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Ökonomen und Journalisten verharmlosten noch 2021 die Inflationsgefahr

Published On: 2. Juni 2022 11:09

DIW-Präsident Marcel Fratzscher nannte noch vor einem Jahr Inflationsangst „ein sehr deutsches Phänomen“ und hielt sie für „unbegründet“. Viele renommierte Experten in Wirtschaft, Wissenschaft und Journalismus beschwichtigten ebenso, als die Teuerung schon begann.

IMAGO / photothek

DIW-Präsident Marcel Fratzscher bei einer SPD-Vorstandsklausur am 03.04.2022

Zum Daseinszweck und Selbst-Anspruch der meisten Ökonomen gehört sicherlich, Prognosen und Warnungen über die bevorstehende wirtschaftliche Entwicklung abzugeben. Insofern ist es erstaunlich, wie sich viele höchst renommierte Ökonomen und erst recht Wirtschaftsjournalisten noch im vergangenen Jahr über die Gefahr einer Inflation äußerten. Selbstverständlich konnte niemand wissen, dass am 24. Februar 2022 Putin tatsächlich einen Angriffskrieg gegen die Ukraine beginnen würde. Dieser Krieg ist allerdings sicherlich nicht der Auslöser, sondern nur ein verstärkender Faktor der inflationären Entwicklung, die schon mehrere Monate vor dem russischen Überfall deutlich wurde. 

Allein ein schnelles Googeln mit den Stichworten „Inflation“ und „übertrieben“ fördert für das Jahr 2021 reichlich Ergebnisse. Hier nur eine kleine Auswahl.

Verbreitet unter den Beschwichtigern der Inflationsängste in Deutschland ist, diese als „typisch deutsch“ darzustellen. Was offenbar als Argument schon weitestgehend ausreicht, um sie als unangebracht zu diskreditieren. So titelt die Berliner Zeitung am 2. Juni 2021: „Typisch deutsch: Die Angst vor der Inflation ist übertrieben“. Die damals schon steigenden Preise seien ein „vorübergehendes Phänomen“. Auch das war 2021 eine weit verbreitete Behauptung.

Durch einen Alpha-Ökonomen – zumindest, was politisch-mediales Standing angeht – geadelt wurde diese Behauptung dann wenige Tage später am 10. Juni von Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): „Die Sorge vor einer zu hohen #Inflation ist ein sehr deutsches Phänomen – und unbegründet.“

Der für seine Nähe zur SPD bekannte einstige Leiter einer von Sigmar Gabriel 2014 berufenen „Fratzscher-Kommission“ forderte zugleich: „Die EZB muss noch länger expansiv bleiben.

Nicht weniger prominent und politisch einflussreich als Fratzscher ist der ehemalige Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Im Interview mit dem Deutschlandfunk sagte er am 5. Juni 2021: „Herr Schäuble arbeitet ja mit dem Inflationsgespenst, dass er da an die Wand malt, aber wenn wir uns den Euroraum ansehen, da haben wir jetzt gerade mal eine Inflationsrate von zwei Prozent, das ist aber ganz stark von den Energiepreisen getrieben. Wenn wir die rausnehmen aus dem Preisindex und die unverarbeiteten Nahrungsmittel auch noch rausnehmen, dann haben wir die sogenannte Kerninflationsrate, und diese liegt unter einem Prozent. Also da ist überhaupt nichts von Inflation zu sehen, und die Inflationserwartungen, die von professionellen Ökonomen regelmäßig erhoben werden, die liegen ganz deutlich unter den zwei Prozent der EZB.“

Als im Mai 2021 die Bundesbank mit einer Teuerung über dem langjährigen Schnitt rechnete, gab Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sofort Entwarnung: „Im Januar 2022 ist dann mit einem deutlichen Rückgang der Inflation zu rechnen. Mittel- und langfristig ist nicht damit zu rechnen, dass die Inflation in Deutschland über zwei Prozent bleibt.

Auch seine Kollegin Silke Tober, Leiterin des Referats Geldpolitik am IMK schrieb in der Zeitschrift Wirtschaftsdienst 2021: „Sowohl der Ölpreisanstieg als auch die Lieferprobleme sind ausgeprägter und länger anhaltend als noch im Frühjahr 2021 überwiegend erwartet wurde. Dennoch werden die hohen Preissteigerungsraten aus heutiger Sicht ein temporäres Phänomen bleiben, da nennenswerte Zweitrundeneffekte, die eine Preis-Lohn-Spirale in Gang setzen könnten, ausbleiben dürften. Aktuell ist die zugrundeliegende Inflationsdynamik im Euro­raum noch so gering, dass das Inflationsziel von 2 % selbst 2023 noch nicht erreicht werden dürfte. Daher ist weiterhin eine deutlich expansive Wirtschaftspolitik erforderlich.“

Auch Jan Schnellenbach von der Universität Cottbus beruhigte im Mai 2021 die  Tagesspiegel-Leser, man müsse „jetzt erst einmal nicht zu nervös werden“. Er hatte im November 2020 schon auf Twitter verkündet: „Keine Sorge, für Inflation gibt es gar keine Anzeichen. Da braucht man sich auf absehbare Zeit keine Gedanken zu machen.“

Auffällig ist, dass sich Schnellenbach in jüngster Zeit in seinen Tweets sehr viel häufiger zum Ukraine-Krieg und anderen politischen Themen als zur Inflationsproblematik äußert.

Aber auch Banken-Ökonomen, von Wirtschaftsjournalisten gerne verbreitet, wiegelten 2021 oft ab, wenn es um Inflationsgefahren ging. „Die deutsche Inflationsangst ist übertrieben“, schrieb noch am 19. November 2021 Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, in einem Handelsblatt-Gastbeitrag. Der damals schon hohe Wert von 4,5 Prozent sei nur ein „pandemiebedingter Ausreißer“.

Das zur Spiegel-Gruppe gehörende Manager-Magazin titelte am 1. März 2021: „Warum die Inflationsangst übertrieben sein könnte“. Zentraler Stichwortgeber ist Dan Ivascyn, Chefanleger beim Anleiheinvestor Pimco, für den Inflation ein „fake“ war. Pimco-Chefökonom Joachim Fels sagte der FAZ am 13. Dezember 2021 die beruhigenden Worte: „Ich fände es falsch, sich deswegen jetzt allzu viele Sorgen zu machen.“ Schließlich seien „eben auch Sonderfaktoren am Werk: der Anstieg der Energiepreise, die Störung der Lieferketten und eine pandemiebedingt hohe Nachfrage nach Gütern“. Man fragt sich allerdings, was an diesen Faktoren das „Sonder“bare sein soll. 

Neben Pimco lieferte auch die Deutsche Bank dem besagten Artikel im Manager-Magazin Anlass zur Inflationsentwarnung: „Die Inflationsrate werde über das Jahr 2021 zwar im Schnitt bei 2 Prozent liegen, heißt es da. Am Jahresende sei sogar ein Anstieg auf bis zu 3 Prozent möglich. Schon im ersten Quartal 2022 werde die Teuerungsrate aber wieder auf 1,5 Prozent zurückfallen, so die Deutschbanker.“ (Mittlerweile ist die Deutsche Bank allerdings vom Beschwichtigungskurs zum Gegenteil übergegangen. Im April 2022 sagte Vize-Vorstand Karl von Rohr, er halte in diesem Jahr zweistellige Inflationsraten für möglich.)

Sonderphänomen Mark Schieritz in der „Zeit“

Einen eigenen Artikel verdient das inflationsgefahrverharmlosende Gesamtwerk des ZEIT-Autors Mark Schieritz. Der wirtschaftspolitische Korrespondent hat sich dieser Aufgabe nicht nur in seiner Kolumne wiederholt gewidmet, wie zum Beispiel noch am 4. August 2021 unter der Überschrift „Fürchtet euch nicht!“, sondern auch in einem Buch, das man schon jetzt als Inbegriff einer ökonomisch-wirtschaftsjournalistischen Fehldiagnose betrachten darf. Es trägt den Titel „Die Inflationslüge“ und den schönen Untertitel „Wie uns die Angst ums Geld ruiniert und wer daran verdient“. Auch Schieritz übrigens twittert in jüngster Zeit auffällig intensiv zum Ukraine-Krieg und auffällig wenig zum Thema Inflation.

Die Königin der Inflationsangstbeschwichtigungen war natürlich die EZB mit ihrer Präsidentin Christine Lagarde an der Spitze. Da wir uns hier auf deutsche Ökonomen beschränken, wollen wir nur das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel zitieren, die noch am 30. November von tagesschau.de so zitiert wurde: „Wir gehen davon aus, dass im November der Höhepunkt der Inflationsentwicklung erreicht ist.“ Die Teuerungsrate dürfte 2022 wieder allmählich in Richtung zwei Prozent sinken, der EZB-Zielmarke. Sondereffekte wie die Mehrwertsteuersenkung in Deutschland im vergangenen Jahr würden ab Januar aus der Statistik fallen. Und auch die Energiepreise werden nicht weiter so rasant steigen wie 2021, glaubte Schnabel.

Kann man aus der Diskrepanz zwischen Voraussagen renommierter Ökonomen und schließlich eingetretener Wirklichkeit dennoch etwas lernen? Zumindest kann man daraus erkennen, dass Ökonomen nicht unbedingt Karriere machen, weil sie über besondere analytische Gaben verfügen. Womöglich geht es auch in diesem Berufsfeld eher um andere, nicht mit dem Forschungsobjekt selbst zusammenhängende Faktoren. Neben guten Kontakten zu den Mächtigen dürften auch kommunikative Fähigkeiten eine Rolle spielen – was die amerikanische Ökonomin Deirdre McCluskey in ihrem Buch „If You’re So Smart: The Narrative of Economic Expertise“ 1990 auf den Punkt brachte: Ökonomen erzählen Geschichten. Auch solche, die sie selbst, ihr Publikum oder andere Interessenten gerne hören möchten.

Zur Ehrenrettung der Ökonomen sollen aber auch ein paar Stimmen genannt werden, die schon lange vor der Geldentwertung warnten – und leider nun bestätigt werden. In erster Linie ist natürlich Hans-Werner Sinn zu nennen, zuletzt hat er in seinem aktuellen Buch „Die wundersame Geldvermehrung“ die Geldpolitik der EZB und die Staatsverschuldung scharf kritisiert. Unter den Bank-Ökonomen sticht vor allem Jörg Krämer hervor, Chefvolkswirt der Commerzbank. In ein paar Jahren „werden die Teuerungsraten dann deutlich über zwei Prozent liegen“, prophezeite er im vergangenen Herbst und sah vor allem die EZB als Inflationstreiber.

„Die EZB spielt die Inflationsrisiken herunter“, ließ sich im November Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) zitieren. Ihre Prognose erwies sich trotzdem als geradezu traumhaft im Vergleich mit der aktuellen Wirklichkeit. Laut Tagesschau.de: „Für 2022 prophezeit sie, dass die Verbraucherpreise ähnlich stark zulegen wie im Vorjahr – um 2,4 Prozent in der Eurozone und um 2,7 Prozent in Deutschland.“


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