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Der Spiegel fantasiert: „Abschied von russischem Gas schon früher möglich“

Published On: 23. Juli 2022 15:54

Der Spiegel meldet unter Berufung auf „Experten der Boston Consulting Group“, dass Deutschland schon vor 2024 unabhängig von russischem Gas sein könnte. Wer den Artikel liest, stellt fest, dass das reines Wunschdenken ist.

Am 23. Juli hat der Spiegel einen Artikel mit der Überschrift „Energie-Studie – Abschied von russischem Gas schon früher möglich“ veröffentlicht, der mit folgender Einleitung begann:

„Deutschland will ab Sommer 2024 vollständig auf Gaslieferungen aus Russland verzichten, plant die Bundesregierung. Es könnte auch schneller gehen, sagen die Experten der Boston Consulting Group.“

Wer nur die Überschrift und diese Einleitung auf der Startseite des Spiegel gesehen hat, der könnte versucht sein, sich beruhigt zurückzulehnen, denn das klingt so, als seien alle Probleme gelöst. Das stimmt nicht, denn die Studie geht von vollkommen unrealistischen Voraussetzungen aus, wie man in dem Artikel auch durchaus erkennen kann.

Der Artikel beginnt mit folgendem Absatz:

„Deutschland könnte laut einer neuen Berechnung deutlich früher von russischem Gas unabhängig werden als bislang angenommen. Werden alle verfügbaren Möglichkeiten genutzt, könnte die Bundesrepublik bereits vor dem Winter 2023 ihren Gasbedarf komplett aus anderen als aus russischen Quellen decken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG), die dem SPIEGEL vorliegt.“

Danach werden die Voraussetzungen aufgezählt, die eintreffen müssen, damit das klappt. Und die schauen schauen wir uns einmal an.

Die Flüssiggasterminale

Als erste Voraussetzung schreibt der Spiegel:

„Knapp 37 Prozent der im nächsten Jahr benötigten Energiemenge würden demnach die geplanten Flüssigerdgas-Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven beisteuern, die 2023 in Betrieb gehen sollen.“

Das klingt beruhigend, aber es ist kaum realistisch, denn es gibt immer noch nur knapp 500 Flüssiggastanker auf der Welt, die damit ausgelastet sind, vor allem Asien mit Flüssiggas zu beliefern. Wenn Deutschland seine Terminals auslasten will, dann wird es mit anderen Märkten in einen Bieterwettstreit um das Flüssiggas eintreten müssen. Um dabei zu gewinnen, muss Deutschland die höchsten Preise für das Flüssiggas anbieten. Das würde eine deutliche Verteuerung von Gas bedeuten und was das für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und für deutsche Arbeitsplätze bedeutet, versteht jeder auch ohne ein Studium der Volkswirtschaftslehre absolviert zu haben.

Hinzu kommt, dass Deutschland sich trotz Habecks Kniefall in Katar mit den Arabern noch immer nicht auf einen Liefervertrag für Flüssiggas einigen konnte. Die Studie geht also von einem maximal positivem Szenario aus, wobei die Folgen der hohen Gaspreise offensichtlich nicht berücksichtigt wurden.

Alle EU-Länder müssen Deutschland helfen

Die nächste Voraussetzung ist:

„Gut 29 Prozent würden von anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union erbracht, wenn diese wie von der EU-Kommission vorgesehen Energie einsparen und zusätzliche Mengen an Pipeline- und Flüssiggas nach Deutschland liefern.“

Das ist wieder reines Wunschdenken, denn ob die EU-Staaten die von der EU-Kommission willkürlich diktierten Sparziele tatsächlich erreichen können und wollen, steht in den Sternen.

Noch unrealistischer ist aber, dass andere EU-Staaten in dieser Situation Gas an Deutschland liefern. Mehr Pipelinegas dürfte kaum nach Deutschland kommen, denn die Gasförderung zum Beispiel in Norwegen ist schon praktisch auf Maximum und kann nicht erhöht werden. Da Flüssiggas auf dem Weltmarkt wegen der Politik der EU teurer werden wird, werden andere EU-Staaten kaum allzu viel davon übrig haben, um es nach Deutschland zu pumpen.

Der Traum von alternativen Energien

Eine weitere in dem Spiegel-Artikel genannte Voraussetzung ist:

„Mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien im Rahmen der Klimawende könnte Deutschland mehr als zehn Prozent des zusätzlichen Bedarfs decken, in etwa so viel wie durch längere Laufzeiten der verbliebenen drei Kernkraftwerke.“

Die alternativen Energien, also Wind und Sonne, sind extrem unzuverlässig. Im Sommer 2021 hat der fehlende Wind die Gaskrise des letzten Winters mit verursacht, weil russisches Gas, das eigentlich in die Gasspeicher gepumpt werden sollte, mangels Windenergie in Stromkraftwerken verheizt wurde.

Wer nach dieser Erfahrung zur Lösung von Energiekrisen auf einen weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien setzt, lebt in einem Traumland und riskiert nicht nur große Schäden für die deutsche Wirtschaft, sondern auch die Energiesicherheit der privaten Haushalte.

Der abgeschaffte Klimawandel

Besonders absurd ist angesichts der Klimahysterie die nächste in dem Spiegel-Artikel genannte Voraussetzung:

„Knapp acht Prozent könnten Industrie und Stromwirtschaft beisteuern, wenn kurzfristig Gas durch Kohle und Öl ersetzt wird.“

Jahrelang haben uns Politik und Medien damit bombardiert, dass wir alle demnächst an den Folgen des Klimawandels sterben, wenn nicht ganz schnell alle Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Das scheint vergessen zu sein, denn nun setzt man plötzlich wieder auf Kohle als Energieträger. Zwar könnte die Kohle tatsächlich einen Teil des russischen Gases ersetzen, aber man fragt sich sofort, was es über das intellektuelle Niveau der Wähler der Grünen-Wähler aussagt, wenn sie das klaglos schlucken, anstatt ihre dafür verantwortlichen Minister Habeck und Baerbock umgehend in die Wüste zu schicken.

Man kann ja der Meinung sein, dass Putin ganz böse ist und dass man der Ukraine um jeden Preis helfen muss, aber egal, was in der Ukraine gerade passiert, es kann nicht schlimmer sein als der Weltuntergang wegen der Kohlenutzung, den uns die Grünen seit Jahren prophezeien. Trotzdem schlucken Grünen-Wähler diese 180-Grad Kehrtwende praktisch widerstandslos – und das wirft bei mir Fragen über deren geistige Fähigkeiten auf.

Frieren gegen Putin

Die letzte Voraussetzung, die der Spiegel nennt, um schon 2023 unabhängig vom russischen Gas zu werden, lautet:

„Rund drei Prozent bringt eine um zwei Grad abgesenkte Raumtemperatur in Wohngebäuden.“

Ich denke, das muss ich nicht weiter kommentieren. Stellen Sie sich einfach vor, Sie hätten kleine Kinder, die in der eigenen Wohnung ständig frieren…

Fazit

Der Spiegel hat natürlich recht, Deutschland kann schnell unabhängig vom russischen Gas werden, wenn es seine Wirtschaft und den ohnehin bescheidenen Wohlstand der Bevölkerung vernichten will. Aber realistisch gesehen ist das, was der Spiegel schreibt, eine Aneinanderreihung von Wunschvorstellungen, bei denen alles „perfekt“ laufen muss, damit Deutschland sich vom russischen Gas verabschieden kann.

Und selbst in diesem Idealfall würden Wirtschaft und Privathaushalte unter massiv gestiegenen Energiepreisen leiden und die Menschen würden zu Hause auch noch frieren. Ist das Ihre Vorstellung von einer erfolgreichen Unabhängigkeit von russischem Gas?

Ironisch gesagt: Deutschland könnte schon morgen vollkommen unabhängig von russischem Gas werden, wenn man die deutsche Industrie abschalten, die Wohnungen mit Kerzen beleuchten und anstatt auf Heizung auf warme Pullover setzen würde.

Warum habe ich das Gefühl, dass der Spiegel sogar ein solches Szenario mit der Überschrift „Der sofortige Abschied von russischem Gas ist möglich“ kommentieren würde?