Neue Daten: Antisemitische Vorfälle in Deutschland zu einem Drittel in Zusammenhang mit Corona

Published On: 29. Juni 2022 14:06

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin meldete für das Jahr 2021 bundesweit 2.738 antisemitische Vorfälle. Wesentlichen Anteil daran hatte demnach die Corona-Pandemie mit „antijüdischen Verschwörungserzählungen“. Der arabisch-israelische Konflikt stelle ein „hohes Bedrohungspotenzial“ dar.

Neue Daten: Antisemitische Vorfälle in Deutschland zu einem Drittel in Zusammenhang mit Corona

Quelle: Gettyimages.ru © Adam Berry / Freier Fotograf

Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland gilt als die drittgrößte in Europa. In der Bundesrepublik gehören aktuell rund 95.000 Menschen einer jüdischen Gemeinde an. Seit 2018 baut die „Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin“ zusammen mit jüdischen und nichtjüdischen Organisationen ein berlinweites Meldenetzwerk für antisemitische Vorfälle auf. Die Abkürzung der Organisation lautet RIAS (zuvor bis 1993 als Bezeichnung einer Rundfunkanstalt mit Sitz im West-Berliner Bezirk Schöneberg genutzt – Rundfunk im amerikanischen Sektor).

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Am 28. Juni veröffentlichte die RIAS im Rahmen einer Pressemitteilung ihre neuesten Zahlen bezüglich antisemitischer Vorfälle in Deutschland im Jahr 2021.

Der dazugehörige Bericht konstatiert gleich zu Beginn, dass RIAS „mehr Vorfälle mit einem hohen Gewaltpotential erfasst (hat) als im Vorjahr, darunter 6 Fälle extremer Gewalt und 63 antisemitische Angriffe“. Laut Einleitung des Berichts stelle Antisemitismus für Juden in Deutschland „weiterhin ein alltagsprägendes Phänomen“ dar. So wurden dem Bundesverband 128 Vorfälle im unmittelbaren Wohnumfeld der Betroffenen bekannt. 2021 wären insgesamt „964 Einzelpersonen von antisemitischen Vorfällen“ betroffen gewesen, davon waren „518 jüdisch oder israelisch“. Im Rahmen der Zuordnung einer möglichen Motivation der Ausgangstäter heißt es wörtlich in der Veröffentlichung:

„Fast ein Drittel aller RIAS bekannt gewordenen antisemitischen Vorfälle standen im Zusammenhang mit der Coronapandemie. Hierbei handelte es sich überwiegend um Vorfälle verletzenden Verhaltens wie Schmierereien, Aussagen auf Demonstrationen oder in adressierten Online-Kommentaren. Die Zahl Schoa-relativierender Selbstviktimisierungen, beispielsweise wenn Gegner_innen der Coronamaßnahmen sogenannte Judensterne mit der Aufschrift „ungeimpft“ trugen, stieg im Vergleich zum Vorjahr an.“

Im März 2021 titelte die Webseite Times of Israel im Rahmen der Ereignisse einer Demonstration impfkritischer Bürger in der israelischen Stadt Tel Aviv:

„Impfgegner vergleichen grüne Impfpässe mit Gelbem Stern – Demonstranten in Tel Aviv demonstrieren gegen die Politik der Regierung, den Geimpften größere Freiheiten zu gewähren; Yad Vashem (die Internationale Holocaust Gedenkstätte in Jerusalem) mahnt gegen „demagogische“ Verwendung von Holocaust-Bildern.“

In der parallel veröffentlichten Untersuchung „Antisemitische Vorfälle und Erscheinungsformen im Kontext der aktuellen Proteste gegen die Corona-Maßnahmen in Deutschland“ heißt es zu den jüngsten Analysen der Organisation:

„Als Reaktion auf die angekündigte Impfpflicht und die Einführung der 2G- und 3G-Regeln häufen sich die Analogien zur Schoa und insbesondere zur antisemitischen Markierungspraxis im Nationalsozialismus.“ 

Für den Zeitraum vom 20. November 2021 bis zum 8. November 2021 Januar 2022 wären dem Bundesverband RIAS und „den regionalen Meldestellen 91 Versammlungen gegen die Corona-Maßnahmen bekannt, bei denen es zu antisemitischen Äußerungen kam“, so Inhalte der Publikation. RIAS erfasste diese, „entsprechend des Kategoriensystems als Vorfälle von ‚verletzendem Verhalten'“. Insgesamt wurden RIAS und den regionalen Meldestellen demnach „Versammlungen mit antisemitischen Inhalten in vierzehn Bundesländern bekannt“. Die Vermutung laut Publikation:

„Aufgrund der hohen Anzahl von Versammlungen, ihrer regionalen Verteilung insbesondere auch im ländlichen Raum und den nicht durchgängig vorhandenen Monitoringressourcen ist jedoch von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen.“

Daniel Poensgen, wissenschaftlicher Referent beim Bundesverband RIAS, kommentierte die Veröffentlichung mit der Wahrnehmung:

„Vorfälle mit Bezug zur Coronapandemie stellten trotz inhaltlicher Verschiebungen das ganze Jahr über eine Art Grundrauschen in Deutschland dar.“

Aber auch Abseits der Versammlungen wäre es „weiterhin bundesweit im Kontext der Coronapandemie zu antisemitischen Vorfällen“ gekommen, so im Umfeld von „Versammlungen, gegen Einzelhändler, die die 2G- oder 3G-Regeln durchsetzen, oder auch im Alltag durch Sticker oder Schmierereien“. Als exemplarisches Beispiel wird dabei genannt:

„10.12.2021, Windischeschenbach – Bayern: Vor einer Gaststätte stand eine Gruppe älterer Männer, die auf ihre Getränkebestellung wartete. Als die Melderin ihre Gesichtsmaske aufsetzte, um den Schankraum zu betreten, wurde sie aus dieser Gruppe heraus angesprochen, dass die Maske nicht nötig sei. Ein Mann zog daraufhin seine eigene Maske mit aufgedrucktem „Judenstern“ und der Aufschrift „ungeimpft“ heraus und sagte, dass, wenn überhaupt, nur diese Maske die einzig Richtige sei. Seine Begleiter grinsten beifallheischend.“ 

RIAS gab zudem eine weitere Online-Publikation heraus mit dem Titel „Monitoringbericht #4: Antisemitismus auf „Coronademos“ (11. Juni bis 5. Juli)“, die sich alleinig auf dokumentierte Ereignisse im Bundesland Bayern bezieht. Ferner wird eine zweite wesentliche Gruppe benannt, die für die Statistikdaten des Jahres 2021 verantwortlich gemacht wird:

„Im Mai 2021 kam es zudem bundesweit zu einem starken Anstieg antisemitischer Vorfälle mit Bezug zur neuerlichen Eskalation des arabisch-israelischen Konflikts. 60 Prozent aller im Monat Mai erfassten Vorfälle (315 von 518) hatten einen Bezug zu diesem Konflikt.“

Diese dokumentierten Ereignisse würden für Betroffene „ein besonders hohes Bedrohungspotenzial“ darstellen. So heißt es weiter in der Pressemitteilung:

„Allein in der Woche ab dem 10. Mai dokumentierten die RIAS-Meldestellen zehn Angriffe, 16 gezielte Sachbeschädigungen und 14 Bedrohungen in diesem Kontext.“ 

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Insgesamt ordnete RIAS 26 Prozent der erfassten antisemitischen Vorfälle dem israelbezogenen Antisemitismus zu – mit 723 Fällen etwa doppelt so viel wie 2020. Die zu diesem Themenkomplex erstellte PDF-Publikation trägt den Titel „Monitoring: STOP DOING WHAT HITLER DID TO YOU – Die Eskalation im israelisch-palästinensischen Konflikt als Gelegenheitsstruktur für antisemitische Vorfälle in Berlin zwischen 9. Mai und 8. Juni 2021“. Mehr als die Hälfte der in diesem Zeitraum dokumentierten Vorfälle ereignete sich laut der Veröffentlichung dabei „online“. So heißt es:

„Betroffene berichteten immer wieder davon, dass das Klima in den Sozialen Medien für sie zu einer enormen Belastung geworden sei.“

Zu Vorfällen im Rahmen von Demonstrationen in Berlin wird geschrieben:

„Auf einzelnen kleineren Veranstaltungen wurde entweder durch Veranstalter_innen oder aufgrund von Versammlungsauflagen stärker darauf geachtet, antisemitische Äußerungen zu vermeiden. Auf mehreren größeren Versammlungen hingegen wurde Antisemitismus offen bis aggressiv geäußert, teilweise in Verbindung mit Gewaltfantasien.“

Etwa die Hälfte aller erfassten Vorfälle des Jahres 2021, 54 Prozent, ließen sich laut RIAS „keiner klaren Weltanschauung zuordnen“. Wo dies jedoch möglich war, wurden „Rechtsextremisten mit 17 Prozent“ als die größte Gruppe definiert. In den Bericht flossen die dokumentierten Vorfälle von acht landesweiten Meldestellen ein – Vorfälle aus dem übrigen Bundesgebiet dokumentiert der Bundesverband selbst.

Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, wird in der Pressemitteilung mit den Worten zitiert:

„Die stetig steigende Zahl antisemitischer Vorfälle macht seit einigen Jahren eine Enthemmung in Teilen der Bevölkerung sichtbar. Antisemitische Haltungen werden immer häufiger ohne Scheu offen artikuliert, sowohl im Netz als auch auf der Straße (…)

Wir brauchen die langfristige politische Stärkung zivilgesellschaftlicher Initiativen sowie flächendeckend Fortbildung bei Polizei und Justiz, um den Antisemitismus in der Gesellschaft zu erkennen, zu ahnden und endlich wieder zurückzudrängen.“

Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, stellt kommentierend fest:

„Judenhass bedroht unsere Demokratie als Ganze, auch deshalb müssen wir dagegen fest zusammenstehen und Wehrhaftigkeit beweisen.“

Laut der Tagesschau erkennt Klein „einen klaren Handlungsauftrag“ unter anderem an den Bundestag, „damit das Demokratiefördergesetz möglichst rasch verabschiedet wird“. 

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