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Die letzte Kröte: Grüne demnächst Atompartei?

Published On: 16. Juni 2022 6:00

Noch reiben sich die Zeithistoriker die Augen, Doch bald schon werden sie ihre variantenreichen Interpretationen dafür liefern, was wir da gerade erlebt haben. Schließlich passiert eine derart radikale Wende, eine derartige Paradigmen-Umkehr bei politischen Parteien nicht alle Tage. Schon gar nicht bei den Grünen, die seit jeher mehr als alle anderen großen Wert auf ihre hehren Prinzipien legen. Die Partei, die in den 1980er Jahren ihre Sinnstiftung aus zwei gesellschaftlichen Streitthemen bezog, Abrüstung und Anti-Atom, und diese beharrlich bis in unsere Zeit weiter gehegt und gepflegt hat, sie vollzog jetzt im ersten dieser beiden Punkte eine beispiellose Kehrtwende, um 180 Grad.

Groß geworden war die Partei in ihrem Kampf gegen die Nachrüstung, gegen die Pershing-Raketen, mit denen Helmut Schmidt das Land gegen Bedrohungen aus Moskau wappnen wollte, mit Großdemonstrationen, Blockaden und den Parolen wie „Schwerter zu Pflugscharen“ oder „Frieden schaffen ohne Waffen“. Bis zuletzt waren Waffenexporte, insbesondere in Krisen- oder gar Kriegsgebiete, tabu und die Rüstungskonzerne des Teufels.

Und jetzt? Fordert heute ein Vertreter irgendeiner anderen Partei, Deutschland solle doch bitte die gewünschten Waffen an die Ukraine liefern, dann kommen vom Spitzenpersonal der Grünen wie Fraktionschef Hofreiter, Außenministerin Baerbock und ähnliche Kaliber, gleich ganz andere Töne: „Es müssen aber vor allem schwere Waffen sein, und zwar sofort.“ Panzer, Haubitzen, Raketenwerfer, Flugabwehr-Lafetten. Je schwerer desto besser, das volle Programm. Petra Kelly? Äh, wer war das noch mal?

Rüstungskonzerne sind plötzlich die Guten

Nebeneffekt dieser Volte: Rüstungskonzerne wie Rheinmetall, einst der Inbegriff des Bösen, sind fürs erste rehabilitiert, weil sie das produzieren und liefern, was die Grünen so dringend an die Front schicken wollen.

Die Partei der Friedensbewegung ist über ihren Schatten gesprungen, und man darf den altbackenen Spruch in dem Fall mit voller Berechtigung anwenden: Sie ist – in dieser Hinsicht – in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Bald vierzig Jahre nach ihrem Einzug in den Bundestag. Und zwar aus der Einsicht in die Notwendigkeit, in die tatsächliche Bedrohung. Und wohlgemerkt nicht aus einem Zielkonflikt ihres Wertegebäudes heraus, der sich aus der eigenen Programmatik, aus den eigenen Maximen ergeben hätte, etwa als das kleinere Übel. Nein, es war eine Läuterung, einfach so. Der freie Westen ist bedroht – kapiert, fertig. Bedroht war er übrigens auch durch die sowjetische SS-20-Stationierung zu Petra Kellys Zeiten, weshalb die Pershing-Raketen, die Nachrüstung, eben auch dringend nötig waren, aber lassen wir die Vergangenheit, schauen wir nach vorn. 

Worauf es heute ankommt: Diese enorme Volte, diese Kröte, die die Grünen da in unseren Tagen geschluckt haben oder der eigene Schatten, über den sie gesprungen sind, um alle Phrasen zu bemühen – all das müssen wir im Hinterkopf haben, wenn wir uns in diesen Tagen vor Augen führen, in welche Sachzwänge, in welche tatsächlich gegebenen Bredouillen die Friedens- und Ökopartei demnächst oder auf die mittlere Frist zusteuert, die nämlich auch ihre hehren Prinzipien betreffen, mehr als nur eines, vielmehr gleich einige, die sich deutlich widersprechen, und zwar im grünen Herzen. Kommt es zur Zerreißprobe?

Bevor wir dazu kommen, noch kurz der Hinweis: Die Grünen haben erst kürzlich noch eine weitere Kröte schlucken müssen: Ausgerechnet in einer Koalition mit der SPD haben sie nicht durchsetzen können in dem seit Jahrzehnten von diesen beiden Parteien – aber eben vor allem von den Grünen – hochgehaltenen Vorsatz, lieber gestern schon ein generelles Tempolimit auf den Autobahnen einzuführen. Nicht durchsetzen können, weil der allerkleinste Koalitionspartner, die FDP, dagegen war. Obwohl deren Verkehrsminister Volker Wissing früher sogar mal sagte, er könne mit einem Tempolimit auch leben.

„Atomkraft – ja, ein bisschen“?

Schauen wir jetzt lieber auf das große Thema, das für die Grünen viel spannender werden dürfte, das wie ein gefährlicher Felsbrocken auf sie zurollt, auf ihr zweites Standbein, die Anti-Atombewegung: Bleibt es bei Atomkraft – nein danke? Oder kommt bald: Atomkraft – ja bitte! Oder: Atomkraft – ja, ein bisschen! Oder: Atomkraft – ja okay, aber anders!

Bei diesem Thema wird es um mehr als – wie bei den Waffen für die Ukraine – nur um eine mögliche Volte einfach hin zur Vernunft gehen, nur mehr Realo-Politik, aus schierer Einsicht in die Notwendigkeit oder eben auch nicht. Nein, was das Thema so brisant und unausweichlich macht für die Grünen, ist, dass hier im Hintergrund ein enormer Zielkonflikt droht. Das grüne Paradigma Klimaschutz gegen das grüne Paradigma Artenschutz, die sich beim Thema nachhaltige Energien sowieso schon scheiden. Das ganze aber auch noch vor dem gesamtgesellschaftlichen Paradigma Energiesicherheit, was für eine Regierungspartei nicht zu ignorieren ist, schon gar nicht, wenn sie mit Robert Habeck den Wirtschaftsminister stellt. Zielkonflikte, deren Ausgang, deren Lösung beileibe nicht mehr so klar sind wie einst.

Ebenso sinnstiftend wie das Friedensthema war und ist bis dato für die Grünen ihre Antiatom-Haltung. Whyl, Gorleben, Brokdorf, damit sind sie groß geworden. Und nicht nur die Grünen übrigens. Die Kämpfe, die sich um diese Atomkomplexe Ende der 70er und in den 80er Jahren abgespielt haben, waren die Geburtshelfer auch für die alternative Tageszeitung „taz“, die seit April 1979 regelmäßig erschien. Undenkbar seit jeher ein Beitrag aus der Redaktion heraus, der sich prinzipiell für mehr Atomkraft ausspricht.

Undenkbar? Nicht mehr im Jahr 2022, dem Jahr, in dem die Unsicherheit der künftigen Energieversorgung, die sich in den vergangenen Jahren sowieso abzeichnete, nun noch einmal durch den Ausfall der russischen Gas- und Öl-Lieferungen kulminiert.

„taz“-Kommentar pro Atomkraft

Am 13. Januar 2022, also sogar noch sechs Wochen vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine, stand in der taz: „Wir müssen reden. Wenn der Weltklimarat Atomkraft als Teil der Lösung ansieht, der Mitbegründer von Greenpeace, Patrick Moore, Atomstrom das Wort redet und die finnischen Grünen ihre Haltung zu AKWs revidiert haben, dann sollte es auch in Deutschland möglich sein, Atomkraft nicht länger als Tabu zu betrachten.“ Was ist da passiert?

Noch der vorherige Wirtschaftsminister Peter Altmaier hatte eine Prognos-Studie in Auftrag gegeben, die ergeben hat: In der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts droht eine erhebliche Stromlücke. Die Erneuerbaren allein schaffen es nicht. Die plakative Äußerung, „schon heute“ würden diese knapp die Hälfte des Stroms liefern, schürt völlig unberechtigten Optimismus, weil es so klingt, als ob der Anteil selbstverständlich immer größer würde durch jedes Solarpanel und jedes Windrad. Doch das Gegenteil ist der Fall. Der Ausbau von beidem kommt dem enorm wachsenden Bedarf überhaupt nicht nach, hinkt deutlich hinterher. Und so fiel der Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch in Deutschland von 45,2 (2020) auf 41,1 Prozent (2021) – um fast 10 Prozent.

Noch entscheidender ist: Der Anteil der Erneuerbaren am gesamten Energiebedarf – inklusive Wärme, Prozesswärme und Verkehr etc. – beträgt lediglich knapp 20 Prozent. Und hier findet gerade ein ungeheurer Umschichtungsprozess statt. Wo bitte sehr soll der ganze Strom herkommen, wenn alle Autos nur noch elektrisch fahren? Und wenn die durchaus energieaufwändige Digitalisierung – wie vor allem von den Grünen gewünscht – voranschreitet? Wenn elektrisch geheizt wird, was einst als Umweltsauerei galt, jetzt aber gelobt wird? Und wenn die unabhängigen Kraftwerke der Unternehmen nichts Fossiles mehr einsetzen dürfen?

Nachhaltige Energie gegen Artenschutz

Die Strategen der Energiewende verbreiten Durchhalteparolen. Sie geben sich optimistisch und bemühen sich eifrig, alle vorgebrachten Bedenken, was die sichere Versorgung Deutschlands mit Strom und Wärme in ein paar Jahren angeht, pauschal als Angstmacherei und Hysterie abqualifizieren. Doch ihre politischen Entscheidungen und Bestrebungen zeigen, wie groß ihre eigenen Sorgen sind.

Die Frage, ob gegen Ende dieses Jahrzehnts noch genügend Strom aus der Steckdose kommt, ist für die Grünen nicht nur eine der Energiesicherheit. Sie birgt einen Sprengsatz für die Partei durch die ökologische, naturschutzrelevante Verfänglichkeit der vermeintlich so klimanotwendigen Energiearten. 

Schon heute verschwindet bei Überlandfahrten oft genug der Horizont hinter einem Wald von Windkraftanlagen. Doch um den Strombedarf Mitte der 2030er-Jahre zu befriedigen, müssten – allein an Land, „onshore“ – etwa doppelt so viele oder doppelt so große Anlagen stehen. Die zwei Prozent der Landesfläche, die als Zielgröße zur Bereitstellung für Windkraftanlagen beschlossen sind, hören sich noch mäßig an. Doch erstens dürfte sie kaum reichen und zweitens betrifft ihre optische und akustische Ausstrahlung ein Vielfaches an Landschaftsraum. Der mächtigste Industriestaat Europas wächst mit Windspargeln zu, weil man sich als einziges Land darauf versteift hat, gleichzeitig aus Kohle und Atom auszusteigen. Und die Windspargel werden nie genug sein.

Reinhardswald wird zum Energiepark

Schon werden Gesetze auf den Weg gebracht, damit die Einspruchsmöglichkeiten von Bürgern und die Mitsprache der Länder zurückgeschraubt werden. Die Abstandsregeln für Wohnorte werden gekippt, keine Scholle soll mehr vor Riesenrotoren sicher sein, keine Naturschutzgebiete, keine innerstädtischen Wälder, keine Wohngebiete, keine Parks. Die Naturschutzverbände laufen Sturm, es kracht in deren Mitgliedschaften. Einer der berühmtesten großen Naturschutz-Waldgebiete Deutschlands, der Reinhardswald in Hessen, soll in einen Windpark mit 240 Meter hohen Anlagen verwandelt werden, die ersten 18 sind genehmigt, 140 sind anvisiert. Nationalparks ade: Der Pfälzerwald, der Bayrische Wald, nichts ist mehr sicher. Das Wattenmeer schon gar nicht. Weil: Offshore soll es ja erst richtig losgehen.

In der Nähe geplanter Windparks dürfen demnächst keine Nisthilfen mehr installiert werden. Der Nabu protestiert lauthals, weil die Vögel von den Rotoren dahingerafft werden, der Vorsitzende tritt zurück, weil ihm dies zu weit geht, und er wiederum sich lieber der grünen Räson unterwerfen will. Andere engagierte Naturschützer wie Fritz Vahrenholt, ehemaliger Vorstand der Deutschen Wildtierstiftung, werden vom Verband vor die Tür gesetzt, weil ihm die ihm anvertrauten Schützlinge, die Wildtiere, wichtiger waren als die letzten Kilowatt aus Windkraft in deutschen Naturparks herauszuholen, die auf das Weltklima sowieso keinen Einfluss ausüben. Der „Vogelfrieden“ zwischen Arten- und Klimaschützern ist dahin.

Das Gründungsmitglied des BUND, Enoch zu Guttenberg, trat mit Aplomb aus dem Verband aus, weil ihm der zu windkraft-, ja zu grünenfreundlich war. Die Energiewende, der gleichzeitige Ausstieg aus so gut wie aller erst vor kurzem noch gängigen Energiegewinnung ist Staatsräson – nur mutige Köpfe wagen es, dagegen aufzustehen. Es gärt unter den Naturschützern.

Es gärt unter den Artenschützern

Der irrwitzige Ausbau der Windkraft, der das Gesicht des Landes und vor allem seiner Natur nachhaltig verändert, wäre nicht nötig gewesen, wenn man nach der Havarie im Atomreaktor von Fukushima die Nerven behalten hätte. Wohlgemerkt war es damals, 2011, eine Unions-FDP-Regierung unter Kanzlerin Merkel, die den Atomausstieg – nach zwischenzeitlicher kompletter Rücknahme – noch einmal deutlich beschleunigte gegenüber dem vorherigen von rotgrün beschlossenen. Wegen eines GAUs am anderen Ende der Welt, über den – man stelle sich vor – der oben zitierte taz-Kommentar den Akteuren von damals ins Stammbuch schreibt: „Beim Reaktorunglück von Fukushima starb unmittelbar ein Mensch. Einer!“ – und eben nicht 15.000, wie die Grünenpolitikerin Claudia Roth behauptete, weil sie einen Tsunami nicht von einem atomaren GAU unterscheiden konnte.

Und deshalb erklären heute ausgerechnet die Grünen den Natur- und Artenschutz – noch – für zweitrangig. Und mehr noch. Auch das, was die Grünen unter Klimaschutz verstehen, wird nun, aus der Not des – bisher – absehbaren endgültigen Ende der Atomenergie vernachlässigt. So musste zum Beispiel auch ein neues Kohlekraftwerk in Datteln vor zwei Jahren ans Netz gehen. Mit dem Argument, es produziere mehr Megawatt pro ausgestoßener CO2-Einheit, hatte man es den Klimabesorgten schmackhaft gemacht. Inzwischen aber gehen alle davon aus, dass es die Kohlendioxid-Emissionen absolut weiter erhöhen wird, einfach weil es kosteneffizienter arbeitet und deshalb überproportional viel mehr Strom als die dafür stillgelegten, schmutzigen Altanlagen produzieren kann – und nach dem Atomausstieg jedes Kilowatt, was das Kraftwerk hergibt, dringend benötigt wird.

Und, man höre und staune: um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern, weil es sowohl nicht mehr gewünscht als auch womöglich bald die Lieferung gestoppt wird – soll nun doch wieder die Option für mehr Energie aus Braunkohle und Öl als Brennstoff für die Kraftwerke erwünscht sein, obwohl beides vielfach mehr CO2 als Erdgas ausstößt. Glaubwürdigkeit ade!

Der Wiedereinstieg ist möglich – aber es eilt

Die Grünen werden sich am Thema AKW-Laufzeiten nicht vorbeimogeln können. Es berührt – und zwar keineswegs nur im Sinne von „nein danke“ – ihren Gründungszweck und ihre Regierungsfähigkeit. Die drei noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke liefern derzeit 11 Prozent unseres Strombedarfs. Würde man die drei im vergangenen Jahr abgeschalteten Anlagen wieder anschließen, käme insgesamt mehr als 20 Prozent zusammen, was – jedenfalls beim Strom – einen Komplettausfall des russischen Gases gleich mehrfach ausbügeln könnte. 

Der grüne Robert Habeck hatte kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine etwas unscharf angedeutet, er wolle prüfen lassen, ob eine Laufzeitverlängerung der drei noch betriebenen Atomkraftwerke technisch möglich sei. Ebenso unscharf hat er wenig später verkündet: Die Prüfung habe ergeben: Es ginge – eher – nicht. Tatsächlich dagegen wäre es sehr wohl möglich, nur wird es von Tag zu Tag schwieriger. Man müsste die Anlagen jetzt, noch im Sommer, zur Wartung herunterfahren, und man müsste sich ebenfalls jetzt um den Nachschub an Brennstäben kümmern. Letzteres sei schwierig, hatte Habeck gesagt. Mag sein, aber es wird – angesichts des nahenden Jahresendes – immer schwieriger. Und warum sollte zur Aufrechterhaltung der Energiesicherheit des Industriestandorts nicht eine vorsorgliche Sondierung oder gar Bestellung infrage kommen nach der Methode Dr. Lauterbach, der gern Impfstoff im Übermaß besorgt, nur um den absehbaren Überschuss auf den Müll zu schmeißen?

Die Zeit drängt. Das hat – in Teilen – auch die Regierungspartei FDP verstanden, aus deren Mitte jetzt langsam, aber sicher Stimmen laut werden für die Rücknahme des so hektischen Atomausstiegs.

Es geht auch um neue Kernkraftwerke

Letztlich geht es aber um mehr als nur die Rücknahme des Ausstiegs. Nämlich den Wiedereinstieg. Deutschland sollte sich ein Beispiel an fast allen anderen bedeutenden Industrieländern nehmen, die der Kernenergie künftig (wieder) eine größere Rolle beimessen wollen bei ihrer Energieversorgung. Auch im Sinne der grünen Anliegen Arten- und Naturschutz. Hunderte Anlagen sind weltweit geplant oder schon im Bau. Weder das Thema GAU noch die Entsorgungsfrage werden auf mittlere Frist noch ein glaubwürdiger Hinderungsgrund sein. Bei neuen Reaktortypen wie der mit Thorium betriebene oder der „Dual-fuel“–Typ wäre eine Katastrophe wie in Tschernobyl oder Fukushima ausgeschlossen, sie werfen auch nichts ab, was nebenbei für den Bau einer Atombombe verwendet werden könnte. Die Technik und die Forschung ist seit dem Ausstiegsbeschluss von 2011 nicht stehengeblieben – außerhalb Deutschlands, wo sie leider nicht nur stehengeblieben ist, sondern gleich stillgelegt wurde wie die Anlagen selbst, abgewürgt.

Richtig, die neuen Reaktortypen sind noch nicht fertig entwickelt. Dies gilt auch für die Transmutations-Technik, mit der man den verstrahlten Atommüll in nur noch schwachstrahlende Materie – wie sie es vorher war – zurückverwandeln und dabei auch noch Energie gewinnen kann. Sie ist großindustriell noch nicht einsetzbar, aber technisch gut verstanden. Die EU errichtet gerade einen Versuchsreaktor im belgischen Mol. Klar ist heute bereits: Es funktioniert.

Schon die GAUs und Super-GAUs der Kraftwerke früherer Generationen haben rückblickend die Schäden an Leib, Leben und Natur keinesfalls in dem Maße angerichtet, wie dies einst befürchtet wurde (wie schließlich selbst die taz inzwischen anerkennt, siehe oben). Die neuen Reaktortypen würden solche Befürchtungen gar nicht erst aufkommen lassen. Sie werden allein im Ausland entwickelt. In Deutschland dagegen richtet sich neben der Politik auch der Wissenschaftsbetrieb, ergriffen von Wokeness aller Bundes- und Landesregierungen, gegen jegliche Forschung zur Sache.

Statt Kernforschung heute Genderforschung

Kaum ein halbes Dutzend Lehrstühle im Land bieten noch Kernforschung an, während zum Beispiel Genderlehrstühle, Gender-Zentralinstitute, Genderforschungs-Koordinatoren und -moderatoren, Gender-Ringvorlesungen und Genderberatungsstellen an den deutschen Universitäten nach Hunderten zählen und weiter aus dem Boden sprießen. Seit dem ersten Ausstiegsgesetz von Rot-Grün vor zwei Jahrzehnten ist Atomforschung, bei der im Praxistest Energie gewonnen wird, untersagt. Deshalb musste man am KIT in Karlsruhe die Transmutationsforschung aufgeben.

Doch die Forschung außerhalb Deutschlands sagt uns: Wer heute propagiert, dass der „Atommüll“ über eine Million Jahre hermetisch abgeschlossene gelagert werden müsse, hat von der Dynamik der Forschungs- und Technikgeschichte seit der ersten Beherrschung des Feuers vor rund einer Million Jahren über die Erfindung des Rades vor etwa 5.000 Jahren bis zu Smartphones erst vor Kurzem nichts verstanden

Die Grünen halten das Vorsorgeprinzip hoch. Wer jetzt Atomkraftwerke propagiere, bevor alle damit verbundenen Probleme – insbesondere des Atommülls – gelöst seien, vergehe sich an der Zukunft der Menschheit. Es sei, als starte man das Flugzeug, bevor die Landebahn fertig ist, Große Worte. Eine Nummer kleiner könnte man indes ein ganz anderes, viel naheliegenderes, haarsträubendes Problem im Zusammenhang mit dem Vorsorgeprinzip anführen: Wir haben den gleichzeitigen Ausstieg aus Atom- und fossilen Energien beschlossen, ohne zu wissen, wie der stark steigende Energiehunger schon in den nächsten Jahrzehnten gestillt werden kann, ohne Aussicht auf die fertige Landebahn, um im Bild zu blieben. Auf Kosten nicht zuletzt der Natur, der grünen Herzensangelegenheit.

Es spricht alles dafür, dass gerade die Ökopartei das Thema Atomkraft neu überdenkt.

Die Lösung: Tempolimit gegen Wiedereinstieg beim Atom…

Psssst, erst mal noch nicht verraten: Ich hätte da eine Lösung, aber die müsste man innerhalb der Ampelkoalition taktisch geschickt angehen: Die FDP will den Wiedereinstieg, die Grünen wollen das generelle Tempolimit auch auf den Autobahnen. Wie es aussieht, sind beides vor allem ideologisch überfrachtete Themen für alle Beteiligten. Wie wäre es, wenn beide auf ihrer Seite anfingen, den Boden für einen Deal zu bereiten: Atom-Wiedereinstieg gegen Tempolimit. Es wäre eine win-win-Situation.

Zum Schaden müsste dies für keine Seite sein. Genauso wie die Grünen beim Thema Waffenlieferungen einen Schritt in Richtung Mitte der Gesellschaft getan haben (wie Umfragen zeigen), wäre dies beim Wiedereinstieg in die Atomkraft der Fall. Atomkraft, Tempolimit, für beides gibt es Mehrheiten in der Bevölkerung. Absehbar bei Atomkraft sogar auch unter den Wählern der Grünen. Dort sind derzeit zwar „nur“ 31 Prozent dafür, im Februar waren es aber gerade mal 17 Prozent, und der Druck aus dem Natur- und Artenschutz werden dort – wie in der Gesamtgesellschaft die Sorge um die Energieversorgung – für weitere Steigerungen sorgen. Insgesamt sprechen sich 60 Prozent für die Kernenergie in Deutschland aus, lediglich eine Minderheit von 30 Prozent ist dagegen.

…und dann auch gleich noch die Gentechnik

Würden erst die Grünen beim Thema Kernenergie zur Vernunft kommen, sollte es an der SPD nicht scheitern, ihre offene „grüne Flanke“ wäre schließlich abgesichert. Und die FDP und das Tempolimit? Der könnte man das durch einen kleinen, diskreten Hinweis an ihren Bundesverkehrsminister Wissing schmackhaft machen. Er hatte zuletzt ja als Hauptargument dagegen angeführt, dass man dafür nicht genügend Schilder hätte. Herr Wissing, im Vertrauen: Für das allgemeine, gesetzliche Tempolimit, etwa bei 130, bräuchte man kein einziges Schild. Ganz im Gegenteil, man könnte zum Beispiel alle „130“-Schilder einsammeln und recyceln.   

Auch für die Grünen hätte ich noch einen Tipp: Wenn sie sich erst einmal so weit durchgerungen haben, könnten sie beim Thema Gentechnik in der Landwirtschaft gleich weitermachen. Die könnte nämlich – zum Beispiel durch weniger Flächenverbrauch und weniger Chemieeinsatz, Nahrungssicherheit – ebenfalls ur-grünen Anliegen entgegenkommen. Ganz angesehen von vielen anderen Vorteilen. Aus grüner Sicht spricht nichts dagegen, wie bei der Kernenergie.

Auf geht’s, Grüne! 

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