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„Rot-Grün“ at its best: Wirtschaft wird geschreddert, Armutsquote steigt, Schuld ist der Russe

Published On: 30. Juni 2022 12:45

Es geht voran. Laut dem gestern in Berlin veröffentlichten „Armutsbericht 2022“ des Paritätischen Gesamtverbandes (PGV) hat die Armut in Deutschland mit einer Armutsquote von 16,6 Prozent im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. 13,8 Millionen Menschen müssen demnach hierzulande derzeit zu den Armen gerechnet werden, 600.000 mehr als vor der Pandemie. Als arm gelten Haushalte, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Netto-Haushaltseinkommens verfügen. Das bedeutet für Ein-Personenhaushalte weniger als ca. 1.200 Euro. Für Mehrpersonenhaushalte gelten entsprechende Äquivalenzwerte. “Die Befunde sind erschütternd, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie schlagen inzwischen voll durch. Noch nie wurde auf der Basis des amtlichen Mikrozensus ein höherer Wert gemessen und noch nie hat sich die Armut in jüngerer Zeit so rasant ausgebreitet wie während der Pandemie”, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des PGV. Von Rainer Balcerowiak.



Besonders auffällig ist der Zuwachs der Armutsquote unter prekär beschäftigten Erwerbstätigen, dabei besonders Selbstständigen (von 9 auf 13,1 Prozent). Neue Armutshöchststände verzeichnen auch Rentner (17,9 Prozent) sowie Kinder und Jugendliche (20,8 Prozent). Es gibt große regionale Unterschiede: Während sich Schleswig-Holstein, Brandenburg, Baden-Württemberg und vor allem Bayern positiv absetzen, weisen fünf Bundesländer überdurchschnittlich hohe Armutsquoten auf: Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin und das Schlusslicht Bremen, weit abgeschlagen mit einer Armutsquote von 28 Prozent.

Die Zahlen sind keine Überraschung, entsprechend schulterzuckend reagierten Vertreter der Regierung darauf. Es gab ein paar warme Worte, ansonsten wurde auf die „Prüfung“ weiterer Entlastungen in den kommenden Monaten verwiesen, wobei vorbeugend erklärt wird, dass man wohl nicht alle „Härten“ ausgleichen könne. Bereits im April hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Losung ausgegeben, dass wir jetzt „alle den Gürtel enger schnallen müssen“. Die Armutsquote wird also weiter deutlich steigen, zumal die wirtschaftlichen Folgen des militärischen und wirtschaftlichen Krieges gegen Russland noch wesentlich breitere Schneisen der sozialen Verwüstung schlagen werden als die Corona-Krise.

Die Inflation und die besonders rasant steigenden Preise für Energie und Lebensmittel sind längst über die klassischen Armutsmilieus hinaus zu einer existentiellen Bedrohung für viele Menschen geworden. Der private Konsum als unverzichtbare Stütze der konjunkturellen Entwicklung verzeichnet bereits deutliche Einbrüche. Aber auch einige Branchen der Industrie steuern auf einen Kollaps zu. Ihnen machen neben den explodierenden Energiekosten und der drohenden Energieknappheit vor allem gestörte Lieferketten bei Rohstoffen und Zwischenprodukten zu schaffen. Das wird in absehbarer Zeit auch für erhebliche Verwerfungen auf dem derzeit noch vergleichsweise stabilen Arbeitsmarkt sorgen. Auf der anderen Seite will der Staat seine Ausgaben deutlich zurückfahren. Im kommenden Haushaltsjahr soll wieder die „Schuldenbremse“ gelten, die die Nettoneuverschuldung der öffentlichen Haushalte begrenzt. Nimmt der Bund für das laufende Haushaltsjahr noch rund 140 Milliarden Euro neue Schulden auf, sollen es 2023 nur noch 17,2 Milliarden sein.

„Rot-Grün“: Garanten für Krieg und Sozialkahlschlag

Für das Kapital ist es ausgesprochen günstig, dass das „Krisenmanagement“ in dieser prekären Lage einer „rot-grünen“ Regierung obliegt, diesmal – anders als 1998 – unter Einschluss der FDP. Denn nur sozialdemokratisch geführte Regierungen mit Beteiligung der Grünen sind in der Lage, Kriegspolitik und sozialen Kahlschlag vergleichsweise geräuschlos und effektiv zu exekutieren. Als Regierungsparteien können SPD und Grüne potenziell widerständige Teile ihrer Basis und ihrer Wähler weitgehend neutralisieren, als – ohnehin zumeist nur verbale – Opposition fallen sie dann aus. Auch die großen, traditionell mit der SPD verbandelten Gewerkschaften verhalten sich gegenüber SPD-geführten Regierungen noch deutlich handzahmer als ohnehin schon.

Wie das funktioniert, haben Gerhard Schröder und Joschka Fischer zwischen 1998 und 2005 eindrucksvoll demonstriert. In ihrer – im Vergleich zur Ära Kohl und der Ära Merkel recht kurzen – Regierungszeit gab es etliche „Zeitenwenden“. Zum einem die direkte Beteiligung Deutschlands an dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien, aber auch einen in dieser Wucht zuvor für undenkbar gehaltenen sozialen Kahlschlag. Das von Schröder und anderen wackeren Sozialdemokraten wie Olaf Scholz, Andrea Nahles, Hubertus Heil, Franz Müntefering entwickelte Leitprogramm „Agenda 2010“ umfasste unter anderem die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und deren Ersetzung durch ein sanktionsbewehrtes Almosensystem („Hartz IV“), die umfassende Prekarisierung der Arbeitswelt, die Absenkung des Rentenniveaus nebst Teilprivatisierung der Altersvorsorge sowie weitere Zuzahlungen und Einschnitte bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Begleitend wurden die Spitzensteuersätze gesenkt, die soziale Wohnraumförderung faktisch eingestellt und die öffentliche Infrastruktur sowie weite Bereiche der sozialen Daseinsvorsorge kaputt „gespart“.

Die Bilanz der Agenda-Politik kann sich sehen lassen: Erosion der Tarifbindung, dafür neue Rekorde bei prekärer Beschäftigung, Niedriglohnsektoren und Kinderarmut. Eher ein „Kollateralschaden“ war das zeitweilige Aufblühen einer sozialen Protestbewegung gegen Hartz IV, die einige Jahre später in der Gründung einer recht starken gesamtdeutschen linken Partei mündete, die aber mittlerweile dabei ist, sich aus der Parteienlandschaft wieder zu verabschieden.

Auf der geleisteten Drecksarbeit konnten Angela Merkel und ihre CDU/CSU anschließend aufbauen, ohne sich übermäßig selber die Finger schmutzig machen zu müssen. Im Gegenteil: Die Weltfinanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 wurde von der Merkel-Regierung vergleichsweise gut und präzise abgefedert, und im Laufe der Jahre kam es sogar zu zarten Korrekturen an der Agenda-Linie, etwa durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes. Und außenpolitisch zieht sich das Bemühen um stabile politische und wirtschaftliche Beziehungen zu Russland jenseits aggressiver atlantischer Politik wie ein Roter Faden durch die Ära Merkel. Doch in der Corona-Krise verblasste der Stern der lange Zeit nicht zuletzt wegen der recht stabilen wirtschaftlichen Entwicklung ungewöhnlich beliebten und zeitweise unangefochtenen Kanzlerin. Ihrer Partei hinterließ sie nach ihrem etappenweisen Rückzug einen nicht mehr regierungsfähigen Trümmerhaufen. In den Geschichtsbüchern werden Figuren wie Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet – wenn überhaupt – nur in sehr kleinen Randnotizen auftauchen.

Mit Glasperlen gegen Massenarmut

Höchste Zeit also für Rot-Grün reloaded plus FDP, als Liaison zwischen beinharten Atlantikern, vermeintlichen Ökofundamentalisten und wirtschaftsliberalen Austeritätsfanatikern. Die Wahlprogramme sind längst geschreddert, die „Klimawende“ muss warten, die versprochene Kindergrundsicherung auch, Immobilienkonzerne können aufatmen, Umverteilung läuft auf vollen Touren – von unten nach oben. Dazu ein beispielloses, 100 Milliarden Euro umfassendes Aufrüstungsprogramm. Fürs Volk gibt es ein paar Glasperlen á la 300 Euro Einmalzuschuss und 9-Euro-Ticket, schön verpackt mit Kriegsrhetorik und Durchhalteparolen. Doch bald könnten sogar die Glasperlen knapp werden. Die Inflation gerade bei existenziellen Grundgütern frisst sich unerbittlich durch die privaten Budgets. Wohlhabende und Gutverdiener können das relativ locker kompensieren, alle anderen nicht. Für deutlich gestiegene Armutsquoten im nächsten Armutsbericht ist also gesorgt. Dafür gibt‘s aber ein neues Transgendergesetz und die Legalisierung von Cannabis wird auch kommen.

Wenn die Lage nicht so ernst wäre, könnte man über das ganze „Zeitenwende“- und „Wertegemeinschafts“-Geblubber eigentlich nur lachen. Man will Russland ja nicht nur „besiegen“, sondern auch „isolieren“ und „wirtschaftlich ruinieren“. Doch der atlantische Wahn stößt außerhalb der unmittelbaren Einflusszone der USA auf wenig Gegenliebe und kaum jemand kann verstehen, warum sich die führende europäische Wirtschaftsnation quasi freiwillig selbst ruiniert. In Russland freut man sich derweil über steigende Exporterlöse für Erdöl, engere wirtschaftliche Beziehungen zu vielen Schwellenländern und einen stabilisierten Rubel.

Bleibt die Frage, ob dieser Irrsinn irgendeinem Masterplan folgt. Was die geostrategischen Interessen der US-geführten NATO betrifft, liegt das einigermaßen auf der Hand. Aber hat die deutsche Regierung einen Plan? Erkennbar ist er jedenfalls nicht. Vielmehr hat man den Eindruck, dass besonders die grünen Frontfiguren Robert Habeck und Annalena Baerbock ihrer eigenen Hybris erlegen sind und jetzt nicht mehr wissen, wie sie aus der Nummer wieder rauskommen. Die soziale Rechnung für diesen Wahnsinn ist gigantisch und wird noch gigantischer werden. Und wer diese Rechnung bezahlen soll, liegt auch auf dem Tisch. Derzeit gibt es gegen diese Politik wenig deutlich vernehmbare Opposition, vor allem keine linke. Bleibt zu hoffen, dass sich wenigstens die Erkenntnis, „Wer Grüne wählt, wählt Krieg und Armut“, nach der Neuinszenierung dieses Stückes endlich mal etwas tiefer im Bewusstsein festsetzt.

Titelbild: Theo Duijkers/shutterstock.com

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