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Mit Ukrainern und Russen im Kreis

Published On: 28. Juni 2022 7:01

Betroffenheit auf beiden Seiten. Leid auf beiden Seiten. Menschen auf beiden Seiten: Reisebericht nach zwei lehrreichen Wochen in Russland zu einer ungewöhnlichen Zeit.

Ende Juni, Istanbul Flughafen. Vor einer Stunde bin ich hier mit dem Flugzeug aus Moskau gelandet, abends geht es weiter zurück nach Hause – Wien.

Begleitet werde ich auf dieser etwas längeren Rückreise von mehreren Melodien, Bewegungen und Bildern im Kopf und von vielen Menschen im Herzen, die mich in den letzten zwei Wochen sehr berührt haben. In einem kleinen russischen Dorf etwa 200 Kilometer von Moskau entfernt fand die Ausbildung für slawischen Kreistanz, an der ich gemeinsam mit 35 weiteren Teilnehmern aus Russland, Weißrussland, Ukraine, Donezk und der Schweiz teilnahm. Zwei Wochen lang verbrachten wir zeltend im Garten der Organisatorin, tanzend in ihrem Garten, singend und kochend in ihrem Haus und der Laube davor. Einem Haus, das von ihr eigentlich alleine bewohnt wird. Alles eng und improvisiert – und es mangelte an nichts in der Einfachheit. Mein romantischer Blick auf Russland wurde damit ganz bedient.

Es war für mich eine Reise in eine sehr zufriedene, einfache Zeit voller Herzenswärme und berührender Begegnungen. Und in eine Zeit, in der Selbstwirksamkeit zur Grundausstattung eines jeden Menschen gehört: Jeder Wohnsitz in dem kleinen Dorf und allen umliegenden verfügt über einen großen Selbstversorgergarten. Unmengen an Johannisbeer- und Himbeersträuchen, Kartoffelfeld, Lauchfeld, Tomaten im Folientunnel, Kohl, diverse Kräuter und ein Hühnerstall gehören zur Grundausstattung. Alles unglaublich gut gepflegt und gejätet. Die Komposttoilette und der Sichtschutz für eine „Dusche“ mit Kübeln voll kaltem Wasser stehen immer noch, gleichzeitig sind im Haus Bad und WC mit Kanalanschluss vorhanden. Die umliegende Natur war unbewirtschaftet: Endlose blühende Wiesen und Wälder. Aufatmen für die Seele. Es macht schon einen riesen Unterschied, ob die Natur vor der Haustüre bewirtschaftete Felder oder gemähte Wiesen sind, oder eben unbelassene Natur.

Begleitet vom omnipräsenten Krieg

Aber schluss mit Romantisieren und zurück zu meiner Reise. Ein außergewöhnlicher Zeitpunkt, um nach Russland zu reisen.

Begleitet waren meine zwei Wochen und der Weg nach Russland auch vom Krieg in der Ukraine und den damit verbundenen starken Emotionen. Freunde fragten mich, wie ich gerade jetzt nach Russland reisen könne: „Damit unterstützt Du das Regime, weil Geld ins Land fließt“. Andere wiederum empfanden es als positiv, dass ich mich nicht durch die bestehende Polarisierung abhalten ließ und empfanden es für sich als positive Anregung, einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Wieder andere kriegten sich vor Lachen nicht ein, weil es schon einiges an Absurdität in sich birgt – jetzt nach Russland zu fahren und als ehemalige Journalistin gefragt zu werden, warum, mit dem Hintergrundgedanken für journalistische Zwecke – und dann die Antwort: „Für eine Kreistanz-Ausbildung“ zu bekommen. So etwas fällt nicht vielen ein, zugegeben, und dieses Maß an – man mag es Naivität, Verrücktheit oder Freiheit nennen – gestehe ich mir zu und das in meiner Neugierde und Offenheit, mir vor Ort selbst ein Bild machen zu können und mit den Menschen die ich in Russland treffen würde sprechen zu können.

Bei der Einreise: Durchgewunken

Die Reise nach Russland wird einem nicht ganz leicht gemacht, auf Grund der Sanktionen gibt es keine Direktflüge, aber Flüge über Serbien und die Türkei sind möglich. Allerdings nicht unbedingt günstig, es braucht also das notwendige Geld – und dann auch in bar, denn in Russland ist nix mit Geldabheben oder Kartebezahlen. Ein- und Ausreise waren problemlos: Nichts von den angeblichen harten Kontrollen von Europäern bei der Einreise. Nur die Frage bei der Passkontrolle: „Warum kommen Sie nach Russland?“ – „Für ein Seminar“ – durchgewunken. Mit im Gepäck übrigens ein Kamera-Stativ, eine Spiegelreflexkamera, Laptop, externe Festplatte, inklusive meiner journalistischen Vergangenheit – hat keinen interessiert.

Ukraine, Russland, Weißrussland, Österreich, Schweiz im Kreis

Angekommen beim Seminar war ich überrascht, auch Teilnehmende aus Donezk zu treffen. Auch diese Reiseroute ist offen. Ein Mann, der in Donezk dem Militärdienst entflohen war und nicht mehr zurückging, und zwei Frauen, die in Donezk leben und auch dorthin zurückkehrten. Der Krieg war auch beim Seminar omnipräsent, in Form von gelebter Friedensarbeit: Kreistanz zielt eben genau darauf ab, dass Menschen einander die Hände reichen, unabhängig von ihrer Herkunft und welchen Vorbehalten auch immer. Wir alle gingen daraus gestärkt und verbunden hervor. In anschließenden Redekreisen wurde kein Wort öfter genannt als der Wunsch nach Frieden.

Ich konnte viele der Gespräche nicht verstehen, hatte aber den Eindruck dass mit der vorhandenen Betroffenheit aller (fast alle RussInnen hatten Familie oder Freunde in der Ukraine und umgekehrt) auch eine gewisse Stille einherging, und ein Berührtsein, das uns täglich im Kreis begleitete.

Ein Leben lang in Armut

Lada (Name geändert, Anm.), die aus Donezk angereist war, beantwortete meine verwunderte Frage, warum sie denn in Donezk bleibe und ob es nicht gefährlich sei, jetzt dort zu sein, mit einem schlichten „Ja“, und einem auf eine Art traurigen, auf eine andere Art hinnehmenden, aber dennoch nicht resignierenden Blick in ihrem Augen. Sie wolle eben dort leben bleiben, wo sie ihre Freunde habe, und sie gab der Lage als „Prüfung“ für sich Bedeutung. In einem anderen Gespräch erzählte sie, dass sie sich bewusst gegen Kinder entschieden hätte, da die Lage in den 90er Jahren nach Zerfall der Sowjetunion in ihrer Region so schwierig war: Armut, wohin das Auge reichte, Misstrauen und Konflikte in der Bevölkerung. Und 20 Jahre später der Krieg. Sie komme gerade so durch mit ihrer Arbeit: Sie produziere Kleider auf Nachfrage.

Sanktionen treffen die einfachen Menschen in Russland

Von Seiten der Russinnen erfuhr ich aus erster Hand, wie die Sanktionen sie betreffen, eine hatte ihr Erspartes in Euro angelegt, da sie vor einem Jahr dachte, der Kurs würde steigen. Jetzt sei es fast nur noch halb so viel wert. All jene, die mehr als 10.000 Euro angelegt haben, würden von den Banken gezwungen, in Rubel zu wechseln und die damit einhergehenden Wertverluste zu akzeptieren. Eine andere wollte sich ein Auto kaufen, das wäre jetzt nicht mehr möglich, weil auf Grund logistischer Liefer-Schwierigkeiten die Preise stark gestiegen seien – nicht nur von Autos. Der Markt sei instabil weil Russland weiterhin viel exportiert, aber kaum mehr einkauft, die Preise stiegen, die Löhne blieben gleich. Viele Fabriken schlossen ihren Betrieb, die Arbeitslosigkeit würde zum immer größeren Problem. Ihrer besten Freundin, die in Moskau als renommierte Psychotherapeutin arbeitet, wurde von der Eurpoäischen Vereinigung für Psychotherapie ihre Akkreditierung entzogen. Fraglich, welchen Zweck diese Art von „Sanktion“ hat, die mehr eine gehässige Geste ist. Sämtliche russische Ausbildungen würden in der EU nicht mehr anerkannt, erzählte sie mir im Gespräch. Viele RussInnen seien aus Europa nach Russland zurückgekehrt, weil sie ihre Jobs verloren hätten. Der Krieg, der mit Krieg auch auf wirtschaftlicher Ebene eben in Form von Sanktionen beantwortet wird, trifft am Ende einzig und allein die Menschen, die in diesem Land leben – das wurde mir auf meiner Reise klar vor Augen geführt.

„Solidarität“ als Freibrief für Diskriminierung

Von Maßnahmen und Sanktionen scheint mir das weit entfernt. Ich würde solcherlei Gesten als „Statements“ bezeichnen, die von Privatpersonen oder Unternehmen gesetzt werden um zu signalisieren, dass sie auf der „richtigen Seite“ stehen. Dass dabei Menschen ihre Existenz verlieren, scheint keine Rolle zu spielen. Wenig überraschend, denn so war es ja auch schon unter C-Diktatur: Solidarität gibt es nur mit der „richtigen Seite“. Solidarität als Vorwand und Freibrief für allerlei Gehässigkeiten und Diskriminierungen gegen die aus der eigenen Sicht „falsche Seite“. Sanktionen sind das nicht, wenn Wissenschaftler deren KollegInnen ihre Akkreditierungen entziehen. Das sind gehässige Gesten, missbraucht um sich selbst als „richtig“ zu positionieren und sie zeigen uns nach Corona einmal mehr, wie wenig Menschen zählen und wie viel hohle Statements und die Zugehörigkeit zur „richtigen“ Seite.

„Die Leute hier fürchten sich vor der Polizei – mit gutem Grund“

Oft hörte ich von RussInnen mit Bedauern und gleichzeitig Verständnis, dass die Stimmung von UkrainerInnen den RussInnen gegenüber verständlicher Weise sehr aggressiv aufgeladen sei. Der Vorwurf würde gemacht, dass die RussenInnen nicht demonstrieren. Es würde Demonstrationen geben erklärte sich meine Freundin Veronika (Name geändert, Anm.), doch die wären nicht so wie sie beispielsweise in der Ukraine stattfanden, explosiv und gewalttätig. Die Menschen in Russland würden sich vor der sehr repressiven Polizei fürchten, und sie hätten Grund dazu. Und der politische Druck sei hoch: wer Putins Politik bzw. Kriegsführung kritisiert, dem drohen hohe Haftstrafen. Die russische Facebook-Version „VK“ sei streng kontrolliert, ihrem Bruder drohten 5 Jahre Haft wegen eines kritischen Kommentars, der er mit einer offiziellen Diagnose seiner psychischen Krankheit entgehen konnte. Gleichzeitig, wies mich meine Freundin darauf hin, sei die Lage auch nicht so, wie sie in westlichen Medien dargestellt würde.

Propaganda, so weit das Auge reicht

Hier wie dort gibt es Propaganda, und am Ende ist schwierig, herauszufinden, was nun wirklich passiert, und was nicht. Hier wie dort gibt es Menschen, die sich Frieden wünschen – und hier wie dort gibt es jene, die vom Krieg auch profitieren. Und hier wie dort gibt es Menschen, die glauben die Wahrheit für sich gepachtet zu haben, und die sich polarisieren haben lassen.

Am Ende bleibt für mich die Frage, wie lange dauert das noch – und vor allem: was kommt danach? Wenn der physische und materielle Krieg vielleicht vorbei ist, aber die Gräben bleiben, die immer größer geworden sind zwischen Russen und Europäern, zwischen Ukrainern und Russen? Wie lange wird es dauern, bis wir uns wieder begegnen werden können, ohne Ärger, ohne Wunden, die da im Untergrund schwelen? Für jetzt sehe ich uns immer noch auf dem Spiralweg nach unten. Aber der Weg zurück hoch wird kommen, und für ihn werden jene Menschen maßgeblich sein, die im Stande waren, sich nicht blenden zu lassen und hinter die Propaganda-Kulissen zu blicken. Jene, die sich den Blick für „Menschen“ statt „Positionen“ bewahren konnten. Sowohl bei Corona als auch bei Russland-Ukraine.


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