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Die Macken der Macher oder Wie tickt Ihr Chef?

Published On: 20. Juli 2022 19:07

Ein Drittel der 45 Millionen lohnabhängigen Beschäftigten leidet täglich unter den geistigen Störungen ihrer Chefs. Vor allem Psychopathen verbreiten mit ihren Allmachtphantasien Angst und Schrecken. Warum und wie kommen diese Menschen in solche Positionen? Was treibt sie zur Macht?

Das ist das neue Deutschland: über weite Strecken eine beschützte Werkstatt. Chefs sind böse, und wie. Ich selbst schäme mich. Ich war lange Chef. Bin ich schon deshalb Psychopath? Mein Selbsttest mit Hilfe dieses Buches sagt nein; meine Kollegen befrage ich lieber nicht. Immerhin: Selbsterkenntnis hilft. Und Chefs sind anstrengend. Fordernd. Was für ein Wort. Von „fördern und fordern“ (Gerhard Schröder) ist nur noch fördern erlaubt. Aber klar: aus der Sicht vieler Betroffener ist „mein Chef einfach irre“. Das deutsche Unternehmen soll ein Ponyhof sein, wo es gemütlich zugeht, gutes Zureden statt Peitsche, Betriebsrat statt Kunde, in der Mähne knuddeln statt ranklotzen. So erhofft man sich das Arbeitsumfeld. Motivation ist alles, doch sie soll von außen kommen. Aber irgendwie klappt es nicht. Liegt es am Chef – oder den Mitarbeitern?

Nur jeder Zweite in Deutschland geht gern zur Arbeit, das ergibt eine repräsentative Untersuchung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Im internationalen Vergleich sind die Angestellten in Deutschland damit Schlusslicht. Und der Hauptgrund für das Unbehagen, das viele jeden Morgen auf dem Weg zum Arbeitsplatz empfinden, ist der eigene Vorgesetzte.

So hatte vor der Pandemie fast die Hälfte der lohnabhängigen Beschäftigten in Deutschland (44 Prozent) Angst vor ihrem Vorgesetzten und wagten noch nicht einmal, sachliche Probleme anzusprechen. Während der Corona-Pandemie sank diese Zahl, jedoch nur auf 38 Prozent. Im Home Office wächst die Distanz zum Chef, my home office is my castle. Aber was macht das mit der Produktivität? Fördern und fordern muss neu austariert werden. Die geschützte Zone des Küchenarbeitsplatzes ist schon wieder Vergangenheit.

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Wie sehr das Verhältnis zum Vorgesetzten das Arbeitsklima bestimmt, belegt ein Experiment, von dem die Autoren des Buches „Mein Chef ist irre, Ihrer auch?“ berichten: der VW-Konzern teilte Vorgesetzte, in deren Abteilung eine hohe Krankmeldungsrate herrschte, einer anderen Mitarbeitergruppe mit einer niedrigen Anzahl von Fehltagen zu. Es dauerte nicht lange, bis sich auch bei dieser Gruppe unter dem neuen Vorgesetzten die Fehltage häuften, während bei der Gruppe mit hoher Krankmeldungsrate die Fehltage mit dem neuen Vorgesetzten deutlich zurückgingen.

Angesichts von Fachkräftemangel und Personalnotstand im Gesundheitswesen, den Unternehmen kritischer Infrastruktur und in Dienstleistungssektoren einschließlich des öffentlichen Dienstes, ist das ein überaus alarmierender Zustand.

Es wird eine Typologie von Chefs angeführt und Berufe mit dem höchsten Anteil von Psychopathen. „Finde Dich selbst“ ist immer ein guter Ratgeber. Aber auch Unternehmen finden die zu ihnen passenden Psychopathen, eines von vielen Beispielen: Der „Phobische“ ist angstgesteuert und konfliktscheu. Er hat Angst vor Fehlern, will keinesfalls anecken, sichert sich ab so gut er nur kann. Da hat der Geförderte es gut mit ihm, wenn er nur ja keine Unruhe in den Laden bringt. „Phobische Menschen tun keiner Fliege etwas zuleide. Vielleicht werden sie gerade deshalb befördert. Phobische Führungskräfte trifft man häufig im Öffentlichen Dienst“. Da haben wir sie – diese lähmende Ruhe, die über den Beamtenschreibtischen herrscht.

Andere Zeiten, andere Bereiche brauchen wohl andere Psychopathen. Bunt ist der Zoo Gottes. Was wäre Apple ohne einen Irren wie Steve Jobs, oder Tesla ohne Elon Musk? Das ist die entscheidende Frage: Müssen Vorgesetzte „normal“ sein und wieviel von welcher Sorte Verrücktheit brauchen sie geradezu, wenn das Geld nicht automatisch vom Staat kommt, sondern unter Wettbewerbsbedingungen erkämpft werden muss?

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Damit ist das Jammern über die Deformation der Chefs die eine Seite. Immerhin gibt es auch eine andere Seite, wie die Autoren konstatieren. „Psychopathen mit ihrem ausgeprägten Selbstbewusstsein, einer enormen Portion Stressresistenz, und in einer außergewöhnlich hohen Risikobereitschaft können bisweilen auch große wirtschaftliche Erfolge vorweisen“, steht da. Möglicherweise brauchen wir Erfolge – aber wer produziert sie? Das gutmütige Pony, der Kaltblüter oder das nervöse Rennpferd? Es kommt eben immer darauf an.

Die Psychologen Jürgen Hesse und Hans Christian Schrader verfügen über jahrzehntelange praktische Erfahrung in der Bewerbungs- und Karriereberatung. Sie haben die „Macken der Macher“ – vom kleinen Schikaneur aus dem Mittelstand bis zum kriminellen CEO eines Weltunternehmens – in eine Chef-Typologie überführt, die dem Leser hilft, den eigenen Chef zu analysieren, um dann bereits erfolgreich erprobte Handlungsstrategien anwenden zu können.

Aber auch wer Chef ist, findet sich wieder – hoffentlich nicht bei der ganz extremen Sorte. Aber die Zeit des Ponyhofs ist derzeit eher vorbei. Geht es jetzt darum, den richtigen Psychopathen zu finden, um die Unternehmen zu retten? Ist die Zeit der „soft Skills“ vorbei, ist statt dem gepredigten zuhören wieder zupacken verlangt als Überlebenstugend? Über Neil Armstrong, dem ersten Menschen auf dem Mond wird berichtet: „Der Astronaut war kein CEO. Dennoch könnte er als Paradebeispiel eines Psychopathen gelten, wer er stets eiskalt und fokussiert war. Als er den Mond betrat, soll laut Kontrollzentrum in Houston bei ihm kein erhöhter Herzschlag feststellbar gewesen sein“.

Gegenfrage: Wäre ein vor Erregung hechelnder Armstrong besser bedient gewesen? Wohl kaum. Wir verlassen hier den Raum der beschützten Werkstatt, tarifvertraglich abgesichert, vom Betriebsrat überwacht. Wir betreten den Raum der Wirklichkeit, die derzeit durch gigantische Herausforderungen geprägt ist. Der Wahnsinn wird eher zunehmen, seit die Ausnahmesituation zur Regel wird.

Jürgen Hesse/Hans Christian Schrader, Mein Chef ist irre, Ihrer auch? Warum Psychopathen Führungskräfte werden und wie Sie das überleben. Econ, Klappenbroschur, 368 Seiten, 17,99 €.


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