Rat auszuschließen, woraufhin Moskau das Gremium am selben Tag von sich aus verlassen hatte.

Der italienische Außenminister Luigi Di Maio legte auf der Sitzung einen Friedensplan vor, der von Diplomaten und der italienischen Regierung entwickelt und den Unterhändlern der sieben wichtigsten Industrienationen (G7) vorgelegt worden sei. Er habe außerdem mit UN-Generalsekretär António Guterres gesprochen. Die UN, EU und OSZE sollten als Hauptarbeitsgruppe andere Länder wie die Türkei und Indien miteinbeziehen.

Nach Informationen der italienischen Zeitung „La Republica“ sieht das Dokument vier Schritte vor:

  • einen Waffenstillstand in der Ukraine mit einer Demilitarisierung der Front unter UNO-Aufsicht,
  • Verhandlungen über den Status der Ukraine,
  • ein bilaterales Abkommen zwischen Kiew und Moskau über die Krim und den Donbass sowie
  • ein multilaterales Abkommen über Frieden und Sicherheit in Europa.

Ziel sei es, so der italienische Außenminister, Schritt für Schritt vorzugehen und am Ende einen dauerhaften Frieden mit einem echten Abkommen zu erreichen,

Der Besuch des polnischen Staatspräsidenten Duda in der Ukraine

Am 22.05.22 hat der polnische Staatspräsident Duda der Ukraine überraschend einen Solidaritätsbesuch abgestattet. Als erster ausländischer Staatschef seit Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar 2022 hat Duda in Kiew eine Rede vor dem ukrainischen Parlament gehalten. In seiner Ansprache sagte Duda u.a., niemand könne die polnisch-ukrainische Einheit stören. Er bekräftigte das Recht der Ukraine auf Selbstbestimmung. Duda wörtlich: “Nur die Ukraine hat das Recht, über ihre Zukunft zu bestimmen.” Außerdem erklärte Duda, die Ukraine müsse möglichst schnell einen EU-Kandidatenstatus erhalten.

Ob der nunmehr schon 2. Besuch des polnischen Präsidenten in der Ukraine nach Kriegsausbruch mit den EU-Gremien abgesprochen war, ist nicht bekannt.

Das Weltwirtschaftsforum in Davos (World Economic Forum; WEF)

Am 22. Mai 2022 trafen rund 2.200 Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, in Davos zum 52. WEF ein. Das Treffen wird bis zum 26. Mai 2022 dauern. Es nehmen keine Vertreter aus Russland, weder aus Wirtschaft noch aus Politik teil. “Ich bin sicher, dass das die richtige Entscheidung war”, sagte WEF-Präsident Borge Brende. “Wir hoffen jedoch, dass Russland in den nächsten Jahren einen anderen Weg einschlagen und sich an die UN-Charta der Vereinten Nationen und ihre internationalen Verpflichtungen halten wird.” Aus der Ukraine wird eine große Delegation teilnehmen. Das Treffen steht in diesem Jahr unter dem Motto ‘Geschichte am Wendepunkt’. Zum Auftakt wird der ukrainische Präsident Selensky per Video zugeschaltet und die Eröffnungsrede halten.

Der Krieg in der Ukraine wird beim WEF das dominierende Thema sein: “Einerseits die schwere Situation in der Aktualität versuchen, vielleicht etwas zu verbessern, aber sicherlich auch auf den Wiederaufbau dann in der Ukraine hinzuarbeiten”, sagt Alois Zwinggi, geschäftsführender Direktor der WEF-Stiftung in Cologny bei Genf. U.a. anderem ist bereits von einem Marschall-Plan für die Ukraine die Rede.

Bewertung

Der ehemalige chilenische Boschafter in China und jetzige Professor an der Universität Boston, Jorge Heine, äußert sich in einem aktuellen Interview der SZ vom 21./22. Mai 2022 unter dem Titel „Der andere Blick auf den Krieg“ u.a. wie folgt: „Über den Ukraine Krieg heißt es, er sei einzigartig. Und deshalb brauche es extreme Maßnahmen. Tja, ich würde sagen: Schaut auf das, was im Jemen in den vergangenen 8 Jahren passiert ist. 250.000 Menschen sind dort infolge des Krieges gestorben. Die meisten durch saudi-arabische Waffen, geliefert aus NATO Staaten. Es gibt keinen Versuch, Sanktionen gegen Saudi-Arabien zu verhängen oder es aus dem Swift-System auszuschließen. Im Gegenteil, das Land wird von NATO-Staaten unterstützt. Auch darum werden die Sanktionen gegen Russland anderswo als scheinheilig empfunden. Sie werden nur umgesetzt, weil der Krieg in Europa stattfindet. Was woanders passiert, spielt keine Rolle.“

Man könnte diese Aussagen ergänzen um das Verhalten des Westens im Zusammenhang mit den ebenfalls völkerrechtswidrigen Kriegen im Irak und in Libyen, für die die USA und ihre Verbündeten die Verantwortung tragen.

Trotzdem ist es nachvollziehbar, in der aktuellen Situation den Krieg in der Ukraine auf dem WEF zu einem zentralen Thema zu machen, allerdings nicht in der jetzt geplanten einseitigen. Form. Die Eröffnungsrede durch den ukrainischen Präsidenten halten zu lassen, war ebenso falsch, wie der Ausschluss russischer Experten von der Veranstaltung. Probleme werden nicht dadurch gelöst, dass man nicht mehr miteinander redet, sondern durch das genaue Gegenteil.

Das Ziel der USA, durch diesen Stellvertreter-Krieg in Russland einen „Regime Change“ anzustreben und Russland so zu schwächen, dass Moskau nie mehr in der Lage sein wird, einen solchen Krieg zu beginnen, wird von den meisten Staaten weltweit gar nicht geteilt. Dazu stellt Jorge Heine im genannten Interview fest: „Der Westen scheint vereint, das ist korrekt. Das heißt die USA, Europa, Australien, Neuseeland, Japan und ein paar andere Länder. Aber, wenn wir nach Afrika, Asien und Lateinamerika schauen, dann sind die Staaten dort mit einem Großteil von dem, was in diesem Krieg gesagt und getan wird, nicht einverstanden. Die Invasion der Ukraine sollte eindeutig verurteilt werden. Im globalen Süden hat man aber das Gefühl, dass die wirtschaftliche Lage schon schlimm genug ist. Und wenn die Sanktionen so umgesetzt werden, wie es sich der Westen vorstellt, werden in Asien, Afrika und Lateinamerika mehr Menschen an Hunger sterben als im Krieg in der Ukraine.“ Das WEF ist, wie der Name schon sagt, ein Forum, in dem sich verantwortliche Führer und Experten der ganzen Welt und nicht nur der westlichen Hemisphäre treffen.

Heute bereits über einen Marschallplan für die Ukraine zu diskutieren, ist irritierend und realitätsfern, weil ja zunächst einmal der Krieg beendet werden muss, bevor man über einen möglichen Wiederaufbau der Ukraine spricht.

Deshalb hätte es sich aus meiner Sicht angeboten, den von Italien vorgelegten Friedensplan zum zentralen Thema des diesjährigen Forums zu machen, weil es darin nämlich nicht darum geht, wer diesen Krieg gewinnen oder nicht verlieren soll, sondern darum, diesen zu beenden.

Unter diesem Gesichtspunkt ist der Besuch und vor allem die Rede des polnischen Staatspräsidenten vor dem ukrainischen Parlament in keiner Weise zielführend. Polen hat aktuell den Vorsitz in der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) inne. Deshalb wäre es überzeugender gewesen, wenn Warschau diesen Umstand nutzen würde, um den Friedensplan Italiens wirkungsvoll zu unterstützen, in dem ja der OSZE eine Schlüsselrolle zugewiesen wird. Dann entstände nämlich nicht der Eindruck, dass es Warschau in erster Linie um Populismus und auch um die Ressentiments geht, die Warschau von der Sowjetunion 1:1 auf Russland übertragen hat.

Während sich in Davos mehr als 2000 Führungskräfte aus aller Welt intensiv mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigen, arbeitet der amerikanische Präsident bei seinen Besuchen in Asien daran, Russland im Rahmen der amerikanischen Containment-Politik weltweit vor allem wirtschaftlich zu isolieren.

Titelbild: MAXSHOT.PL/shutterstock.com

Jürgen Hübschen war zuletzt als Oberst Leiter eines Zentralreferats im Bundesministerium der Verteidigung, u. a. verantwortlich für die Landesverteidigung, die zivil-militärische Zusammenarbeit, alle Fragen der zivilen und militärischen Bewachung und das Kriegsgefallenenwesen. Er schreibt auf seinem Blog Sicherheitsbulletin zu sicherheitspolitischen Themen.

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