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Das russische Außenministerium zu aktuellen Fragen rund um Ukraine und EU

Published On: 23. Juni 2022 18:59

Am Mittwoch war die Ukraine eines der beherrschenden Themen bei der Pressekonferenz des russischen Außenministeriums. Ich habe das Gesagte übersetzt.

Da man in einem Streit immer beide Seiten hören muss, um sich ein Urteil zu bilden, habe ich die Teile der Pressekonferenz von Maria Sacharowa, der Sprecherin des russischen Außenministeriums, übersetzt, in denen es um die Ukraine ging. Das war zunächst eine ausführliche russische Erklärung, später haben Journalisten dazu weitere Fragen gestellt.

Beginn der Übersetzung:

81 Jahre danach kämpft das russische Militär erneut gegen den Nazismus, den Neonazismus, dieselbe Art von weitverbreitetem Faschismus, der damals offenbar nicht ausgerottet wurde, und befreit die Ukraine von der neonazistischen Verseuchung, die dort von den westlichen „Partnern“ über Jahrzehnte gefördert wurde. Jetzt werden unsere Menschen wieder mit Waffen getötet, die nun in NATO-Ländern hergestellt werden.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Parole im Dritten Reich „Drang nach Osten“ lautete. Das ist jetzt faktisch zum Motto der Allianz geworden, das habe ich mir nicht ausgedacht, das sagen die selbst. Erinnern Sie sich an die Erklärungen aller EU- und NATO-Vertreter über das „Schlachtfeld“, dass mit Russland nichts Positives in Verbindung gebracht werden darf, geschweige denn der Sieg im Zweiten Weltkrieg. Erinnern Sie sich an die Verleugnung des Nazismus und des Faschismus in der Ukraine, an die Beschaffung von Geldern und der Entsendung von militärischer Ausrüstung, wenn es nur aus Brüssel Richtung Osten geht. All das geschieht vor dem Hintergrund, dass die militärische Infrastruktur der Allianz seit Jahren immer näher an unsere Grenzen heranrückt.

Die ukrainischen bewaffneten Verbände, die sich vom Schlachtfeld zurückziehen, üben inzwischen regelrechten Terror auf die Zivilbevölkerung aus. Selbst jetzt bemerken ihre westlichen Kuratoren deren nationalistischen und menschenfeindlichen Charakter nicht. In Lyssytschansk in der LNR haben die Neonazis Stellungen und Munitionsdepots in Schulen eingerichtet. Das sind echte Schulen, keine in Social-Media-Accounts retuschierte und erfundene, aus Fotos zusammengeklebte Schulen. Es sind echte Schulen: die Schulen Nr. 9, 14 und 28, auch der Kindergarten Nr. 6, und in den Wohngebäuden in der Pobedy-Straße wurden Maschinengewehr- und Scharfschützennester errichtet. Gepanzerte Fahrzeuge, Artillerie und Mehrfachraketenwerfer befinden sich in den an die Gebäude angrenzenden Bereichen. Die Menschen werden nicht nur nicht aus den gefährlichen Gebieten evakuiert, sondern sogar zwangsweise dort festgehalten. Eine ähnlich tragische Situation wurde in anderen Siedlungen unter der Kontrolle des Selensky-Regimes beobachtet – in Pryvolnoye, Kramatorsk, Saporischschja und vielen anderen.

Es gab Fälle von vorsätzlicher Geiselnahme, um Menschen in ukrainisch-nationalistische Positionen zu bringen. Nach Angaben des Innenministeriums der Volksrepublik Lugansk werden allein im Asot-Werk in Sewerodonezk 1.200 Zivilisten zwangsweise festgehalten. Wieder einmal werden Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“ benutzt. Das ist offenbar das, was den ukrainischen Militärs in NATO-Stäben beigebracht wird. (Anm. d. Übers.: Es ist vielsagend, dass die westlichen Medien, die täglich über die Lage in Asowstal berichtet haben, nun kein Wort über die Chemiefabrik Asot in Sewerodonezk berichten, in der sich die gleiche Tragödie wiederholt, die wir in Asowstal beobachten mussten)

Die Neonazis schaffen seit mehreren Jahren gezielt unerträgliche Lebensbedingungen für die Bevölkerung in den Donbass-Republiken. Die ukrainischen Streitkräfte zerstören Wohnhäuser, so dass die Menschen ohne Nahrung und Wasser, Medikamente, Strom und Heizung zurückbleiben. Den NATO-Methoden folgend greifen sie bewusst zivile und nicht-militärische Einrichtungen an.

Nach offiziellen Angaben der Volksrepubliken Donezk und Lugansk wurden seit dem 17. Februar, als die Volksrepubliken Donezk und Lugansk von den ukrainischen Streitkräften massiv beschossen wurden, in den Republiken mehr als 230 Zivilisten, darunter 10 Kinder, getötet. Über 1.000 Zivilisten, darunter 66 Minderjährige, wurden verletzt. Mehr als 5.000 Gebäude und mehr als tausend zivile Infrastruktureinrichtungen wurden beschädigt, darunter Dutzende von medizinischen Einrichtungen und fast zweihundert Bildungseinrichtungen. Die ukrainischen Kriegsverbrecher haben mehr als 50.000 Geschosse verschiedenen Kalibers, darunter 47 Totschka-U-Raketen, Tausende von Raketen verschiedenen Kalibers, darunter Smertsch (Kaliber 300 mm), Uragan (Kaliber 220 mm) und Grad (Kaliber 122 mm) auf die Städte und Dörfer der DNR und der LNR abgefeuert.

Es ist offensichtlich, dass das Selensky-Regime nicht die Absicht hat, seine kriminellen Handlungen einzustellen. Den westlichen Ländern kommt das aber ganz gelegen, denn sie treiben das Regime genau in diese Richtung. Sie haben die einmalige Gelegenheit, veraltetes militärisches Gerät in der Ukraine zu entsorgen und ihre eigenen Armeen mit neuen Waffen auszustatten, indem sie ihre Militärkonzerne mit Arbeit überhäufen und eine Reihe von finanziellen, materiellen und anderen Tricksereien durchführen.

Unterdessen verschärft sich in der Ukraine die politische Repression gegen Andersdenkende. Das geschieht in der schlimmsten Tradition totalitärer Regime. Nach den Äußerungen des ukrainischen Justizministers Dmitri Malyusko zu urteilen, will Kiew bis zum Ende des Sommers die Praxis der massenhaften Beschlagnahmung ukrainischer Unternehmen von Bürgern, die von den Behörden willkürlich als Russland-Sympathisanten eingestuft werden, zur Norm machen. Von welchem Recht, welcher Demokratie, welchem Liberalismus ist da die Rede? Das ist das Schlimmste, was in der Weltgeschichte je passiert ist. Mitgliedern politischer Parteien, die den Staatsstreich von 2014 nicht unterstützt haben, die „Oppositionsplattform – Für das Leben“ und der „Oppositionsblock“, wurde ihr Eigentum bereits entzogen.

Die Politik der erzwungenen Ukrainisierung und der Verfolgung von allem Russischem geht weiter. Am 19. Juni hat die Werchowna Rada einen Gesetzesentwurf angenommen, der die Aufführung russischer Musik auf den Straßen ukrainischer Städte, in Konzertsälen, Stadien, im Radio und Fernsehen verbietet. Das Erstaunlichste ist, dass der weltbekannte Komponist von Kinderliedern, der in Kiew geborene Vladimir Shainskyy, unter diese drakonischen Maßnahmen gefallen ist. Er starb 2017 und hat diesen Albtraum nicht mehr erlebt. Sonst wüsste er jetzt, dass seine Kinderlieder dort nun auch nicht mehr gesungen werden dürfen. Bücher, Zeitungen und Zeitschriften aus Russland und Weißrussland sind in der Ukraine verboten. Russischsprachige Autoren werden aus dem Unterricht der Weltliteratur gestrichen. Und dies geschieht nicht durch heimliche oder geheime Dekrete, sondern durch die öffentliche Haltung des Regimes. Achmatowa, eine gebürtige Odessaerin, schrieb: „Wir fürchten nicht, tot unter Kugeln zu liegen, es ist nicht bitter, ohne Dach über dem Kopf zu sein, und wir werden dich schützen, du große russische Sprache“

Umso dringlicher sind die Ziele und Aufgaben, die sich die russische Führung bei der Militäroperation gesetzt hat. Wir werden Sie weiterhin über die Entwicklungen in diesem Bereich auf dem Laufenden halten.

Frage: Letzte Woche besuchten die Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs und Italiens Kiew, und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte nach seinem Besuch, dass die Europäische Union und insbesondere Deutschland die ukrainischen Streitkräfte weiterhin aufrüsten werden. Wie lange wird dieser Fluss von Waffen noch andauern?

Antwort: Sie verhehlen ihre Ziele nicht. Sie rufen nicht zum Frieden auf, nicht zu Verhandlungen, nicht zur Diplomatie, sondern zur Lösung des Problems auf dem „Schlachtfeld“. In diesem Punkt sind sie recht offen. Ein weiterer Punkt ist, dass sie sich widersprechen. In Worten und Erklärungen sprechen sie sich für das Völkerrecht aus, aber in der Praxis tun sie etwas völlig anderes.

Wir haben diesen Standpunkt verstanden, wir tragen ihm Rechnung. Die Frage, wie viel mehr sie in ihrem Arsenal haben, sollte man ihnen stellen. Wir haben unsere Schlüsse gezogen. Die Europäische Union hat ihre Rolle in der Geschichte umrissen. Es geht nicht mehr um einige Fehler oder Fehlkalkulationen, über die man acht Jahre lang sprechen konnte, als sie leider bei ihrer Mission, eine Lösung in der internen ukrainischen Situation zu vermitteln, gescheitert sind. Jetzt geht es nicht mehr um Fehlkalkulationen und Fehler der Europäischen Union und der westlichen Regime, sondern um deren gezielte aggressive Politik.

Frage: Bezüglich der Einladung der Ukraine in die Europäische Union. Einerseits scheint Russland keine Einwände zu haben, weil die EU eine Art „Wirtschaftsorganisation“ ist. Andererseits sagte Lawrow in einem Interview mit dem Fernsehsender NTV am 16. Juni, dass die EU ein geopolitisches Projekt sei und dass die USA Brüssel unterworfen hätten. Ist das dann eine Art „EuroNATO-Union“?

Antwort: Ich sehe keinen Widerspruch. Alle Arten von wirtschaftlicher Integration sind hervorragend, wenn es um Wirtschaft und Finanzen geht. Aber es ist etwas ganz anderes, wenn die Wirtschaft von politischen Zentren aus oder aufgrund politischer Fragen „geführt“ wird. Dann handelt es sich nicht mehr um Wirtschaft, sondern um Politwirtschaft. Natürlich sind Geopolitik, Wirtschaft und nationale Interessen eng miteinander verknüpft, aber es darf kein Diktat geben.

Es gibt entweder liberale Demokratien oder totalitäre Regime. In liberalen Demokratien herrschen Recht und Freiheit, während in totalitären Regimen politische Vorgaben vorherrschen und alles andere beherrschen. Ihre wirtschaftlichen Ziele sind ideologisch unvereinbar mit dem Handeln des einen oder Landes in der Welt. Das ist durchaus möglich, aber dann müssten sie auf der Grundlage des Rechts und der internationalen rechtlichen Verpflichtungen, die ihnen angeblich heilig sind, handeln.

Wenn die Politik eines Staates auf diese Weise aufgebaut ist, dann kann man sagen, dass die EU aufgrund politischer oder ideologischer Inakzeptanz gegenüber diesem oder jenem Land bestimmte Maßnahmen einführt, dass ihre eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten darauf aufbauen. Aber die Grundlage muss das Gesetz sein. Wenn unendliche politische Dominanz – nicht einmal die eigene, sondern die aus Übersee – die einzige „Peitsche“ ist, das beherrschende „manipulative Einflussmittel“, dann kann man nicht mehr von Wirtschaft sprechen.

Die Grundlage der Einladung zur Mitgliedschaft ist meistens nicht die objektive wirtschaftliche Realität, nicht das Potenzial oder die wirtschaftliche Entwicklung, sondern es sind politische Gründe. Es gibt nicht einmal Kriterien, die die EU-Mitglieder präsentieren könnten, um ihre eigenen Schritte zu erklären. Die würden im Widerspruch zu den vor sechs Monaten oder einem Jahr verkündeten Kriterien stehen, nach denen eine positive Entscheidung abgelehnt oder im Gegenteil gegenüber anderen Staaten getroffen wurde. Die Kriterien müssten die gleichen sein. In vielerlei Hinsicht ist das keine Politik, sondern Manipulation.

Andererseits bestreiten sie nicht, dass sie in einer „regelbasierten Weltordnung“ leben wollen, deren Spielregeln sich im Laufe des Spiels ändern, die nicht auf geltendem Recht ohne politisch motivierte Veränderungen basiert. (Anm. d. Übers.: Sollten Sie sich mal gefragt haben, was die „regelbasierte Weltordnung“ eigentlich sein soll, die der Westen in den letzten Jahren propagiert, dann können Sie das hier nachlesen)

Eine Einladung in die Europäische Union ist nicht mehr etwas Vorhersehbares, Logisches und auf objektiven Indikatoren der wirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen und sonstigen Entwicklung der europäischen Staaten beruhendes. Die derzeitige anti-russische Führung der europäischen Institutionen übergeht die in ihren Dokumenten klar dargelegten Kriterien. Sie widersprechen sich auch gegenseitig. Worauf stützt sich die EU bei ihren Maßnahmen? Wo ist dieses „goldene Regelwerk“, die Tafel, die zu Rate gezogen werden könnte? Man hat den Eindruck, dass die wichtigsten Kriterien Russophobie und der in Brüssel zu leistende anti-russische Eid sind. Dann gibt es neue Versprechen und grenzenlose Möglichkeiten für die Kandidaten in schönen Worten. Das sieht alles eher nach Manipulation und Intrige aus.

In der gegenwärtigen Phase der „Evolution“ der EU beruhen die Entscheidungen eher auf opportunistischen Erwägungen, auf einer Politik der Expansion, der Aneignung neuer Räume und der Ausweitung der „Einflusssphären“ in Europa, als auf wirklich wirtschaftlichen Kriterien. All das deutet darauf hin, dass die EU immer weniger mit den grundlegenden Interessen ihrer Mitgliedstaaten oder Beitrittskandidaten in Einklang steht. Die soziale und wirtschaftliche Entwicklung, tiefgreifende Integration und friedlicher Wohlstand sind nicht mehr die Leitprinzipien der beschleunigten Militarisierung der Union.

Die Ziele und Methoden der EU sind von denen der NATO kaum zu unterscheiden. Sie sprechen von einer Einheit des Denkens. Die EU verliert ihre eigene Identität und wird von Grund auf neu geboren, indem sie zu einem geopolitischen Instrument in den Händen der Vereinigten Staaten wird. Die Amerikaner wiederum ziehen die finanziellen und wirtschaftlichen Ressourcen der europäischen Staaten und der europäischen Bürger ab, um Russland „einzudämmen“, wie sie es nennen. In den letzten Jahren hat das Weiße Haus Brüssel auch für Konfrontationen mit anderen Ländern ins Visier genommen. Wir sind nicht die Einzigen. Dazu gehört auch China. Das schwächt unmittelbar den europäischen Kontinent, der seine Ressourcen ausgibt oder im Prinzip auf Ressourcen verzichtet, nur um Washington zu gefallen.

Das alles beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit der EU als selbständiger Akteur. Das verhindert, dass sie sich selbständig verwirklichen kann.

Ende der Übersetzung