Das andere «Wort zu Pfingsten» oder: Geräusch wird Geist

Das andere «Wort zu Pfingsten» oder: Geräusch wird Geist

Veröffentlicht am 4. Juni 2022 von LM.

Manchmal ähneln sich die Gespräche wirklich sehr, sobald es um Jesus geht – um Jesus als den Gottessohn, den Erlöser, den Christus. Da ist dann immer irgendwo eine Grenze, eine Mauer sozusagen. «Bis hierhin kann ich folgen und tu das auch gerne. Aber mit mehr kann ich einfach nichts anfangen.»

Vor dieser Grenze kann man sich recht gut und lang und breit unterhalten:

• dass es mit einer rein materiellen Welt so nicht weitergehen kann und das ja nicht alles sein dürfe;
• dass der Geist des Menschen enormes Potential habe, und wenn sich das erst ’mal entfalten würde, dann, ja dann sähe die Welt anders aus;
• dass die Lehren von Jesus auf jeden Fall gut seien, aber warum mussten die Kirchenleute da eine Art Gott aus ihm machen;
• dass die Religionen alle ihren Weg zu etwas Göttlichem böten und Jesus doch nie und nimmer der einzige Weg sein könne.

Stunden, Stunden, Stunden kann man mit solchen Gesprächen zubringen; ganz zu schweigen von der Unmenge an entsprechender Literatur. Der Vorteil davon: Das Suchen findet eine Sprache, und die Sprache im Ge-Spräch ein erstes Ant-Wort, sozusagen. Der Nachteil: Irgendwann ist fertig, der Claim des je eigenen Horizontes ist verbal abgesteckt.

Und dann? Dann kommt’s drauf an. – Vor einigen Jahren meinte eine alte Dame nach einer Andacht im Altersheim: «Wenn jemand schnell redet, dann höre ich nur ein Geräusch, aber bekomme nichts mit.» Sobald es um den eigentlich biblischen Gehalt des christlichen Glaubens geht – Jesus als den Gottessohn, den Erlöser, den Christus –, dann ist das für viele auch kaum mehr als ein bloßes Geräusch, bar jeden Inhalts.

Natürlich lässt sich da gegensteuern und argumentieren. Aber die Grenze bleibt zumeist bestehen. Das Unangenehme daran: Man steht recht hilflos davor. Das Gute daran: Sie anzuerkennen befreit von jeglicher frommer Manipulation. Ein nachgeplauderter Glaube wäre doch nur aus zweiter Hand; ein Glauben zu glauben, also das berühmte Meinen als Form des Nichtwissen.

«Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in aller Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.» Johannes 16,13.

Ein Glaube, der das eigene Herz erreicht und Lebensmut bringt – den bewirkt keine rein intellektuelle Zustimmung, geschweige denn jenes obengenannte religiöse Abwägen. Sondern dieser Glaube geschieht dem eigenen offenen Geist, wenn ein Bibelwort zündet, eine Begegnung in die Tiefe führt, ein Gespräch ins Staunen mündet und dieses Staunen ins Ergreifen dessen, was als neuer weiter Horizont aufdämmert, als Horizont eines Jesus-Glaubens.

Dieses Geschehen nennt sich – Heiliger Geist. Jenes Göttliche, das man mit vielen Fragen umkreist hatte, tritt aus dem Nebel, und man weiss sich von innen heraus belebt, schrittweise oder punktuell; wie auch immer.

Nehmen Sie über die Feiertage Ihre Bibel zu Hand und schauen Sie, wo es Sie hin-verschlägt, belebenderweise und über alle mitgebrachten Bilder und Befürchtungen hinaus.

*********************

Wort zum Sonntag vom 19. Mai 2022: Es begann am Postschalter

Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft auch an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.

Telegram-Kanal: @StimmeundWort

Website: www.stimme-und-wort.ch