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Die EZB sucht nach neuem „Instrument“ zum erneuten Aufschub der Staatsschuldenkrise

Published On: 15. Juni 2022 16:23

Die Schuldenkrise ist wieder da. In einem mageren Statement nach der Sondersitzung des EZB-Rates kommt das Wort „Inflation“ nicht vor. Stattdessen die Ankündigung eines künftigen Instruments gegen die „Fragmentierung“ – also letztlich der weiteren Verschiebung der Krise.

IMAGO / ANP

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank

Die Staatschuldenkrise in der ersten Hälfte der 2010er Jahre war nie vorbei. Wie alle großen Krisen der Gegenwart wurde sie nicht gelöst und bereinigt, sondern in eine damals scheinbar ferne Zukunft verschoben. Doch diese bricht jetzt an – wie die offenkundige Unruhe an den Anleihemärkten und unter Notenbankern zeigt. 

Der geldpolitische Rat der Europäischen Zentralbank kam heute zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen und beschloss – um es vorwegzunehmen – wenig Konkretes. Sie hat – wie zu erwarten – erneut ihre Bereitschaft bekräftigt, für den Zusammenhalt der Eurozone zu sorgen. In einem Statement nach der Sitzung hieß es nur, der Rat habe die „relevanten Gremien“ beauftragt, „beschleunigt“ ein Konzept für ein neues „Instrument“ zu erarbeiten, mit dem eine „Fragmentierung“ der Währungszone verhindert werden könne („the design of a new anti-fragmentation instrument“). Und man bekräftigte, Anleihekäufe unter dem Notfallprogramm PEPP könnten „flexibel“ eingesetzt werden. Unter PEPP, (in der Corona-Pandemie geschaffen) werden zwar netto keine Schuldpapiere mehr dazugekauft, aber auslaufende werden bis auf weiteres ersetzt. Unter „flexibel“ ist wohl zu verstehen, dass beispielsweise fällig werdende deutsche Bundesanleihen durch italienische Staatsanleihen ersetzt werden.

Der Anlass der Sondersitzung war: Die Risikoaufschläge (Spreads) für höher verschuldete Euro-Staaten sind nach der Ankündigung der Zinswende durch die EZB stark gestiegen. Der Spread für Italien, also die Differenz zur als sicher geltenden deutschen Staatsanleihe mit zehn Jahren Laufzeit, war zuletzt zeitweise auf über 2,4 Prozentpunkte gestiegen. Die Risikoaufschläge zeigen die Sorge der Investoren, dass mit der Straffung der Geldpolitik diese Länder in Zahlungsschwierigkeiten kommen könnten.

Die angekündigte Anhebung der Zinsen, das Ende des billigen Geldes, ist die – verspätete – Reaktion auf die überall in der Euro-Zone galoppierende Geldentwertung, die endlich auch der EZB Sorgen bereitet, nachdem sie bis vor kurzem verharmlost wurde. 

Zusammenfassend: Die (absehbare) Wiederkehr der Staatsschuldenkrise ist diesmal von der Inflation ausgelöst worden – aber diese ist kein externer Schicksalsschlag, sondern selbst eine Folge der Nullzins-Geldschwemme-Politik der EZB im Verein mit der fortgesetzten Verschuldungsfreude der EU-Mitgliedsstaaten (und seit kurzem auch der EU selbst). Die EZB medikamentiert also an Symptomen herum, die sie selbst mitverschuldet hat. 

In den fast täglichen neuen Schreckensmeldungen des Statistischen Bundesamtes über die Verteuerung fehlt seit dem 24 Februar fast nie ein Satz zum Ukrainekrieg, zum Beispiel hier: „Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine hat sich der bereits zuvor beobachtete Anstieg der Preise für Energie merklich verstärkt und beeinflusst die Inflationsrate erheblich“. Oft fehlt in solchen Erklärungen allerdings auch der Einschub „bereits zuvor beobachtete“. Natürlich haben Politiker ein Interesse daran, die jetzige Inflation als Folge des Ukrainekrieges, jedenfalls nicht als Folge ihrer eigenen Politik darzustellen. Ihnen muss man das Diktum von Ludwig Erhard entgegenhalten: „Die Inflation kommt nicht über uns als ein Fluch oder als ein tragisches Geschick; sie wird immer durch eine leichtfertige oder sogar verbrecherische Politik hervorgerufen.“ Inflation Sie ist das Ergebnis von falscher Geldpolitik im Zusammenwirken mit verantwortungsloser Staatsschuldenpolitik. 

Dass die tieferen Gründe für die Inflation weniger in der Ukraine beziehungsweise im Kreml zu suchen sind, als in Brüssel, den europäischen Hauptstädten und nicht zuletzt in der EZB, legt auch die Tatsache nahe, dass die Schweiz genau die gleichen, unverschuldeten äußeren Schicksalsschläge (von Corona bis zum Ukraine-Krieg) zu verdauen hat wie die EU-Staaten – aber keine besonders hohen Inflationsraten zeigt. Was die kleine Republik unterscheidet? Eine stabilitätsorientierte Geld- und Schuldenpolitik jenseits der Währungsunion.

Die Bilanzsumme der Schweizer Nationalbank hat sich seit 2019 um moderate 20 Prozent vergrößert. Die der EZB explodierte im gleichen Zeitraum um fast 90 Prozent, von 4,7 auf 8,8 Billionen Euro. In der Eurozone sind also gigantische  Geldmengen aus dem Nichts geschaffen worden, die den Zuwachs der Güter und Dienstleistungen bei weitem übertreffen. Man muss kein Finanzwissenschaftler sein (vielleicht sollte man es sogar gerade nicht sein), um zu begreifen, dass es unter solcher Voraussetzung früherer später zu einer Entwertung des Geldes kommen muss.

Das einzige, was die EZB unter Christine Lagarde gegen die offenkundige Inflationsgefahr tat, war die Aussendung von Beschwichtigungsbotschaften mit Unterstützung einer ihr weitgehend hörigen Mehrheit in Ökonomik und Journalismus. Die Warner mit dem ehemaligen Bundesbankpräsident Jens Weidmann an der Spitze, hatten keine Chance. Weidmann trat Ende 2021 zurück. Nun gibt ihm die Entwicklung recht.

Fratzscher, Bofinger und viele andere

Mario Draghis, dann von Lagarde treu weitergeführte Nullzins-Geldschwemme hatte ein politisches Motiv. Es ging um nichts anderes als darum, Draghis Versprechen – „whatever it takes“ – einzuhalten, also den extrem hoch verschuldeten Staaten im Süden Europas die Zinslast zu nehmen, letztlich deren Bankrott und damit das Zerbrechen der Währungsunion zu verhindern. 

Wie wirksam das war, zeigt sich eben jetzt: Schon die Ankündigung der Zinswende der EZB führte zu panikartigen Verkäufen an den Anleihemärkten. 

Da ist sie also wieder: die Staatsschuldenkrise. Eigentlich war sie nie wirklich weg. Und die EZB sucht nicht wirklich nach einer Lösung, die reinen Tisch machte, sondern nach einem neuen „Instrument“, um sie wieder ein Stück weiter in die Zukunft zu schieben. Das meint man im EZB-Rat mit der Verhinderung der „Fragmentierung“ („resurgent fragmentation risks“), was nur ein Euphemismus für den Bankrott überschuldeter Staaten und das Auseinanderbrechen der Währungsunion ist.  

Fazit: Nicht die Verhinderung der Inflation – klassische primäre Aufgabe einer Zentralbank und laut Verträgen auch der EZB – beschäftigt die EZB (das Wort kommt in dem kurzen Statement gar nicht vor), sondern die Verhinderung des Zerfalls der Währungsunion. Oder um es mit einfachen nicht-notenbankerischen Worten zu sagen: die Fortsetzung des Nichteingestehens des Scheiterns der Währungsunion. Die Inflation ist der Preis dafür.

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