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«Man sollte die mRNA-Impfstoffe gezielt und sparsam einsetzen»

Published On: 27. Juli 2022 9:55

Martina Frei /  Beim Impfen alle über 60-Jährigen über einen Kamm zu scheren, sei «mittelalterlich», sagt der Immunologe Andreas Radbruch. (Teil 1)

Die Impfkommission in der Schweiz empfiehlt allen ab 80-Jährigen sowie Personen mit schwerer Immunschwäche eine zweite Boosterimpfung. In Deutschland rät die Impfkommission (Stiko) allen über 70-Jährigen, Pflegeheimbewohnern, Gesundheitspersonal und jüngeren Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem zur vierten Covid-Impfung. Der deutsche Gesundheitsminister findet, auch die unter 60-Jährigen sollten sich jetzt ein viertes Mal impfen lassen.

Was gilt aus immunologischer Sicht, Herr Radbruch? 

Manchmal hat man den Eindruck, dass die Erkenntnisse zum immunologischen Gedächtnis noch nicht allgemein bekannt sind. Man muss nicht immer wieder boostern, die Immunität hält. Das Immungedächtnis ist ab einem gewissen Punkt «gesättigt». Die Immunreaktion mit ständigen Auffrischimpfungen dauernd «am Leben zu erhalten» ist ungesund. Und alle über 60-Jährigen über einen Kamm zu scheren, ist mittelalterlich.

Ist das immunologische Gedächtnis tatsächlich so gut?

Zwei mRNA-Impfungen bieten jüngeren Erwachsenen einen Schutz von etwa 90 Prozent vor schwerer Erkrankung. Nach drei Impfungen sind es rund 94 Prozent, auch gegenüber der Omikron-Variante. Das ist extrem gut. Was will man da noch draufsetzen? Die meisten haben nach drei Impfungen schon so hohe Antikörperspiegel, das verbessert sich mit einer vierten Impfung höchstens noch marginal. Eine vierte Impfung holt – vielleicht – noch zusätzliche zwei Prozent heraus – aber die Nebenwirkungen bleiben, und es ist möglich, dass sie sich verstärken. 

Zur Person

Professor Andreas Radbruch ist wissenschaftlicher Direktor am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum in Berlin. Der 69-jährige, mehrfach ausgezeichnete Immunologe beschäftigt sich seit über 40 Jahren mit der Reaktion des Immunsystems auf Krankheitserreger und Impfstoffe. Seit 1998 ist Andreas Radbruch Professor für Experimentelle Rheumatologie an der Humboldt Universität Berlin. Er war früher Präsident der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, aktuell ist er Vizepräsident der Föderation europäischer immunologischer Fachgesellschaften und Mitglied der deutschen Leopoldina (Nationale Akademie der Wissenschaften) – um nur einige seiner vielen Funktionen zu nennen. 

Aber es ist doch offenkundig, dass die Impfwirkung relativ rasch nachlässt?

Nach einer Impfung oder Infektion verbleibt der Fremdstoff bis zu einem halben Jahr im Körper, bis er beseitigt ist. In dieser Zeit «präzisieren» die Immunzellen die Abwehr immer mehr. Es bilden sich sogenannte Plasmazellen, die immer bessere Antikörper absondern und die im Knochenmark überleben, auch wenn der Impfstoff schon lange weg ist. Sie bilden dann ständig Antikörper, die das Antigen sehr gut erkennen und binden. Das funktioniert über Jahrzehnte, oft lebenslang. Die Immunität gegen schwere Erkrankung und Tod hält also, auch wenn die Antikörperspiegel nach der Impfung im Blut nach einiger Zeit abfallen. Die Antikörper sind zwar weniger, aber sehr viel besser, so nachhaltig arbeitet unser Immunsystem.

Trotzdem erkranken gegenwärtig reihenweise Menschen, die dreimal geimpft sind. Widerlegt das nicht ihrer Aussage?

Nein, es gibt eine Immunität gegen Ansteckung und eine Immunität gegen schwere Krankheitsverläufe. Die Impfstoffe schützen uns davor, dass die Viren sich nicht so im Körper ausbreiten können, dass man auf die Intensivstation muss und dort künstlich beatmet werden muss. Vor einer Ansteckung ist man nur marginal geschützt, und krank wird man trotzdem. Um uns vor Ansteckung zu schützen, müssten die Antikörper aus dem Blut durch die Haut der Atemwege bis in die Schleimschicht der Nase und der Lunge transportiert werden. Dazu gibt es spezielle Transportsysteme, die aber von den Impfstoffen nicht dauerhaft aktiviert werden. So fällt der Schutz vor Ansteckung ein halbes Jahr nach den ersten Impfungen auf rund 50 Prozent. 

«Die vierte Impfung mit dem Originalimpfstoff lohnt sich für die meisten nicht!»

Andreas Radbruch, Immunologe

Eine Kollegin von Ihnen, die Immunologin Christine Falk, sagte im «Spiegel», «man müsste schon einige Male hintereinander im Abstand von nur wenigen Monaten boostern, bis eine Erschöpfung einsetzt. Mit einer vierten Dosis macht man erst einmal nichts kaputt.» Warum sind die Einschätzungen auch unter Immunologen so unterschiedlich?

Ich würde es da erstmal mit dem Vorsitzenden der Stiko halten, Herrn Mertens, der ganz richtig festgestellt hat, dass beim Impfen nicht der Grundsatz gilt «Viel hilft viel». Es sollte vielmehr ein eleganter Dialog mit dem Immunsystem sein. Inzwischen gibt es ja die Daten aus Israel, die zeigen, dass nach einer vierten Impfung der Schutz vor Ansteckung nur 10 bis 30 Prozent beträgt, das ist nicht der Rede wert. Und bereits nach der dritten Impfung haben wir nach einer amerikanischen Untersuchung 94 Prozent Schutz vor schwerer Erkrankung. Ob die vierte Impfung da noch irgendwas draufsetzt, ist unklar, und wenn, dann wird es nur wenig sein. Résumée: Die vierte Impfung mit dem Originalimpfstoff lohnt sich also für die meisten nicht!

Die mRNA-Impfstoffe, die seit Beginn der Impfkampagne verimpft werden, wurden auf die anfängliche Virusvariante «zugeschnitten». Kann man denn jetzt etwas «kaputt machen» mit der vierten Impfung oder nicht?

Das ist noch nicht so klar. Es gibt eine erste Untersuchung, die zeigt, dass das Immunsystem durch zu viel Kontakt mit der ursprünglichen Wuhan-Virusvariante so geprägt wird, dass es nicht mehr gut auf neue Varianten reagiert. Es verliert seine Flexibilität. Ob das jetzt schon durch die vierte Impfung passiert oder erst später, ob bei allen, oder nur bei geimpften Genesenen, das wird die Zeit zeigen. Ich wäre jedenfalls vorsichtig mit der Aussage, dass die vierte Impfung nichts kaputt macht. Wir wissen das einfach nicht genau. 

Nach Immunstatus impfen

Was macht Sie sicher, dass wir die weniger schweren Krankheitsverläufe den Impfungen zu verdanken haben und nicht der milderen Omikron-Variante oder dem Umstand, dass viele der vulnerabelsten Personen leider an Covid verstorben sind?

Das wissen wir nicht genau. Vermutlich haben alle drei erwähnten Punkte dazu beigetragen. Aber dass die dritte Impfung zu 94 Prozent vor schweren Krankheitsverläufen schützt, also Beatmungspflicht und Tod, auch bei Omikron, zeigt eine neue Untersuchung der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC. 

Alle Impflinge aufgrund ihres Alters über einen Kamm zu scheren, sei «mittelalterlich», sagen Sie. Wie sollte man differenzieren?

Besser wäre, nach Immunstatus zu impfen, indem man die Antikörperwerte im Blut misst. Ich verstehe, dass das in der Praxis schlecht für alle umzusetzen ist. Aber es hat sich gezeigt, dass Menschen mit einem hohen Antikörperspiegel nach der dritten Impfung auf eine vierte Impfung überhaupt nicht reagieren. Die vierte Impfung bringt bei den Menschen noch etwas, deren Antikörperspiegel auch nach der dritten Impfung nur sehr gering sind. Alle anderen sollten sich, wenn überhaupt, erst dann zum viertem Mal impfen lassen, wenn eine gefährliche neue Virusvariante auftaucht und es einen wirkungsvollen angepassten Impfstoff gibt. 

«Der Körper will nicht, dass das Immunsystem dauernd wieder «angeheizt» wird.»

Andreas Radbruch, Immunologe

Sie sagen selbst, dass die Antikörperspiegel nach einiger Zeit abfallen, der Mensch aber trotzdem immun ist. Was soll die Bestimmung das Antikörperspiegels dann bringen? Und wie hoch sollten die Antikörperspiegel sein für einen Schutz?

Wir Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf einen Impfstoff. Das ist die Natur unseres Immunsystems. Manche reagieren sehr gut, andere eben nicht. Es gibt Menschen, bei denen schlägt die Impfung nur schlecht an. Sie produzieren kaum Antikörper, auch nicht nach einer fünften Impfung. Bei den anderen kann man es eigentlich am besten rückblickend erkennen: Wenn die vierte Impfung den Antikörperspiegel kaum noch erhöht, verglichen mit der dritten, dann ist das Immunsystem «gesättigt» und weitere Impfungen bringen keinen zusätzlichen Nutzen

Sie haben die Nebenwirkungen der Impfung erwähnt, die sich nach mehrfachen Impfungen verstärken könnten. Wenn sich aber die Wirkung nicht mehr gross verbessert, wieso sollten dann die Nebenwirkungen nach der vierten Impfung zunehmen?

Bei jeder Impfung kann es zu Entgleisungen kommen, in seltenen Fällen sogar mit der Folge einer Autoimmunerkrankung. Der Körper will eigentlich Ruhe und nicht, dass das Immunsystem dauernd wieder «angeheizt» wird. Wer jetzt dafür votiert, sich alle sechs oder zwölf Monate gegen Covid impfen zu lassen, der verkennt diese immunologischen Abläufe. In einer israelischen Studie hatten 40 von 100 viermal Geimpfte Nebenwirkungen, die den ganzen Körper betrafen, zum Beispiel Fieber. Unsere mRNA-Impfstoffe sind super gut. Man sollte sie aber einsetzen, wie jedes andere Medikament auch: gezielt und sparsam. Eine vierte Impfung mag für ältere, vulnerable Menschen sinnvoll sein, sie ist es jedoch nicht für alle.

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➞ Lesen Sie demnächst Teil 2 des Interviews.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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