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Wie in Russland über den Kandidatenstatus der Ukraine zur EU berichtet wird

Published On: 23. Juni 2022 21:38

Westliche Medien freuen sich, dass die EU die Ukraine zum Beitrittskandidaten erklärt hat. Aber wie berichten Medien in Russland?

Die Verleihung des Status eines offiziellen EU-Beitrittskandidaten an die Ukraine war am 23. Juni auch in den Abendnachrichten des russischen Fernsehens ein Thema. Ich habe den Bericht des russischen Fernsehens darüber übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Wer bedroht Europa mehr: Russland oder die Ukraine?

Die ersten in der Warteschlange wurden heute im Europäischen Rat als erste begrüßt. Das sind wohl alle Privilegien, die die Balkanländer erhalten haben, weil sie seit vielen Jahren vor verschlossener Tür stehen und darauf warten, dass Brüssel sie hereinlässt. Daher geben Vertreter dieser Länder der Ukraine den Rat, sich nicht zu viele Illusionen zu machen, denn sie wird ans Ende der Schlange gestellt. Und dann wird es immer ein Land geben, das von seinem Vetorecht Gebrauch macht, um den Prozess zu blockieren, wie es Bulgarien wieder einmal mit Nordmazedonien und Albanien getan hat.

„Was Bulgarien tut, ist eine Schande. Aber das Problem ist nicht nur Bulgarien. Der Grund ist der betrügerische Charakter des Erweiterungsprozesses. Er ist vollkommen betrügerisch. Ein NATO-Land – Bulgarien – behindert zwei weitere NATO-Länder, während in Europas Hinterhof ein Krieg stattfindet. Und das alles vor den Augen der 26 EU-Länder, die vollkommen impotent sind. Sie alle zusammen“, sagt Edi Rama, der Ministerpräsident von Albanien. (Anm. d. Übers.: Er hat wirklich „impotent“ gesagt, das ist kein Übersetzungsfehler)

Die Europäer selbst verstehen auch, dass die Gewährung des Status für die Ukraine eine rein symbolische Geste ist, die niemanden zu irgendetwas verpflichtet. Und das ist der Hauptgrund, warum alle 27 Länder die Idee unterstützen können.

„All das bedeutet nicht, dass die Ukraine bald der EU beitreten wird. Der Prozess wird viele Jahre dauern, das Land erwartet viele Reformen. Die Bedingungen für den Beitritt zur EU sind natürlich nicht einfach. Es wird lange dauern“, sagte der belgische Premierminister Alexandre de Croo.

„Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Ukraine ihren vielversprechenden Weg fortsetzen kann, und gleichzeitig müssen wir verstehen, dass wir für die Erweiterung bereit sein müssen“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz.

Dänemark, die Niederlande und sogar Polen sind gegen die Erweiterung. Sie halten den Beitritt eines Landes, das sich im Krieg befindet, für unrealistisch. Andere bezweifeln, dass die EU diese Erweiterung finanziell stemmen könnte, da die Ukraine alle Subventionen aus anderen Ländern abziehen würde, schrieb die Washington Post. Dennoch bejubelte das Europäische Parlament die Annahme der Entschließung, in der es den Kandidatenstatus für das östliche Nachbarland empfahl, so als ob der historische Beitritt heute stattgefunden hätte. (Anm. d. Übers.: Die Abgeordneten des EU-Parlaments haben sich nach der Abstimmung von den Sitzen erhoben und sich selbst Standing Ovations gegeben)

Moldawien steht nun zusammen mit den anderen Ländern in der Schlange, aber der europäische Chefdiplomat Josep Borrell riet den Georgiern, sich nicht aufzuregen, die Aufgaben, die vor Tiflis liegen, seien die gleichen, nur gebe es kein Etikett als Kandidat.

„Man sollte dieses Signal nicht negativ sehen, Georgien hat jetzt einen klaren Weg, den es gehen muss“, sagte Borrel. (Anm. d. Übers.: Als ich diese Erklärung gehört habe, habe ich mich unweigerlich gefragt, ob er Georgien empfiehlt, nach dem Beispiel der Ukraine einen Krieg mit Russland zu provozieren, um den Beitrittsprozess zu beschleunigen)

Auch die Pipelines, die Gas nach Europa transportieren, haben ihren eigenen Zeitplan. Wegen der in Kanada festsitzenden Turbine ist die Durchflussmenge von Nord Stream bereits um 40 Prozent gesunken, und laut Financial Times könnten die Lieferungen durch die Pipeline für bis zu 10 Tage unterbrochen werden. Die Sicherheitsstandards, so heißt es, erfordern Wartungsarbeiten. Die nächste Heizperiode ist in Gefahr. (Anm. d. Übers.: In der Tat steht ab 11. Juli eine planmäßige Stilllegung von Nord Stream 1 für routinemäßige Wartungsarbeiten an)

Deutschland ist in die Krise geraten, ohne auf den Beginn der Heizsaison zu warten.

„Wir haben in Deutschland Störungen bei der Gasversorgung. So kann man die Situation beschreiben. Gas ist in Deutschland von nun an ein knappes Gut. Die Preise sind bereits hoch und wir müssen uns auf einen weiteren Anstieg einstellen“, sagte Robert Habeck, Minister für Wirtschaft und Klimaschutz.

Das Land öffnet seine Kohleminen wieder, weil es weiß, dass es im Winter eng wird. Das Vereinigte Königreich, die Niederlande, Bulgarien, Italien und Frankreich tun dasselbe. Die französischen Fernsehsender fragen sich, wo die hochgelobten Proteste der Umweltschützer gegen die schädlichen Emissionen geblieben sind und ob überhaupt jemand über die Folgen nachgedacht hat: „Die Stromerzeugung aus Kohle erhöht die Schadstoffemissionen im Vergleich zu Gaskraftwerken um das Zweieinhalb- bis Dreifache. Das bedeutet, dass wir beim Kauf eines Elektroautos denken, dass wir etwas Gutes tun, dabei belasten wir die Umwelt noch mehr. Die wirklichen Opfer der Sanktionen sind nicht die Russen, die viel Geld bekommen, sondern das Klima und die normalen Verbraucher.“

Die Premierministerin von Estland, einem Land, in dem die jährliche Inflation bereits über 20 Prozent liegt und damit den höchsten Wert in der Eurozone aufweist, riet den Bürgern zu strategischer Geduld und hofft, dass Russland die Auswirkungen der Sanktionen der Europäischen Union spüren wird: „Ich bin immer noch der Meinung, dass auch die russische Bevölkerung die Auswirkungen der Sanktionen spüren sollte, denn die Unterstützung für Putin ist sehr hoch“, sagte Kaja Kallas.

Litauen hat beschlossen, den Druck zu erhöhen und russische Fracht von und nach Kaliningrad zu blockieren. Das Thema wurde auf der Jahrestagung der Weltzollorganisation, die parallel zum Gipfel stattfindet, besprochen.

„Ich habe den Eindruck, dass sie selbst alles durcheinander bringen, denn sie versuchen hier, Russland zu beschuldigen, dass wir die Zollinfrastruktur zerstören und den Warenverkehr der globalen Warenketten behindern. Hier beginnen wir mit der Verteilung unserer Gegenargumente“, sagte Ruslan Davidow, der stellvertretende Chef des russischen Zolls.

Die Ukraine hat versucht, die Frage des Ausschlusses Russlands aus der Weltzollorganisation auf die Tagesordnung zu setzen, aber die Idee hat keine breite Unterstützung gefunden.

Auf dem Gipfel versucht Litauen sein Bestes, um die Kaliningrad-Frage auf die europäische Ebene zu bringen, aber Brüssel schiebt die Verantwortung auf Vilnius ab und mahnt die Teilnehmer des Treffens, nicht von der Hauptsache abzulenken – die imaginäre Einheit zu demonstrieren und Unterstützungsbekundungen an die Ukraine zu senden, die durch nichts untermauert werden und niemanden zu irgendetwas verpflichten.

Ende der Übersetzung