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Was tun elektrifizierte deutsche Soldaten, wenn der Akku leer ist?

Published On: 22. Juli 2022 11:58

Digitalisierung und Energieversorgung der Armee: Handlungsbedarf besteht nicht nur bei Großwaffensystemen. Wie unausgegoren die Modernisierungspläne sind, zeigt sich etwa an der elektronischen Ausrüstung für den „Infanteristen der Zukunft“.  

IMAGO / Björn Trotzki

Panzergrenadiere des deutschen Heeres

Die Ausrüstung der Bundeswehr soll nun endlich erneuert werden. Nach der Einigung der Ampelregierung mit der Unionsfraktion über die Aufnahme des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens in das Grundgesetz können nun entsprechende Projekte in Angriff genommen werden. Und das ohne Anrechnung auf die Schuldenbremse im Grundgesetz, was den Prozess erheblich erleichtert, die finanziellen Lasten allerdings in die Zukunft verschiebt. Dabei darf es jedoch nicht nur um schlagzeilenträchtige Großprojekte gehen. Unserer Armee mangelt es an zahlreichen vermeintlichen Kleinigkeiten, die aber am Ende mit über den Einsatzwert einer Armee entscheiden.

Nach der Dimension Luft findet sich in der Projektliste mit der bemerkenswerten Summe von 20 Milliarden Euro die Verbesserung der Führungsfähigkeit. Dabei geht es vereinfacht gesagt um digitalisierte und verschlüsselte Kommunikation, an der es in der Bundeswehr großflächig mangelt. Ein aktuelles Problem der Zusammenarbeit sowohl innerhalb der Verbände als auch mit den Nato-Verbündeten. Am Rande sei erwähnt, dass für die Streitkräfte noch im September letzten Jahres für 600 Millionen Euro analoge Funkgeräte aus den 1980er Jahren nachbestellt wurden. Wer hat nun diese Investitionsruine zu verantworten? Politische Kreise werden mit dem Finger auf das Militär und die Beschaffungsorganisation zeigen. Dass für die Digitalisierung aber jahrelang nicht die erforderlichen Haushaltsmittel vorhanden waren, zwang dazu, die vorhandenen analogen Gerätschaften zu erneuern. Die Verantwortung für diese 600-Millionen-Pleite liegt klar auf politischer Seite (siehe hier)        

Analoge und digitale Technikwelten                   

Ein Beispiel für die derzeit im deutschen Heer aufeinander stoßenden Technikwelten: In einer Panzerbrigade wird der digitalisierte Schützenpanzer Puma zusammen mit dem Kampfpanzer Leopard eingesetzt, der lediglich über eine analoge Funkgeräteausstattung verfügt. Konsequenterweise wurde in die Projektliste Führungsfähigkeit die Digitalisierung landbasierter Operationen (DLBO) in der sogenannten Basis-Ausbaustufe aufgenommen. Darunter ist die Beschaffung digitalisierter Funkgeräte zu verstehen. Der Ausbau von Gefechtsständen mit Führungssystemen und Funkgeräten ist Teil davon, damit künftig die Vorteile eines digitalisierten Funkverkehrs zwischen allen Beteiligten möglich werden ( siehe hier).

Beteiligte im Einsatz sind beispielsweise auch die Panzergrenadiere als Besatzung des Schützenpanzers Puma. Diese Soldaten sind bzw. werden mit dem sogenannten “Infanterist der Zukunft – erweitertes System – (IdZ-ES)“ ausgerüstet. Diese modulare Kampfausstattung ermöglicht es, abgesessen operierende Soldaten in die vernetzte Operationsführung einzubinden. Aufgabe ist das Entdecken, Erkennen und Identifizieren von Zielen und deren Bekämpfung mit entweder eigenen Kampfmitteln oder durch andere Effektoren, die im Verbund mit anderen Kräften eingesetzt werden.

F-35-Flugzeuge für die Luftwaffe

Das Kern- und Helmsystem dieses IdZ-ES wird über einen Akkupack mit Energie versorgt. Den Kernrechner trägt der Panzergrenadier zusammen mit der Energieversorgung auf dem Rücken („Elektronischer Rücken“). Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, gehören hierzu Karte/Lagedarstellung, Navigation und verschiedene Aufklärungs- und Zielmöglichkeiten. Über ein Bedien- und Anzeigegerät oder alternativ seinen OLED-Helmdisplay kann der Soldat die Lage im Führungssystem und die Kommunikation mit steuern. Die schichtweise aufgebaute Bekleidung lässt sich an die vorhandenen Umwelt- und Temperaturbereiche anpassen. Der einfach ausgestattete Infanterist der Vergangenheit wird so zum Kampfsystem der Zukunft (siehe hier). 

Infanterist der Zukunft

Die Bestandteile dieses Systems setzen sich modular aus verschiedenen Ausbaustufen je nach  Einsatzsituation zusammen. Zum Basissystem gehören neben der Bekleidung eine Grundausstattung sowie das Gewehr G36. Hinzu kommen bei Bedarf weitere Waffen wie ein Maschinengewehr oder Zusatzausstattungen wie Schutzwesten, Funkgeräte, Bildverstärker- und Laserlichtmodule bis zu sogar einer Ladestation für die Batterien. Diese je nach Kampfauftrag flexibel zusammengestellten Hilfsmittel können sich für den einzelnen Soldaten auf mehrere Dutzend Kilogramm summieren. In früheren Zeiten hätte man den Infanteristen Maulesel beigestellt, damit sie nicht wie Tragtiere bepackt im Feld operieren müssen.

100 Milliarden Sonderschulden

Nicht nur ehemalige Soldaten werden ungefähr abschätzen können, welch ein Wust an Ausstattung und Ausrüstung heutzutage selbst auf Infanteristen in einer modernen Armee zukommt. Allein die Bekleidungs- und Ausrüstungsbestandteile, die Waffen, elektronischen Gerätschaften und weiteren Hilfsmittel auf Stand und einsatzbereit zu halten, ist eine ständige Herausforderung. Wer Bilder aus dem Ukraine-Krieg sieht, wird sich fragen, wie das alles in einer komplexen Gefechtssituation mit langen Versorgungswegen funktionieren soll. Können die Nachschieber die Versorgungsketten für ausgefallene oder verlorengegangene Teile immer wieder neu auffüllen, ist die Preisfrage!

Die Versorgung der kämpfenden Truppe mit ausreichenden Mengen an Munition, sowie an Betriebs- und Kraftstoffen war noch immer ausschlaggebend für Sieg oder Niederlage. Auch im Ukraine-Krieg erweist sich auf Seiten der russischen Angreifer wie auch der ukrainischen Verteidiger die Logistik als Schlüsselelement. Kann die kämpfende Truppe nicht ordentlich versorgt werden, droht die Handlungsunfähigkeit. Keine ganz neue Erkenntnis. Und die benötigten Mengen sind gewaltig, die russische Armee dürfte bei ihrem großflächigen Artillerieeinsatz allein Güterzüge voller Artilleriemunition benötigen. 

Energieversorgung auf dem Gefechtsfeld

Beschränken wir uns hier auf die Frage, wie die zunehmende Zahl an Kleingeräten auf dem Gefechtsfeld mit Energie versorgt werden kann. Die modernste Geräteausstattung ist wertlos, wenn der Saft ausgeht. Hierzu zählen eine ganze Reihe von Energieverbrauchern wie Generatoren für Kommando- und Kommunikationsposten, Feldlagerbetriebssysteme und Feldlazarette, diverse abgesetzte Systeme und Geräte wie auch die oben erwähnte Versorgung der einzelnen Soldaten mit Akkupacks für deren elektronischen Rücken.

Dass selbst dies keine Kleinigkeit darstellt, wird daran deutlich, dass die Akkupacks der Soldaten alle zwei bis drei Stunden erneuert werden müssen. Soll die Erzeugung der erforderlichen Energie auch künftig herkömmlich geschehen, mit lauten dieselbetriebenen Generatoren, die Emissionen erzeugen und vergleichsweise leicht entdeckbar sind? Moderne Alternativen hierzu sind emissionsfreie Wasserstoff- und Direktmethanol-Brennstoffzellen. Diese sind marktverfügbar als tragbare, stationäre und mobile Hybridstromversorgungslösungen. In Frage kommende Geräte sind nicht nur leise und umweltfreundlich, erfordern einen nur geringen Wartungsaufwand und sind nicht zuletzt leicht verlegbar. Sofern diese Brennstoffzellensysteme mit Akkus kombiniert werden, ermöglichen sie eine Dauerlast mit hohem Wirkungsgrad. 

Es ist eine diffizile Aufgabe, die sich aus dem Sondervermögen zur Beschaffung ergebenden Chancen für die Bundeswehr so zu nutzen, dass auch die weniger prestigeträchtigen Bereiche davon profitieren können. Ein Beispiel ist der Ersatz vorhandener Dieselaggregate durch effiziente und auch noch umweltfreundliche Brennstoffzellenlösungen. In der Öffentlichkeit finden diese Themen kaum statt, sie haben für die Medien wenig Neuigkeitswert und bleiben unter dem Radar der Politik. Auch die Generalität sonnt sich lieber in Großprojekten, statt sich mit Kleinzeugs zu befassen.

Der Einsatzwert einer Armee ergibt sich neben gut ausgerüsteten, ausgebildeten und motivierten Soldaten aber aus einem möglichst friktionsfreien Zusammenwirken einer kaum überschaubaren Vielzahl technischer Hilfsmittel. Kampfflugzeuge, schwere Transporthubschrauber oder milliardenteure Fregatten sind nur die sichtbare Spitze eines riesigen Eisbergs. Es ist höchste Zeit, sich um die vermeintliche Peripherie zu kümmern, bevor die Großprojekte das Sondervermögen aufsaugen. 

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