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Dens Radfahrens vor mir hat die ganze Zeit gesungen

Published On: 12. Juni 2022 11:00

Der Instagram-Kanal „ZDF Mediathek“ stellte das Pronomen „dey“ als geeignete Variante für alle nicht eindeutig männlich oder weiblich verorteten Personen vor. Eine wahnwitzige Idee oder die Realität von morgen?

Vor einer Weile beschäftigte ich mich mit dem Buch „Wie schreibe ich divers? Wie spreche ich gendergerecht? Ein Praxis-Handbuch zu Gender und Sprache“ von Lann Hornscheidt und Ja’n Sammla. Lann Hornscheidt hatte bis 2016 eine Professur für Gender Studies und Sprachanalyse an der Berliner Humboldt-Universität inne und war vor ein paar Jahren in die Schlagzeilen geraten, als bekannt geworden war, dass sie sich weder als Mann noch als Frau identifiziert und daher nicht geschlechtsspezifisch, sondern beispielsweise mit „Sehr geehrtx Profx. Lann Hornscheid“ angesprochen werden will.

Vor einem Jahr brachte Lann Hornscheid dann besagtes Buch heraus, in dem sie eine Reihe von praktischen Beispielen liefert, wie man nun aus ihrer Sicht „gendergerechter“ sprechen könnte. Ich bin so frech, Lann Hornscheid gemäß ihrem biologischen Geschlecht als „sie“ zu bezeichnen, da ich an dieser Stelle niemandem die von ihr erdachten neuen Sprachmodelle zumuten will. Bei der Lektüre überlegte ich, ob ich aus den vorgeschlagenen, geschlechtsneutralen Formen nicht ein lustiges Video für meinen YouTube-Kanal machen sollte. Profex Drex Lann Hornscheidt hat sich zu diesem Zwecke die Endung „ens“ ausgedacht, die Geschlechtsneutralität anzeigen soll. Man würde demnach also nicht mehr „Sprachwissenschaftler“ oder „Sprachwissenschaftlerin“ sagen, sondern „Sprachwissenschaftlens“.

Aus „Die Frau, die vor mir auf dem Rad fuhr, hat die ganze Zeit gesungen“ würde nach dieser Logik „Dens Radfahrens vor mir hat die ganze Zeit gesungen.“

Ein Satz wie „Mütter und Kinder haben Anspruch auf besondere Fürsorge“ würde nach Lann Hornscheidt folgendermaßen klingen:

„Menschen, die über Reprogenderung die soziale Rolle haben, sich um Kinder zu kümmern, haben ebenso wie die Kinder selbst, Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung.“

Aus „Frauenhaus“ würde „Schutzhaus für Personen, die sexistische/genderistische Gewalt erfahren“, aus „Sohn“ oder „Tochter“ „angehörige Person“, aus „Vater“ oder „Mutter“ „Elternperson“ aus „Ehemann“ oder „Ehefrau“ wird „Nahperson“ und dergleichen Verrücktheiten mehr.

Während ich das Video vorbereitete, kam ich zu dem Schluss, dass das ganze am Ende wohl doch nicht so lustig sei und ich vor allem dabei war, eine Mücke zum Elefanten aufzublasen. Lann Hornscheidt war ganz eindeutig eine Extremistin, die zwar medial wirksam, aber sicher nicht nachhaltig ihre Sonderpositionen verbreitet hatte. Es gab sicher Wichtigeres zu berichten.

„Praktisch wärs ja.“

Nun stolperte ich aber erneut über eine revolutionäre Sprachform, nämlich ein „geschlechtergerechtes“ Pronomen. Vor rund einer Woche postete der Instagram-Kanal „ZDF Mediathek“ mehrere Kacheln zum Thema „Non-Binarität“. Ausgehend von der ZDF-Serie „Becoming Charlie“, in der es um eine „non-binäre“ Jugendliche geht, wurden die Pronomen „dey“ und „deren“ als Alternative für alle „Nicht-Binären“ angeführt, also Menschen, die weder Männlein noch Weiblein sein wolllen. Auf einer Kachel heißt es: „Neben Pronomen wie ‚sie/er‘ und ‚sie/ihn‘ gibt es auch sogenannte Neopronomen wie ‚dey/deren‘. Beispiel: Das ist Jo. Dey ist sehr nett und deren Frisur sieht toll aus.“

Im Begleittext zur Kachel steht:

„Unwissenheit ist überhaupt nicht schlimm. Vor allem, wenn man selbst wenig Berührung mit einem Thema hat, kann man es nicht so einfach nachvollziehen. Wir erklären euch hier ein paar Begriffe, damit sich drängende Fragen zu dem Thema nicht-binäre Menschen klären! Die Serie ‚Becoming Charlie‘ handelt von der nicht-binären Person Charlie, die dabei ist, sich selbst zu finden. Wendet euer Wissen an!“

Auch der Hessische Rundfunk hatte sich am 5. Mai im Podcast „HR 2 Der Tag“ unter dem Titel „Männlich, weiblich oder … Das Ende der scheinbaren Übersichtlichkeit“ ebenfalls diesem „neuen Pronomen“ gewidmet. Ausgehend von der Geschlechterfrage, wird schon im Einleitungstext wie selbstverständlich gleich einen Schritt weiter gegangen:

„Non-binäre Personen sehen sich außerhalb der binären Geschlechterordnung. Neuerdings werden sie zum Beispiel im Missy-Magazine auch mit einem eigenen Pronomen angesprochen, ‚dey‘. Ist die Kategorie ‚Geschlecht‘ bald überflüssig? Und wäre damit auch gleich jegliche geschlechtsbezogene Benachteiligung beseitigt? Praktisch wärs ja.“

In den Adelsstand der Relevanz erhoben

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat also verblüffend wenig Berührungsängste mit randständigen, um nicht zu sagen extremen Positionen aus den Gender Studies. Das Missy-Magazin ist sozusagen die kleine, radikal queer-feministische Schwester der EMMA und hat im März dieses Jahres in einem Beitrag für die Einführung des magischen ‚Neopronomens‘ „dey“ plädiert: „In einer Umfrage im Jahr 2021 vom Verein für geschlechtsneutrales Deutsch e.V. wählten die meisten Teilnehmer*innen ‚dey‘ zum beliebtesten Pronomen. Dekliniert wird es bei Missy als ‚dey/deren/demm‘.“

Wenn ein Podcast des Hessischen Rundfunks sowie ein ZDF-Instagram-Kanal also die Positionen einer journalistischen Splitterpartei wie den „Missys“ als satisfaktionsfähig genug betrachten, um eine ihrer Positionen in einem Podcast beziehungsweise Posting zu besprechen, ist das ein Bekenntnis, das nicht zu geringgeschätzt werden sollte.

Der Themenkomplex „neue, genderneutrale Pronomen“ erinnert ein wenig an den Diskurs um die freiwillige (weibliche) Kinderlosigkeit. Vor rund drei Jahren rezensierte ich das Buch „Kinderfrei statt kinderlos“ der Lehrerin Verena Brunschweiger, die sehr polemisch und provokant für den Verzicht auf Kinder im Namen des Klimaschutzes plädierte. Wie ich bereits hier schrieb, beschlichen mich zunächst leise Zweifel, ob ich den überspannten Theorien der Autorin nicht zu viel Aufmerksamkeit gewidmet hatte.

Als sie kurz darauf in Talkshows saß und verblüffend wenig Gegenwind für ihre steilen Thesen erhielt, wurde mir jedoch klar, dass dieses scheinbare Orchideenthema von medialer Seite in den Adelsstand der Relevanz erhoben worden war. Seither gab es zahlreiche öffentlich-rechtliche Produktionen zum Thema gewollter Kinderlosigkeit, und auch ALDI Nord trat kürzlich einen kleinen Skandal los, als in einem Imagevideo für den YouTube-Kanal des Discounters eine Feministin das Kinderkriegen verunglimpfte.

Ziel ist die Durchsetzung politischer Forderungen

Was die „neuen Pronomen“ anbelangt, saß ich offensichtlich einem Irrtum auf, als ich Lann Hornscheidts Büchlein zum Thema vor rund einem Jahr die Relevanz absprach. Natürlich machen ein paar Erwähnungen von öffentlich-rechtlicher Seite noch keinen gesellschaftlichen Umbruch, unterschätzen sollte man die Wirkmacht von dieser Seite jedoch nicht. Als ich bei meinen Recherchen den Instagram-Kanal von „ZDF Mediathek“ durchforstete, staunte ich nicht schlecht, wie sehr das ZDF seine jungen Nutzer mit queeren Themen bombardiert.

Diesbezüglich starteten gerade 120 Wissenschaftler, Ärzte, Psychologen und Pädagogen einen Aufruf unter dem Titel „Schluss mit der Falschberichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks!“, flankiert von einem WELT-Beitrag der Initiatoren Rieke Hümpel, Uwe Steinhoff, Antje Galuschka, Alexander Korte und Marie Vollbrecht. Wie die NZZ berichtete, monierten die Autoren, dass selbst die „Sendung mit der Maus“ mittlerweile Transthemen behandele. Der Vorwurf lautet, dass die Öffentlich-Rechtlichen mit ihrer trans-freundlichen Berichterstattung und der Aberkennung der bipolaren Geschlechtsordnung naturwissenschaftliche Tatsachen leugnen und außerdem Schaden bei Kinder und Jugendlichen anrichten würden:

„Das Thema ‚Trans‘ wird durch die Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an Kinder und Jugendliche herangetragen mit dem Ergebnis, dass sich die Zahl der wegen Geschlechtsdysphorie behandelten Kinder und Jugendlichen in weniger als zehn Jahren verfünfundzwanzigfacht hat.

In TV-Sendungen, Rundfunkbeiträgen und auf den Social-Media-Kanälen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird dieser Trans-Hype geschürt und es wird der ‚Weg in den richtigen Körper‘ als kinderleichter Schritt geschildert.“

Die protestierenden Ärzte und Wissenschaftler sind also offensichtlich der Meinung, dass der Einfluss von ZDF und Co. alles andere als eine Kleinigkeit ist. Dass die Berichterstattung die Durchsetzung politischer Forderungen zum Ziel hat, ist ein weiterer Vorwurf seitens des Aufrufs.

„Ist das einfach grün-krauser Schwachsinn?“

Dies führt mich zu einem Aspekt, der im gerade erschienenen Buch „Mind Food“ des Arztes und Psychotherapeuten Ruediger Dahlke besprochen wird. Das Werk entstand unter dem Eindruck der Corona-Politik und trägt den Untertitel „Wie wir unsere mentale Gesundheit gegen Manipulation und Brainwash des Systems stärken“. Dahlke bespricht mehrere verschiedene Manipulationsstrategien, unter anderem die Taktik des „Preteaching“: „Etwas wird eingeführt, indem es erst einmal verneint oder gar vehement abgelehnt wird (…) Ist der Widerstand zu groß, kann man das Ganze aufschieben und bei günstigerer Gelegenheit nochmals servieren.“

Als eines der Beispiele führt Dahlke den mittlerweile berühmten Tweet des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer vom 5. Mai 2020 ins Feld, wonach Spekulationen um eine Impfpflicht reine Falschnachrichten und Verschwörungstheorien seien. Bekanntlich wurde wenig später die Einführung einer Impfpflicht zum offiziellen Programm. „Ist (Kretschmer) nicht in Wahrheit der Verbreiter von Falschnachrichten?“, fragt der Autor.

Bezüglich der neuerdings von grüner Seite proklamierten Kinderlosigkeit aus Umweltschutzgründen fragt sich der bekennende Grünen-Wähler Dahlke: „Ist das einfach grün-krauser Schwachsinn oder der volle Durchbruch der Grünen in ihren Schatten? Möglicherweise ist es aber auch Preteaching und ein neuer Versuchsballon, was der Bevölkerung noch alles zumutbar ist.“

Ist auf diese Weise auch das öffentlich-rechtliche Programm rund um Queerness, Transgender-Themen und eben auch „neue Pronomen“ zu betrachten? Sind diese auf den ersten Blick lächerlich und randständig erscheinenden Anliegen der Themen-Kompass für die Zukunft? Ist die zunächst abwehrende Reaktion der „Normalos“ schon eingepreist, weil man sie auf diese Weise dennoch mit der „neuen Normalität“ vertraut machen kann? Ich würde es nicht hoffen, möchte aber auch nicht morgen von Ideen überrannt werden, die mir heute noch zu abenteuerlich erscheinen. Klänge es nicht so abgedroschen, würde ich glatt schreiben: Wehret den Anfängen …

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