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Nachgefragt: Kann Kernfusion die Energiewende retten?

Published On: 29. Mai 2022 16:46

Kann Kernfusion die Energiewende retten? Wie berechtigt ist die Hoffnung? Im letzten Video haben wir Ihnen Einblick in die physikalischen Hintergründe der Kernfusion gegeben. Wir haben Ihnen Einblick in die Physik der kleinsten Teilchen gegeben, wo Atomkerne zu einem größeren Kern verschmelzen und dabei jede Menge Energie freisetzen.

In diesem Video nun geht es um ein gigantisches Projekt, welches den Weg zur technischen Nutzung dieser unerschöpflichen und sauberen Energiequelle zeigen soll. Aus gutem Grund trägt dieses Projekt also den Namen „ITER“, das ist das lateinische Wort für Weg.

Wird dieser Weg uns also zum Ziel führen? Und wenn ja, bis wann? 

Das Ziel ist, die Atomkerne von Wasserstoff einander so nahe zu bringen, dass die starke Wechselwirkung die elektrische Abstoßung zwischen den Kernen überwindet und die gewünschte Fusion stattfindet. Um das zu erreichen, müssten wir die Kerne mit sehr großer Wucht aufeinanderprallen lassen.

In jedem Gas prallen Atome permanent aufeinander, und zwar umso heftiger, je heißer das Gas ist. Heizen wir es also so weit es geht auf und warten ab, was passiert. Bei etwa 10.000 Grad Celsius sind die Kollisionen so stark, dass die Elektronen von den Atomen abgestreift werden – quasi ein atomarer Striptease. Das Ergebnis ist eine sehr heiße Suppe aus nackten Atomkernen und freien Elektronen. Diese Suppe wird „Plasma“ genannt.

Jetzt müssen wir unsere freien Atomkerne nur noch dazu bringen, dass sie fusionieren. Dazu muss die Temperatur um mehr als den Faktor 10.000 erhöht werden, auf etwa 150 Millionen Grad.

Die Häufigkeit der Fusionen ist höher, wenn wir nicht mit alltäglichem Wasserstoff arbeiten, sondern mit Deuterium (D) und Tritium (T). Deuterium (D) und Tritium (T) tragen im Gegensatz zur landläufigen Sorte des Wasserstoffs noch zusätzlich eines bzw. zwei Neutronen (n) in ihrem Kern herum. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Fusion. Der Kern von Deuterium ist also 1p1n und Tritium ist 1p2n. Wenn dann tatsächlich eine Fusion stattfindet, dann sieht das so aus:

1p1n + 1p2n → 2p2n + 1n + Energie

Aber auch mit Deuterium und Tritium ist bei diesen wahnsinnigen Temperaturen nur ein kleiner Teil der Kollisionen heftig genug, um die Fusion auszulösen. Würden wir allerdings genau hinschauen, dann sähen wir, dass manche Kandidaten gar nicht genug Energie hatten, um den Wall der elektrischen Abstoßung zu überwinden, aber dennoch verschmolzen sind!

Dürfen die Teilchen das denn? Widerspricht das nicht dem Gesetz der Energieerhaltung? Sie haben sich gewissermaßen einen Tunnel durch den Wall gebohrt, statt ihn zu überwinden! Da kommt nun die Mutter der Quantenphysik ins Spiel, die Unschärferelation. Derzufolge weiß ein Teilchen manchmal nicht genau, wo es ist und findet sich dann plötzlich auf der Innenseite der Kraterwand wieder. Mit der Energieerhaltung geht das durchaus in Ordnung, weil es jetzt ja nicht die volle Höhe vom Kraterrand in die Tiefe fällt.

Das Fusionsprodukt 2p2n ist der Atomkern des Gases Helium, das wir auch auf der Sonne finden, und n ist ein einzelnes Neutron, welches mit mörderischer Geschwindigkeit davon fliegt und den Löwenanteil der Energie E mit sich nimmt, der bei der Fusion frei wurde. Diese Energie können wir nutzen, um nach einigen Zwischenschritten elektrischen Strom zu erzeugen.

Übrigens steht das benötigte Tritium, im Gegensatz zum Deuterium, nicht als natürlicher Rohstoff zur Verfügung. Das liegt daran, dass der Kern nicht stabil ist und spontan zerfällt, und zwar mit einer Halbwertszeit von 12 Jahren. Wir müssen das Zeug also irgendwie künstlich herstellen und uns dann vor seiner Radioaktivität in Acht nehmen. Aber das sind kleine Hindernisse, verglichen mit dem Rest unserer Geschichte.

Also her mit den 150 Millionen Grad und los geht’s. – Leider gibt es da aber ein Problem. Während wir ein Stück Metall auf den Tisch legen, Flüssigkeit in eine Schale gießen und Gas in eine Flasche pumpen können, müssen wir beim Plasma darauf achten, dass es nicht die Wandung seines Behälters berührt. Entweder würde es sich bei der Gelegenheit abkühlen oder der Behälter würde verdampfen – auf jeden Fall wäre das Plasma verloren.

Und wie funktioniert das auf der Sonne?

Und wie funktioniert das auf der Sonne? Die besteht doch fast nur aus Plasma? Die Sonne hält das Plasma durch die eigene gigantische Schwerkraft zusammen. Auf der Erde geht das nicht.

Da gibt es nun einen Trick: Magnetismus. Die Atomkerne und Elektronen, aus denen das Plasma besteht sind ja elektrisch geladen und sie bewegen sich sehr schnell. Elektrische Teilchen werden in magnetischen Feldern von ihrer Flugbahn abgelenkt, und zwar immer quer zur momentanen Bewegung und quer zu den Magnetlinien. Sie bewegen sich also im Kreis oder auf einer Spirale um die Magnetlinien. Atome und Elektronen können also nur parallel zu den Magnetlinien ungestört geradeaus fliegen. Man nehme also ein Rohr, lege es längs in ein Magnetfeld. Jetzt kann das Plasma nur schwer an die Wände des Rohres driften, aber es kann sich in Längsrichtung frei bewegen.

Wenn das Plasma allerdings an die Stirnflächen des Rohres stößt, dann hat die Magie ihr Ende. Kluge Forscher in Russland haben nun so ein Rohr zu einem Ring gebogen und die offenen Enden zusammengeschweißt. Das sah dann so aus wie ein „Donut“, in dessen Innerem statt Marmelade ein Magnetfeld zu finden ist. Und sie gaben dem Gebilde den Namen Tokamak.

In solch einen Tokamak also füllt man etwas Gas, legt ein Magnetfeld an, heizt das Ganze auf 150 Millionen Grad und wartet auf die Kernfusion. In sechs Jahrzehnten wurden bisher in verschiedenen Ländern einige Dutzend solcher Maschinen gebaut. „Und“, werden Sie jetzt fragen „hat man tatsächlich Kernfusion bekommen? Hat es geklappt?“

Hat die Kernfusion geklappt?

Im Prinzip ja, allerdings hat man immer weniger Energie herausbekommen, als man zum Heizen des Plasmas reingesteckt hat. Dieses Verhältnis, der Q-Faktor, war immer kleiner als eins. Dennoch hat man die Hoffnung nicht aufgegeben. Man hat gelernt, dass die Chancen umso besser sind, je größer man das Ding macht.

Und so entschloss man sich zum Bau von ITER, dem Jumbo aller Tokamaks, der hoffentlich kein weißer Elefant wird. Der Durchmesser des Torus beträgt gut 12 Meter. Wenn Sie sich nun diesen „Donut“ als Adventskranz vorstellen, um den ein Band spiralförmig gewunden ist, dann bekommen Sie eine Vorstellung von den Magnetspulen welche dort zum Einsatz kommen.

Allerdings sind die nicht aus rotem Chiffon, sondern aus einer chemischen Verbindung der Metalle Niob und Zinn (Nb3Sn). Zurecht fragen Sie vielleicht: Warum so kompliziert? Warum nicht einfach aus Kupfer, so wie sonst alle Spulen? Das Metall Kupfer hat doch einen sehr niedrigen elektrischen Widerstand! Das mag schon sein, aber Nb3Sn hat einen noch geringeren Widerstand, nämlich gar keinen. Es ist ein „Supraleiter“. Da fließt der Strom, einmal angeschubst, von selber immer weiter.

Allerdings hat das seinen Preis. Alle Supraleiter und Supraleiterinnen müssen auf sehr niedriger Temperatur gehalten werden, in diesem Fall sind es vier Grad über null; allerdings über absolut null, das sind auch minus 269 Grad Celsius. Viele Tonnen Material auf dieser extrem niedrigen Temperatur zu halten, ist eine extreme Herausforderung für die Ingenieure, und es ist nur einer von vielen technologischen Superlativen und Weltrekorden, wie sie beim Bau des ITER realisiert werden müssen.

Gemessen an Größe, Gewicht und Komplexität ist die Konstruktion dieser Maschine wohl eines der kompliziertesten Projekte, auf das sich die Menschheit je eingelassen hat. Wird es sein Ziel erreichen? Und wenn ja, wann?

2008 starteten die Erdbewegungen für den Bau von ITER in Südfrankreich. Der Bau der Maschine sollte 10 Jahre dauern, und für 2020 war die erste „Plasma-Produktion“ geplant. Dieser Meilenstein würde den Nachweis bringen, dass der Torus tatsächlich Plasma beherbergen kann, dass sich Magnetfelder, Vakuum, Ströme etc. tatsächlich so verhalten, wie berechnet. Man ist an diesem Punkt aber noch meilenweit von einer ersten Fusion entfernt, bei der Tausendmal höhere Temperaturen herrschen müssen.

Diese erste Fusion war ursprünglich für 2023 geplant. Der neueste Fahrplan sieht jedoch vor, dass das erste Plasma im Jahr 2025 erreicht wird und die erste vollständige Fusion 2035. Die Meilensteine verschieben sich offensichtlich mit großen Schritten in die Zukunft, was bei der enormen Komplexität der Maschine nicht überrascht.

Haben wir 2035 die Maschine, die unendliche Mengen sauberen Stroms liefert?

Immerhin, wenn das 2035 klappt – haben wir dann also die Maschine, die unendliche Mengen sauberen Stroms liefert? Jetzt müssen wir die Katze aus dem Sack lassen: Die Antwort ist Nein. Das erklärte Ziel von ITER ist die Erzeugung eines Deuterium-Tritium-Plasmas, in dem 400 Sekunden lang eine Fusionsleistung von 400 Megawatt erzeugt wird, wobei zur Heizung des Plasmas maximal 40 Megawatt eingespeist werden. Wenn das, wie geplant, in 2035 erreicht ist, dann hat ITER seine Schuldigkeit getan.

Die Erfahrungen mit ITER sollen dann in eine Maschine Namens „DEMO“ fließen, welche Fusionsleistung in elektrische Leistung von mindestens 500 Megawatt umformen soll. Und das hoffentlich für einen Zeitraum von mehr als 400 Sekunden. DEMO ist aber nur für die Demonstration und noch nicht für die routinemäßigen Einspeisung ins Netz gedacht.

Lassen Sie uns ein Gleichnis verwenden um den mühsamen Fortschritt in Richtung Strom aus Kernfusion zu demonstrieren: Verglichen mit dem Weg zum routinemäßigen, weltweiten Passagierverkehr in der Luft entspricht das für 2035 geplante Fusionsexperiment von ITER dem ersten, etwa 400 Sekunden dauernden Flug der Gebrüder Wright, Anfang des 20. Jahrhunderts. Da wurde bewiesen, dass Objekte, die schwerer als Luft sind, kontrolliert fliegen können.

Wenn ITERs Nachfolger DEMO sein Ziel erreichen sollte, dann entspräche das dem ersten Nonstop-Transatlantik-Flug von Neufundland nach Irland im Jahr 1919. Was aber letztlich angestrebt wird, ist die routinemäßige Nutzung von Fusionsenergie im industriellen Maßstab, also sozusagen der störungsfreie Langstreckenverkehr, wie er etwa Mitte der sechziger Jahre durch die Boeing 707 Realität wurde, und sich seither kontinuierlich verbessert hat.

Man kann hier aber noch eine andere Überlegung anstellen: Hinter den meisten historischen technischen Glanzleistungen steckten Genies. Ohne Ferdinand Porsche hätte es keinen Volkswagen gegeben, ohne Wernher Braun keine Landung auf dem Mond, und ohne Elon Musk würde heute kein Tesla Roadster um die Sonne kreisen. Diese Männer haben mit Besessenheit und überragender Intelligenz die gesteckten Ziele verfolgt und erreicht. Solche Charakterzüge kann man nicht durch Milliarden und Aber-Milliarden ersetzen. Im Gegenteil: Vielleicht zieht das viele Geld sogar die falschen Charaktere an.

Kommen wir also zurück zu unserer anfangs gestellten Frage: Wird Kernfusion die Energiewende retten? Wird sie die zerschlagene Stromversorgung aus Kohle und Atom demnächst ersetzen? Mit Sicherheit nicht.

Wird sie mittelfristig in wesentlichem Umfang Elektrizität erzeugen? Auf dem Weg, den ITER eingeschlagen hat, könnte das nicht vor 2075 sein.

Es wird doch auch von anderen Verfahren, von hoffnungsvollen Startups berichtet. Könnten die vielleicht schneller sein? Das wäre ein Wunder.

Es ist durchaus möglich, dass der Einsatz von Fusion zur Stromerzeugung technisch nicht möglich ist. Und es könnte sein, dass er technisch möglich ist, aber unwirtschaftlich. Auf jeden Fall wäre es unvernünftig, die Fusion heute als realistischen Faktor in der strategischen Energieplanung zu sehen.


Dr. Hans Hofmann-Reinecke studierte Physik in München und arbeitete danach 15 Jahre in kernphysikalischer Forschung. In den 1980er Jahren war er für die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien als Safeguards Inspektor tätig. Er lebt heute in Kapstadt.

Mehr zu dem Thema im Blog des Autors Think-Again


Weitere Videos aus der Reihe sehen Sie hier >>>

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