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Das Gesundheitssytem muss selbst erstmal gesund werden!

Published On: 1. Juli 2022 13:00

Die herrschende Krankheitspolitik. Sogar für den noch größeren Arbeitsaufwand wegen der Pandemie haben die Bundesregierungen, die Betreiber und Eigentümer von Krankenhäusern und Pflegeheimen keine Verbesserungen zugestanden. Ob die Bundesregierungen von CDU oder SPD, von Merkel oder Scholz geführt werden: Deren Gesundheits- beziehungsweise besser: deren Krankheits-Politik schließt viele Krankheiten aus und verursacht enorme gesundheitliche Schäden, im Gesundheitssystem selbst, in den Unternehmen, in der ganzen Bevölkerung. Von Werner Rügemer.

  1. Tod und Mangelernährung im Krankenhaus

    Sogar die Gesundheit der Patienten selbst ist der von der Agenda 2010 (Schröder/SPD und Fischer/Grüne) eingeleiteten „Gesundheits“politik nicht unbedingt der oberste Wert. Die am Gewinn orientierte Fallpauschale begünstigt teure und zudem möglichst kurze Behandlungen. Folge: Die blutige Entlassung. Dabei wird aus Kostengründen die Hygiene in den Krankenhäusern vernachlässigt. Das Robert Koch-Institut schätzt, dass in deutschen Krankenhäusern jährlich 400.000 bis 600.000 Patienten mit multiresistenten Keimen infiziert werden. Dadurch sterben pro Jahr (vor Corona) etwa „10.000 bis 20.000“ Patienten. So genau will die „Gesundheits“behörde das nicht wissen, deshalb diese breite Schätzung. Immerhin wurde die frühere Schätzung von „10.000 bis 15.000“ Todesfällen nach oben korrigiert.[1] Das RKI dokumentiert das, mitleidlos, mal so nebenbei. Keinen „Gesundheits“minister oder Chef-Virologen rührt das.

    Zum kaputtgesparten Bereich gehört das Essen für die Patienten und Pflegeheimbewohner. Das Catering ist meist ausgelagert in Billigfirmen: Die sparen nicht nur an den Löhnen und Arbeitsbedingungen, sondern auch am Essen. Bis auf 2,50 Euro pro Tag wird heruntergespart. Die Mangelernährung verschlechtert zudem vielfach die Gesundungsaussichten, vor allem bei Menschen, denen Verwandte und Freunde kein zusätzliches gesundes Essen bringen.[2]

  2. Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten im Gesundheitsbereich

    Auch die Gesundheit der Beschäftigten in den Krankenhäusern und Pflegeheimen ist kein Leitwert in der herrschenden Gesundheitspolitik. Erkrankungen der Rücken-, Schulter- und Armmuskulatur und der Lunge, Infektionen, Erschöpfungszustände, psychische Erkrankungen: Pflegekräfte haben im Vergleich die meisten Krankheits- und Fehltage. Dies betrifft neben den regulär Beschäftigten vor allem die immer mehr prekär ausgelagerten Niedrigstlöhner, und eben auch diejenigen, deren Tätigkeit hygienisch relevant ist, etwa die Putzkräfte, die Caterer und die innerhäusigen Bettenschieber.

  3. Berufskrankheiten – gibt’s die überhaupt noch?

    Eigentlich ist es doch bekannt: Die berufliche Tätigkeit verursacht typische Krankheiten, Berufskrankheiten. In Deutschland sind 80 Berufskrankheiten registriert. Es beginnt bei knapp 100 tödlichen Abstürzen am Bau pro Jahr (es werden aber nur die gesetzlich Versicherten erfasst), die nicht weniger werden und geht bis in langfristige Depressionen bei Büroarbeit, die auch nicht weniger werden, sondern mehr. Berufskrankheiten nehmen seit vielen Jahren zu, wegen verstärkter Arbeitshetze, wegen Überlastung, wegen Nacht- und Wochenendarbeit, wegen Schichtarbeit und wechselnden Schichten, wegen zu kurzem und schlechtem Schlaf – und auch wegen Arbeitslosigkeit.

    Aber die Bearbeitung der Berufskrankheiten ist in der Hand der Berufsgenossenschaften. Und die werden allein von den Unternehmern finanziert. Sie lehnen möglichst viele Anträge auf die Anerkennung von Berufskrankheiten ab, mithilfe hochbezahlter Gutachter.

    Und gleichzeitig haben die Bundesregierungen die Aufsicht über die Berufskrankheiten und die Berufsgenossenschaften immer mehr bis zur Untätigkeit vernachlässigt. Die Bundesländer haben die Gewerbeaufsicht ebenfalls immer weiter eingeschränkt: Gefahren am Arbeitsplatz? Wenn alle 20 Jahre einmal jemand von der Aufsicht mit Voranmeldung vorbeischaut – das war es dann. Besonders aktiv dabei waren übrigens die beiden Arbeitsminister Ursula von der Leyen und Olaf Scholz, beide unter der christlich-„marktkonformen“ Bundeskanzlerin Angela Merkel.[3]

    Als in der Pandemie zum Beispiel 1.500 Fleischzerleger allein im Tönnies-Schlachtbetrieb Rheda-Wiedenbrück mit Corona infiziert waren, plötzlich und wie aus heiterem Himmel – da blitzte kurz das Problem auf. Aber für Gesundheitsminister und Regierungs-Virologen war das kein Thema, alles wieder vergessen. So werden übrigens Milliardenbeträge den allgemeinen Krankenkassen aufgelastet, die von den Berufsgenossenschaften und den Unternehmern getragen werden müssten.

  4. Übergewicht in Europa hat epidemische Ausmaße

    Die WHO hat festgestellt: In Europa hat sich Übergewicht/Fettleibigkeit zu einer Epidemie entwickelt. In den letzten 30 Jahren nahm das stetig zu, beginnend schon im Kindesalter. Und Übergewicht ist Mitverursacher von erhöhten Todesfällen wegen Krebs, Diabetes, Fettleber. 13 % der gegenwärtig 1,2 Millionen Todesfälle in Europa werden dadurch verursacht. Und Übergewichtige waren bei Corona besonders anfällig. Haben sich darum ein deutscher Gesundheitsminister, das RKI oder die EU-Kommission je gekümmert?

    Ursache sind die von der herrschenden „Gesundheits“politik nicht beanstandeten industriellen Billig-Massennahrungsmittel und -Getränke, mit zuviel Zucker bzw. Fett und Salz und sonstigen chemischen Zusätzen und Geschmacksverstärkern, die aber mit Duldung der Gesundheitsbehörden nicht wirksam ausgewiesen werden. Ursachen sind auch stundenlanges Sitzen beim Videospielen und digital vermittelte Billigessens-Lieferungen. Die EU und die deutschen Regierungen lehnen alle von der WHO vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen ab.[4]

  5. Beschäftigte und Patienten krank – Investoren gesund

    Ein besonders aktiver Krankheitspolitiker ist seit zwei Jahrzehnten übrigens Karl Lauterbach. Das langjährige CDU-Mitglied hat mithilfe der Konrad-Adenauer-Stiftung an der privaten Elite-Universität Harvard in den USA seinen Doktortitel gemacht. Dabei hat er die dort vorherrschende Gesundheits-Ökonomie der USA in sich aufgesogen, also die Ökonomie des teuersten und asozialsten Gesundheitssystems weltweit.[5]

    Diese Gewinn-Ökonomie ist nur für die privaten Investoren gesund – für Patienten und Beschäftigte, Kinder und Rentner ist sie ungesund bis tödlich. Diese Gewinn-Ökonomie hat Lauterbach aus den USA nach Deutschland importiert. Er wurde sofort zur Agenda 2010 der SPD/Grünen-Bundesregierung herangezogen, trat in die SPD ein. Er betrieb als Regierungsberater die Fallpauschale und die Privatisierung der Krankenhäuser. Und auch für die Privatisierung der Renten setzte er sich ein – die Riester-Rente wollte er sogar zur Pflicht machen.

    Im Aufsichtsrat des Universitätsklinikums Gießen-Marburg betrieb er dessen Privatisierung, die einzige Privatisierung eines Uniklinikums, mit Personalabbau und Auslagerung zu Billigfirmen, mit katastrophalen Folgen, aber zugunsten des privaten Eigentümers, der privaten Kette Rhön-Klinikum, jetzt Asklepios.

    Mit der Bertelsmann-Stiftung tritt er für die Schließung möglichst vieler Kliniken ein. Und der Aufkauf nicht nur von Pflegeheimen, sondern auch von Arztpraxen und mobilen Pflegediensten durch private Investoren läuft jetzt auf Hochtouren, unter der schützenden Hand und dem komplizenhaften Schweigen des Gesundheitsministers.

    Mehr Personal, bessere Arbeitsbedingungen, bessere Hygiene und gesundes Essen in Krankenhäusern und Pflegeheimen, Aufsicht über die Gefahren am Arbeitsplatz, öffentlich und politisch verantwortete Gesundheitsfürsorge – nicht mit Lauterbach, seit zwei Jahrzehnten.

  6. Unter- und Nicht-Versorgung von Krankheiten

    Mit der Fallpauschale und der Privatisierung von Krankenhäusern und Renten war und ist – auch in Gestalt von Lauterbach – ebenso die „Reform“ der Krankenversicherung verbunden. Vorbild USA: Die Beiträge der Beschäftigten zur Krankenversicherung bleiben hoch, aber die Leistungen nehmen ab.

    Den Versicherten werden mehr „Eigenleistungen“ aufgedrückt: Zuzahlungen zu Medikamenten, Zuzahlungen zu Vorsorgeuntersuchungen und Vorberatungen, Zuzahlungen zu Behandlungen etwa bei Zahnersatz, Brillen und Operationen, Zuzahlungen für jeden Tag im Krankenhaus. Das führt auch schon bei „Normal“verdienern und Rentnern, bei kinderreichen Familien, bei prekär und migrantisch Beschäftigten, bei Leiharbeitern, nicht zuletzt bei Arbeitslosen dazu: Viele Krankheiten werden gar nicht erkannt, nicht diagnostiziert, nicht behandelt.

    Viele Kranke kommen nie in ein Krankenhaus, im reichen Deutschland. Du bist arm, du brauchst nicht alle Zähne, du kannst früher sterben.

  7. „Gesundheitsstadt Berlin“

    Im Auftrag des SPD-geführten Berliner Senats leitete Lauterbach die Kommission „Gesundheitsstadt Berlin 2030“. Das ist eine verschärfte Version der Agenda 2010 für den Gesundheitsbereich.

    Ergebnis der Kommission im Jahre 2019: Das größte deutsche Klinikum, die Charité, soll mit dem kommunalen Krankenhaus- und Pflegekonzern Vivantes zusammengelegt werden. Die Charité ist zwar äußerlich noch in öffentlicher Hand, aber innerlich so durchprivatisiert wie kein anderes Klinikum: Über ein Dutzend ausgelagerte Billiglohnfirmen auf der einen Seite (Charité Facility Management, CFM), auf der anderen Seite das nach Harvard-Vorbild gegründete Berlin Institute of Health, finanziert vom Multimilliardärs-Clan Quandt (BMW-Hauptaktionäre) und der Stiftung des Digital-Multimilliardärs William Gates.

    In die Holding der „Gesundheitsstadt Berlin“ sollen aber nach Lauterbach & Co. auch alle weiteren Einrichtungen in Berlin eingegliedert werden, die irgendetwas mit Gesundheit zu tun haben: Max-Planck-Institute, Rotes Kreuz, Deutsches Herzzentrum, das Unfallkrankenhaus der Berufsgenossenschaften, 14 private Krankenhäuser. Dabei soll die Charité mit Virologie- und anderer Forschung zur Weltspitze mit Harvard aufschließen, während unten bei Vivantes die unsichtbare und ungesunde Alltagsarbeit verrichtet wird.

    Und natürlich soll, so Lauterbach & Co., mithilfe der Digitalisierung noch mehr Personal als bisher eingespart werden, mit schnellen ausgelagerten Ambulanzdiensten, mit digitaler Transformation und digital health: Dazu gehören auch mitfühlend plappernde Roboter, und die Patienten bekommen Apps zum Selbstmanagement. Und die aus außereuropäischen Drittstaaten angeworbenen Billig- und Willigpfleger brauchen kein Deutsch zu lernen: Sie halten ihren kranken und alten „Kunden“ das Smartphone hin: Dann übersetzt die Software mit Künstlicher Intelligenz den indischen und vietnamesischen Pflegern die nötigen Handgriffe in ihrer Sprache auf dem Smartphone-Bildschirm, mit Fotos unterstützt. Können Menschen so an Körper und Seele gesund werden?

Bilanz: Wir müssen gesamtheitlich herangehen

Es geht uns also um die Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeheimen, um die Patienten und Gepflegten, aber eben auch um die gesundheitsrelevanten Bedingungen in der gesamten vielgestaltigen Arbeitswelt, darin auch um die Gesundheitsbedingungen der prekär und migrantisch Beschäftigten und auch der Arbeitslosen, um die gesundheitsschädliche chemische Billignahrung.

Die vorherrschende Gesundheitspolitik, verkörpert im zuständigen Minister Lauterbach, macht die privaten Investoren gesund, aber macht die Mehrheit der Bevölkerung in vielfältiger Weise krank. Und das wird mit der gegenwärtigen Sanktions-, Energie- und Aufrüstungspolitik noch gefährlicher.

Das müssen wir zusammensehen und neue Bündnisse für eine allgemeine Gesundheitspolitik bilden. Deshalb: Alle Gewerkschaften müssen ran, Betriebsräte und Ärzte und medizinische Wissenschaftler, Frauengruppen, Patientenorganisationen, Wohlfahrtsverbände und alle demokratischen Kräfte. So können wir Potentiale für Widerstand und Alternativen erschließen, für eine umfassende Gesundheitspolitik, denn Gesundheit ist ein Menschenrecht.

Und zu dessen Durchsetzung gehört erstmal ein einfaches Mittel: Mehr Personal von den Kindergärten über Schulen bis in die Krankenhäuser und Pflegeheime, und eben sehr viel mehr Personal, und mit flächendeckenden Tarifverträgen und mit kaufkraftwertigen Einkommen!

Auf diesem unserem Gebiet, hier besonders spielt sich die entscheidende „Zeitenwende“ ab! Dass die abhängig Beschäftigten sich wehren, mehr als bisher. Und die „Zeitenwende“ spielt nicht dort, wo unsere Regierungen und Rüstungs- und Öl- und Fracking-Konzerne noch mehr Tod und Zerstörung anrichten, auch hier im eigenen Haus.

Titelbild: ssguy/shutterstock.com

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