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Puffmama Layla: Die woke Blase wittert Sexismus

Published On: 16. Juli 2022 16:00

Aktuell wird ein Ballermann-Hit gecancelt, wegen des „sexistischen“ Textes. Eigentlich sind solche Lieder Geschmackssache, aber heute ist man so hypersensibel, dass es gleich Verbote hagelt.

„Wo man singt, da lass dich ruhig nieder – böse Menschen haben keine Lieder“ sagt der Volksmund und beweist damit, dass er eine dumme Nuss ist. Böse Menschen haben sehr wohl Lieder, vor allem, wenn sie „die Fahne hoch“ nehmen und „die Reihen fest geschlossen“ halten oder „Bomben auf Engelland“ werfen wollen. Wieder andere böse Menschen haben „immer recht“, wenn sie „für das Recht“ kämpfen oder „Volkspolizist“ werden wollen. 

Wer einst „am Strande der Donau“ entlangging, handelt sich heute eine Petition von einer Studentin ein, die nicht mehr möchte, dass dieses Lied, das fraglos eine Vergewaltigung besingt, heute noch von feucht-fröhlich Feiernden und Freienden im Bierzelt gegrölt wird. Zu einem Verbot kam es seinerzeit nicht, aber die Öffentlichkeit war „sensibilisiert“ und das war ja auch Sing der Sache. Ein paar Texter haben sich dann einigermaßen halbherzig um neue „Lyrics“ für den seit Jahrhunderten beliebten Saufhit bemüht, aber er ist immer noch ordinär. Und ab 1,5 Promille Blut im Alkohol beliebt. 

Nun hat es einen weiteren „Partyhit“ erwischt: Nachdem zuerst auf dem Würzburger „Kiliani-Fest“, das auch nicht mehr als ein tatsächlich ordinäres Volksfest ist, das Spielen von „Layla“ aufgrund von „Awareness“ der Stadt Würzburg verboten wurde, hat die Stadt Düsseldorf nachgezogen und mit den Veranstaltern geredet, dass die gute geile „Layla“ – nunja – in Düsseldorf „unerwünscht“ ist. Der Chef des Düsseldorfer Schützenvereins „St. Sebastianus“, Veranstalter der Kirmes, zeigt sich auch einsichtig und verkündete, „dass dieses Lied überall hingehört – nur nicht auf unseren Festplatz!

Heute sind alle schrecklich sensibel

Was aber ist´s, was die „Layla“ die Tränen in die Augen und aus den Bierzelten treiben lässt? Es sind so filigrane Textzeilen wie „Ich hab´ ´n Puff und meine Puffmama heißt Layla. Sie ist schöner, jünger, geiler“. Dieses Stück musikalischen Treibguts steht derzeit übrigens auf Platz 1 der deutschen Singlecharts. Machen Sie sich hier selbst ein akustisches und optisches Zerrbild. Sie können es aber auch lassen – Sie verpassen nichts. Das einzig wirklich Spannende an dem Video ist die Tatsache, dass „Layla“ im Video ein als Frau verkleideter Mann ist. Vielleicht sind deswegen die „Awareness“-Behafteten so aware, dass sie um Verbote diskutieren. Es sind heute alle schrecklich sensibel und sofort angefasst. 

Bevor die hypersensible Studentin über das „Donaulied“ hergefallen ist, gab es in meiner Erinnerung nur zwei deutschsprachige Lieder, die zu derart seltsamen Diskussionen geführt haben: Das eine war 1985 „Jeanny“ von Falco, das mit Sendebann belegt wurde, weil, weil, weil, WEIL ES DA UM EINEN MORD GING, HERGOTT NOCHMAL. Was hatten wir als Jugendliche für einen Spaß, vor allem, weil der intelligente Text derart doppelbödig war, dass jeder das hören konnte, worüber er sich unbedingt aufregen wollte. 

Das andere diskussionsunwürdige Machwerk war vom Kollegah und seinem nicht allzu hell beleuchteten Side-Fuck Farid Bang („0815“), in dem „harte Punchlines“ sich einen „Spaß“ mit Auschwitz-Häftlingen und dem Holocaust machten. Immerhin führte das unlustige kleine Reimspiel zur kompletten Abschaffung des „Echo(kammer)“-Preises, mit dem sich die tollen Künstler der eher seichten Unterhaltung gegenseitig selbstreferenziell bestreichelt hatten. Dieser Verdienst bleibt den beiden „Partygliedschreibern für die gehobene Drogenszene im Club“. Deren andere Texte übrigens in regelmäßiger Eintönigkeit von „Bitches, die ich auf dem Rücksitz vom Daimler ficke und zwar deine Mutter und deine Schwester und deine Frau und dein Bruda und dein Hund“ handeln. Edel sei der Künstler, Zwieback und Brot. 

In Scholzland muss immer einer irgendwas regulieren

Layla“ lässt da ebenfalls wenig Interpretationsspielraum. Gut, „Layla“ ist ja auch was für besoffene Ballaballaballermänner und in etwa so gehaltvoll wie „Zehn nackte Friseusen“ (warum weiß ich sowas eigentlich? Ich sollte meine Hörgewohnheiten prüfen!). 

Ohrenscheinlich komme ich aus recht unsensiblen Tagen. Lieder von Roland Kaiser über Ehebruch („Manchmal möchte ich schon mit Dir“) oder Ixis „Detlev“ (immerhin gepiept, da es um ein Mädchen geht, das seinen Freund zu homosexueller Prostitution anstiftet), Peter Maffays „Und es war Sommer“ (da besingt einer seine Entjungferung), aber auch die wirklich saublöde „Polonäse Blankenese“ mit der unsäglich hässlich unwitzigen Zeile „wir ziehen los, mit ganz großen Schritten, und Erwin fasst der Heidi von hinten an die *obacht: witzige Pausepausepause* SCHULTERN“ liefen den Zensoren durch und wurden, im Gegenteil, zur besten Sendezeit in ARD und ZDF verfleischwurstet und von einem offensichtlich stocktauben Publikum beklatscht.  

Summa summarum: Geschmäcker sind unterschiedlich. Ich mag keine Blasmusik und erst recht keine Ballermannbumsmusik. Aber das muss ich auch nicht. Andere mögen keine Klassik und es soll sogar Leute geben, die Depeche Mode nicht mögen. Damit müssen wir alle leben. Ich gehe nicht in den Ballermann, die Ballermänner nicht in „Tosca“ oder „Aida-Night of the Proms“. Dem anderen aber den Spaß zu verbieten, weil mir Musik oder Texte oder beides nicht passen – das empfinde ich als extrem übergriffig, solange der/die/dasjenige mich nicht um drei Uhr nachts mit 200 Dezibel belästigt. Da wird dann zurückbelästigt. Und wer eine dämliche Kirmes nicht besuchen kann, weil er da *huuuuu* mit dem ordinärsten Liedgut, das die Unterirdisch-Haltungsmusik zu beateln hat, konfrontiert wird – nun, der mag sich Ohrenstopfen oder seine eigene Musik mitbringen. Es könnte so einfach sein… Aber in #Scholzland muss ja immer einer irgendwas regulieren. Und sei es nur die schlichte Lyrik von Liedern wie „Hey, was geht ab? Wir feiern die ganze Nabb, die gaanze Nabb!“  

Vielleicht wird es einfach Zeit, die Volksweisheit des Eingangs dieses Artikels umzuschreiben: 

„Wo man singt, da kannst du hoffen, alle dicht und voll besoffen.“ Ein Prosit der Gemütlichkeit!

(Weitere unmusikalische Artikel des Autors unter www.politticker.de)  

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

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