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Was über die Schlangeninsel und Krementschuk bekannt ist

Published On: 2. Juli 2022 18:30

Leser schreiben mir Mails mit der Frage, warum ich nicht über Krementschuk und die Schlangeninsel berichte. Der Grund ist, dass es zu wenig belastbare Informationen darüber gibt. Ich werde sie hier zusammenfassen.

Letzte Woche haben zwei Ereignisse Schlagzeilen gemacht, über die ich bisher nicht berichtet habe. Da ich dazu Fragen bekomme, werde ich das nun nachholen. Aber erwarten Sie nicht zu viel, denn zu beiden Ereignissen gibt es praktisch keine belastbaren Informationen, sondern nur die Meldungen beider Konfliktparteien. Ich werde die Meldungen zu beiden Ereignissen hier zusammenstellen und dann kann jeder für sich entscheiden, welche Version er für glaubwürdiger hält.

Gezielte Tötung von Zivilisten

Ich werde mit Krementschuk beginnen, aber ich muss etwas vorausschicken. Ich werde immer wieder gefragt, warum die ukrainische Armee bewusst zivile Ziele beschießt und mir wird auch vorgeworfen, das wäre gelogen. Daher will ich zunächst einen Blick in die Geschichte wagen und zeigen, dass die bewusste Tötung von Zivilisten in militärischen Konflikten keineswegs selten ist. Lediglich die Gründe dafür können sich unterscheiden.

Ein Grund für die bewusste und massenhafte Tötung von Zivilisten ist Rassenhass. Das berühmteste Beispiel dafür ist Nazi-Deutschland, denn spätestens ab dem Angriff auf die Sowjetunion haben die deutschen Nazis bewusst und massenhaft Zivilisten abgeschlachtet. Der Grund war der Rassenwahn der Nazi-Ideologie.

Aber auch die USA und Großbritannien haben im Zweiten Weltkrieg bei den Bombardierungen deutscher Städte bewusst und massenhaft Zivilisten abgeschlachtet. Der (offizielle) Grund dafür war, dass man hoffte, die deutsche Bevölkerung zu demoralisieren, damit sie das Nazi-Regime zum Teufel jagt. Wie wir wissen, hat das nicht funktioniert.

Es gibt in der Geschichte kein Beispiel dafür, dass die massenhafte Tötung von Zivilisten die Bevölkerung des Kriegsgegners diese Bevölkerung gegen die eigene Regierung aufgebracht hätte, das Gegenteil ist der Fall: Diese Bevölkerung erlebt bei solchen Massenmorden nur, dass der Kriegsgegner tatsächlich monströs und unmenschlich ist, was die Bevölkerung sogar in die Arme der eigenen Regierung treibt. Gleiches gilt übrigens für Wirtschaftssanktionen, die den Wohlstand der Bevölkerung eines Landes angreifen sollen. Auch dabei passiert stets das gleiche: Die Bevölkerung stellt sich bei diesen (wirtschaftlichen) Angriffen hinter die eigene Regierung und gegen diejenigen, die die Sanktionen verhängen.

Diese Strategie führt also zu nichts, was aber gerade die USA nicht davon abhält, sie trotzdem bis heute zu verfolgen. Auch in Vietnam haben die USA massiv die Zivilbevölkerung abgeschlachtet und dabei Napalm und chemische Waffen wie Agent Orange eingesetzt. Dieser Strategie, die Zivilbevölkerung ihrer Gegner anzugreifen, sind die USA auch im Irak, Libyen und so weiter treu geblieben. Gleiches gilt bekanntlich für Wirtschaftssanktionen, denn obwohl es kein Beispiel aus der Geschichte gibt, dass solche Sanktionen die Politik des sanktionierten Landes geändert hätten, setzen die USA (und ihre Satellitenstaaten) weiterhin auf dieses nutzlose Mittel, das am Ende nur zu Leid bei der Zivilbevölkerung der sanktionierten Länder (und damit zu einer anti-amerikanischen Stimmung in den betroffenen Ländern) führt.

Wir sehen also, dass bewusste Angriffe gegen die Zivilbevölkerung – ob im Krieg mit Waffen oder im Wirtschaftskrieg mit Sanktionen – nichts Ungewöhnliches in der Geschichte ist. Für bewusste Angriffe auf Zivilisten in Kriegen mag es unterschiedliche Gründe geben, aber dass so etwas häufig vorkommt (und gerade vom US-geführten Westen) praktiziert wird, ist nicht bestreitbar.

In der Ukraine ist die Situation so, dass Russland kein Interesse daran hat, Zivilisten zu töten, denn nach russischem Verständnis (dem man zustimmen kann oder nicht) sind die ethnischen Russen in der Süd- und Ostukraine ihre eigenen Leute und man schießt nicht bewusst auf die eigenen Leute. Und auch die Ukrainer sieht man in Russland als Brudervolk an, was westliche Medien kritisieren. Aber niemand schießt absichtlich auf die eigenen Brüder. Russlands Ziel ist es nicht, die Zivilbevölkerung in der Ukraine zu bekämpfen, sondern die Nazi-Regierung in Kiew.

Die Ukraine wird – auch wenn westliche Medien das Offensichtliche immer noch leugnen – von einer Nazi-Regierung geführt, für die der Hass auf alles Russische eine der zentralen Staatsideologien ist. Auf Seiten Kiews wird offen zur Tötung aller Russen (inklusive Frauen und Kinder) aufgerufen und der oberste Arzt der ukrainischen Armee hat angeordnet, alle verwundeten russischen Kriegsgefangenen zu kastrieren.

Krementschuk

Diese Einleitung war wichtig, weil über die Explosion in dem Einkaufszentrum von Krementschuk praktisch keine belastbaren Informationen vorliegen. Wir begeben uns in den Bereich der Spekulation, und dabei muss man die Motive der beiden Konfliktparteien kennen.

Als am 27. Juni eine Rakete in Krementschuk eingeschlagen ist, da haben die westlichen Medien wie üblich die Propaganda der Ukraine nachgeplappert. Die Rede war von – laut Selensky – über 1.000 Menschen in dem Einkaufszentrum, was angesichts der Tatsache, dass trotz der totalen Zerstörung „nur“ etwa 20 Menschen gestorben sein sollen, zumindest unwahrscheinlich ist.

Die russische Armee hat nicht bestritten, eine Rakete dorthin abgefeuert zu haben, sprach allerdings davon, dass sie ein nahe dem Einkaufszentrum gelegenes Waffenlager mit westlichen Waffen und Munition angegriffen habe. Nach der Explosion sei auch das nahegelegene Einkaufszentrum in Brand geraten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Meldung, die keine Schlagzeilen gemacht hat und die man selbst bei einer intensiven Suche im Netz nur schwer findet. In seinem Newsticker zur Ukraine vom 29. Juni hat der Spiegel eine Meldung gebracht, die wie folgt begann:

„9.16 Uhr: Der russische Raketenangriff auf ein Einkaufszentrum in der ukrainischen Großstadt Krementschuk mit mindestens 20 Toten könnte nach Einschätzung britischer Geheimdienste ein Versehen gewesen sein. Es sei durchaus realistisch, dass die Attacke am Montag ein nahe gelegenes Infrastrukturziel habe treffen sollen, hieß es in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums.“

Da die britischen Geheimdienste führend sind, wenn es um die Verbreitung anti-russischer Propaganda geht, ist diese Meldung mehr als bemerkenswert, denn weder das britische Verteidigungsministerium, noch die britischen Geheimdienste stehen im Verdacht, russische Propaganda zu betreiben.

Das sind die bekannten Meldungen zu Krementschuk. Für mich – aber da kann natürlich jeder seine eigene Meinung haben – ist folgendes Szenario am wahrscheinlichsten: Die russische Armee hat das Waffenlager – oder, wie im Spiegel formuliert, „ein nahe gelegenes Infrastrukturziel“ – angegriffen. Ob das getroffen wurde und das Einkaufszentrum bei der Explosion der Waffen in Brand geraten ist, oder ob die russische Rakete ihr Ziel verfehlt und versehentlich das Einkaufszentrum getroffen hat, wissen wir nicht. Aber ein bewusster russischer Angriff auf das Einkaufszentrum ist in meinen Augen mehr als unwahrscheinlich.

Die Schlangeninsel

Die Schlangeninsel ist eine strategisch wichtige Insel zwischen der Krim, Odessa und Rumänien. Von dort aus lässt sich mit Radar und Flugabwehr der nordwestliche Teil des Schwarzen Meeres kontrollieren. Die russische Armee hat die Insel zu Beginn der Intervention erobert und bisher sind alle Versuche der Ukraine, die Insel zurückzuerobern, fehlgeschlagen.

Am 30. Juni haben sich die Russen von der Insel zurückgezogen. Über die Gründe können wir auch nur spekulieren, dafür gibt es zwei Versionen.

Die Ukraine meldet, die Russen vertrieben zu haben. Die Insel war vor ukrainischen Angriffen mit Raketen und Drohnen gut geschützt, denn dort war ein hochmodernes Flugabwehrsystem vom Typ Pantsir stationiert. Das dürfte allerdings gegen Artilleriegeschosse nicht allzu wirksam sein und die Ukraine meldete, das Pantsir durch Beschuss mit amerikanischer M777-Artillerie zerstört zu haben. Wenn das stimmt, wäre das ein plausibler Grund für den russischen Rückzug, denn ohne das Pantsir wären die russischen Soldaten auf der Schlangeninsel dem ukrainischen Raketenbeschuss schutzlos ausgeliefert.

Russland hat hingegen von einer planmäßigen Räumung der Insel gesprochen, um Kiew das Argument zu nehmen, Russland behindere den Export von ukrainischem Getreide mit Schiffen aus Odessa.

Damit haben wir zwei Versionen für das Ereignis, aber es gibt noch ein paar andere Meldungen, die alle aus der Ukraine kommen. Der Chef des ukrainischen Sicherheitsrates hat über die Schlangeninsel gesagt, sie solle entweder ukrainisch sein, oder niemandem gehören. Und auch die ukrainische Armee hat gemeldet, erst einmal keine Soldaten dort zu stationieren, es reiche der Ukraine für den Moment, die Insel mit ihrer Langstreckenartillerie zu kontrollieren.

Gegen die russische Version, die Insel freiwillig geräumt zu haben, um Kiew das Argument zu nehmen, Russland behindere den Export von ukrainischem Getreide spricht, dass die Ukraine schon vor fast einem Monat erklärt hat, keinen Weizen zu exportieren, solange der Westen nicht die gewünschten Waffen liefert. Kiew erpresst den Westen in dieser Frage und das ist allen Experten bekannt, auch wenn die westlichen Medien darüber höflich hinwegsehen. Russland hätte sich dieses Zeichen guten Willens sparen können, denn Kiew sagt offen, warum es keinen Weizen aus dem Land lässt und Russland dürfte kaum erwartet haben, dass die westlichen Medien nach der Räumung der Insel plötzlich anfangen, die Wahrheit zu berichten.

Diese Erpressung geht auch nach der Räumung der Insel weiter. Am Tag der Räumung der Insel hat ein Abgeordneter in Kiew erklärt, man beginne zwar Verhandlungen in der Türkei über den Abtransport von Weizen, aber der könne erst beginnen, nachdem die Ukraine weitere Anti-Schiffsraketen aus dem Westen erhalten hat.

Wenn man diese Informationen zusammen nimmt, dann ist in meinen Augen – und auch das dürfen Sie anders sehen – die wahrscheinlichste Version, dass die russische Armee die Insel tatsächlich nicht freiwillig verlassen hat, sondern durch den Einsatz der aus den USA gelieferten M777 dazu gezwungen wurde.

Die Insel dürfte nun erst einmal Niemandsland bleiben, denn die Ukraine kann sie mangels eigener Marine nicht besetzen und vor allem danach nicht halten. Und auch Russland dürfte die Insel nicht erneut besetzen, solange sie in Reichweite der aus den USA gelieferten Artillerie liegt. Dass es nun (unbestätigte) Meldungen gibt, dass beide Seiten die Insel beschießen, deutet daraufhin, dass beide Seiten die Insel für die jeweils andere Seite unbrauchbar machen wollen, was ebenfalls darauf hindeutet, dass eine baldige Neubesetzung durch eine der Konfliktparteien unwahrscheinlich ist.


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