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Das Spargipfele zu Stuttgart

Published On: 26. Juli 2022 10:50

In Baden-Württemberg steigt Kretschmann ein in das Rennen um die schönsten Sparvorschläge. Nach dem Sommer soll eine Kampagne gestartet werden, die den Bürgern einhämmert, was Ziel sein soll: Sparen: das gerade in dem Land, das nachgerade für Sparsamkeit steht, ist schon recht grobhumorig.

picture alliance/dpa | Marijan Murat

Der wichtigste Satz fiel erst gegen Ende: »Über Atomkraftwerke ist nicht gesprochen worden.« Gesprochen von Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) erst auf Nachfrage, und damit war eigentlich »älles gschwätzt«.

Kretschmann hat erkannt: »Der russische Präsident Wladimir Putin setzt auch die Energie als Waffe ein. Er will uns vorführen und spalten, und das werden wir nicht zulassen.« Deswegen hat Kretschmann zum »Spargipfel« eingeladen: »Land und Kommunen, Wirtschaft und Gewerkschaften, Handwerk, Genossenschaften, Energieversorger, Netzbetreiber, Betreiber, Verbraucher und Sozialverbände sind heute zusammengekommen. Das Kabinett war praktisch vollständig anwesend, und ich will einfach mal sagen, das war ein von der Atmosphäre her ein sehr produktiver Gipfel. Und man hat einfach gespürt, dass alle entschlossen sind, dass wir das gemeinsam meistern.«

Der Chef der Bundesnetzagentur, der von Habeck eingesetzte grüne Parteisoldat Müller, erzählt zunächst von einer angespannten Situation und meinte, nur mit deutlichen Einsparungen könne in den beiden kommenden Wintern eine Mangellage vermieden werden. Er hat offenbar noch nicht seine neue Rolle begriffen; die Bundesnetzagentur hat den gesetzlichen Auftrag, die Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland sicherzustellen und nicht, einen Mangel zu verwalten. Also: Wo kommt Energie künftig her – und nicht: was geht künftig alles nicht mehr?

Kretschmann habe ihm deutlich gemacht, dass die Bundesnetzagentur für eine »gleichmäßige, bedarfsgerechte Verteilung des Gases im gesamten Netz der Bundesrepublik Deutschland« sorgen solle. Es seien »große Ängste im Spiel«, meinte er über die vielen Unternehmen, deren wichtigste Geschäftsgrundlage Energie ist.

Genauere Zahlen, um welche Energiemengen es beispielsweise geht – mit solch schon fast lächerlichen Details hält man sich in Stuttgart nicht mehr auf. Kaum Zahlen also, dafür großes Wortgeklingel vom gemeinsamen Sparen.

In Baden-Württemberg steigt der Ministerpräsident ein in das Rennen um die schönsten Sparvorschläge. Nach dem Sommer soll eine Kampagne gestartet werden, die den Bürgern einbläut, was Ziel sein soll: Sparen, sparen, sparen. Dass Kretschmann und seine grüne Umweltministerin damit gerade in jenem Land auftreten wollen, das nachgerade für Sparsamkeit steht, ist schon sehr grobhumorig.

Energieminsterin Walker will den Schwaben sogar das alte Sprichwort weismachen: »Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Also das ist jetzt das Motto für die nächsten Monate und dann gelingt es uns meiner Meinung nach sehr gut, auch durch diesen Winter zu gehen.«

»Wir« können bis zu 20 Prozent Gas einsparen, meinte sie, die noch vor kurzem das Ziel der Landesregierung, 1.000 Windräder zu bauen, für realistisch hielt. Die vergangenen Tage, in denen sich Windräder kaum drehten, zeigten, dass damit der Energiemangel nur noch größer wird.

Sparvorschläge sollen gemacht werden, wo Industrie und Haushalte Energie sparen können. Spaß- und Hallenbäder könnten auch schon mal geschlossen werden, um Gas zu sparen, so Kretschmann in der vergangenen Woche. Wer braucht schon etwas Spaß in diesen Zeiten.

Plötzlich ist Patriotismus angesagt, der sonst als fürchterlich »rechts« gilt, doch jetzt haftet ihm nichts Böses mehr an: Gassparen ist patriotisch.

Alarmstimmung kann aufkommen, wenn der Ministerpräsident eines Industrielandes wie Baden-Württemberg allen Ernstes Binsenweisheiten von sich gibt: »Unsere Gesellschaft ist heute so vernetzt, dass eins ins andere greift. … 70 Prozent der Bäcker backen mit Gas und wenn die nicht mehr mit Gas, dann haben halt 70 Prozent keine Wecken mehr am Morgen und kein Schwarzbrot am Abend. Also daran sieht man, wie das ineinandergreift.«

Die wesentliche Voraussetzung für ein Industrieland ist preiswerte und verfügbare Energie. Sonst klappt das nicht. Zum Energiesparen muss eine Industrie nicht aufgefordert werden, das tut die allein, Energieeinsatz kostet bekanntlich Geld.

Immerhin ist ihm klar, was droht, wenn keine oder zu wenig Energie vorhanden ist: »Wenn wir in eine Gasnotlage reinlaufen, werden die Fliehkräfte groß sein. Größer als bei Corona, und dieses Problem haben wir ja noch zusätzlich an der Backe.«

Innenminister Thomas Strobl, der sich gerade nur mühsam gegen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen über Weitergabe von Dienstgeheimnissen wehren kann und einen entsprechenden Untersuchungsausschuss überstehen muss, ruft schwitzend: »Baden Württemberg spart gemeinsam Energie.« Und schickt als Drohung noch nach, dass sich das Innenministerium »intensiv und mit voller Kraft auf die kommenden Wintermonate« vorbereite und er Sparen nötigenfalls »mit harter Hand« durchsetzen werde.

Das Land wolle beim Energiesparen vorangehen. Enger zusammenrücken sollen die Landesbediensteten, die Räume durch gemeinsame Schreibtische sollen besser genutzt werden. Immerhin sorgt das für zusätzliche Energie. Jeder Mensch gibt um die 100 Watt im Ruhemodus ab, das wärmt also.

Wärmereduzierung in den Gebäuden des Landes bedeutet, dass die Temperaturen auf das gesetzlich vorgeschriebene Minimum gesenkt werden. Warmwasser soll es nur noch dort geben, wo es notwendig ist und ungenutzte Räume sollen nicht mehr beheizt werden. Im übrigen gilt: Schimmel marsch. In kalten Räumen sinkt der Taupunkt, an kalten Wänden und in den Ecken sammelt sich Feuchte, schnell bildet sich Schimmel. Ein nicht gering genug zu schätzender zivilisatorischer Effekt einer warmen Wohnung wird kurzerhand von grüner Politik zunichte gemacht.

Kretschmann wies auf das Berliner »Erfolgsmodell« hin, den Gasbedarf in kurzer Zeit erheblich gesenkt zu haben und sich vollständig unabhängig zu machen, sei ein Erfolg. Dass man einsparen kann, was man nicht hat, ist auch eine neue Erkenntnis des Spargipfels.

»Schwarmintelligenz« hat er in der vergangenen Woche tatsächlich als das einzige Mittel benannt, um beim Energiesparen voranzukommen. Er hat nicht dazu gesagt, wieviel Schwarmintelligenz bereits im Spiel war, das vorletzte Kernkraftwerk Baden-Württembergs, Philippsburg, abzuschalten und die Kühltürme in die Luft zu sprengen.

Das letzte Kernkraftwerk Baden-Württembergs im eine Dreiviertelstunde von der Landeshauptstadt mit dem Auto entfernt gelegenen Neckarwestheim soll ebenfalls zum Ende des Jahres abgeschaltet werden. Auch ein bei dramatischem Energiemangel nicht zu erklärender Akt. Kein Thema natürlich beim »Spargipfele« in Stuttgart.

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